Willenserziehung

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Historisch-systematischen Studie “Staatliche Zwangsarbeit ab 1933″.

von Iring K. Leichtweis

„Füreinander Chancen schaffen.
Für ein lebenswertes Land.“ *)

Mit der ersten „Arbeitsschlacht“ begannen die Nationalsozialisten den konsequenten „Kampf gegen die Arbeitslosigkeit“. Die sozialistische Parole behält bis in heutige Tage ihre Bedeutung und stand damals für eine „sprachliche Militarisierung aller Lebensbereiche“. [1] In Quintessenz lief die „Förderung“ der Arbeit auf Bekämpfung der „Arbeitslosen“ hinaus, [2] insofern sich diese nicht dem „Arbeitseinsatz“ unterwerfen „konnten oder wollten“.**)

Über den Sozialdarwinismus des Regimes fanden zwei schon vorher gültige Einschätzungen über Arbeitslosigkeit eine Zuspitzung: die einer sozialen Pathologie und „Arbeitsentwöhnung“ befördere soziales Parasitentum – Menschen, die der „Allgemeinheit zur Last fallen“ und mit Methoden der Sozialhygiene zu behandeln bis zu entfernen seien. [3]
Individualpathologisch erwies sich sog. fehlendes „Arbeitenwollen(-können)“ [4] als „Verhaltensasozialität“. [5] Schließlich machten die Nationalsozialisten mit Punkt 11 ihres Parteiprogramms ernst, der festlegte, welche Art von Einkünften den Namen „Leistung“ verdient:

„Abschaffung des arbeits- und mühelosen Einkommens.“ [6]

Es gab weitere hygienische „Kampffronten“ vor 1933, z.B. den „Kampf gegen Tuberkulose“ („weiße Seuche“) [7] oder gegen Geschlechtskrankheiten. Die Verfolgung „asozialer Offentuberkulöser“, [8] ab 1934 zunächst in Stadtroda (Thüringen) begonnen, reichte als Eskalation der Hygiene bis zur Vernichtung. Solche Patienten diskriminierte man als „böswillige“, die „Gesundheitsführung“ anderer – und letztlich deren „Leistungsfähigkeit“ – beeinträchtigende „Bazillenstreuer“. „Gesundheitsführung“ ist an Arbeit und Soziales gleichermaßen gekoppelt und bezweckte Steigerung der „Leistung“ als auch Verlängerung der „Leistungsjahre“. [9]

Sozial ist, was nationale Arbeit schafft

Die nationalsoziale „Arbeitsbeschaffung“ stand auf zwei Säulen: erstens war da die Idee der nationalen „Solidarität“, des Einstehens füreinander und für das große „Ganze“ und zweitens konfrontierte sie Erwerbslose mit „Leistungsauslese“, die „Lebensbewährung“ verlangte. [10]
So lernten Hilfsbedürftige gleich nach der Machtübernahme den Wert ihres Lebens kennen: Arbeits- und Wohlfahrtsämter boten in ihrer neuen Funktion als Bewährungshelfer „Arbeitsgelegenheiten“ als „Integrationschance“ in die „Gemeinschaft der Schaffenden“ an und es wurde erwartet, daß niemand ablehnte. Diese erste Prüfung des Willlens zur „Eingliederung“, als „harte sittliche Forderung“ [11] an alle Erwerbslosen gerichtet, stellte die Weichen für deren weiteres Schicksal. F. Horsten bezeichnete das „Fangt an!“ [12] als unausweichlichen „Werteappell“ des „nationalsozialistisches Wollens“: [13]

„Der Werteappell der nationalsozialistischen Leistungsauslese hat Allgemeingültigkeit; er reißt alle aus der bisherigen Ruhelage heraus und verlangt von jedem Menschene deutschen Erbgutes aus der neuen Sinngebung eine eigenverantwortliche Entscheidung. Er fordert Verzichte und Pflichten und verspricht unmittelbar keine der bisher gewohnten materiellen Vorteile und Vergünstigungen. […]
Alle Rechte werden sich nach der [Eigen-, d. Verf.] Leistung, also nach dem Grade der übernommenen und erfüllten Pflichten zu richten haben.“
(1942) [14]

Die „Eingliederungsvereinbarung“ des SGB II „fordert“ Eigenverantwortung in gleicher Weise, nämlich als „Wende des Lebensstils“.[15] Die gesamte „Lebensführung“ ist darauf auszurichten, „Eigenleistung“ zu erbringen, die fortan staatliche Hilfe entbehrlich macht.
Der Philosoph W.F. Haug charakterisierte die Willenserziehung als zentralen Punkt faschistischer Ideologie: „Willensstärke als generalisierte Fähigkeit zum Wollen des Gesollten“. [16]
Allerdings war Haug zufolge mit dem hier zu stärkenden Willen „freilich nicht der Eigenwille“ und „schon gar nicht der gemeinschaftliche Wille zur Selbstverwaltung gemeint“. [17]
Willensstärke so verstanden kennzeichne vielmehr die Fähigkeit zur Selbstüberwindung, die „Unterstellung unter eine entfremdete […] Vergesellschaftungsmacht“, die sich auch „gegen die Individuen und innergesellschaftliche Gemeinschaft“ verselbständigt. [18]
Da das faschistische Subjekt in erster Linie ein „Leistungssubjekt“ sein müsse, war es dahin zu bewegen, „daß es im Prozeß des Leistens geführter Führer sein wollen soll“, so Haug. [19]
Für das funktionale Subjekt totalitärer Herrschaft war gute „Lebensführung“ unabdinglich, speziell das Anhalten zur „Gesundheitsführung“ durch Ärzte. An anderer Stelle würdigt Haug „Selbstführung“ als besondere Qualität einer „Sozialität“, nämlich der „Fähigkeit, sich von oben zu entfremdeter Leistung vergesellschaften zu lassen“. [20]

[…]

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Quelle

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