Wendland

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Das Wendland, das Atom, der Röttgen, der Özdemir und die politische Landschaftspflege

Nun ist die Republik ja endlich mal wieder aufgewacht. Der Frust von Millionen von Grünen über die neoliberale Politik hat endlich ein Ventil gefunden, Bundeskanzlerin Merkel hat selbst dazu beigetragen, das die Grünen wieder zu sich selbst finden: sie boxte die Laufzeitverlängerung für AKW´s durch, den Ausstieg aus dem Einstieg zum Ausstieg.

Atomkraft ist ein Sicherheitsrisiko, auch Innenpolitisch. Schon vor dreissig Jahren konnte man sehen, das der Atomstaat nicht lustig wird. Und wenn man dann die Leukämiefälle bei Kindern, die in der Nähe von Atomkraftwerden wohnen,  herunterspielt wie die Anzahl der Hirntumore bei der Handynutzung, dann muß man sich nicht wundern, wenn die Dinger wieder da sind.  Atomkraft macht krank, Atomkraft ist teuer, aber: an Atomkraft kann man super verdienen, weil die Produktion in der Hand ganz weniger spezialisierter Fachleute liegt. Atomkraft eignet sich gut dazu, richtig tolle Leistungsträger zu zeugen, inklusive Yacht, Villa und Oldtimersammlung.

Außerdem erzeugt Atomkraft genau jene Form von Staat, die sehr angenehm für Verwaltungsbeamte in der Regierung ist … und Verwaltungsbeamte sind alle, auch der Norbert Röttgen.

Gegen Atomkraft kamen jetzt 50000 Menschen im Wendland auf die Straße, jenem Wendland, in dem die Republik Freies Wendland einst einen Ausblick auf eine neue, ganz andere Bundesrepublik geworfen hat, einen Blick, der Lust auf Zukunft machte.  Was dann kam, war Dauerkohl. Während die bundesweite Aktion der Montagsdemonstranten in Berlin ein eher bescheidenes Echo hervorgerufen hat und der heiße Herbst der Gewerkschaften sehr leise im Novembernebel versickert, sit die Anti-AKW-Bewegung wieder zurück.

Im Zusammenhang mit den Protesten zeigte Norbert Röttgen, das er Jurist ist. Juristen sind ja nun eigentlich ein wichtiger Bestandteil der Gesellschaft, ebenso wie Journalisten. Andererseits kann man Juristen schneller kaufen als Journalisten: Advokat und der Anwalt ist dein Freund! Wenn die Summe stimmt, verteidigt der Jurist den Kinderschänder, den Mafiaboss, den Völkermörder oder eben die Atomlobby. Juristen sind wichtige Menschen, aber … für politische Ämter im Prinzip völlig ungeeignet.

Gleich nach der Wahl zum Chef von NRW mußte der Norbert dann laut Spiegel auch schnell mal zeigen, das diese Annahme stimmt:

Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) hat die aktuellen Castor-Transporte mit Atommüll nach Gorleben seinerseits verteidigt. Es gebe keine Alternative dazu, den bei der Stromerzeugung durch Kernenergie entstandenen Abfall „vernünftig“ zu entsorgen, sagte Röttgen auf einem Landesparteitag der NRW-CDU.

Wenn man etwas nutze, müsse man sich auch um den anfallenden Abfall kümmern, fügte Röttgen hinzu. Die Sicherheit von Kernkraftwerken sei „nicht verhandelbar“. Insofern sei der Protest gegen die Castor-Transporte „verantwortungslos“, weil die Verantwortung eine sichere Entsorgung des Atommülls gebiete.

Man merkt: ein Anwalt sprach. Hochgiftigen Atommüll einfach in die Landschaft kippen ist extrem verantwortungsvoll, sich darüber aufzuregen, ist verantwortungslos – ihn zu produzieren, ist ein reiner Akt der Nächstenliebe, weshalb man ihn ja auch laut ZDF mit 40 000 Millionen Euro Steuergeldern subventioniert.

Ich plädiere hiermit dafür, das der Amtsitz des Herrn Röttgen ins Wendland verlegt wird … direkt über dem Lager. Führungspersönlichkeiten zeichnen sich ja durch Vorbildcharakter aus und wenn der Herr Röttgen zeigt, wie ungefährlich das ist (vielleicht zieht er ja auch demonstrativ mit seiner Familie nach nebenan, Bauland ist da billig), dann ist den Demonstranten der Wind aus den Segeln genommen … und man hätte erste Schritte unternommen, die überbordenden Bezüge der Abgeordneten ebenso aus Gründen des Vorbildcharakters auf Hartz IV-Niveau zu senken – das reicht ja völlig aus zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Währenddessen gibt die Welt dem Protest ein lustiges Gesicht:

Wer gegen den Castor-Transport demonstriert, muss nicht bierernst sein. Selbst Charlotte Roche („Feuchtgebiete“) reiht sich in den Widerstand ein.

Und zeigt auch die Relevanz auf:

40 000, vielleicht sogar 50 000 Menschen drängen sich in Richtung des große Ackers unweit der Verladestation Dannenberg. Das sind zwar immer noch ein paar weniger als beim Spiel des HSV gegen Hoffenheim,

Zum Fußball gingen mehr. Währendessen berichtet die Legal Tribune von einer gezielten Kriminalisierung der Demonstrationsteilnehmern:

Nun wurden schon im Vorfeld geplanter Demonstrationen gegen Castor-Transporte in Niedersachsen etliche Personen zur „polizeilichen Vermessung“ vorgeladen. Die Behörden beriefen sich dabei auf  § 81 b StPO. Nach dieser Vorschrift dürfen, soweit es für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden.

Nach Medienberichten ist allerdings keiner der Betroffenen bisher strafrechtlich verurteilt worden. Es gab nur Ermittlungsverfahren, die aber alle mangels hinreichendem Tatverdacht oder wegen geringer Schuld eingestellt wurden. Trotzdem begründen die Behörden die Vorladung jetzt mit der effektiven Vorsorge zur Verhinderung von Straftaten bei Versammlungen. Es handele sich dabei nur um einen geringen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der betreffenden Personen.

Die einschüchternde Wirkung der geplanten polizeilichen „Vermessungen“ steht außer Frage. Die betroffenen Personen stehen im Fokus polizeilicher Beobachtung und werden sich deshalb eine Teilnahme an Demonstrationen sehr genau überlegen.

Es sind unbescholtene Bürger, die – wenn man der Welt folgt – nur mal so zum Spaß einen kleinen Landausflug machen, lustig geschminkt mit bunten Luftballons … und vielleicht waren es auch nur 20000, die zur „Protest-Party“ kamen, wie der Spiegel das Schauspiel betitelte.

Sowas finden die Medien halt lustig. Ist es irgendwo ja auch … sagt hier jemand, der selbst früher mal dabei war. Man denkt, man geht auf die Straße, latscht sich die Füße kaputt, macht lauten Lärm und ändert dadurch irgendetwas.  Dreissig Jahre später merkt man … eigentlich hat man nichts verändert. Politik macht man anders in diesem Land. Die Kraftwerksbetreiber wissen das, wie anti-atom-aktuell berichtet:

Georg Wilhelm Adamowitsch war nervös. Seine Ehefrau wartete. Abrupt zog sich der beamtete Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium am Nachmittag des 1. Dezember aus einer Gesprächsrunde zurück, um gemeinsam mit seiner Gattin einer Einladung des drittgrößten deutschen Energieversorgers zu folgen.

Vattenfall Europe hatte mehr als tausend erlesene Gäste aus Politik, Kultur und Medien in die Deutsche Staatsoper geladen, zur Vorpremiere der Oper Carmen, dirigiert von Daniel Barenboim, und mit anschließendem Empfang in den gediegenen Räumen der Opern-Konditorei. Adamowitsch ist für Energiepolitik zuständig und novelliert derzeit das Energiewirtschaftsgesetz. Seit Monaten ringen Staatsdiener und Konzern-Lobbyisten deswegen um die Neufassung der Paragrafen, die die Spielregeln auf dem Strom- und Gasmarkt für die kommenden Jahre festlegen werden. Das von der Europäischen Kommission in Brüssel geforderte Ziel, künftig per Regulierung für Wettbewerb auf dem Strom- und Gasmarkt zu sorgen, beunruhigt die Netzmonopolisten, die unter den bisherigen Bedingungen Milliardengewinne erwirtschaften. Und sie versuchen ihre Interessen mittels politischer Landschaftspflege durchsetzen. Eine Aufführung von Carmen könnte da helfen, erlaubt sie dem Vattenfall-Europe-Chef Klaus Rauscher doch, seinen Konzern als Kulturförderer in ein sanftes Licht zu rücken. Ein 50.000-Euro-Scheck, ausgestellt für die Aktion »Opernkarten zu Kinopreisen« mit der junge Leute zu Besuchen der Oper motiviert werden, könnte ablenken von weniger glanzvollen Leistungen wie der zum 1. Januar 2005 angekündigten 19-prozentigen Erhöhung der Entgelte für die Nutzung der Vattenfall-Stromnetze, der Abbaggerung von Ortschaften in Lausitzer Braunkohlenrevieren oder den Millionen Tonnen von Klimagasen, mit denen Vattenfalls Kraftwerke die Atmosphäre aufheizen. Was könnte die geladenen Gäste friedvoller stimmen als ein wenig Wohltätigkeit zu Beginn der Adventszeit? Die Dunkelziffer der Gierigen ist »enorm hoch«.

„Politische Landschaftspflege“ zahlt sich halt aus. Den Konzernen ist es egal, ob nun 20000, 50000 oder 10000000 auf die Straße gehen … sind doch eh´ alles nur Nullen. Was wichtig ist, ist, das man zentrale Figuren in der Tasche hat. Gegen den Lärm der Straße gibt es schalldichte Fenster, wattstarke Medien und Juristen, die einem das Volk für wenig Geld vom Hals halten.

Da schwindelt der Grünenchef Özdemir, wenn er der Bildzeitung sagt, er meine, die Regierung wolle ihre Politik mit Wasserwerfern durchsetzen. Die arbeiten nicht mit Wasserwerfern, sondern mit Überweisungen. Überall arbeiten wir eher mit Überweisungen als mit Waffen, das ist unsere gesellschaftliche Übereinkunft, die unseren gemeinsamen Wohlstand und Frieden sichert. Das gerade Özdemir aber lieber auf die Wasserwerfer als auf den Lobbyismus schielt ist verständlich … hat er doch einen privaten Kredit bei Moritz Hunzinger, dem wegen uneidlicher Falschaussage vor Gericht verurteilten PR-Berater und ehemaligen Schatzmeister der Christlich-demokratischen Arbeitnehmerschaft, der schon den Scharping aus dem Kriegslügentheater gerettet hatte und dem Özdemir zusätzlich noch ein Honorar für einen Auftritt bei Microsoft zahlte.

Atomkraft ist ein Weg, durch leistungsloses Einkommen auf Staatskosten so richtig reich zu werden.  Da kann man viel Geld in alle möglichen Kanäle fließen lassen, Geld, das alle weichspült.  Auf einmal verstummen auch die kritischen Linken, die noch die Proteste gegen Banken Ende Oktober mit dem Hinweis verhindert haben, das die Blockaden den Sicherheitsstaat anheizen würden. Aber die … waren ja vielleicht auch nur bezahlt.

2010 macht man Politik beim Schmausen im Opernhaus. Die großen Medien wissen das … und geben sich deshalb belustigt über des bunte Treiben der skurrilen verantwortungslosen Spaßvögel, die ernsthaft glauben, man könnte im Deutschland des Jahres 2010 Politik ohne Scheckbuch machen.

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