Wille

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Frieden und Wille.

Digital StillCameraDienstag, 25.11.2014. Eifel. Schon seit einigen Tagen geht mir durch den Kopf, dass ich gerne etwas über den Frieden schreiben würde. Ja – kitschig, oder? Der Hintergrund ist einfach: mehr und mehr Menschen, deren Sensitivität ich schätze, warnen vor einem Krieg im nächsten Jahr – und ich selber sehe nüchtern und sachlich die Wahrscheinlichkeit einer militärischen Auseinandersetzung zwischen Russland und den Oligarchien der Nato als sehr hoch – fast unaufhaltsam – an, jedenfalls momentan. Ich weiß: viele Menschen verdrängen das – aber durch Optimismus und gute Laune ist noch kein Panzer, keine Kugel und keine Bombe aufgehalten worden … das wissen nur die meisten in Europa lebenden Menschen nicht, weil sie den zur Beurteilung notwendigen Wissens- und Erlebnishorizont nicht haben.

Ja – unsere Methoden zur Problembewältigung scheinen wie aus einem Märchen zu sein: die Kriege der Welt bewältigen wir mit unserer Fernbedienung – ein Klick und sie sind weg; die Kriege in unserem Leben mit Alkohol – ein Schluck und sie sind weg.

Wie immer, wenn ich um ein Wort kreise, schaue ich in meinen alten Weggefährten: das philosophische Wörterbuch aus dem Jahre 1961: ein sicherer Wegweiser durch die Welt des Geistes – doch was muss ich sehen?

Weder Krieg noch Frieden waren den Begründern des Wörterbuches auch nur einen Eintrag wert. Krieg und Frieden finden offensichtlich im Kontinuum der Philosophie keinen Platz – wie auch: für Plato war der Militärdienst noch unverzichtbar, Pazifismus undenkbar und schier unverantwortlich, man dachte bei der Verteidigung Athens schlichtweg noch nicht mal an die Möglichkeit friedlicher Bewältigung der Konflikte mit dem Angreifer.

Gut – früher, da gab es halt auch Könige. Ein Heer war ein unmenschliches Ding, große Massen an Menschen, die ihren Willen abgegeben hatten, die einem einzigen Herrscher zu Willen waren: war der schlecht gelaunt oder krank, konnte der Heerwurm schnell wie ein Lindwurm ganze Landstriche verwüsten … und mit den selbst willenlosen Bütteln der Monarchie lies sich schlecht diskutieren: hatten sie erstmal ihre Befehle, wurden sie zu unaufhaltsamen Mordmaschinen.

Aus diesem Grund hatten wir mal „Demokratie“ erfunden, damit jeder Mensch seinen eigenen Willen hat und solche Exzesse nicht mehr vorkommen, „Frieden“ sollte dem ganz automatisch auf dem Fuße folgen: ja, versprochen war sogar ewiger Friede.

Wir haben sogar Kriege geführt, um diesen ewigen Frieden zu erhalten: Bürgerkriege in Frankreich und den britischen Kolonien, europäische Kriege gegen die Revolutionstruppen Napoleons (ja – das war nicht nur ein kleiner verrückte Spinner sondern auch der Erfinder des bürgerlichen Gesetzbuches, der die Werte der Revolution für ewig bewahren wollte: wir zehren heute noch von dieser Tat), einen Weltkrieg als „Krieg, der alle Kriege beenden sollte – und im Anschluß daran nochmal ein Krieg, der alle Kriege beenden sollte.

Fast schien es so, als hätte man Recht gehabt: jedenfalls erlebte Europa die größte Friedensphase seiner Geschichte. Klar – es gab noch kleinere Weltkriege (ja – in Korea und Vietnam kämpften nicht nur Amerikaner), aber in Europa war scheinbar Ruhe … bis jetzt.

Scheinbar?

Ja, schauen wir genauer hin … wird unser Leben weniger friedlich. Ein Blick nach Wikipedia kann da sehr helfen:

Frieden (älterer Nominativ Friede, von althochdeutsch fridu „Schonung“, Freundschaft“) ist allgemein definiert als ein heilsamer Zustand der Stille oder Ruhe, als die Abwesenheit von Störung oder Beunruhigung und besonders von Krieg. Frieden ist das Ergebnis der Tugend der „Friedfertigkeit“ und damit verbundener Friedensbemühungen.

Ja – haben wir fast vergessen, oder? „Friedliche Abendstimmung“ oder „friedlicher Sonnenuntergang“ ist aus unserem Sprachgebrauch verschwunden, ersetzt durch Feierabendstreß und Handyterror. „Heilsame Zustände der Stille und Ruhe“ sind in unserem Alltag Vergangenheit – womöglich auch ein Grund dafür, dass wir immer kranker und unzufriedener werden. „Stille“ – jener Zustand, der die Gedanken anzieht – ist selten geworden in unserem Jahrtausend. Wo immer wir gehen, wo immer wir stehen begleiten uns Geräusche, Musik – früher ein seltener und stets willkommener Genuss, der vielen Menschen ein gutes Auskommen bescheren konnte – ist alltäglicher Lebensbegleiter geworden, verscheucht Stille und Gedanken wo immer sie sich zu manifestieren suchen; gleichfalls ist auch die mit der Stille verbundene Ruhe verschwunden.

Doch nicht nur Musik vertreibt den Klang des Friedens – vor allem sind es tausendfache Geräusche der Maschinenkultur, die hart gesottene Keltenkrieger in den Wahnsinn treiben würden: die Kakophonie der modernen Städte käme ihm als Geräuschkulisse finsterter Abgründe vor, in denen teuflischste Unholde unheilige Feste feiern.

Vielleicht hätten die sogar Recht, aus dem Millionen Jahre alten Reich der Stille sind wir hinausgetreten ins Reich des verletztenden Lärms – und finden das ganz normal.

Lauschen wir noch weiter Wikipedia:

In der Sprache deutschsprachiger Juristen ist von Frieden auch im Zusammenhang mit innenpolitischen Auseinandersetzungen (Straftatbestand des Landfriedensbruchs), mit dem Arbeitsleben (Störung des Betriebsfriedens als Kategorie des Betriebsverfassungsgesetzes) und mit dem Schutz des Privateigentums (Straftatbestand des Hausfriedensbruchs) die Rede. Zur Kennzeichnung von Grundstücken, die gegen Hausfriedensbrüche geschützt werden sollen, werden diese oft eingefriedet.

In der Sprache der Psychologie und der Theologie gibt es den Begriff Seelenfrieden (vgl. den englischen Begriff „peace of mind“ oder „inner peace“[1]); diesen sollen Lebende anstreben und Verstorbene auf dem Friedhof bzw. im Jenseits finden.

Klug, oder? Ja – wir sind in mancherlei Hinsicht weiter als die alten Griechen, deren Demokratieverständnis uns auf die Barrikaden rufen würde. Wir sind auch zurecht weiter, weil wir dem Krieg selbst den Krieg erklärt hatten, weil wir gezielt danach suchten, was das Menschenschlachten zwischen Völkern möglich machte, die durch Handel und friedlichem Miteinander viel mehr Wohlstand erreichen konnten als durch Massenverstümmelungen mit oft tödlichem Ausgang (die auch ein Napoleon fürchterlich fand).

„Seelenfrieden“ – wie fern sind wir eigentlich von diesem Begriff? Unendlich weit weg. Menschen, die ihn finden – mehr zufällig als bewusst gewollt – schätzen ihn (seit Jahrtausenden – und zwar weltweit)als das wertvollste Gut auf Erden, doch den meisten anderen hat man schon längst abgewöhnt, an den Begriff „Seele“ überhaupt zu denken: wer in seiner Seele tiefen Frieden trägt, hat keine Bedürfnisse mehr, die die Wirtschaft befriedigen müsste.

Das darf nicht sein, wir haben extra Bedürfnispyramiden entwickelt, die sich endlos steigern lassen und den Menschen beständig weiter vom Frieden mit seiner Seele entfernen.

Wir friedlich aber kann ein Mensch sein, wie „friedfertig“, wenn er von tausenden unkontrollierbarer Bedürfnisse geplagt wird, von denen die allermeisten völlig überflüssig sind? Die Antwort ist einfach: gar nicht.

Ist aber der Mensch nicht friedfertig, ist die Gemeinde, das Volk, das Land nicht friedfertig: wie sollte da Frieden in unsere Leben kommen?

Schonung und Freundschaft sind in der deutschen Sprache die Wurzeln für das Wort Frieden, dort, wo Frieden herrscht begegnen sich die Menschen in Schonung (voller Respekt und Achtsamkeit) und Freundschaft (voller Vertrauen und Hilfsbereitschaft), dort, wo aber der Frieden nicht in den Seelen herrscht, mangelt es im alltäglichen Umgang an Respekt, Verachtung und Ignoranz werden Normalzustand, Misstrauen und Missgunst verbreiten sich, der Mensch wird zum „Ork„.

Trifft das zu?

Ist unser Alltag voller Respektlosigkeit, Verachtung, Ignoranz, Misstrauen und Missgunst? Ich denke da nur an die Agenda 2010, die ein ganz neues Kapitel des gesellschaftlichen Miteinanders geprägt hat und ganze Generationen zu Orks erzieht. Ich denke an die Deregulation der Finanzmärkte, die gutgläubige („friedliche“) Menschen den Haien der Finanzindustrie vorgeworfen haben, an gutgläubige „Riesterer“, die man den Versicherungsvertretern opferte oder an die vielen bankrotten Menschen, die den Anlageberatern der Banken ihre Lehman-Papiere abgekauft haben – oder an die vielen Menschen, die nagelneue Autos mit integrierten Mängeln, Lasagne mit Pferdefleische, Babyfläschchen mit Weichmachern, tödliche Medikamente oder schlichtweg verpestete Luft serviert bekommen … um nur ein paar Alltagserscheinungen zu nennen.

Unser Alltag – ist voller Krieg, der uns die Seelenruhe stiehlt, der uns Ruhe und Frieden nimmt.

Das zu erkennen ist schon ein Wert an sich – denn da wissen wir, wo wir ansetzen können, die Kriegsgeilheit zur Ruhe zu bringen, die aufgeregten Gemüter zu besänftigen.

Landfrieden, Betriebsfrieden, Hausfrieden, Schulfrieden – wir finden zahllose Bereiche, in denen der Krieg zunimmt.

Dient es etwa dem Landfrieden, wenn jetzt der Solibeitrag für den Aufbau Ost zu einem Solibeitrag für den Aufbau West verwendet wird – oder sät das nur wieder weiteres Misstrauen und Missgunst?

Dient es etwa dem Betriebsfrieden, wenn immer mehr ordentliche Arbeiter und Angestellte zu Leiharbeitern werden, die zum halben Lohn ohne Urlaub und Weihnachtsgeld arbeiten müssen?

Dient es etwa dem Hausfrieden, wenn die EU via Dekret bestimmt, dass ich die Glühbirne doch hochgiftigen Sondermüll ersetzen muss, der Staat eine Behörde schafft, die bei Arbeitslosen per Hausbesuch kontrolliert, ob sie sich auch der verordneten Armut hinreichend fügen oder ausländische befreundete Geheimdienste all´ meine Kommunikation überwachen läßt?

Dient es dem Schulfrieden, wenn man die Ausbildung im Interesse jener Wirtschaft immer weiter verkümmern läßt, deren Subventionen die Mittel für genügend Lehrer und dringend benötigte Sanierungen auffressen?

„Frieden“ – ist die Abwesenheit von Störung und Beunruhigung, zur Schaffung und Wahrung von Frieden in allen Bereichen bezahlen wir Millionen von Menschen in Regierung und Verwaltung mit Steuergeldern – doch was tun die?

Sie bringen immer mehr Krieg ins Land, was keiner mehr merkt, weil „Frieden“ eine Untugend geworden ist, ein Makel, wie „Mitleid“ (ein Zustand der Schonung und Freundschaft beinhaltet) ein Wert, dem mit Verachtung begegnet wird.

Das war schon immer so, sagen Sie jetzt?

Machen Sie sich da mal nichts vor. Wir hätten mit dieser Moral die Eiszeit nicht überstanden weder Stämme noch Städte gegründet, keine Staaten geschaffen – ja, wie unsere Gesellschaft mehr und mehr an allen Fronten beweist, ist unsere Gegenkultur schlichtweg noch nicht einmal wirtschaftlich überlebensfähig, obwohl „Wirtschaft“ das zentrale Element der Kulturform „Kapitalismus“ ist.

Wo sind wir da nur hingekommen?

Denken nur ein wenig über Frieden nach – und schon befinden wir uns in einer völlig kriegerischen Gesellschaft, in der es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis es auch wieder zu militärischen Auseinandersetzungen mit anderen Ländern kommt.

Oh – da bin ich zu wenig akurat: es kam ja schon zu militärischen Auseinandersetzungen mit Jugoslawien und Afghanistan – das Prinzip wird schon gelebt. Nur scheint jetzt die Lust größer geworden zu sein, man will das Fleisch des russischen Bären schmecken – wie schon zweimal letztes Jahrhundert.

Eine schlimme Nachricht, könnte sie doch die nukleare Verwüstung ganz Europas nach sich ziehen – wobei ich fürchte, dass die Nato davon ausgeht, dass Russland und die USA auf die atomare Option verzichten, wie das Dritte Reich auf den Gaskrieg verzichtet hatte (trotz prall gefüllter Lager). Leider haben die USA schon einmal gezeigt, dass sie von der nuklaren Option gerne Gebrauch machen – auch und gerade gegen die Zivilbevölkerung.

Allerdings gibt es auch eine gute Nachricht: wir wissen jetzt, was wir konkret dagegen tun können.

Kontrollieren wir jene Menschen, die wir mit hohen Diäten aus Steuermitteln für die Wahrung des Friedens in allen Bereichen bezahlen, kontrollieren wir, ob sie auch in allen Bereichen die Tugend der Friedfertigkeit leben und vorleben, denn jene Tugend ist die Wurzel der Friedens selbst. Hat der Mensch nicht den Willen und die Absicht, friedfertig zu sein, wird Europa letztendlich nur aufgrund dieser Einstellung zum Leichenhaufen.

Ach ja … der „Wille“.

Den haben wir auch schon vergessen? Durch den Willen werden Plan und Absicht zur Tat – dass wusste man früher … heute zieht die Formulierung dieser einfachen Beschreibung menschlicher Schaffenskraft schon den Verdacht nach sich, man würde wieder eine leichte Verschwörungstheorie formulieren … dabei ist die Erkenntnis im Prinzip erschreckend einfach: ALLE Erscheinungen innerhalb der menschlichen und von Menschen gestalteten Welt werden durch ENTSCHEIDUNGEN manifestiert – da wirkt kein Wunder, kein Geist, kein Gott (nein – auch nicht seine Form als „Zufall“), und diese Entscheidungen werden von Willen und Absicht gesteuert, wobei der Wille die Durchsetzungskraft beschreibt – und die Absicht das Ziel.

Verhungert also ein Arbeitsloser in seiner kalten Schimmelbude, erfriert ein Obdachloser bei Minustemperaturen, stirbt ein Arbeitnehmer an Erschöpfung – so ist das das Ergebnis menschlichen Willens: immer und überall. Verblödet ein Volk infolge der Überflutung mit geistigem Sondermüll, der in allen Sendeformat Missgunst, Verachtung, Respektlosigkeit, Ignoranz und Misstrauen als lebensnotwendigen Normzustand predigt, so ist das kein Zufall, sondern das konkrete Ergebnis von Entscheidungen FÜR Sendeformate, die diese Botschaften enthalten.

Das will nur keiner mehr hören, weil es mit Verantwortung zu tun hat und nach Taten schreit.

Friede kommt durch friedfertige Menschen in die Welt, die friedfertig (fertig zum Frieden) sind, weil sie es so wollen.

Es ist der Wille, durch den wir frei von Bedürfnissen werden – darum ist die Schwächung menschlichen Willens vorrangiges Ziel der Konsumgesellschaft – und so entziehen sie der Friedfertigkeit ein wichtiges Element.

Wissen Sie, was mein philosophisches Wörterbuch zu dem Willen sagt?

„Der Wille kann sich nur auf (subjektiv) Wertvolles richten (das Böse zu wollen vermag nur der „Satan“)“ (zitiert aus Philosophisches Wörterbuch, 20. Auflage, Alfred Kröner Verlag Stuttgart 1978, Seite 731).

Ja – so war man 1961 noch drauf – dort erschien die Erstausgabe dieses Wörterbuches. Zu der Zeit konnten sich die meisten Menschen noch an die Gräuel des Krieges erinnern und wussten, dass der Wille allein zwar immer das Gute will – aber nur das, das der Einzelne als gut empfindet. Mag er keinen Juden – so kann das auch fürchterliche Folgen haben.

Gut zu sein – reicht nicht für Frieden. Gut sind alle. Ja – ich denke da besonders an die Grünen.

Für Frieden – muss man friedfertig sein: und das ist eine einfache Sache der Entscheidung, des Willens und der Absicht.

Und wenn jetzt Krieg kommt – der große, heiße, die endgültige Erfüllung all der kleinen Kriegsgelüste in Land, Haus, Schule, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft – so wissen wir, dass er Aufgrund von Entscheidungen und Absichten (die den Tätern wie immer gut erscheinen) kommen wird … und wir können daraus die Lehre ziehen, demnächst Menschen einfach zur Friedfertigkeit anzuleiten, anstatt ihre natürliche Ruhe und Stille zu stören.

Wir können damit aber gerne schon Morgen beginnen …

 

 

 

 

 

 

 

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