Also erstmal: allen ein frohes neues Jahr. Das ist schon mal wichtig. Früher … ziemlich früher … waren diese Wünsche wichtig. Sie waren die andere Seite des „bösen Blicks“. Während der „böse Blick“ einem ordentlich ins Leben hageln konnte, so konnte die Kraft des guten Wunsches … „Segen“ im eigentlichen Sinne … einem die Wege ebnen. Reste dieses Glaubens finden sich heute nur noch in Märchen und in der Physik. In neuer Sprache würde man sagen: Segen kann den Weg durch die Geschichte leichter machen, in dem es die Kanten des sechsdimensionalen Pfades ebenet, Fluch schärft diese Kanten.
Darum für alle, die dies lesen: meinen Segen für Euch. Schaden tut´s mit Sicherheit nicht.
Wenn man so in der feingesponnen medialen Welt bäuerlich herumtrampelt, wie ich es gelegentlich tut, muß man sich auch mal die Frage gefallen lassen: ja, was wäre denn zu tun? Alles geht den Bach ´runter, die Welt geht unter (nur die Frage des „wie“ wird gerade noch geklärt – Wirtschaft oder Klima oder vielleicht doch Atom): was soll man denn da als einzelner noch tun? Bleibt man da lieber nicht zu Hause und genießt die letzten Stunden?
Ja, das kann man machen. Halte ich nicht für verwerflich. Wir wissen nicht, was die Zukunft bringt und die Gewalten die nun gegen uns aufgestanden sind sind derart mächtig, das wir sie in ihrem Einfluß auf unser Leben nur noch mit Göttern vergleichen können, um sie überhaupt fürs Gemüt faßbar zu machen.
Sie bestimmen die zellulare Struktur unseres Essen, die Giftigkeit von Luft und Boden, wann wir aufstehen und wann wir schlafen gehen, wann wir arbeiten und wann wir ruhen, was wir denken dürfen und woran wir glauben dürfen….und noch vieles mehr. Sieht man sich an, wie sich das Gesicht der Welt durch diese Gewalten geändert hat, dann kann man keine Hoffnung haben, das es sich hierbei um gute Götter handelt. Eher denkt man dort an übelstes Gezücht aus den gottfernsten Leeren des Universums…und man tut gut daran, so zu denken, denn man hält sich an einen klassischen Managementgrundsatz: „Even the worsest case“. Immer den schlimmsten denkbaren Fall annehmen, dann wird man das Problem mit Sicherheit lösen können.
Der schlimmste Fall wäre, es würde sich um echte Götter handeln. Aber dieser Fall … tritt nicht ein.
Erstens wären wir durch unsere Sterblichkeit nur für einen begrenzten Zeitraum in ihrem Herrschaftsbereich, zweitens dürfte man dann auch die Hilfe von guten Göttern aus den lichteren Gefilden des Universums hoffen. Man sieht (und das erkannten schon die alten Griechen, die die Wiege unserer ganzen Kultur darstellten) in unserem Sandkasten dürfen wir ohne Rückgriff auf Götter spielen.
Aber es hilft, die Größe der vor uns liegenden Herausforderung zu erfassen. Krieg gegen Mächte zu führen, die für die alten Griechen gottgleich waren, fordert uns heraus zu kleinen Heraklessen zu werden.
Sowas macht sich auch schicker auf dem Sterbebett als vierzig Jahre Kassenwart im Karnevalsverein.
Dieser Krieg kann nicht geführt werden wie die früheren Kriege. Das liegt einzig und allein an der Qualität der Waffentechnik. Das der Adel durch den Bürger ersetzt wurde, lag unter anderem auch daran, das nach der weiten Verbreitung von Schußwaffen die relative Unverletzlichkeit des Adels durch Körperpanzer für Reiter und Pferd nicht mehr gegeben war. Schon Armbrüste stellten eine Gefahr da … weshalb die Kirche wegen ihnen die erste Abrüstungskonferenz der Weltgeschichte 1193 ins Leben gerufen hatte – immerhin war die Kirche dominiert von den zweitgeborenen Adeligen und die fürchteten um das Leben ihrer Geschwister.
1789 war das Pendel für einige Jahre auf die andere Seite geschlagen. Massenheere aus Bürgern bestimmten das Schlachtfeld, das forderte Konsequenzen für die Bürgerrechte, bis die Massenvernichtungswaffen soweit gediehen waren, das der Adel wieder sicher war. In dieser Welt leben wir heute…und es ist eine Welt, die mehrere große Chancen enthält, Chancen für eine wunderbare, lebenswerte Zukunft wo man wieder zurecht Angst vor dem Tod haben kann, weil man weiß, das man mit Sicherheit was ganz Tolles verpassen wird.
Es wird Krieg geben, es wird ihn geben müssen. Darüber muß man sich klar werden, denn es ist eine sehr ernste Sache. Man sollte sie auch Krieg nennen, um sich der Ernsthaftigkeit sehr bewußt zu werden. Aber es kann ein Krieg sein, der nicht einen Schuß erfordert, um ihn zu gewinnen.
Führen muß man ihn, da gibt es keine Wahlalternative…jedenfalls würde ich am heutigen Tage im Moment keine mehr erkennen. Nachdem die Welt heute jubelt, das 2009 für den Dax ein Superjahr war, wo Gewinne bis zu 60 % drin waren, sollte jedem klar sein, das wir Menschen, unsere Arbeitsplätze, unsere Lebensqualität und unsere Zukunft bedinungslos dem Götzen Dax und seinen Genossen geopfert werden.
Hier wurde nichts gelernt, es gibt hier auch keinen Willen zum lernen, nur einen erkennbaren Willen zu Vernichtung der Realwirtschaft im Dienste der Rendite.
So was nannte man früher „Wahnsinn“. Aber wir fühlen uns erhaben, weil wir nicht mehr an Segen und Fluch glauben … es aber zu jedem Geburtstag und zu jedem Jahreswechsel massenhaft anbringen, ohne zu wissen, was wir damit eigentlich tun.
Und das ist das erste, was wir wirklich tun können und tun müssen, wenn wir den Krieg gewinnen wollen:
wissen, was wir eigentlich tun. Und dann mit den Dingen aufhören, die wir nicht wirklich tun wollen.
Einfach mal den Bedürfnis- und Anforderungkatalog entrümpeln, den uns die Werbeindustrie seit einem halben Jahrhundert tagtäglich zuschickt.
Unglaublich, wieviel unnützer Unsinn sich da im Laufe der Zeit ansammelt wie Nippes im Regal.
Und um dies erfolgreich tun zu können, brauchen wir etwas, das uns sehr abhanden gekommen ist und mit dem der Fernsehkomiker Loriot schon vor Jahrzehnten sein Geschäft betrieben hat: die Aufmerksamkeit. Er führte im Detail die Sinnlosgikeit und Hilflosigkeit der modernen Existenz jedem vor Augen, der es sehen wollte – und das waren viele. Leider … setzte sich seine Sichtweise nicht durch und heute haben wir Klamauk statt Komik.
Eine Möglichkeit, Aufmerksamkeit für kleinste Details zu üben, findet sich im Zen-Buddhismus. Es ist – ohne jeglichen religiösen Hintergrund – meine liebste Technik zur Schärfung von Aufmerksamkeit. Aber hier muß jeder selber nach den Formen suchen, die ihn aufmerksamer machen, einfache Generalrezepte gibt es da nicht – wäre ja noch schöner.
Eine andere Möglichkeit ist … einfach innehalten. Christen nennen das Kontemplation. Unglaublich, was man durch innehalten alles in sich in Bewegung setzen kann, wieviel kulturell bedingter überflüssiger Sondermüll und Ballast von einem abfallen kann, ohne das es anstrengend ist.
Auch die Beschäftigung mit klassischer griechischer Philosophie kann hier nützen, Plato vor allem. Das war noch Philosophie von dem Bürger für den Bürger – und nicht Philosophie vom Adel für den Adel, wie man sie heute vielerorts findet.
Sind allerdings alles indirekt verbotene Techniken, weil sie glücksfördernd sind, ohne gleichzeitig der Rendite und dem Dax zu dienen. Sie schaden ihm sogar mehr als brennende Autos in Hamburg. Im Gegenteil: brennende Autos fördern den Konsum wie jeder andere Krieg auch. Krieg bringt immer großartige Chancen für die Rendite, deshalb: wer eine blutige Revolution in Deutschland machen möchte: einfach mal Banker fragen (inoffziell), die finanzieren so etwas (wenn sie namentlich nicht genannt werden und in keinem Zusammenhang mit der Aktion zu bringen sind) immer gern.
Gelingt die Revolution, haben sie gewonnen, weil sie auf der richtigen Seite waren. Gelingt sie nicht, haben sie ihre Widersacher für lange Zeit ausgeschaltet. Man sieht: die können gar nicht verlieren.
Aufmerksamkeit … bringt uns die notwendige Freiheit unserer Gedanken zurück. Die Freiheit der Gedanken bringt uns die Souveränität über unser eigenes Leben zurück … und somit auch die politische Souveränität über den Lauf der Geschichte.
Und diese Souveränität … würde letztlich die Herrschaft der „bösen Götter“ einfach verschwinden lassen.
Sie würden sich in Luft auflösen wie böse Geister, denen man den Stöpsel entfernt hat.
Geht ganz ohne Exorzismus. Obwohl man den sicherheitshalber nochmal hinterher machen sollte. Schaden kann´s ja nicht.
Einfach innehalten, einfach Besinnung walten lassen. Ruhe finden und zulassen … das ist momentan der wichtigste Schritt im Krieg.
Die erste große Revolution hat die äußere Herrschaftsform des Adels beseitigt. Die zweite große Revolution wird die innere Herrschaftsformen des Adels beseitigen müssen, damit die Menschheit eine Chance auf Zukunft hat.
Die zweite große Revolution wird viel unblutiger sein. Vielleicht waren „Hippies“ das erste Vorbeben. Menschen, die ganz souverän ihre eigenen Wege suchten, anzogen, was sie wollten, dachten, was sie wollten, glaubten, was sie wollten und sich dem System verweigerten.
Die ersten Versuche, das Modell „freier Bürger“ gegen das momentan angesagte Modell „Arbeits- und Konsumameise“ durchzusetzen. Und es war so erfolgreich, das ein Flächenbrand einsetzte, der bis heute Menschen inspiriert und Leistungsträgern Angst macht.
Indirekt hat uns dieser Flächenbrand Supermodels und 25-jährige Investmentbanker eingebracht, denn der Yuppie war die mit viel Geld künstlich installierte Gegenbewegung zu den vielgescholtenen ´68ern.
Und es mag gelingen, diesen Flächenbrand erneut zu zünden. Die Zeit ist reif dafür.
Lieber glücklich, lebendig und sinnvoll lebend als diszipliniert, fleißig und … sinnlos dahinvegetierend.
So in der Art halt.
Aber auch das muß jeder für sich selbst herausfinden und definieren. Auch Eifelphilosophen sind in dem Prozeß nur … Hebammen – und nicht Väter oder Mütter. Aber das sollte halt der Job von Philosophen sein. War er auch Jahrtausendelang.
Ich werde in diesem Jahr mein Bestes tun, diesem Anspruch gerecht zu werden…fällt mir persönlich gerade als guter Vorsatz für dieses Jahr ein.
In diesem Sinne: allen ein gutes Jahr 2010. Laßt uns unser Bestes tun, das es das auch wird. Für alle.