Mittwoch, 13.11.2013. Eifel. Nach einigen Tagen Bildschirmabstinenz habe ich noch einige Themen, über die ich gerne schreiben würde – einen Trailer gab es ja schon. Heute jedoch möchte ich mir erlauben, die Aufmerksamkeit auf einen Kommentar lenken, der mir besonders lieb und teuer ist.
Einer kommt von „Chap“:
Zu diesem Satz ist mir heute ein junger Mann mit 28 Jahren eingefallen.
Er lebte mit im Haus seiner schon recht alten Mutter. Allen erzählte er, also seiner Mutter, der Verwandtschaft, Freunden und Bekannten, er hätte sich immatrikuliert und würde studieren, die Prüfungen absolvieren usw.
Nach ein paar Jahren stand er dann vor dem Abschluss dieses Studiums.
Und die Frage stellte sich, wie es für ihn nach dem Studium weiter gehen würde.
Zu jener Zeit entdeckte seine Mutter ihren Sohn dann erhängt auf dem Dachboden.
Er hatte nie studiert. Alles war erfunden, um sein Umfeld zu beschwichtigen. Er hatte sich psychisch und geistig (auch wenn man das nicht verstehen mag) nicht dazu in der Lage gefühlt, auch nicht, um sich überhaupt irgendwo ins Berufsleben einzugliedern.
Bevor sein Schwindel mit dem Studium heraus kommen würde, hatte er den Selbstmord gewählt. Und großes Entsetzen, Trauer und viele Tränen hinterlassen.
Er war ein sensibler, phantasievoller, nachdenklicher, Kinder liebender Mensch gewesen.
Es gibt nun Menschen, die urteilen hier sehr schnell: „der war halt geistig krank und wäre immer so geendet“.
Bevor ich hier nun ins Detail gehe, einfach mal ein paar Fragen.
Ich werde im Dezember 54 Jahre alt. Nur vier mal diese Lebensspanne zurückgerechnet und wir befinden und im Jahre 1797. Ja – das ist wirklich noch nicht lange her.
Deutschland war die Hochburg der Philosophie, wir haben es geschafft, einen halben Schritt weiter zu kommen als die griechische Philosophie – dank Immanuel Kant. Beethoven nahm gerade Unterricht bei Hayden. Goethe arbeitete mit Schiller an der Weimarer Klassik. Alles Namen, die heute für Deutschland stehen, die fest mit Deutschland verbunden sind.
Meine Frage nun: wie kann es sein, dass wir innerhalb von nur vier Generationen keinen neuen Kant, keinen neuen Beethoven, keinen Goethe oder Schiller mehr hervorgebracht haben?
Die kulturelle Höchstleistung dieses Landes auf musikalischem Gebiet (bleiben wir mal dort) ist: Dieter Bohlen. Einfach mal Modern Talking hören im Vergleich zu Beethoven – da weiß man, was ich meine.
Zufall?
Nein – der Grund ist einfach. Es gibt sogar einen ganzen Film darüber, der gerade in den Kinos läuft. Die deutsche Schule ist es, die jedes Genie mit tödlicher Sicherheit eleminiert: seit der Kaiserzeit wurde Schule als Kaserne begriffen, in der Wissensmüll mit Gewalt in Kinderköpfe gestampft wird, die Demokratie hat dieses System nur dahin gehend verändert, dass man nun von den Kindern erwartet, das sie sich selbst diese Elend antun und gefälligst dabei auch noch große Freude und Begeisterung heucheln.
Kann man es als krank bezeichnen, wenn man sich nicht ins Berufsleben einsortieren kann? Kann auch sein, dass es sich um einen freien, demokratischen Geist handelt, der mit dem autoritären Stil des „Arbeitslebens“ überhaupt nicht klar kommt – 1797 hätte er in jedem Dorf dafür schnell eine Mehrheit auf seine Seite gebracht. Vielleicht hätte er aber auch einen Haydn gefunden, der ihn in die Geheimnisse der Musik einweist.
Hat sich wirklich noch niemand die Frage gestellt, wieso wir in wissenschaftlichen Disziplinen völlig unbedeutend geworden sind? Sicher, wir haben gelegentlich nochmal Nobelpreisträger – man vergleiche diese Liste aber mal mit der der USA – die räumen fast jedes Jahr in fast jeder Disziplin einen Preis ab.
Was ist mit Amazon, Googel, E-Bay, ja dem ganzen Internet?
Das dies für die deutsche Bundeskanzlerin im Jahre 2013 „Neuland“ geworden ist, zeigt, wie sehr wir Provinz geworden sind – tiefste Provinz. Noch haben wir einen Vorteil im Maschinenbau (nicht wegen der Qualität, sondern wegen Euro und Billiglöhnen) … aber andere holen da immens auf. Wir alle – auch die Maurer, Handwerker und Fliesenleger – werden einen hohen Preis dafür bezahlen, dass wir Genozid der menschlichen Intelligenz so fleissig mitgearbeitet haben: unsere Genies hängen vom Dachbalken, während unsere Räuber sich Ferienhäuser im Ausland bauen.
Ich lobe nicht umsonst Professor Gunter Dueck (IBM) in höchsten Tönen: einer der wenigen Geister, die Deutschland noch hat, zufällig bei IBM gelandet. Auch ich habe die Arbeit für anglo-amerikanische Konzerne geschätzt – der Umgang dort war lockerer als in Deutschland, wo die verblödetet Mittelschicht ihre mangelnde Leistung durch Mobbing, Verrat und Heimtücke auszugleichen versucht. Sein Werk „Aufbrechen“ ist das wichtigste politsche Buch der letzten Jahre – wenn nicht das wichtigste der Geschichte der Bundesrepublik.
Wenn wir uns als Gemeinschaft nicht gewaltig auf die Hinterbeine setzen und mit aller Kraft verhindern, dass sich unsere sensiblen, phantasievollen, nachdenklichen und kinderliebenden Menschen lieber in den Tod stürzen als uns helfen, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern, dann werden wir schnell erleben, dass uns das Ausland kein Essen mehr verkauft, weil unsere Währung nichts mehr wert ist und wir keine Leistung anzubieten haben, die in der Welt konkurrenzfähig ist.
Einfach nur mit Sprüche klopfen werden wir die Zukunft nicht bewältigen können – und es wäre wesentlich besser, wenn der junge Mann Menschen gefunden hätte, die ihm geholfen hätten, seine gewaltige Kraft nicht in den Suizid sondern in den Aufbau der Zukunft zu stecken. Aber das ist die Berliner Republik: aus Spaßhanseln wie Dieter Bohlen machen wir Millionäre, während wir unser Genies hängen lassen.
Wo das enden wird?
Einfach mal nach China schauen: die waren ewig lang die führende Kulturnationen der Welt, bauten gigantische Segelschiffe, mit denen sie die Welt bereisten und Elefanten nach China entführten – zu einer Zeit, als man in Deutschland diskutierte, ob man das Rad flächendeckend einführen sollte. Was kam dann?
Das Beamtentum, dann die Kolonisten, dann das Elend, die Kriege, dann die Kommunisten. Hat viele Jahrdunderte gedauert, bis China wieder halbwegs Tritt gefasst hatte.
Das ist Deutschlands Schicksal – und wahrscheinlich das von ganz Europa.
Einfach mal unsere DAX-Konzerne anschauen: die sind fest in ausländischer („kolonialer“) Hand. Noch zehn Jahre weiter, dann kaufen die Porsche, VW. BMW und Mercedes samt Siemens und der Deutschen Bank und verlegen deren Firmensitze nach Dhubai – und was machen wir dann, wir tollen Deutschen?
Ja, wir werden wieder fleißig arbeiten.
Hat aber schon mal jemand gemerkt, das „Arbeit“ an sich noch gar keine Wert hat? Ich kann zehn Millionen Deutsche mit Zahnbürsten die Autobahnen schrubben lassen – eine Riesenarbeit bei Wind und Wetter … und völlig wertlos, wenn es nicht Geist gibt, der die Arbeit gewinnbringend umsetzen kann. Und ohne diesen Gewinn … verliert sogar das Handwerk seinen goldenen Boden.
„Gebaut wird immer“ heißt es. Eine der primitiven Legenden, mit denen sich Menschen die Zukunft schön reden.
Es wird aber nicht immer gebaut.
Gebaut wird nur dort, wo auch gezahlt wird. Immer mehr Handwerker merken gerade, das ihre Tätigkeit keinen goldenen Boden hat. Ein Beispiel aus der MAZ vom Oktober diesen Jahres:
Nach einer aktuellen Studie ist fast jedes fünfte Unternehmen in Deutschland im Zahlungsverzug. Im Frühjahr 2013 zahlten 18,8 Prozent der Firmen ihre Rechnungen verspätet, wie der Finanzdienstleister EOS und die Wirtschaftsauskunftei Bürgel herausfanden. Ausgewertet wurde das Zahlungsverhalten von knapp 463.000 Firmen aller Branchen. Als Grund für die schlechte Zahlungsmoral nannten die Dienstleister die lahmende Konjunktur in Deutschland.
Ein typischer Fall aus jüngerer Zeit: Ein größeres Bauunternehmen musste Insolvenz anmelden. Zu den Gläubigern gehören ein Fliesenleger und ein Fenstermonteur, die sich an die Inkassostelle der Handwerkskammer Potsdam wenden. „Aber sie werden das Geld nicht mehr wiedersehen, es ist keine Insolvenzmasse da“, sagt Maciejok. Der Fliesenleger muss 15.000 Euro in den Wind schreiben, der Fenstermonteur sogar 30.000 Euro. In der Inkassostelle der Handwerkskammer werden 267 solche Fälle mit Außenständen von insgesamt 550.000 Euro betreut.
Jenseits des selbstverliebten Eigenlobes von Politik und Wirtschaft, die täglich für jene Artikel bezahlen, die ihren „Erfolg“ in den Himmel loben, tut sich ein Abgrund auf, der sich beständig weiter öffnet.
Nochmal 54 Jahre weiter gedacht – und wir haben auch ein Heer von Wanderarbeitern, die durch das Land irren, weil sie niemand mehr bezahlen will oder bezahlen kann: das Geld fließt dann anderswo herum und beflügelt die Geister.
Unserer Genies jedoch, die uns vor dieser Entwicklung hätten retten können, sitzen derweil in den USA – oder benutzen ihre ganze Energie, um ihrem Leben ein Ende zu bereiten, weil freie, kreative, schöpferische Geister in der Muffathmosphäre des durchschnittlichen Deutschtümelns nicht mehr gedeihen können.
Und darum essen wir US-Essen, tragen US-Kleidung, hören US-Bands und warten sehnsüchtig auf neue US-Filme, vertreiben uns die Zeit währendessen mit günstigen Einkäufen bei US-Amazon oder US-Ebay, die wir dank US-Internet erreichen können.
Gerade die Geschichte mit den Filmen ist besonders peinlich – denn die Filmhochburg der Welt … das war mal Babelsberg.
Dort … hätte man jenen sensiblen Geist sicher gern gesehen.
Wäre auch wirtschaftlich sinnvoll, der Umsatz Hollywoods hat sich innerhalb von zehn Jahren verdreifacht (siehe gamestar) … doch Videospiele laufen denen derzeit den Rang ab, auch ein Branche, die phantasievolle, nachdenkliche, sensible und kinderliebende Menschen gut brauchen könnte – doch auch diese Branche kommt nicht aus Deutschland.