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Chemnitz – der stille Triumph der grausamen Tyrannei des Kapitalismus

Chemnitz - der stille Triumph der grausamen Tyrannei des Kapitalismus

Sonntag, 9.9.2018. Eifel. Gelegentlich muss man mal sagen: das war es jetzt mit unserer demokratischen Zivilgesellschaft. Wir haben einen Kurs eingeschlagen, der Menschen anders sieht als die Gründungsväter der Bundesrepublik es gesehen haben: streng orientiert an der Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte. Wann wir diesen Kurs verlassen haben? Kann ich nicht genau sagen, denn die Entscheidung dazu kam „von oben“, von so weit oben, dass man von unten gar nicht erkennen kann, wer da so alles wirkt. Es ist auch im Prinzip egal, welche Personen sich dafür hergeben, sich in den Dienst unmenschlicher Prinzipien zu stellen, viel wichtiger scheint mir die Bestimmung der Prinzipien selbst zu sein – die in unseren Zeiten gar nicht schwer fällt. Sie werden ja offen diskutiert – sagen wir mal: relativ offen – und sind in aller Munde, bestimmen unseren Alltag bis ins kleinste Detail.

Das erste Prinzip, dem wir uns unterworfen haben, ist das Prinzip der Erklärung der allgemeinen Menschenrechte – mal in richtig großer Wurf in der Geschichte der Menschheit. Sie können gerne mal die Präambel und alle 30 Artikel nachlesen (siehe Amnesty), ich möchte hier nicht alle zitieren. Der erste, der Ihnen wohl auffallen wird, ist Artikel 17.2: „Niemand darf willkürlich seines Eigentums beraubt werden“. Diskutieren Sie doch mal diesen Artikel mit 14 Millionen Mitmenschen, die in den letzten 10 Jahren durch staatliche Gewalt via Hartz IV ihres Eigentums beraubt worden sind, vielleicht finden Sie sogar einen Fall, in dem ein verharzter Mensch sein Heim durch Zwangsversteigerung verlor – und es durch einen Jobcentermitarbeiter günstigst erworben wurde. Denkbar ist das, Angestellte im öffentlichen Dienst sind ja hoch kreditwürdig.

Führt uns direkt zu Artikel 1:

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.“

Diskutieren Sie den Satz mal mit einem Jobcentermitarbeiter, er müsste ja sofort kündigen, denn: der Geist der Brüderlichkeit ist ihm streng untersagt, sonst könnte er seinen Job ja gar nicht machen. Sie können in dem Gespräch auch gerne mal Artikel 22 zitieren:

„Jeder hat als Mitglied der Gesellschaft das Recht auf soziale Sicherheit und Anspruch darauf, durch innerstaatliche Maßnahmen und internationale Zusammenarbeit sowie unter Berücksichtigung der Organisation und der Mittel jedes Staates in den Genuss der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte zu gelangen, die für seine Würde und die freie Entwicklung seiner Persönlichkeit unentbehrlich sind.“

Schätze mal – es wird bei den Frühstückspausen der Agentur großes Gelächter geben, wenn man diesen Satz anbringt. Sie werden sich sicherlich schon lange gefragt haben, warum ich mich vehement gegen atheistische und antitheistische Dogmen des Materialismus wende, obwohl ich selbst kein Mitglied einer Religionsgemeinschaft bin – das ist so eine kleine Nebenwirkung der akademischen Ausbildung, bei der man nach langen Mühen erkennt: lediglich Gott (wie immer Sie den auch nennen mögen) ist der letzte Urgrund, auf den sich Würde berufen kann, ohne diese Vorstellung kann man gar nicht verstehen, warum „Würde“ unantastbar sein soll. Im großen Schachspiel um die Macht in der Welt ist die Eliminierung des Gedankens an den Großen Geist, der Vater/Mutter, Schöpfer und Hüter aller kleinen Geister ist deshalb ein ganz wichtiger Schachzug.

Lesen Sie sich da ruhig mal ein: es gibt auch ein Recht auf Wohlfahrt, ein Recht auf Faulheit (also: bezahlten Urlaub), ein Recht auf gleichen Lohn – ich denke, Sie werden überrascht sein, was man da sonst noch alles findet. Ebenso werden Sie überrascht sein, wie viel davon im Laufe der Jahrzehnte schon zerbröckelt ist, wie viele Überzeugungen im Laufe der Zeit unterhöhlt und untergraben worden sind … und wie wenig die Menschen noch darüber reden.

Wer mag, mag die Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte auch religiös erhöhen: so kann das Gebot der Nächstenliebe in Gesetzesform aussehen. Es ist die Kultur der Menschlichkeit, des Mitleids (ja: und wirklich des schmerzhaften Mit-Leidens und nicht des distanzierteren aber heute gern gepredigten „Mitfühlens“, das nur dabei hilft, die Gefühle des anderen zu verstehen, aber keinen Anteil mehr an seinem Leiden nimmt – noch etwas daran ändern mag).

Die Gegenkultur hat auch einen Begriff, den alle kennen, einen Begriff, den man ebenfalls kaum noch gebraucht und ihn mit vielen schönen anderen Namen auskleidet: das ist die Kultur des Kapitalismus, jene Kultur, die nur eins im Sinn hat: dass Geld sich ständig überall immer von selbst vermehre. In allen großen Religionen gab es deshalb auch ein Zinsverbot (der pure Horror für Kapitalisten: wie soll man denn ohne Zinsen und ohne eigene Arbeit reich werden?) – übrigens auch im Islam, der das heute noch lebt. Dies mag auch hinreichend den großen „Kampf der Kulturen“ erklären, der in den USA gepredigt wird: das Zinsmonster USA gegen den Zinsfeind Islam. Auch eine interessante Perspektive, oder?

Einige Zeit lang können Kapitalismus und Menschenrechte nebeneinander existieren, ohne das es Probleme gibt. Der Kapitalismus braucht auch die Demokratie als Staatsform der Allgemeinen Menschenrechte, denn gerade sie schützt ja sein angehäuftes Eigentum. Zeiten, wo wilde Räuberhorden oder verarmte Fürsten samt Raubrittern eine Gefahr für die Anhäufung von Vermögen darstellten, sind ja dank der Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte und der gesamten Zivilisationsentwicklung vorbei. Darum versteckt sich auch der Kapitalismus gerne hinter den Mauern der Demokratie – obwohl er mit ihr irgendwann zwangsläufig aneinander geraten wird: wie soll man ordentlichen Gewinn machen, wenn alle ehrlichen Lohn bekommen? Wir soll man an der Spitze der Pyramide Milliarden sammeln (jener Ort ist sozusagen der Lottogewinn des Kapitalisten), wenn unten nicht reichlich gezahlt wird? Und schon die pyramidenartigen Unternehmensstrukturen mit ihren Herrschaftshierarchien sind dem Demokraten ein Dorn im Auge – man merkt selten in großen Unternehmen, dass dort der Geist der Brüderlichkeit im Miteinander regiert – und im Wettbewerb darf dieser Geist erst recht nicht herrschen, hier geht es um fressen und gefressen werden.

Da steht der Kapitalismus irgendwann vor einem Problem. Seine Götzen – die Konzerne – müssen ständig wachsen, um Gewinne abzuwerfen, deshalb fusionieren sie zum Schluss zu Megakonzernen, die die Güter der Welt beherrschen: Nahrungsmittel, Wasser, Land – ein Zustand, den sich überhaupt kein Staat gefallen lassen darf, weil er seinem Schutzauftrag elementar widerspricht.

Also fragt sich der Kapitalismus: was tun? Offen die Demokratie angreifen, die Welt in Chaos  und Anarchie versinken lassen? Das würde bedeuten, die Zivilisation in den Status der Barbarei zurücksinken zu lassen, wo jeder Räuberbande das geliebte eigene Landgut straflos ausplündern kann – oder es einfach besetzt und in Besitz nimmt. Daran kann sich der Kapitalist noch gut erinnern: alles Eigentum ist mal ursprünglich so geschaffen worden. Einfach mal den Adel fragen – wie sich „Elite“ früher  nannte.

Es gibt aber noch einen anderen Weg – und genau diesen hat der Kapitalismus beschritten: fördert man eine Kultur der Grausamkeit an Stelle einer Kultur der Nächstenliebe, so blockiert man automatisch die völlig Entfaltung der Allgemeinen Menschenrechte (die ja die freie Entfaltung der Persönlichkeit garantieren) und errichtet etwas anderes: eine Kultur der Angst, des Misstrauens, der Feigheit und der Gleichgültigkeit. Dies ist in den USA geschehen, wo gezielt mit viel Geld auf höchster geisteswissenschaftlicher Ebene eine neue Kultur gefördert wurde, nachzulesen bei Guido Giacomo Preparata: „Die Ideologie der Tyrannei“.  Ein absolut genialer Schachzug, der die christlichen Werte durch die Werte des Marquis de Sade ersetzt hat, ein Schachzug, der die Kultur der Nächstenliebe Schritt für Schritt in eine Kultur der sadistischen Grausamkeit verwandelt, in denen sich die Menschen nicht mehr im Geiste der Brüderlichkeit begegnen, sondern im Geist der Menschenfeindlichkeit. Wer hinter die Kulissen schaut – oder die geschichtliche Entwicklung der politischen Philosophie näher betrachtet hat – weiß, wozu das führen wird: da, wo der Mensch des Menschen Wolf ist, brauchen wir den König, den Kaiser, der mit harter Hand durchregiert und die Bestienhorden in die Schranken weist, nachzulesen bei Thomas Hobbes in seiner Schrift Leviathan.

Dieser Geist der Hobb´schen Philosophie durchzieht aktuell schon unseren ganzen Staatsapparat – ohne die Grundprinzipien der Demokratie groß antasten zu müssen. Je weiter das Prinzip „Der Mensch ist des Menschen Wolf“ in die Gesellschaft getragen wird, umso höher wird auch die Akzeptanz der „harten Hand“ der Elite sein: wir müssen uns ja schützen gegen die „Bösen“ – das wagt doch sicher niemand mehr in Frage zu stellen?

Natürlich müssen wir uns gegen das Böse schützen, gegen diesen Satz wird niemand erfolgreich angehen können – nur: wenn der Staat willkürlich bestimmt, wer denn gerade böse zu sein hat, wer denn gerade der Böse ist: dann sind wir in der Tyrannei angekommen. Das Dritte Reich war hier nur ein Vorbeben einer vollendeten Kultur der Grausamkeit, die unsere Zukunft darstellen wird – wenn nicht jene, die noch im Geiste der Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte leben, die noch verstehen, warum Nächstenliebe und der durch sie initiierte Respekt vor dem Anderen die Wurzel aller Demokratie ist, sich ebenfalls zusammenschließen zum größten Werk, zu dem diese Zeit auffordert: die Rettung der Kultur vor dem Moloch Kapital.

Darum ist auch Kapitalismus generell „rechtsoffen“, ja sogar „rechtsverliebt“: seine Kommandostrukturen stammen ja gerade daher, Führerkulte werden da ganz offen gelebt und finden allgemeine Anerkennung, reichen bis tief in die Psyche hinein … kann jeder vor den Toren der Geschäfte beobachten, wenn ein neues „Apple-Produkt“ veröffentlicht wird und die Massen fanatisch danach gieren, Teil des Konzerns zu werden, in dem sie seine Produkte kaufen.

Die Kultur des Kapitals ist das genaue Gegenstück zur Kultur der Nächstenliebe, sie braucht ganz dringend (wie jeder Faschismus) den Untermenschen, der ausbeutbar ist – ohne das irgendwo ganz billig menschliche Arbeit verrichtet wird, häuft sich bei den Pharaonen an der Spitze der Organisationspyramiden rein gar nichts an – so mussten wir damit leben lernen, dass staatliche Angestellte anfingen, Menschen als „Parasiten“ zu begreifen, denen man das Essen verweigern darf, wenn sie nicht genug Rendite für die Pharaonen abwerfen – und wir durften überrascht feststellen, dass die Sozialdemokratie an vorderster Front war als es darum ging, den Sozialstaat kapitalkompatibel zu machen. Es wurde normal, dass der Mensch ein Produkt wurde, dass gefälligst selbst für die Optimierung seiner Verwertbarkeit verantwortlich ist – und wer seine Verwertbarkeit nicht schnell genug optimieren kann, wird eben flugs enteignet, seiner Lebensleistung beraubt und von Medien in breiter Front als „Minderleister“ aus der Gemeinschaft geworfen und der Verachtung preisgegeben.

Das ist jetzt schon unser Alltag. Der wird sich natürlich weiter verschärfen, die Mechanismen dazu hat Götz Aly in seinen Werken „Hitlers Volksstaat“ und (zusammen mit Susanne Heim) „Vordenker der Vernichtung“ detalliert beschrieben – man kann kaum empfehlen, sie zu lesen, denn es macht Angst, wie groß die Paralellen zur Gegenwart schon sind. Zwangsläufig – und das hört man ja schon immer wieder – wird Hartz IV dem Kapitalismus irgendwann zu teuer werden (so wie die Versorgung der KZ-Insassen zu teuer geworden war) und man wird neue Wege suchen, sich dieser „Ballastexistenzen“ zu entledigen – was selbst durch ein „Bedingungsloses Grundeinkommen“ geschehen kann … wenn man es nur geschickt genug einfädelt. Führende Kapitalisten aus dem Silikon Valley sind gerade dabei, solche für das Kapital sehr interessante Entwürfe auszuhecken.

Das war jetzt eine lange Vorrede um über Chemnitz zu sprechen. Aber um zu verstehen, warum dieses Konzert der große Triumph der Tyrannei war, muss man halt auch den Kontext verstehen. Das Narrativ der Elite dazu war: große dunkle grausame Horden aus dem fernen Osten (mit dem Narrativ kann man im Westen immer Meinung machen, erinnert an die Flut von Hunnen und Mongolen, die Europa tyrannisierten – und an den ewig bösen Russen) erobern eine Stadt im Osten, nun gilt es für die Guten, dem entgegen zu treten. Eine schöne Geschichte, fürwahr. Wenn sie denn wahr gewesen wäre.

Hier mehren sich die Zweifel – und das hat das Potential, Chemnitz zum größten Debakel der freiheitlich-demokratischen Grundordnung werden zu lassen, ja, zum Fanal des Endes dieser Kultur – und zum absoluten Triumph der Kultur der Grausamkeit, zu dem alle Beteiligten mit besten Absichten beigetragen haben.

Erinnern wir uns daran: wir zivilisierte Menschen sind dazu aufgerufen, eine Kultur der Brüderlichkeit zu leben. Faschismus und Nationalsozialismus sind absolute Gegenpole dieser Kultur – aber halt nicht die einzigen. Kapitalismus und religiöser Fanatismus stehen da neben Himmler und Heydrich auf dem gleichen Podest. Erlauben wir uns aber, genauer hinzuschauen – wird es monströs gruselig, denn: die Progrome und Hetzjagden wegen denen der ganzen Aufruhr begann, gab es anscheinend gar nicht (siehe Verfassungschutzpräsident Maaßen in der Zeit  oder Ministerpräsident Kretschmer in der Berliner Zeitung). Das würde bedeuten: zum ersten Mal seit Adolf Hitler schafft es eine Regierung, auf Knopfdruck durch eine große Lüge fanatisierte Menschenmassen auf die Straße zu rufen. Das ist in der Theorie schon schlimm genug, mag aber noch harmlos ablaufen.

Ich kann und darf Ihnen aber nicht ersparen, wodurch diese Menschenmassen „unterhalten“ wurden:

„Boom Boom Boom, ich bring euch alle um“ – sangen die Massen freudig mit. „Selbstmördattentäter – ich sprenge eure Demo und es regnet Hackepeter“ – so tönte der Chor. „Ich ramme die Messerklinge in die Journalistenfresse“, „Trete deiner Frau in den Bauch und fresse die Fehlgeburt“, „die halbe Schule war querschnittsgelähmt von meinem Nackenklatschen“, „ist eine Frau nicht nackt, dann beschmeiß´ich sie mit Scheine, macht sie sich dann nackt, dann bewerf ich sie mit Steine“ … und die Masse gröhlte. Schauen Sie sich das Konzert gerne mal an – oder die Videos der Bänkelsänger der Grausamkeit, die ebenso vor Grausamkeit und Gewalt strotzen.

So weit sind wir schön. Früher hätte es für die Texte faule Eier gegeben (ja – wäre der erste der zum Aldi gegangen wäre und danach gefragt hätte) oder alte matschige Tomaten, heute gröhlen 70000 mit – unterstützt durch Empfehlung unseres Bundespräsidenten.

Für mich: der Gau der demokratischen Zivilkultur, das Ende jeder gesellschaftlichen Grundlage der demokratischen Zivilkultur – und der Anfang von etwas Neuem.

Besonders makaber: Anlass zu diesem Happening war ein Mord an einem jungen Antifaschisten. Oder Totschlag – darüber wird ja noch diskutiert. Und – soweit man heute sehen kann – eine krasse Lüge der politischen Elite, die solche Hasskonzerte nun schon auf Knopfdruck initiierten kann.

Meine ersten Gedanken zu dem Konzert waren: die IS ist in Deutschland angekommen. Ganz ohne Islam und arabischem Hintergrund – aber mit der gleichen grausamen Gedankenwelt. Noch singen sie nur, aber was wären, wenn die Elite zu dem Mob spricht und auf Sie zeigt – mit den Worten: „Der ist rechts“. Ab wenn werden die wohl anfangen, ihre Phantasien auszuleben?

Dabei war es mal so einfach, diese Geschichte von „rechts“ und „links“. „Rechts“ hatte den Großgrundbesitz und neigte zu Gewalt, „links“ hatte ein großes Herz und neigte zu Worten.

Heute ist „rechts“ – aus ganz einfachen Gründen, weil weithin durch die NS-Zeit als das absolut Böse bekannt – alles, was der Elite widerspricht … so als ob Elite jemals links war und Angela Merkel die Kommissarin der KPD im völlig sozialistischen Deutschland. Ob jemand wirklich Nazi ist – also ganztätig sadistische Träume vom Leben als allmächtiger Aufseher im Konzentrationslager träumt – oder nur ein verwirrter Mensch, der bei der Suche nach der Orientierung in die Irre gelaufen ist, wird nicht mehr diskutiert.

Überhaupt wird nicht diskutiert, denn das … führt in unheimliche Welten, die zeigen, dass es ohne Verfassungsschutz kaum Nazis (also: echte, die sich selbst dazu bekennen – nicht die, die willkürlich von anderen dazu ernannt werden) gäbe. Schauen Sie mal den Film „V-Mannland, Die Geschichte der Neonazis in Deutschland“ (ARD wohlgemerkt, nicht RTdeutsch) … und stellen sich die Frage, wieviel „V-Männer“ wohl in Chemnitz aktiv waren, um für die nötige Begleitmusik zu sorgen. Denke ich dann noch daran, dass man mir versichert hat, dass so ein Riesenkonzert in der kurzen Zeit gar nicht organisierbar gewesen sein soll und somit weit im Vorfeld geplant gewesen sein muss, dann erschauerts mich noch mehr. Über die NSU-Affäre, die verschwundenen Akten, die Tatsache, dass wir die nächsten 120 Jahre erstmal keine Details mehr erfahren werden (siehe Heise) oder die Tatsache, dass unangenehme Zeugen unnatürliche Tode sterben (siehe Heise), dürfen Sie auch mal nachdenken, bevor Sie sich eine Meinung über den „braunen Mob in Chemnitz“ machen.

Das Faschismus keine Meinung, sondern ein Verbrechen ist, darüber brauchen wir nicht mehr zu diskutieren. Aber darüber, dass die ihn tragende Grausamkeit und Menschenfeindlichkeit wieder mehrheitsfähig ist, müssen wir dringend sprechen.

Ganz dringend.

Und auch: nicht nur sprechen, sondern dagegen anhandeln.

Das jedoch kann man nur erfolgreich angehen, wenn man sich von primitiven Weltbildern und noch primitiveren Parolen verabschiedet, aus denen momentan unser ganzer politischer Diskurs besteht.

(Heute leider aus technischen Gründen ohne Heile-Welt-Bild. Ist vielleicht auch gut so…denn das würde nicht passen, irgendwie….)

 

Die Hassgesänge der deutschen Medienelite – die Kolumne von Spiegel-Online

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Montag, 21.12.2015. Eifel. Aus der Kiste der Bücher, die ich noch zu lesen habe, zog ich letztens Jürgen Roths Werk „Gangsterwirtschaft“. Schon nach den ersten 50 Seiten hatte ich den Kaffee auf (wie man so schön sagt): die Bedrohung der demokratischen Zivilgesellschaft durch kriminelle Organisationen hatte 2012 ein Ausmaß erreicht, dass man zurecht von einer „Gangsterwirtschaft“ sprechen konnte, einer Gesellschaft, die Menschen wie den russischen Unternehmer Chodorchovsky als Volkshelden feiert: einen Unternehmer, dessen Sicherheitsdienst mit gezielten Auftragsmorden Menschen ermordete, die dem Unternehmen im Weg standen: einen Bürgermeister, der die Frechheit besaß, Steuerzahlungen vom Konzern zu verlangen, ein Ehepaar, das für den Konzern mordete und diesen erpressen wollte, ein Ehepaar, das seine Firma nicht verkaufen wollte (siehe: Jürgen Roth, Gangsterwirtschaft, Eichbornverlag, Taschenbuchausgabe 10/2012, Seite 39). Es gab noch mehr Informationen – über andere deutsche Konzerne, über Gelder des organisierten Verbrechens in der deutschen Wirtschaft – ohne die viele Unternehmen einfach pleite wären. Ich hatte mich für einen gut informierten Menschen gehalten – doch Jürgen Roth zeigte mir schnell auf, dass ich von der häßlichen Fratze dieser Welt keine Ahnung habe. Wie auch: wo Killerkommandos unangenehme Menschen aus dem Weg räumen, wo Spitzenpolitiker mit den Chefs der Auftragsmörder gemeinsame Sache machen, wo Arbeitsplätze in Gefahr sind – da schweigt der Journalist schnell, das süße Leben im Elite-Café ist gefährdet.

Umso überraschter fand ich die Empfehlung des Herrn Roth für einen Artikel von Sybille Berg über „Rechtspopulismus – Die Macht der Frustrierten“ – der mir selber übel aufgestoßen war. Ich lese viel von Frau Berg, selten erzeugt es Ungemach – es ist oft eine schöne, lustige, oberflächliche Plauderei, die in angenehmen Ton mit Perspektiven spielt, die nicht alltäglich sind, nur selten schimmert eine akademische Arroganz durch die Zeilen, die in diesen Kreisen üblich und … überlebenswichtig ist. Diesmal jedoch … war ich nicht wenig verblüfft, wie einem unverhohlener Hass entgegensprang (siehe Spiegel):

„Was da also durch den Führer zum Volk schwellt, ist das Gedankengut, das einer, der nicht alle zusammen hat, den das Leben bitter enttäuscht hat, der in einem vollgeschwitzten Unterhemd an einem Küchentisch in einer Bude sitzt, wo gerade der Strom abgeklemmt wurde, so vor sich hin brabbelt, nach dem zehnten Bier.“

Da war es wieder: das Urbild des neuen Untermenschen, kreiert von der Bildzeitung und ähnlich hohlen Gestalten, der Aussätzige in Person: vergessen worden waren nur die Mayonnaiseflecken auf dem Unterhemd.

„Es wird laut und aggressiv gegen jede Minderheit gewettert, Stimmung gemacht gegen alles, was dem Leitbild des weißen Schweizer Mannes scheinbar gefährlich werden kann. Ausländer, Frauen, Künstler, Homosexuelle, Sozialhilfeempfänger, vielleicht auch hier und da die Juden (in der Schweiz gibt es nicht mehr genug, als dass die Mobilmachung gegen diese Minderheit lohnte). Und das Volk nickt, dankbar. Das hat man doch immer gewusst. Die da unten sind schuld.“

So jedenfalls stellt die wohlbehütete, wohlversorgte Intellektuelle sich den niederen Untermenschen vor. Der wettert eigentlich nicht gegen Sozialhilfeempfänger – wem der Strom gerade abkeklemmt wurde, ist wohl eher selber einer. Wer arm ist, der kann nur Schuld sein – das war ja auch die Meinung Chodorchovskys, der die Ansicht vertritt, dass jeder – wirklich JEDER – Oligarch werden kann (wir berichteten). Eine Welt mit sieben Milliarden Milliardären kann er sich locker als realisiserbar vorstellen, wer anderer Meinung ist, wird halt entsorgt.

Populismus – was ist das eigentlich? Ich besuche die Bundeszentrale für politische Bildung (siehe bpb):

„Laut Duden ist Populismus eine „von Opportunismus geprägte, volksnahe, oft demagogische Politik, die das Ziel hat, durch Dramatisierung der politischen Lage die Gunst der Massen (…) zu gewinnen“. Das Erfolgsrezept von Populisten scheint auf einer kurzen Formel zu basieren: einfache Antworten auf schwierige Fragen geben.

Strittig ist, ob Populismus per se eine Gefahr für demokratische Systeme ist oder – einem Seismografen gleich – auf vernachlässigte Probleme hinweist. Es gilt, eine Debattenkultur zu etablieren, in der alle Herausforderungen und Probleme in einer Gesellschaft zwar benannt werden können, dies aber unaufgeregt und differenziert statt diffamierend und verkürzt. Die Grenzen des Diskurses liegen in der Würde des Anderen.“

Ja – es könnte sein, dass der Erfolg populistischer Parolen einfach darin begründet liegt, dass es echte Probleme gibt. Es könnte einfach sein, dass es gar keine „Querfront“ gibt, die ihr dunkles Haupt über Deutschland erhebt, sondern nur Menschen von Rechts bis Links, die sich an den gleichen Problemen reiben – wie zum Beispiel an dem Problem, dass Armut in Deutschland lebensgefährlich ist (siehe mdr):

„Im Erfurter Norden ist ein von Zwangsräumung bedrohter Mann in seiner Wohnung von mindestens einem Polizeischuss getötet worden. Der mit einer Axt bewaffnete 48 Jahre alte Mieter sei zunächst noch schwer verletzt in eine Klinik gebracht worden, dort aber kurz darauf gestorben, teilte die Erfurter Polizei mit.“

Zwangsräumung – kommt gleich nach dem Stromabstellen. Gibt es hier Edelfedern bei Spiegel-Online, die diese fortlaufende Verrohung kommentieren? Nein – dort baut man mit erstaunlicher Geschlossenheit ein neues Feindbild auf: den ostdeutschen Untermenschen. Es zeigt, dass „bildungsferne Schichten“ auch in Reaktionsstuben sitzen können, mit Amt, Würden und fürstlichen Bezügen ausgestattet – nur definiert man dort Bildung anders, das eigene Wortgeschwurbel wird zum Maßstab aller Dinge. Lauschen wir einfach mal Jan Fleischhauer (siehe Spiegel):

„Der Osten weist den Vorwurf stets von sich, fremdenfeindlich zu sein. So wie der Islam stets abstreitet, mit Terror etwas zu tun zu haben. Warum aber votiert jenseits der Elbe jeder Dritte für Parteien, die ein Problem mit Andersartigkeit haben?“

Der edle Besserwessi in Aktion – in einem Abwasch wird die Partei „Die Linke“ zu einem AfD-Ableger erklärt, der „Ossi“ an sich wird zum minderwertigen Untermenschen erklärt (diesmal ohne Bier und Unterhemd), ja sogar in ein Boot mit islamistischem Terror gesetzt: „guter“ Rassismus im Kampf gegen „bösen Rassismus“. Der Ossi – Feind der Welt, geistiger Bruder des „Islamischen Staates“.

Georg Diez schlägt begeistert in die gleiche Kerbe, ruft auf zur Volksfront gegen den wahren Feind im eigenen Land (siehe Spiegel):

„Aber es ist einfach zu unangenehm, sich die Zusammenhänge genau anzuschauen. Ein Jahr Pegida bedeutet eben auch: Die Integration von Teilen der ostdeutschen Bevölkerung hat nicht funktioniert – auch 25 Jahre Einheit haben nicht gereicht, um Menschen, die in einem totalitären System aufgewachsen sind, die Grundlagen von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten beizubringen.“

Der ostdeutsche Untermensch: Staatsfeind Nr. 1.

„Es verbindet sie nichts mit diesem System, das wird immer deutlicher. Man hat ihnen einfach nicht erklärt, was das alles soll, die Demokratie, und wenn man die Bilder sieht aus Nauen oder Meißen, dann sieht man, was das für ein Fehler war.“

Ja – die verstehen einfach nicht, was „Demokratie“ ist, diese Ossis. Die denken noch, sie dürften da einfach ihre Meinung sagen. Dabei heißt Demokratie in den Köpfen der Edelfedern, dass man sich ihrer Meinung gefälligst anschließen sollte – sonst kriegt man eins mit der Nazikeule. Nazikeule? Ja – Sascha Lobo fordert, sie flächendeckend einzusetzen (siehe Spiegel):

„Deshalb plädiere ich hiermit für die gezielte Verwendung der Nazikeule (und damit implizit für eine Umdeutung des Begriffs). Wann immer rechtsradikale Thesen geäußert werden, sollen sie rechtsradikal genannt werden. Wann immer rechte Menschenfeindlichkeit augenzwinkernd angedeutet wird, soll sie rechte Menschenfeindlichkeit genannt werden.“

„Der erste und wichtigste Schritt in das Gespräch, das die Besonnenen zu Recht fordern – ist also, deutlich zu machen, wo die Grenze verläuft zwischen legitimer Meinung und Nazi. Und zum Ziehen dieser Linie eignet sich die Nazikeule vortrefflich. Preist die Schönheit der Nazikeule!“

Ich merke immer wieder, warum ich Sascha Lobo prinzipiell meide: habe noch nie etwas von ihm gelesen, dass Inhalt hat und deshalb schnell aufgegeben. So allgemein gehalten ist dieses Geschwalle sicher noch kritikfrei zu ertragen – doch schnell wird es ungemütlich, wenn man fragt: was genau ist denn eigentlich mit „rechter Menschenfeindlichkeit“ gemeint? Ist „linke Menschenfeindlichkeit“ im Umkehrschluss dann ok? Und wo ich gerade dabei bin: ist dieser Aufruf zum hemmungslosen Einsatz einer wunderschönen Keule ohne konkrete Definition und klarer Aufdeckung der Vernetzung des kritisierten Gedankengutes mit nationalsozialistischen Überzeugungen nicht lediglich ein Aufruf zur gnadenlosen Hetze und gedankenlosen Jagd auf alles, was der Autor selbst als „anders“ und „fremd“ empfindet – was seinen Vorstellungen von „legitimer Meinung“ widerspricht?

Worum es geht, ist klar: die Flüchtlingskrise – das ist der bindende Zusammenhang; die Krise und die Angst der Deutschen vor dem Islam. Wo kam diese Angst eigentlich noch mal her?

Nun – es ist eine populäre Verschwörungstheorie, die diese Meinung am 11.9.2001 prägte – eine Theorie die nach ausdrücklicher Weisung des US-Präsidenten George W. Bush niemals angezweifelt werden darf  (siehe z.B Telepolis), obwohl es alternative Theorien gibt, die auch einen hohen Grad an Plausibilität besitzen. Nach dieser Theorie war es eine Bande von Islamisten, böse, primitive, andersartige Geschöpfe, die in Afghanistan in Höhlen wohnten und von dort aus die ganze Welt mit Terror überzogen – so genial, dass sie den kompletten Sicherheitsapparat der letzten Supermacht auf Erden mit Leichtigkeit austricksen konnten. Es bestand fortan Lebensgefahr für alle, im Kampf gegen den bösen Moslem mussten sogar Angriffskriege geführt werden, die gegen das Völkerrecht verstießen.

Der Geist des bösen Moslems bevölkerte fortan die Medien – was war er nur für ein unheimlicher Unmensch, der sogar Menschen bei lebendigem Leibe verbrannte (eine Nachricht, die bei uns weit verbreitet wurde, um die Bestialität des Moslem zu beweisen, während im arabischen Raum nur von einem toten Piloten die Rede war – siehe Zeit).

Nun kann man zurecht sagen: „Selbst schuld, der blöde Ossi, wenn er alles glaubt, was wir berichten; daran sieht man ja, wie blöde er ist und wie wenig er von der „Demokratie“ verstanden hat“. Man sollte sich dann aber nicht wundern, wenn das Wort der „Lügenpresse“ umgeht und viel Anklang findet.

Zurück zum Spiegel und seinen Kolumnisten, zurück zu Georg Diez, der gar nicht genug Superlativen fand, dass Attentat auf Henriette Reker aufzubauschen und es mit dem „Terror der RAF“ gleichzusetzen – ohne zu wissen, dass wir hier dem echten rechtsradikalen Terror sehr nahe kommen. Die Fraktion der Grünen hatte eine kleine Anfrage gestellt, was es denn mit diesen Gerüchten auf sich hätte, dass der Attentäter ein V-Mann des Verfassungsschutze war – also einer jener Leute, ohne die die NPD schon längst pleite gegangen und in Bedeutungslosigkeit versunken wäre. Die Antwort der Bundesregierung läßt einen verstört zurück (zu finden bei Volker Beck):

Zu 14 c):
Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass eine Beantwortung der Frage nicht erfolgen kann. Der Informationsanspruch des Parlaments findet eine Grenze bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen, deren Bekanntwerden das Wohl des Bundes oder eines Landes gefährden kann.

Also: gemäß den Gesetzen der Aussagelogik würde ich das als klares „JA“ definieren, welches aus Gründen der Wahrheitsverschleierung nicht genannt werden darf. Wo bleibt da eigentlich die Nazi-Keule?

Nun: die prasselt auf jene nieder, die versehentlich die antimuslimische Propaganda des Westens ernst genommen haben und nun mit Angst reagieren. Das hat erstmal – im ersten Schritt – mit Nationalsozialismus nichts zu tun, eher das Gegenteil ist der Fall: der Nationalsozialismus konnte mit dem Islam viel anfangen (siehe Jungle World):

„Nicht nur Heinrich Himmler schwärmte von der »weltanschaulichen Verbundenheit« zwischen Nationalsozialismus und Islam; er führte den Begriff der »Muselgermanen« ein. Auch Amin el-Husseini wies auf das »Parallel-Laufen« der Ideale der Muslime und Deutschen hin und definierte die Berührungspunkte folgendermaßen: 1. Monotheismus – Einheit der Führung. 2. Die ordnende Macht – Gehorsam und Disziplin. 3. Der Kampf und die Ehre, im Kampf zu fallen. 4. Die Gemeinschaft. 5. Familie und Nachwuchs. 6. Verherrlichung der Arbeit und des Schaffens. 7. Das Verhältnis zu den Juden – »In der Bekämpfung des Judentums nähern sich der Islam und der NS einander sehr.«“

Huch – wo sind wir denn nun da gelandet? Nun – in jener Welt, in der Bildung herrscht und nicht bildungsferne Meinungsmacher Phrasen dreschen, beständig den anderen vorwerfen, sie würden die Welt (z.B. durch Verschwörungstheorien) „vereinfachen“, wobei gerade das Gegenteil der Fall ist: aufgezeigt wird, dass die Welt komplizierter ist, als es das Fassungsvermögen des durchschnittlichen Lohnschreibers zu verarbeiten erlaubt – weshalb man mit kruden Hypothesen Hass sät und Stimmung macht. Nazis und Islamisten hatten sogar einen gemeinsamen Truppenverband, die 13. SS-Gebirgsdivision „Handschar“ (benannt nach einem arabischen Krummsäbel). Da wird Pegida auf einmal zum antifaschistischen Widerstand – und die Welt der Lohnschreiber steht Kopf.

Es wäre auch einfach, das Problem zu lösen, die Ansätze sind bekannt. Einstellung der massenhaften Lieferung deutscher Waffen ins Krisengebiet – jener Waffen, die nach Angaben von Amnesty International die Gräueltaten im großen Stil befördern (siehe Spiegel) und Einstellung der Luftangriffe, die viele Menschen in die Arme der IS treiben (siehe Süddeutsche) – das blindwütige, geistlose Schwingen einer „Nazi-Keule“ im Inland gehört nicht dazu, auch nicht das Verdrängen einer wachsenden Deutschenfeindlichkeit muslimisch orientierter Mitbürger (das Magazin theintelligence führt hierzu einiges aus, unter anderem belegt durch einen Filmbericht des ARD über eine Schule in Essen-Karnap) oder die öffentliche Lobhudelei von dem überlegenen syrischen Flüchtling, der deutschen Kindern zeigt, wo er Hammer hängt … wie zum Beispiel jener Syrer, den die Verteidigungsministerin bei sich aufgenommen hat (siehe Spiegel):

„“Er hat unser Leben bereichert“, sagte die CDU-Politikerin der Zeitung. „Für meine Kinder ist es unglaublich lehrreich zu sehen, wie sehr er sich durchbeißen musste.“ „Die Ministerin sagte, der Syrer zeige, „wie viel Kraft in so jungen Flüchtlingen steckt, wenn wir ihnen am Anfang Zuversicht geben“. Sie betonte: „So viele Flüchtlinge wollen Fuß fassen und etwas in Deutschland schaffen. Diesen Schwung sollten wir aufnehmen und fördern, dann gelingt Integration.““

Überlegen Sie mal, wie das auf den bierseligen Mann im Unterhemd wirkt, dem gerade der Strom abgestellt wurde: natürlich ist der Hausflüchtling der Frau von der Leyen von edlem Geblüt, er macht gerade einen Pilotenschein, seine Familie ist so reich, dass er nie Leistungen in Anspruch nehmen musste, verdrängt wird, dass sein „Schwung“ auf einen jener Arbeitsplätze zielt, die für Deutsche selbst immer unerschwinglicher werden … womit wir wieder bei den bösen Ossis sind, die eben diese Erfahrungen machen mussten: die Reichtümer ihrer Länder waren für andere – für Besserwessis – gedacht. Ist es so schwer verständlich, dass es Ungemach erzeugt (und Ängste), wenn der Besserwessi jetzt den Bessersyrer einführt, an dessen Wesen das Land genesen soll? Wenn die Regierung das macht, was vor kurzem noch ein Scherz war – sich ein neues Volk zuzulegen, dass besser wählt als das alte?

Doch jene Menschen „brabbeln“ ja nur, eine Kommunikationsform, die nur geistig äußerst schwache Untermenschen anwenden. Das ist kein Rassismus?

Doch wo ist nun eigentlich die Quelle zu suchen, aus der diese Querfront von Reichen stammt, die augenscheinlich politisch weit auseinanderliegende Edelfedern so eint? Ist es die Agenda 2018, die jedem fünften Spiegelschreiber bis 2018 den Verlust des Arbeitsplatzes garantiert und somit zu besonders emsigen Konformitätsschreiben anleitet – um nicht auch zu jenen zu gehören, denen der Strom abgestellt wird (siehe Frankfurter Rundschau)? Oder ist es ein genereller Reflex auf den neuen Gesellschaftsvertrag, wie ihn der Soziologe Heinz Bude formuliert (siehe Spiegel):

Früher hieß der stille Gesellschaftsvertrag „Wer will, kann“, heute lautet die allgegenwärtige Drohung „Wer nicht aufpasst, rutscht“.

Ich denke – hier muss man weiter ausholen. Der Grund für den zwanghaft-neurotischen Gebrauch der Nazikeule (die erst überhaupt echte Nazis mit anderen kritischen Gruppen vereint – jene … oft V-Mann gesteuerten … Typen, die als Trittbrettfahrer überall auftauchen, wo politische Macht lockt) ist woanders zu suchen: man fürchtet die Konkurrenz. Es droht Gefahr für die Etablierten: eine neue Geburt echter Linker, die Gesellschaft neu erfinden wollen (siehe le Bohemien):

„Basierend auf dem Konzept des Linkspopulismus des argentinischen Theoretikers Ernesto Laclaus und der Erfahrung der (bis vor kurzem) erfolgreichen linken Bewegungen Südamerikas des letzten Jahrzehnts, versucht Podemos “jenseits von Links-Rechts” eine neue politische Identität zu schaffen: die des “Volkes”, das sich als Gegenpol zur politischen und wirtschaftlichen Elite versteht. Grundsätzliche Kapitalismuskritik tritt dann in den Hintergrund, zugunsten einer oft moralisierenden Anklage der korrumpierten Politik und dem obszönen Egoismus der Reichen.“

„Alle, die von dem Egoismus und der Korruption der alten politischen Klasse genug hatten, sollten sich in ihr wiederfinden. Beispielhaft für diese Strategie ist der Begriff “la casta” (die Kaste), der genau diese Verfilzung von politischen und wirtschaftlichen Eliten beschreibt. Podemos hat diesen Begriff erfunden, der heute aus dem spanischen Diskurs nicht mehr wegzudenken ist.“

Nur – Podemos hat „la casta“ nicht erfunden, es gab schon jemanden in Deutschland, der „das System“ beschrieben hat: Hans Herbert von Arnim, Verfassungsrechtler. 60 Prozent der Deutschen glauben nicht mehr an die Existenz von Demokratie im eigenen Land, 14 Jahre nach der Beschreibung des Systems (oder: la casta) ist die Kunde von seiner Existenz Allgemenwissen geworden. Übel für das System, das jetzt vor allem eins muss: jede Bewegung mit der „Nazikeule“ niederknüppeln, die Bürger außerhalb der „legitimen Meinung“ zusammenführt, die es überhaupt schafft, Menschen wieder auf die Straße zu bringen.

Die sind gar nicht so doof, die Edelfedern. Im Gegenteil: sie tun ihren Job im Dienste des Systems um ihren Platz im Cafe Einstein nicht zu gefährden: immerhin kostet dort das Sylvestermenü 79 Euro, „korrespondierende Weine“ dazu 29 Euro (siehe Cafe Einstein). Davon muss der Mann im Unterhemd einen Monat lang sein Essen und sein Bier bezahlen – kein Wunder, dass es für Strom nicht mehr reicht. Zeit, ihm schnell hasserfüllt die Nazikeule überzubraten (was man gemeinhin eine Diffamierung nennt – also eine böswillige Unterstellung), bevor er merkt, wer die Preise im Cafe wirklich bezahlt.

 

 

 

 

 

 

 

 

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