Die heimlichen Herrscher des Finanzsystems verfügen über eng geknüpfte Seilschaften.
Ein Kommentar von Werner Rügemer.
„Konkurrenz belebt das Geschäft“, heißt es. Wettbewerb ist stressig, aber im Idealfall auch fair. Die Besten setzen sich durch, und Wettbewerber spornen sich durch den Vergleich stets zu Höchstleistungen an. So weit die Theorie. Hinter den Kulissen wird der Wettbewerb aber andauernd umgangen, haben wenige mächtige Akteure überall ihre Finger im Spiel. Über Unternehmensbeteiligungen zum Beispiel. Vereinfacht ausgedrückt, konkurrieren bestimmte Absahnerfirmen meist nur mit sich selbst und kontrollieren sich auch selbst. Die Verlierer sind oft die Verbraucher, Umwelt und Sozialstandards. Dabei widerspricht das Fehlen von wirklicher Konkurrenz und echten Alternativen dem Ideal des kapitalistischen Wirtschaftens, das nach außen hin laut tönend vertreten wird. Überall lassen BlackRock, Vanguard & Co diskret die Puppen tanzen — Regierungen, Leitmedien und auch Gewerkschaften schweigen komplizenhaft.
„BlackRock“ ist der größte Vermögensverwalter der Welt — davon hat die Öffentlichkeit schon mal gehört. Zum Beispiel, als Friedrich Merz zum Vorsitz der CDU kandidierte. Da wurde bekannt: Aha, Merz ist schon seit Jahren Vorsitzender der „BlackRock Deutschland AG“, also oberster „BlackRock“-Lobbyist hierzulande. Als dieses bisschen an plötzlicher Aufmerksamkeit für Merz wie für „BlackRock“ zu viel wurde, trat er von dem lukrativen Posten zurück. Aber sofort holte sich der Konzern 2020 einen Nachfolger: Michael Rüdiger war Chef der „DekaBank Deutsche Girozentrale“ und im Vorstand der Öffentlichen Banken Deutschlands und ist Mitglied im Aufsichtsrat der Deutschen Börse.
Wir haben uns mit Sahra Wagenknecht (ehemalige Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag) getroffen und über die aktuelle Krise gesprochen. Im Gespräch hat sie erläutert, warum die aktuelle Antwort der Regierung auf die Krise falsch ist und wie eine solidarische Lösung aussehen würde.
Nicht der Verbraucher trägt die Schuld
Jens Berger
Dank Corona sind die katastrophalen Zustände in deutschen Schlachthöfen wieder einmal Gegenstand der politischen Debatte. Mittlerweile fällt es selbst Julia Klöckner schwer, sich öffentlich schützend vor eine Branche zu stellen, in der das Tierwohl und die Arbeitsbedingungen Kostenfaktoren sind, die aus betriebswirtschaftlicher Logik heraus minimiert werden müssen. Wieder einmal wird die Verantwortung für die Misere zwischen den Zeilen dem Verbraucher zugeschoben, der angeblich ja die Macht habe, an den Zuständen etwas zu ändern. Das ist zynisch und feige. Gegen die milliardenschweren Interessen der Industrie und des Handels hat der Verbraucher kaum eine Chance. Nicht der Verbraucher, sondern der Gesetzgeber hat die Missstände ermöglicht und nicht der Verbraucher, sondern der Gesetzgeber ist nun dafür verantwortlich, diese Missstände auch wieder abzuschaffen.
Foto: Screenshot Facebook/afd Nordhausen, 21.11.2019 (FB)
Der AfD Regionalverband Landkreis Nordhausen hat heute ein Foto gepostet, das nun im Netz die Runde macht. Es zeigt eine von einem Asylwerber zerstörte Regalreihe in einem „Verbrauchermarkt“. Dazu gibt der Regionalverband ein Statement, dem sich auch praktisch alle Kommentatoren anschließen: Menschen, die so etwas machen, „haben in diesem Land nichts verloren und gehören unverzüglich abgeschoben!“
Da ich dieses Potpourri aus Scherben und besudeltem rotem Teppich als seltsam bezeichnend für unsere gerade anlaufende Weihnachts- bzw. „Winter“-marktatmosphäre empfand, noch bevor ich gelesen hatte, worum es dabei überhaupt geht, musste ich auf diesem Foto verweilen. Dazu gesellten sich Gedanken, die vermutlich nicht mehrheitsfähig sind, aber die trotzdem nicht schweigen wollten.
Ja, einen ganz ordentlichen Scherbenhaufen haben wir Verbraucher da. Aber der Migrant, der uns Markt-Verbrauchern das angetan hat, hat als Neuankömmling womöglich eben noch eine Wahrnehmungsfähigkeit für dasjenige, an was wir tagesschauguckenden Leitmedienbürger uns schon vielzusehr gewöhnt haben … so wie man penetranten Gestank in einem Schweinestall nicht mehr riecht, wenn man längere Zeit darin verweilt: Den unsäglichen, dauermusikuntermalten Bullshitfaktor, der in unseren Shoppingmalls und vor Ramsch und Alkohol überquellenden Supermarktegalen in der Luft hängt und uns den gesunden Atem raubt. Regale einer hedonistischen Überflussgesellschaft, die nach Ansicht des Designers Ken Garland heute „einen Punkt der Sättigung erreicht hat, an dem der schrille Schrei der Konsumpropaganda nichts weiter ist als bloßer Lärm.“
Jetzt kommt der gute Mann unter Einsatz seines Lebens als Asylwerber hierher ins gelobte Land, von dem er bisher immer als hochentwickelter Kultur, als Land der Dichter und Denker gehört hat, und was muss er wahrnehmen? – Dass er grosso modo verarscht wurde! Denn es ist hier im Land, in dem der täusche Verbraucher angeblich Gut und Gerne lebt, zwar an der Oberfläche alles prima glänzend, aber innerlich genauso und noch mehr verrottet und neoliberal vergletschert wie in seinem Heimatland. Kann man es von Neuankömmlingen allen Ernstes verlangen, dabei Contenance zu bewahren und einfach mitzuspielen? Im obigen AfD-Post ist von „Gastfreundschaft“ die Rede, die uns von den Migranten nicht gedankt wird. Ist uns überhaupt bewusst, in was für ein heruntergekommenes Gästezimmer wir gerade Gäste einladen? – Ein Zimmer bzw. Lebensraum, den Tierschützer womöglich nicht einmal für artgerechte Tierhaltung durchgehen lassen würden, geschweige denn als Lebensraum, in dem der Mensch seine Würde bewahren kann. Ein Lebensraum, den ein großer Teil der Bürger ohne Alkohol kaum noch ertragen kann. Alkohohl, den wir in rauen Mengen kaufen und konsumieren. Nicht umsonst ist das Angebot an Alkohol in Supermarktregalen oft größer als das von Milchprodukten und Teigwaren (siehe Foto). Und natürlich packt uns ein besonderer Schrecken, wenn wir ein solches Bild sehen, wo uns jemand unsere Volksdroge kurz und klein schlägt, während uns die großskalige Zerstörung unserer Um- und Innenwelt, die täglich stattfindet, weitgehend unbekümmert lässt.
Ich weiß, das werden viele jetzt als frivol ansehen, aber könnten wir diesen Scherbenhaufen nicht als aktionistisches Kunstwerk ansehen, wo uns ein Fremder kurz einmal dasjenige sichtbar gemacht hat, was ansonsten zwar unsichtbar ist, aber eigentlich ununterbrochen die Atmosphäre unserer marktkonformen Demokratie prägt … etwas, das dauermusikbeflügelt durch den Raum schwadroniert und auch in jeden eindringt, der zu tief Luft holt: achselzuckende Zerstörung und Ödnis.
Nicht dass ich Gewalt rechtfertigen will, aber ganz unverständlich sind solche Taten, so wahnsinnig und sinnlos sie auch erscheinen mögen, vielleicht doch nicht.
Und wenn wir den Migranten abschieben, der diesen Saustall angerichtet hat, haben wir besagten Bullshitfaktor immer noch in der Luft herumhängen.
zum Weiterlesen:
Politiker auf beiden Seiten des Atlantiks bejubeln das geplante Freihandelsabkommen zwischen EU und den USA. Es sei Segen und Jobmotor. Doch da gibt es auch noch eine andere Seite: Tatsächlich droht der freie Handel nämlich zu Lasten von Umwelt- und Verbraucherschutz zu gehen. Die Privatisierung des Trinkwassers könnte dann doch noch kommen, ebenso Fracking oder Gen-Gemüse. Nur für Unternehmen gibt es ein Zuckerl: Sie könnten künftig klagen, wenn sie weniger Gewinne machen. Drohen uns dann Klagewellen wie in Amerika?