Es gibt einfache Wege sich sehr unbeliebt zu machen: einfach mal zur Revolution aufrufen – oder zur friedlichen Änderung der Verhältnisse. Sicher … Gemecker über die Verhältnisse gibt es viel. Sehr viel, an allen Ecken. Das Volk wagt es sogar schon in einigen wichtigen Fragen wie soziale Gerechtigkeit und Einsatz der Bundeswehr im Ausland völlig anderer Meinung zu sein als die Abgeordneten … dabei sollte das Volk doch wissen, das es genau diese Abgeordnete in den Bundestag gewählt hat. Na ja, ich kenne Rentner, die wählen Politiker nach ihrem Aussehen, weil sie gerne mal ein hübsches Gesicht im Fernsehen sehen würden, wenn über Politik berichtet wird. Darf man ja auch – ist freie und geheime Wahl.
Man kriegt natürlich sofort Ärger mit jenen die meinen: es ist doch alles in Ordnung. Wir werden von den fähigsten Experten regiert, die die unsichtbare Hand des Marktes hergibt. Von jenen Exemplaren dürfte es nur noch wenig geben uns sie sind eine ständig schrumpfende Minderheit, aber es gibt sie noch, die Darwinisten unter den Wählern: der Fähigste wird sich schon durchgesetzt haben.
Dann gibt es natürlich noch jene, die Nutznießer des Systems sind. Mit ihnen kriegt man später Ärger. Viel später, dafür immer mehr.
Nehmen wir zum Beispiel die BRD. Hier läuft einiges schief. Wer nichts hat, kriegt immer weniger, wer viel hat, bekommt via Kapitalmarkt ein leistungsloses Luxuseinkommen auf Kosten der restlichen Welt – was vielerorts zu Hunger und Kriegen führt. Andere kriegen sogar die Menschenrechte gekürzt – siehe Hartz IV, das ja bald Basisgeld heißen soll. Das gibt es dann für alle, die jetzt noch unter Fünfzig sind auch als Rente … das und noch zwanzig Jahre lang Versprechungen, das es nie soweit kommen wird, obendrauf.
Käme man jetzt aber auf die verruchte Idee, etwas ändern zu wollen … merkt im selben Augenblick jeder, wieviel er eigentlich noch hat. Das will man dann auch nicht aufs Spiel setzen – so als Hartz IV-Abhängiger. Das ist auch in Ordnung, zeigen uns doch friedliche und unfriedliche Revolutionen der letzten tausend Jahre, das man nichts anderes ändert als die Farbe der Unterdrückung. Selbst Gottes Sohn persönlich hat das nicht ändern können, sein Erscheinen und seine Predigt für mehr ganz normale Menschlichkeit führte zur katholischen Kirche, dem direkten Gegensatz zur Botschaft Christi – aber auch diese offensichtlichste aller Kröten schluckt man ja gern, wenn man dafür ins Himmelreich kommt.
Zwischen unseren Hartz-IV-Abhängigen, unseren Minilohnempfängern, unseren Minirentnern und den Angestellten von erfolgreichen Weltkonzernen in Indonesien besteht in der Tat noch ein Unterschied: jene schuften zwölf Stunden am Tag unter entwürdigensten Bedingungen, um anschließend in einem fensterlosen Betonloch zu wohnen, das westliche Konzerne für sie als Unterkunft konstruiert haben. Nach Abzug der Horrormiete müssen zwei Hände voll gesalzenem Reis pro Tag reichen. Urlaub gibt´s nach Kündigung, wer krank wird, darf sterben, Rente ist ein Mythos aus dem Westen – das ist aus unseren sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen geworden aber auch unsere Kinder wollen ja gerne bezahlbare Schuhe von NIKE tragen. Viele dieser entwürdigenden Arbeitsplätze haben wir mit unseren Steuergeldern bezahlt – und gleichzeitig müssen wir mit ihnen konkurrieren.
Im Vergleich zu jenen, die nun unsere Arbeitsplätze haben, ist das Basisgeld purer Luxus. Man wohnt in einem geheizten Raum mit Fenstern, hat genug zu essen (vorausgesetzt, man kann mit dem Geld haushalten), es gibt fließend warmes Wasser und elektrischen Strom. Für die absolute Mehrheit der Menschheit ist das Luxus pur – und ich habe ein wenig Verständnis dafür, das Menschen, die die Armut in Afrika, Amerika und Asien erlebt haben und dann die Klagen unserer Frührenter hören, das das größte Unrecht der Welt ist, das sie nur alle drei Tage mal zwei Industrieschnitzel auf einmal essen können nur noch voller Abscheu und Verachtung auf diese Anspruchswelt reagieren können.
Verständnis – weil es menschlich ist so zu reagieren. Politisch gesehen ist es unmenschlich, aber dafür muß man weit über den Tellerrand hinausschauen. Politisch gesehen sollte man den Konzernen nicht auf den Leim gehen, die die Armut in Asien zum Standard für die Bürger der Welt machen wollen, damit für sie mehr übrig bleibt.
Politisch gesehen, sollte man das Elend der Welt tagtäglich in den Nachrichtensendungen bringen … solange, bis es abgeschafft ist. Dann wäre Zeit für Musikantenstadel, für Big Brother und die Supernanny. Aber wer würde das schon sehen wollen? Unsere zarten Seelchen flüchten sich deshalb lieber professionell in Ignoranz … zumal sie ja auch wissen, das das wenige, das sie haben, ganz schnell auch noch fort sein kann.
Ich höre manchmal die Klagen, warum sich denn der Deutsche angesichts der Ungerechtigkeit nicht erhebt, einer Ungerechtigkeit, die ihm selbst jedes Jahr weiter zusetzt. Millionen von Menschen leben in prekären Verhältnissen …. wieso erheben die sich nicht.
Nun, vielleicht hilft eine Geschichte aus der Vergangenheit. Das Schloß Versailles, gebaut zur Verherrlichung des „Sonnenkönigs“, ist sicher bekannt.
Am Ende des Ancien Régime umfasste der Hofstaat rund 10.000 Personen, von denen bis zu 5.000 direkt im Schloss lebten.[51][55] Die eigentlichen Höflinge machten davon rund 1.000 Personen aus, hinzu kamen Kammerfrauen, Köche, Leibwachen und andere Bedienstete. Der Palast war eine Stadt unter einem großen Dach, mit Wohnungen, Arbeitsräumen und Vergnügungsstätten. Auf den Gängen und Höfen ließen sich Händler nieder.[56] Das Schloss war fast ständig überbelegt[55][57], und die Aristokratie, so sie nicht zur königlichen Familie gehörte, war zum Teil verarmt und hauste sogar in den engen Dachkammern der oberen Geschosse.[57] Victor Hugobezeichnete das Gebäude später als eine einzige Höflingskaserne.[39]
Das Leben bei Hof bedeutete Verzicht auf Privatsphäre. Die Königsfamilie nahm selbst gewöhnliche Mahlzeiten vor Publikum ein[28] und auch die Niederkünfte der Königinnen waren innerhalb der Hofgesellschaft traditionell öffentliche Ereignisse − so sehr, dass Marie Antoinette während der Geburt ihres ersten Kindes in Lebensgefahr geriet, als sich zu viele Menschen in ihrem Schlafzimmer aufhielten. Trotz der prunkvollen Ausstattung war Versailles ein unkomfortables Schloss. Die en filade gereihten, zugigen und hohen Räume ließen sich schlecht heizen, und Madame de Maintenon beklagte, „man erträgt lieber die Zugluft durch die Türen […], man muss in Symmetrie zugrunde gehen“.[58] Im strengen Winter 1709 platzten sogar Likörflaschen durch die Kälte.[59]
Es gab, wie damals in ganz Europa üblich, im ganzen Schloss weder fließendes Wasser noch fest installierte Toiletten.
Das alles noch geregelt von strengsten Regeln, die sich kein Hartz – IV-Abhängiger vorstellen kann und die zu Ereignissen führte, über die wir uns zurecht zutiefst echauffieren würden:
„Das Lever der Königin vollzog sich analog dem Lever des Königs. Die Hofdame vom Dienst hatte das Recht, der Königin beim Ankleiden das Hemd zu reichen. Die Palastdame zog ihr den Unterrock und das Kleid an. Kam aber zufällig eine Prinzessin der königlichen Familie dazu, so stand dieser das Recht zu, der Königin das Hemd überzuwerfen. Einmal also war die Königin gerade von ihren Damen ganz ausgekleidet worden. Ihre Kammerfrau hielt das Hemd und hatte es soeben der Hofdame präsentiert, als die Herzogin von Orléans eintrat. Die Hofdame gab das Hemd der Kammerfrau zurück, die es gerade der Herzogin übergeben wollte, als die ranghöhere Gräfin von Provence dazukam. Nun wanderte das Hemd wieder zu der Kammerfrau zurück, und erst aus den Händen der Gräfin von Provence empfing es endlich die Köngin. Sie hatte die ganze Zeit nackt, wie Gott sie geschaffen hat, dabeistehen und zusehen müssen, wie die Damen sich mit ihrem Hemd überkomplimentierten.“
Das was Versailles früher für Frankreich war, ist „der Westen“ heute für die Welt. Auch unser hauptsächliches Ziel ist: unterhalten zu werden. Wir wohnen im Schloß, wie die verarmten Adeligen unter dem Dach … aber wir kämen nie auf die Idee, Revolution zu machen. Das machen die Leute draußen, die, die wirklich nichts mehr zu verlieren haben und denen zur Not der Tod lieber ist als ein erbärmliches Leben. Wir haben anderes im Sinn … und wollen doch wirklich von der Welt „dort draußen“ nichts wissen.
Der aufgabenlose Hofadel musste beschäftigt werden, und zum Programm von Versailles gehörten zu diesem Zweck prächtige Bälle, Feste und Turniere. Der König selbst veranstaltete regelmäßig Spieleabende in seinen Appartements.[71] Neben den ständigen Banketten, Maskenbällen und Opernaufführungen gab es verschiedene mehrtägige Feste, die durch ihren Prunk und die Anzahl der geladenen Gäste den Ruhm des Königs steigern sollten.
Quelle: Wikipedia
„Aufgabenlosen Hochadel“ haben wir genug, insofern, das in der Demokratie eigentlich jeder Souverän ist und JEDER zum Hochadel gehört. Die absolute Mehrheit des Volkes lebt aber arbeitslos vor sich hin, nur wenige kennen noch den 14-Stunden-Tag ohne Wochenende, Feiertage und Urlaub, den jeder Bauer hat, weil Kühe und Feld nicht pausieren. Konsequenterweise haben wir ja auch nicht ARBEIT als Ziel, sondern „BESCHÄFTIGUNG“. Das ist dann mal … sehr ehrlich.
Wir zahlen für diesen Wohlstand auch den Preis eines jeden Höflings (und zwar jeder in jeder Position): die absolute Abhängigkeit. Und nichts degeneriert den Menschen mehr als dies: zu wissen, das andere mit einem Federstrich die komplette eigene Existenz vernichten können. Das ist ein Sklavenleben, auch wenn der Luxus noch so groß ist, den man als Ersatz für seine Freiheit bekommt. Das ist im Rest der Welt etwas anders: dort, wo nicht jeder Quadratzentimeter Land irgendwie verteilt ist, lassen sich schnell eigene Häuser bauen, schnell ist ein kleiner Selbstversorgergarten angelegt … und man fühlt sich nicht mehr ganz so abhängig. Ein winzigkleiner Vorteil … aber ein Vorteil.
Und als armer aber freier Mensch läßt sich auch leichter Revolution machen: man hat den ganzen Ballast nicht, den Höflinge mit sich herumschleppen, die ganzen Eitelkeiten, den Hochmut, die Unfähigkeit zu Loyalität, die kleinliche Sucht nach dem kleinsten eigenen Vorteil und die Unfähigkeit sich zu bremsen, wenn der Vorteil risikolos vor einem liegt … alle jene Höflingsattitüden (die wir ja schon „normal“ nennen würden, weil wir uns so sehr daran gewöhnt haben), mit denen man sich selbst sehr erfolgreich im Weg herum steht und mit denen man zu einem absolut nutzlosen Individuum wird – und eine Gefahr für jede Art von Gemeinschaftsunternehmen.
Man stelle sich mal vor, es würde sich jemand auf die Straße stellen und zur Revolution aufrufen, es würde ihm gelingen, die Vision einer Utopie zu erwecken, wo Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit lebendige Wirklichkeit werden und ein freies, glückliches Leben winkt … und dann würde er verkünden, das mehr als vier Euro am Tag für jeden Bürger auf der Welt nicht machbar wären, da die Ressourcen begrenzt sind. Und Schnitzel gibt es nur noch zu Weihnachten, weil der Verbrauch an Essen zur Produktion von einem einzigen Schnitzel andere Menschen tagelang ernähren kann.
Unser Revolutionär würde … sehr lange alleine dort stehen.
Einzig die Sucht nach Freiheit könnte uns noch dazu antreiben, etwas ändern zu wollen, weil Freiheit glücklicher macht als Reichtum – doch es sind wohl nur eine Handvoll, die wissen, was das ist.
Freiheit ist …. solange schlafen zu dürfen, wie es der Körper verlangt.
Freiheit ist … die Arbeiten zu tun, für die man sich gerade am Besten geeignet fühlt.
Freheit ist … schlafen zu gehen, wenn man Müde ist.
….um nur einige Beispiele zu nennen.
Wer nennt sich jetzt noch frei in diesem Land?
Aber eine Änderung der Verhältnisse … wer sollte daran Interesse haben? Und wer will schon sein Leben riskieren, damit andere garantiert mindestens zwei Ökoschnitzel am Tag anstatt vier Industrieschnitzel die Woche essen können?
Letztlich kann man vielleicht einen Satz Schopenhauers auf Revolutionen ummüntzen: alle Versuche, den Regierungsterror abzuschütteln, führen nur dazu, das er seine Farbe ändert. Also richtet man sich lieber im Schloß ein … und genießt das Leben, bis das Unvermeidliche eintritt: die Revolution fegt einen weg … oder?
Vielleicht wird man auch erst sich selbst ändern müssen, bevor man sich daran wagen kann, die Verhältnisse zu ändern. Doch möglicherweise hat man dann … keine Interesse mehr daran, Arbeit in die Veränderung von Verhältnissen zu stecken, weil man sich dem neuen Faschismus kaum entziehen kann:
Es ist der „American Way of Life“, die einzige räuberische Ideologie, die bestreitet, eine Ideologie zu sein. Die mit mächtigen Fangarmen weltweit operierenden Konzerne, die diktatorisch nach eigenen Gesetzen herrschen, das Militär, das zu einem Staat im Staate geworden ist, die hinter der Fassade der (angeblich) besten Demokratie der Welt in Washington agierenden 35.000 Lobbyisten, die Politiker kaufen, und eine Popkultur, die nur ablenken und verdummen soll, prägen ein System, das es so bisher nicht gab.
Quelle: John Pilger bei der Geheimrätin
Und in diesem System haben wir alle … die Uniform der Partei an. Und außerhalb der Uniform … gibt es kein Leben. Schlau eingefädelt, oder?
Entweder man meuchelt mit – oder man verhungert.
Wie in Versailles.