Montag, 24.6.2013. Eifel. Seltsame Zeiten, oder? Zeiten, wo Realisten zu Pessimisten umgedeutet werden, weil alle den „Kapitalismus ist super-Hype“ mitmachen wollen. Der große Gesang der 1.Klasse-Passagiere auf der Titanic nach dem Kollision mit dem Eisberg, der bei uns aus unüberschaubaren Finanzderivaten bestand. Was hätten Sie mir gesagt, wenn ich vor einer Woche gesagt hätte: „Wir werden alle vom Geheimdienst belauscht!“?
Sie hätten mich für einen besserwisserischen Aufschneider gehalten, für einen „Verschwörungstheoretiker“, einen üblen, schwarzseherischen Spinner – und ich hätte es ihnen noch nicht mal übel genommen, immerhin schreibe ich unter dem Motto „even the worst case“.
Jeder Konzern hat dieses Szenario im Blick – auch bei kleinsten Geschäftsentscheidungen.
„Wie lautet der Plan B, wenn Plan A scheitert?“
Es geht nicht darum, Wahrscheinlichkeiten für´s Scheitern auszurechnen oder Gründe zu benennen, weshalb das Projekt scheitern musste, es geht darum, alles mal für eine Weile nicht mit der rosigen Brille der Projektmanager zu sehen, für die ein Scheitern mit Arbeitslosigkeit verbunden wäre.
Für mich als kleinen Feld- Wald und Wiesenphilosoph war es klar, dass wir alle abgehört werden. Eine Regierung, die Mist baut, die ihre Arbeit nicht hin kriegt, die ihren Job vergeigt wird misstrauisch gegenüber dem Chef – und das sind wir.
Die Geheimdienste halten Wache auf dem Flur, während die Regierung Akten vernichtet, bevor der Wachmann kommt, den man zudem mit „Unterhaltung“ zudröhnt, so dass der gar nicht auf die Idee kommt, Aufsicht zu führen.
Ist man nun zu der Überzeugung gelangt, dass die Regierung versagt, ist es nur logisch, dass sich die Geheimdienste – die immerhin direkt im Dienste der Regierung arbeiten – gegen das Volk wenden … abgesehen von ein paar einzelnen idealistischen Gewissensträgern, die wissen, was sie da gerade tun sollen und dies verweigern, weil sie mit diesem Verrat nicht leben können.
Na ja – jetzt ist es ja auf dem Tisch. Nicht nur der amerikanische Geheimdienst, auch der britische Geheimdienst hat uns abgehört – und zwar in einem enormen Umfang, wie der Spiegel erwähnt:
Zwei Jahre später brüstete sich der GCHQ schon damit, den größten Internetzugang der „Five Eyes“ zu haben, der Spionageallianz zwischen Australien, Großbritannien, Kanada, Neuseeland und den USA. Nicht einmal der US-Dienst NSA würde derart viele Verbindungsdaten sammeln. Seit etwa 18 Monaten würden die Daten gezielt ausgewertet, berichtet der „Guardian“.
Wir bekommen hier einen kleinen Ausblick über das gut funktionierende „Empire“. Sicherlich ist die Abhöraktion als solches empörenswert, doch sollten wir nicht einfach dabei stehenbleiben und mit offenem Mund nach Luft schnappen, denn jetzt erlauben die Geschehnisse einen Blick auf die Machtverhältnisse dieser Welt.
Christian Stöcker beschreibt im Spiegel erstaunlich mutig die neuen Perspektiven, die sich auftun:
Das britisch-amerikanische Überwachungsprogramm Tempora markiert einen historischen Wendepunkt. Geheimdienste haben sich, unbemerkt von der Öffentlichkeit, das Potential zur orwellschen Totalüberwachung verschafft. Regierungen haben ihren Wählern gezielt verheimlicht, wie sie beobachtet werden.
Es ist ein historischer Wendepunkt – in vielfacher Hinsicht. Das, was Verschwörungstheoretiker (also: nicht systemkonforme oder propagandagesteuerte Analytiker des Politgeschehens) seit Jahrzehnten am Horizont ausgemacht haben, ist brutale Wahrheit geworden. Christian Stöcker schreibt erstaunlich klar, worum es jetzt geht:
In den nächsten Wochen und Monaten wird sich entscheiden, ob die demokratischen Öffentlichkeiten der Welt stark genug sind, sich dem schrankenlosen, totalitären Anspruch westlicher Geheimdienste entgegenzustellen – oder eben nicht.
Und hier führt uns das ehemalige Nachrichtenmagazin schon in die Irre.
Hören wir dazu zunächst Karsten Polke-Majewski in der Zeit:
Da mögen Verfassungsgerichte Grundsatzurteile sprechen. Da mag die EU-Kommission eine neue Datenschutzrichtlinie auflegen. Da mögen Parlamente und Bürgerrechtsorganisationen über Jahre um die Vorratsdatenspeicherung ringen oder um die Weitergabe von Fluggastdaten an die USA oder um Telefonüberwachung und Staatstrojaner – jeder dieser Diskurse, mit denen unsere westlichen Gesellschaften auszuhandeln suchten, wo die Grenze zwischen Freiheit und Sicherheit, Privatsphäre und staatlichen Eingriffsrechten verläuft, wird konterkariert.
In der Tat haben wir in dem vorliegenden Skandal eine klare Aussage darüber, was „westliche “ Geheimdienste von „westlichen Werten“ halten – und das führt unseren Kommentator gleich zu den richtigen Schlussfolgerungen:
Was unterscheidet eigentlich die Methoden von GCHQ und NSA noch von jenen der Zensurbehörden in China oder im Iran? Sind die gewaltigen Speicher- und Filteranlagen tatsächlich nur errichtet worden, um Terroristen zu jagen? Wer hat alles Zugriff auf die Datenberge, wenn doch der Hinweis auf ihre Existenz vom Mitarbeiter einer privaten amerikanischen Sicherheitsfirma kam?
Und wir können doch schon jetzt sagen, was geschehen wird!
Gar nichts.
Hätte die demokratische Zivilgesellschaft noch die Kraft und die Macht, sich gegen die verschwörerischen Geheimdienste und ihr neoliberales Umfeld zu schützen, hätten wir den Skandal gar nicht erlebt, es gäbe schlichtweg solche völlig außer Kontrolle geratenen Institutionen gar nicht.
Dieser Skandal zeigt, dass sämtliche demokratischen Kontrollmaßnahmen vollkommen versagt haben – und dass hinter den Fassaden der „westlichen Demokratien“ Menschen am Werk sind, die sich schon lange von den demokratischen Grundwerten der westlichen Wertegemeinschaft verabschiedet haben.
Wir brauchen angesichts des Ausmaßes an krimineller Energie, dass hinter der Errichtung und dem Betrieb einer solchen Systems steckt, doch gar nicht mehr zu fragen, ob es nicht missbraucht wird: das System selbst ist schon der Missbrauch. Natürlich verkaufen einzelne Mitarbeiter auch sensible Unternehmens- und Bankdaten an interessierte Kreise, natürlich werden Daten über potentielle Kritiker gesammelt, um sie beizeiten mundtot machen zu können, natürlich werden Politiker observiert, berechnet und notfalls gesteuert: wer sich so eine gewaltige Waffe zur Vernichtung der Freiheit des Westens schafft, der will sie ja auch einsetzen, oder? Gewinn damit einfahren – in der einen oder anderen Hinsicht.
Für mich ist das keine Frage mehr: das ergibt sich aus der Absicht der Installation des Systems – und dem Renditegedanken einer neoliberalen Gesellschaft.
Oder andererseits: würden sie einem Beamten, der ein solch kriminelles und staatsfeindliches System installiert, wirklich noch zutrauen, dass er sensible Daten NICHT an die Meistbietenden verkauft?
Hören wir Martin W. Brock aus dem Managermagazin im Jahre 2009:
Was in Deutschland undenkbar ist, gehört in Ländern wie den USA zur offiziellen Politik: Seit vielen Jahren machen US-Regierungen kein Geheimnis daraus, dass sie die Geheimdienste angewiesen haben, zum Wohl der heimischen Wirtschaft Spionage zu betreiben.
Haben wir das schon vergessen?
Seit Beginn der Wirtschaftskrise stellen Unternehmen hierzulande eine erhebliche Zunahme der Wirtschaftsspionage fest, auch seitens der USA. Aber darüber wird nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen, niemand will es sich mit amerikanischen Auftraggebern verscherzen. Betroffen sind unter anderem Unternehmen mit Know-how im Bereich der Solar- und Umwelttechnologie.
Ich kann mich noch an mehr und ältere Skandale erinnern – und das versetzt mich in die Lage, zu sagen: nein, das ist kein Ausrutscher oder ein Versehen, das ist die logische Fortsetzung einer lang gehegten Tradition, die qualitativ schon lange vorhanden war, aber jetzt quantitativ Ausmaße erreicht hat, die selbst treuen Systemschreibern Angst einjagt.
Das ist aber noch nicht alles.
Es gibt noch eine weitere, sehr unangenehme Schlussfolgerung, die sich aus diesem Skandal ergibt.
Wir werden sie in den offiziellen Medien so nicht hören, weil es Wahrheiten gibt, die nicht für deutsche Ohren geeignet sind.
Wir haben eine Zwei-Klassen-Nato, in der wir Deutschen unseren Platz in der zweiten Klasse haben. Wir dürfen zahlen, bluten und ausspioniert werden. Das letzte zeigt sogar, dass wir ab einem gewissen Niveau wieder „Feindstaat“ sind – wie alle anderen europäischen Staaten auch, ausgenommen Großbritannien.
In der ersten Klasse sitzen das alte Imperium des Commonwealth und das neue Imperium des US-Kapitals, die nach der Weltherrschaft streben, bzw. die existierende Weltherrschaft ihres Systems „Neoliberalismus“ (eher als „Finanzdiktatur durch Staatsmacht“ zu bezeichnen) beibehalten wollen.
Unter diesem Zeichen sollten wir auch andere politische Geschehnisse betrachten – „nine-eleven“ zum Beispiel … oder die „Euro-Krise“. Auf einmal werden Verschwörungstheorien sehr plausibel, denn eine riesige Verschwörung haben wir ja gerade aufgedeckt: die Verschwörung der Geheimdienste Kanadas, Australiens, Neuseeland, Großbritanniens und der USA gegen die nicht-anglophonen westlichen Staaten.
Es ist kein großer Schritt mehr von der Absicht, treue und loyale Verbündete auszuspionieren und wirtschaftlich zu betrügen hin zu der Überlegung, mal ein paar eigene Hochhäuser in die Luft zu jagen, um ungehindert in fremde Länder einmarschieren zu können und die Machtbefugnisse der Geheimdienste grenzenlos auszuweiten, oder?
Die schlimmsten Befürchtungen der übelsten Verschwörungstheoretiker sind wahr geworden: die große Verschwörung der Geheimdienste gegen das Volk ist Realität geworden.
Folgen?
Keine.
Dafür sorgen weitere gut bezahlte, gezielt implementierte Gefolgsleute in den einzelnen Feindstaaten, im Feindstaat Deutschland findet man die unter anderem in der Atlantik-Brücke, deren „Young Leaders“ (Guttenberg, Wulff, Özdemir, Bulman, Koch-Mehrin, Weidmann, Diekmann, Döpfner, de Maizière uvm) ganz besondere Spuren in der politischen Welt Deutschlands hinterlassen haben.
Das alles ist schon längst bekannt und wir weitgehend toleriert, weil wir an den guten, „großen Bruder“ glaubten.
Jetzt hat der große Bruder aber gezeigt, was er von uns hält – von uns und dem Rest von Europa.
Wie reagieren wir? Natoaustritt? Ausweisung der Botschafter entsprechender Länder? Gründung einer eigenen europäischen Verteidigungsunion wegen erwiesener Feindseligkeit unserer Verbündeten?
Nein – laut Spiegel erlauben wir unseren Geheimdiensten, ein eigenes Mega-Lausch-Programm zu installieren, siehe Spiegel:
Trotz des Skandals um das US-Spähprogramm Prism plant der Bundesnachrichtendienst, das Internet stärker zu überwachen. 100 Millionen Euro sollen nach SPIEGEL-Informationen investiert werden – geplant sind technische Aufrüstung und die Einstellung von bis zu hundert neuen Mitarbeitern.
Damit werden wir Deutschen zum am besten überwachten Volk der Erde. Alle unsere Freunde belauschen uns, ob wir nicht auch etwas gegen den guten alten demokratischen Rechtsstaat im Schilde führen, den sie selbst so treffsicher ausgehebelt haben.
Deshalb kann man schon jetzt sagen: politische Folgen wird dieser Skandal nicht haben, dafür werden die deutschen Freunde der USA in Politik und Wirtschaft schon sorgen – immerhin hat man sie ja genau deshalb gezielt geschult und implantiert.
Und sollten sie versagen, gibt es ja immerhin noch andere Mittel, ungeliebte Mitmenschen zu entsorgen. Geheimdienste kennen da viele Methoden, unbequeme Zeugen wegzubarscheln – und viele Politiker in Deutschland haben diese Botschaft sicher auch verstanden.
Ist das wieder zu weit gedacht – zu düster?
Ich halte es schlichtweg für notwendig, dass wir eine Weile mal die Brille mit der heilen rosa Weltsicht absetzen und uns nur den nackten Fakten widmen:
einer anglophonen Geheimdienstverschwörung gegen die gesamte westliche Wertegemeinschaft und den logischen Folgen, die sich aus dieser Tatsache für unser Weltbild ergeben.
Ich glaube nicht, dass wir uns noch großartig Fehler erlauben können, denn praktisch leben wir jetzt schon in einer antidemokratischen Gesellschaft, die von ein paar unsichtbaren Beamten in den Geheimdiensten kontrolliert wird.
Und es sind genau jene staatsfeindlichen Terroristen in den Schaltzentralen der Macht, die Russland dazu anhalten, einen Konfrontationskurs gegen den Westen zu fahren, obwohl der Kalte Krieg lange vorbei ist.
Für jene Geheim-Terroristen ist er nämlich auch nicht vorbei, sie haben ihm nur neue Ziele hinzugefügt.
Eins davon sind wir – das möchte man uns nur nicht so deutlich sagen.
Aber merken können wir das jeden Tag, wenn wir analysieren würden, wieviel Euro-Kapital durch die Eurokrise seinen Weg auf die Konten von US-Banken findet.