Samstag, 21.1.2012. Eifel – und das ist auch gut so, denn ausserhalb unserer kleinen, verarmten Enklave tobt der Wahnsinn. Man merkt, das Armut etwas Gutes sein kann: wo der Mensch nichts hat, wird er uninteressant für den Konzern und den Staat. Gut für den Menschen, für die Natur und das Gemeinwesen. Schauen wir doch mal genauer hin – zum Beispiel die „Unwörter“ der letzten zwanzig Jahre: gegen Überfremdung durch Gotteskrieger in national befreiten Zonen wurde mittels Dönermorden eine ethnische Säuberung begonnen, die Deutschland ausländerfrei machen sollte, falls die freiwillige Ausreise nicht funktioniert. Scheußlich, oder? Da sind wir wieder mitten im NS-Regime – dabei sollte das doch vorbei sein. Schlimmer jedoch tobt der Ungeist in der Wirtschaft:
Durch gezielte Entlassungsproduktivität in betriebsratsverseuchten Unternehmen wurde das Humankapital zu Wohlstandsmüll, gerade noch tauglich für Ich-AG oder zur Aufblähung der Rentnerschwemme, vor der uns nur das sozialverträgliche Frühableben retten kann – für notleidende Banken sind das natürlich Peanuts oder Kollateralschäden, die durch Diätenanpassungen oder Herdprämien bewältigt werden.
So aneinandergereiht merkt man, welcher Ungeist seit zwanzig Jahren durch Deutschland tobt – seit der Wiedervereinigung mit Dunkeldeutschland hat sich dieses Land in der Tat verdunkelt. Es stellt sich nun schnell die Frage, ob es Absicht oder Zufall war – auf jeden Fall kann man sagen, das durch solche Mammutprojekte wie die Annektion der DDR so viel in Bewegung kam, das man unmerklich den Kurs ändern konnte … weg von einer demokratischen Gesellschaft hin zu einer Gesellschaft, die Demokratie und Menschenrechte nur eingeschränkt zulässt und ihnen einen nachrangigen Stellenwert zumisst.
Kanzlerin Angela Merkel – die Überraschung aus dem Osten – hat dafür einen eindeutigen Begriff gewählt, der sich im Jahre 2011 leider nicht gegen die Dönermorde durchsetzen konnte – leider deshalb, weil hier das seit Jahrzehnten laufende Großprogramm zum Umbau der BRD das erste Mal öffentlich genannt wurde, der Umbau eines demokratischen Gemeinwesens in eine marktkonforme Demokratie.
„Markt“ ist ja für uns alle ein positiv besetzter Begriff. Wir haben das ja in der Schule gelernt: der Markt ist ein ganz wichtiges Instrument im Wirtschaftsleben. Da hat der eine zuviel Hühner, der andere zuviel Kartoffeln, der dritte zuviele Äpfel. Einmal die Woche machen sich alle auf den Weg zum Marktflecken, wo sie ihre Überschüsse austauschen, was ihnen ein wirklich reiches Leben beschert. Eine Vorstellung, die wirklich nur zu begrüssen ist – müsste man doch sonst die Überschüsse an Nahrungsmittel einfach wegschmeissen, wie es heutzutage jeder Supermarkt macht.
Markt ist ein sehr alter Begriff. Ich möchte ihn einfach mal mit einem anderen Begriff vergleichen – diesmal nicht einem Begriff aus der Welt der Wirtschaft, sondern mit einem Begriff aus der Welt der Kriegsführung. Analog zum Ort, wo der Handel ausgetragen wird, gibt es auch einen Ort, wo der Krieg ausgetragen wird: das Schlachtfeld.
Was ein Schlachtfeld ist, wissen wir. Zwei kriegsführende Parteien treffen sich zum verabredeten Zeitpunkt auf einem durch Kampfrichter zum Schutze der Zivilbevölkerung zuvor abgestecktem Feld, um ihre zuvor eskalierten Auseinandersetzungen durch einen Waffengang zu entscheiden.
Ich merke … jetzt werden viele irritiert sein – aber solche Schlachtfelder gab es. Im Mittelalter. Im Internet habe ich noch keine Beschreibungen dazu gefunden – aber es waren die ersten Versuche, Kriege humaner zu gestalten und zu verhindern, das plündernde Söldnerhorden im Anschluss an die Schlacht die Lebensgrundlage des ganzen Volkes (und aller am Waffengang Beteiligter) vernichteten. Indianer kannten solche „Kriegsmärkte“ ebenfalls. Mir kommt es darauf aber gar nicht an – sondern erstmal auf den Vergleich früherer Schlachten mit heutigen Kriegen … wir kennen schon lange keine großen Schlachtfelder mehr. Der Bewegungskrieg hat die Vorstellung von einem Ort, an dem man in Ruhe und Frieden seine Schlacht austragen kann, in den Bereich der Mythen und Legenden verbannt. Selbst die Begriffe der Massenkriegsführung gehören der Vergangenheit an … einen „Frontverlauf“ gibt es nicht mehr, „sicheres Hinterland“ ebensowenig – und die Zivilbevölkerung ist überall jederzeit als Opfer Kriegsteilnehmer geworden. Der Krieg ist so total geworden, das er alle Bereiche tangiert – jede Nachricht, die uns heute erreicht, kann morgen schon als Schachzug eines neuen Krieges entlarvt werden, Physik, Chemie und Biologie haben Waffen entworfen, die Menschen in immer größeren Massen vernichten können – atomar schaffen wir es gerade 35 mal, den gesamten Planeten zu zerstören.
Cool, oder?
Niemand würde heute noch mit Bildern von Schlachtfeldern arbeiten, in denen sich zwei gegnerische Armeen – gut zu erkennen an den unterschiedlichen roten oder blauen Uniformen mit gelben oder grünen Streifen – gegenüberstehen und auf Kommando von 15.00 – 19.00 kämpfen, damit anschließend noch genug Zeit bleibt, die Leichen zwecks Verhinderung von Seuchen ordnungsgemäß zu entsorgen.
Aber die naive Vorstellung von dem Marktplatz … die wird immer noch transportiert. Dabei hat er sich verändert wie das Schlachtfeld. Genauso, wie es nirgends mehr einen Ort gibt, der vor dem Kriegsgeschehen sicher ist, gibt es auch nirgends mehr einen Ort, der vor dem Markt sicher ist – das heißt, jener ruhige, sichere Ort, an dem wir unsere Überschüsse von Kartoffeln, Hühnern und Äpfeln produzieren, gibt es nicht mehr. Unser Bauernhof, der uns essen liefert, uns Obdach gibt, uns vor Hunger und Winter schützt, ist durch den Markt vernichtet worden.
Einfach heutzutage mal Bauern fragen, was sie denn von dem Markt halten. Oder sich mal selber in seiner wirtschaftlichen Situation mit einem Bauern vergleichen, der souverän einmal in der Woche auf den Markt fährt – da merken selbst Besserverdienende, wie schlecht es ihnen geht, wie völlig abhängig sie von ihrem Arbeitsplatz, ihrer Bank und ihrem neurotischen Chef sind. Der Markt verfolgt uns inzwischen wie der Krieg bis nach Hause – und es gibt nichts, was er nicht vermarkten kann. Unsere Frauen, unser Kinder, unsere Männer, unsere Waren, unser Haus selbst: nichts ist vor ihm sicher, kein Eigentum hat Bestand. Was wir anziehen (auch „drunter“), wie wir sprechen, welche Meinung wir haben, welche Trendfarbe unsere Wände zu schmücken hat, was wir fahren, was wir essen, trinken, wie wir Sex haben, Sport treiben wohnen oder denken sollen – all das steht 2011 unter dem Begriff des „Marktes“, der über das Alltagsleben des Menschen einen Terror ausübt, der an die schlimmsten Exzesse der Leibeigenschaft erinnert. So bekommen die Unwörter auf einmal einen noch unheimlicheren Beigeschmack, weil man auf einmal merkt, das man selber durch Krankheit aber auf jeden Fall durch Alter schnell in jene Sphären kommt, wo man sich im Dienste am „Markt“ am besten kostengünstigst und umweltverträglich entsorgen läßt, jene neue Welt, die unsere Kanzlerin nun offen angekündigt hat:
Durch gezielte Entlassungsproduktivität in betriebsratsverseuchten Unternehmen wurde das Humankapital alternativlos zu Wohlstandsmüll, gerade noch tauglich für Ich-AG oder zur Aufblähung der Rentnerschwemme, vor der uns nur das sozialverträgliche Frühableben retten kann – für notleidende Banken sind das natürlich Peanuts oder Kollateralschäden, die durch Diätenanpassungen oder Herdprämien bewältigt werden.
Merkt man nun, welche Zukunft uns erwartet …. wenn jetzt die marktkonforme Demokratie kommt? Wer weder von Diätenanpassung noch von der Herdprämie profitiert, sollte sich frühzeitig um sein sozialverträgliches Frühableben kümmern.
Somit endete im Jahre 2011 in Deutschland unmerklich das Zeitalter der Aufklärung: der Welt wird globales Vernichtungslager, der Mensch zu Wohlstandsmüll, der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit führte leider nur zu völligen Vernichtung der Menschheit – vor der auch Stéphane Hessel warnt:
Das im Westen herrschende materialistische Maximierungsdenken hat die Welt in eine Krise gestürzt, aus der wir uns befreien müssen. Wir müssen radikal mit dem Rausch des „Immer noch mehr“ brechen, in dem die Finanzwelt aber auch Wissenschaft und Technik die Flucht nach vorn angetreten haben. Es ist höchste Zeit, das Ethik, Gerechtigkeit, nachhaltiges Gleichgewicht unser Anliegen werden. Denn uns drohen schwerste Gefahren, die dem Abenteuer Mensch auf einem für uns unbewohnbar gewordenen Planeten ein Ende setzen könnten.
(Hesselzitat aus: Empört euch, Ullstein 2011, Seite 19-20).
Trauen wir uns das noch wirklich noch zu? Ein Leben ohne Wissenschaft, Technik und … Geld?
Macht das Leben ohne Auto, Fernsehen, Spielkonsole überhaut noch Sinn? Oder ist es da nicht wirklich besser, dem Weltall einen weiteren toten Planeten hinzuzufügen … denn … immerhin … was wird aus uns, wenn der Markt uns nicht mehr an seiner übergroßen Brust duldet? Wohin sollte denn die Reise führen, wenn wir anfangen, Schritt für Schritt den Markt aus unserem Leben, unserer Wohnung, unserem Körper herauszudrängen?
Können wir uns ein Leben, das sich nicht dem Markt, der Mode und dem Geld bedingungslos unterordnet, überhaupt noch vorstellen?
Das wird uns bald wieder in eine Zeit führen, in der der Mensch erneut aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit heraustreten muss. Schade auch, das wir jetzt erstmal eine Warteschleife eingelegt haben, um zu schauen, ob die Religion des Marktes (bestens ausgestattet durch Naturwissenschaft und Technik) nicht vielleicht doch besser ist als die Religion der Christen. Schade – und erbärmlich, denn eigentlich wollten wir ja mit aller Kraft fort von dieser Unmündigkeit.
Nun führt der Markt (bzw. das was man heute so nennt) aber Krieg gegen die Menschheit – und wir haben nur die Wahl, entweder ihn zu vernichten … oder uns selbst.
Wird noch spannend, zu sehen, wofür man sich entscheidet.