Tunesien

This tag is associated with 4 posts

Arabische Unruhen … und Verschwörungstheorien.

Als es in Tunesien Revolten gab, dachte ich noch: „Gut, so was passiert“.  Revolten kommen schon mal vor – dort, wo Ungerechtigkeit herrscht. Revolten oder Faschismus. Wissen wir ja aus der Geschichte. Ungerechtigkeit plus Hunger gleich Aufstand. So hat man uns das im Geschichtsunterricht beigebracht.

Überrascht war ich, als der tunesische Diktator ganz schnell von der Bühne verschwand. Das war ziemlich ungewöhnlich. Eigentlich kennt man das ja anders, auch in Deutschland. 1979 sagten wir als deutsche Bürger der Politik auch: „Herr Minister, wir wollen lieber kein Atomkraftwerk„, wir taten uns zusammen, gründeten Parteien, wurden gewählt und siehe da: im Jahre 2011 gibt es in Deutschland kein Atomkraftwerk mehr … das nicht eine ordentliche gewinnträchtige Restlaufzeit aufweist. Anstelle der Atomkraftwerke wurde dann aber kurzerhand der Sozialstaat abgeschafft samt Bildung für finanzabstinente Schichten, damit das Volk fürderhin beschäftigt bleibt und nicht wieder auf dumme Gedanken kommt.

Bei Diktatoren hätte ich  mit mehr Gegenwehr gerechnet – aber gut. Vielleicht hatte der auch keine Lust mehr.

Dann kam Ägypten … und ich wurde etwas unruhig. EINE Revolte – gut und schön … aber zwei? Und wieder geht alles ganz glatt über die Bühne? Nirgendwo eine Rebellenarmee, die sich – wie sonst auf dem afrikanischen Kontinent üblich – mit Waffengewalt die Regierungsmacht an sich reißen muß? Alle Finsterlinge treten mit einem beleidigten „Dann geh´ ich halt …“ einfach so ab?

Hätte ja sein können. Es gibt auch Zufälle in der Welt.

Dann der Jemen, 2.2.2011 bei Webnews:

Seit 32 Jahren regiert Ali Abdullah Salih im Jemen. Da im Land die Proteste zunehmen, reagiert der Machthaber in Sanaa nun wie Ägyptens Präsident Mubarak. Er will gehen – aber nicht sofort.

Jemens Präsident hat vor dem Parlament seinen Rückzug aus dem Amt angekündigt. Ali Abdullah Salih reagiert damit auf die Proteste in seinem Land.

Na ja. Manchmal gibt es auch Zufälle in Serie. Komisch anmutende Fälle von Amtsflucht und Diktaturmüdigkeit – vielleicht ist das ja auch ansteckend.

Heute nun im Tagesspiegel:

Tausende protestieren in Libyen, Bahrain und Jemen. Bei den Auseinandersetzungen zwischen Regierungsgetreuen und -gegnern gibt es mehrere Tote. Das Außenamt in Berlin warnt inzwischen vor Reisen in die gefährlichen Gebiete.

Da werde ich dann aber mal so langsam nervös und frage mich: was wird da eigentlich gerade aufgeführt?

Es geht ja noch weiter:

Der frühere tunesische Präsident Ben Ali ist nach Angaben eines Vertrauten der Familie schwer krank. Ben Ali habe einen Schlaganfall erlitten und liege in einem Krankenhaus im saudiarabischen Dschiddah im Koma. Nach Saudi-Arabien war Ben Ali nach Massenprotesten der Opposition geflohen. Auch Ägyptens Ex-Präsident Mubarak soll in schlechter gesundheitlicher Verfassung sein.

Insofern verstehe ich die aufkommende Panik in Bahrain, von der die Welt heute berichtet:

„Offenbar ist das Regime in Panik geraten“, sagt Salman Shaikh, Direktor des amerikanischen Think Tanks Brookings Institution im Emirat Katar. „So ist eine instabile Lage in eine gewalttätige umgeschlagen.

Wie sehr sich die Machthaber auf ihrer 500.000-Einwohner-Insel in der Defensive sehen, darauf deutet die von verschiedenen Seiten berichtete Einzelheit der letzten Nacht, dass unter den Einsatzkräften zahlreiche auswärtige Befehlsträger aus sunnitischen Militärmächten wie Pakistan und Saudi-Arabien gewesen seien.

So langsam sehe ich … das da auch ein ganz anderes Bild möglich ist, als dasjenige der Presseagenturen und Regierungssprecher. Auf jenes beruft sich ja auch die Welt:

„Das ist eher ein breites gesellschaftliches Bündnis für mehr Bürgerbeteiligung, nicht vor allem für die Schia oder den Islam“, so Shaikh. „Der Protest in Bahrain folgt den jugendlichen Bewegungen, die wir jetzt auch in anderen arabischen Ländern gesehen haben: sie sind egalitär und dezentral über das Internet organisiert.

Reihenweise werden Diktatoren ins Ausland gejagt und ersetzt durch … US-freundliche Militärs. Bedroht werden die alten US-Freunde aus Saudi-Arabien … die nur eigentlich nicht so freundlich sind. Immerhin kamen die meisten der Attentäter vom 11.9.2001 aus Saudi-Arabien, Saudi-Arabien unterstützt die Feinde Israels, ist selbst mit denen noch im Kriegszustand. Geht diese Bewegung sei weiter, dann haben wir in zehn Jahren einen festen amerikafreundlichen Block in Arabien – tolle neue Absatzmärkte für amerikanische Produkte, Öl in Massen und eine sicher Bastion gegen die zunehmenden chinesischen Expansionsbestrebungen in Afrika.

Dürften wir als Bürger noch an „Geostrategie“ glauben, dann dürften wir vermuten, das da vielleicht sogar ein Plan mit viel Geld hintersteckt, eine steuernde Intelligenz, die neun Jahre lang einen Vernichtungsschlag gegen die arabische Welt geplant hat, um sich für die erlittene Schmach zu rächen.

In der Fuldaer Zeitung gibt es erste Stimmen dazu:

Die Schockwellen, die der Volksaufstand in Ägypten durch die arabischen Welt sendet, haben mit Verspätung Saudi-Arabien erreicht. Vor allem Äußerungen des Muftis von Saudi-Arabien, Scheich Abdelasis Al-Alscheich, sorgten am Wochenende für Unmut.

Der Mufti hatte am Freitag in einer Predigt in einer großen Moschee in der Hauptstadt Riad gesagt, hinter den Demonstrationen in Tunesien und Ägypten steckten «Feinde des Islam», deren Ziel es sei, die arabischen und islamischen Staaten zu schwächen. Er appellierte deshalb an die Jugend von Saudi-Arabien, sich von diesen «Chaoten» nicht anstecken zu lassen.

Allen Besorgniskundgebungen zum Trotz haben die USA zwar ein paar kleine Probleme mit den Unruhen (immerhin kennt man die wirtschaftlichen Probleme des arabischen Raumes auch im eigenen Land), aber letztendlich wird hier doch mal wieder am ganz großen Rad gedreht, wie das Handelsblatt ausführt:

In Bahrain brechen erstmals wieder nach den Spätfolgen des Irak-Krieges inner-islamische Konflikte auf – schiitische Mehrheit gegen sunnitische Herrscher, wie im Zweistromland nach dem Sturz des Diktators Saddam Hussein. Vor allem aber droht dieser Konflikt sich in das nur über eine, zugegebenermaßen 26 Kilometer lange Brücke entfernte Saudi-Arabien auszubreiten. War Bahrain bisher nur das Vergnügungszentrum für unterhaltungssüchtige Saudis, der Fluchtpunkt aus ihrer wahabbitisch-strengen islamischen Heimat, so droht  der innermoslemische Zwist sich nun auszubreiten.

Was kann denn den USA, die sich im großen „Kampf der Kulturen“ befinden, besseres passieren als das sich die gegnerische Kultur selbst zerfleischt? Sie erhalten neue, korruptionsfähige „Demokratien“ nach westlichem Vorbild, in denen die Konzerne schalten und walten können wie sie wollen, sie gewinnen den Kampf der Kulturen mit Hamburgern, Coke und Disney – so wie bei uns zu Hause. Und nebenbei … gibt´s  noch neue Ölseen für die Energiekonzerne und Wüstenwelten für „Dersertec“.

Also … als Geostratege der USA würde ich jetzt erstmal ein Faß aufmachen. Die ganzen alten eingebildeten Wüstenscheiche werden zum Teufel gejagt und mir fallen ein Dutzend neuer, reicher Märkte in den Schoß … was will ich mehr?

Natürlich weiß ich, das es keine Auslangsgeheimdienste der USA gibt – und wenn, dann sind die nur caritativ tätig. Die kaufen keine Meinungen, beeinflussen keine Politiker (außer Jutta Dittfurth, aber die hat ja abgelehnt) und erst recht beteiligen die sich nicht an Umstürzen … außer natürlich in Panama, Grenada, Chile, Argentinien, Nicaragua, Iran, Kuba und einigen anderen Ländern dieser Welt. Aber das waren auch alles begründete Ausnahmen, wo die Interessen der USA auf dem Spiel standen.

Heute ist das ja auch alles anders.

Am 14.1.2009 meldete jedoch das Hamburger Abendblatt:

Kurz vor dem Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Barack Obama hat der Iran nach eigenen Angaben einen US-finanzierten Umsturzversuch vereitelt.

Vielleicht haben die ja doch noch mehr … finanziert, organisiert, abgestimmt? Aber nein, das ging ja nicht. Das machen die nicht.

Jedenfalls nicht mehr 2011, dem Jahr, in dem es wirklich weltweit keine Verschwörungen mehr gibt und die verbotenen Artikel auch nicht mehr in den Hessischen Nachrichten erscheinen:

Der erste Umsturz in der Geschichte des modernen Iran wurde 1953 von den USA eingeleitet. Agenten des US-Geheimdienstes CIA ersetzten den iranischen Premier Mohammad Mossadegh durch eine Marionettenregierung. Im Kern ging es der damaligen US-Regierung um zwei Dinge. Erstens: Der Iran als Brückenstaat zwischen Europa und der islamischen Welt sollte dem wachsenden Einfluss des kommunistischen Sowjetregimes entzogen werden. In Zeiten des Kalten Krieges fürchteten die USA, den Nahen und Mittleren Osten an den Kommunismus zu verlieren.

Zweitens durften Briten und Amerikaner aber nicht nahezu völlig vom Erdölgeschäft abgeschnitten werden, wie es 1951 Mossadegh durchsetzte. Irans Parlament kündigte die Verträge mit den Briten und verstaatlichte die Erdölproduktion. Verhandlungen mit dem Nationalisten Mossadegh über Entschädigungen blieben erfolglos.

Dieser Artikel stammt nämlich aus dem Jahre 2009.

Heute ginge das nicht mehr … das wäre ja „Verschwörungstheorie“.  Was der Stern hier 2010 berichtet, machen die nicht:

Der Iran hat die USA beschuldigt, der Opposition Milliardensummen für einen Sturz der Regierung in Teheran angeboten zu haben. Der Wächterrat, der die Wahlen im Iran überwacht, warf Washington vor, der Oppositionsbewegung insgesamt 50 Milliarden Dollar (38,4 Milliarden Euro) versprochen zu haben, wie die iranische Nachrichtenagentur Ilna am Mittwoch berichtete. Von dem Geld seien eine Milliarde Dollar bereits an die Führer der Opposition während der gewaltsamen Proteste wegen der umstrittenen Wiederwahl des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad im Juni 2009 gezahlt worden.

Warum sollten die das auch tun?

Nur wegen dem Öl?

Aufruhr in Deutschland?

Es ist ja gerade überall Aufruhr – in Ägypten, in Tunesien, in der FAZ. In der FAZ? Ja, dort malt ein Autor ein fürchterliches Schreckgespenst an die Wand:

Ein Aufstand der Massen gegen die Eliten, die diese Länder bisher zu unser aller Wohl stabilisiert haben. Nachdem in Tunesien bislang auch keine Synagogen angezündet wurden, muss die reiche, von den bisherigen Regierungen bevorzugte Oberschicht nun einsehen: Noch nicht mal die üblichen Sündenböcke der Region, sondern sie selbst sind mit der Empörung von Leuten, die ihre Töchter nicht in Paris einkleiden lassen, wohl gemeint.

Kann der tunesische Hass auf die Leistungseliten und ihre zu unser aller Wohle gefestigte Stellung auch nach Europa hinüberschwappen?

Schaue ich mir manche Kommentare – viele Kommentare – auf den Internetseiten großer Zeitungen an, dann muß ich feststellen: der Hass ist schon längst da und wird ganz offen und unverblümt geäußert. Die schrumpfende Zustimmung zur Demokratie kommt ja nicht von ungefähr. Nun gut – wir haben Aufschwung. Sagen ja alle. Ein Blick in die Sonntagszeitung reicht, um zu sehen: es gab noch nie so viele 400-Euro-Jobs wie bisher, immer mehr zahlen sogar nur 325 Euro, was wahrscheinlich wieder mit irgendwelchen arbeitsmarktpolitischen Entscheidungen zusammenhängt, die man als Normalmensch schon gar nicht mehr versteht.

Auch die akademische Welt – unsere große Hoffnung im Kampf gegen den „Fachkräftemangel“ – wird zu diesen Preisen verheizt, wie die Allgemeine Zeitung schreibt:

Für viele junge Wissenschaftler ist der Traumjob an einer deutschen Universität zum Albtraum geworden. Grund: Ihnen werden oft nur Zeitverträge angeboten, die ihnen keine längerfristige Lebensplanung ermöglichen.

Da geht es unserer Leistungselite doch wie allen anderen.  Man wird zum Tagelöhner und die Politik findet das gut, so jedenfalls steht es im Handelsblatt:

Der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, hat die Zeitarbeit gegen Kritik verteidigt. Zugleich kündigte er eine Überprüfung aller Arbeitsmarktprogramme an. Dass sich bei der Zahl der Leiharbeiter 2011 ein neuer Höchststand abzeichne, finde er grundsätzlich gut.

Nun – um sein Gehalt, die Gehälter und Mieten seiner Behörde und seine Arbeitsmarktprogramme zu bezahlen, verschuldet sich der deutsche Staat ja täglich mehr, weil die Leistungselite in der Wirtschaft und Politik halt mal wieder völlig bei dem Aufgabengebiet „Vollbeschäftigung“ versagt hat. Da kann er gut Sprüche klopfen, er muß sich nicht auf dem kargen Markt zu Dumpingpreisen verdingen, in der Hoffnung, dadurch den eigenen „Maßnahmen“ zu entkommen. Vielleicht spendet es ein wenig Trost, das es den neu nach Deutschland flutenden Fachkräften auch nicht besser geht, so Presseurop:

Die Auswanderung junger spanischer Hochschulabsolventen nach Deutschland ist bereits eine Realität: Tausende von ihnen arbeiten in Berlin, oftmals in prekären Teilzeitstellen. Und wenn der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU, Michael Fuchs, erklärt: „Zahlreiche junge Menschen in Süd- und Osteuropa sind ohne Arbeit“, dann rennt er nur offene Türen ein.

Warum macht man so etwas? Wieso öffnet man die Zugänge zu einem Arbeitsmarkt so weit, der sowieso schon Überkapazitäten hat, die keiner mehr bezahlen will?

Nun – ich denke, man schaut wirklich nach Tunesien, nach Ägypten, nimmt die Rufe nach Revolte ernster als man denkt. Es wird nicht mehr lange dauern, da werden die Bürger merken, das das Dschungelcamp großflächig das neue Modell Deutschland darstellt und man sich den Kammerjäger zwecks Insektenvertilgung sparen kann: man wird die kleinen Eiweißlieferanten für die Ergänzung des deutschen Speiseplans brauchen, da normales Essen laut Welt immer unbezahlbarer wird:

Tomaten kosteten im Dezember rund die Hälfte mehr als noch ein Jahr zuvor, bei Paprika und Blumenkohl betrug das Plus rund 40 Prozent, Gurken, Nüsse, Wirsing, Kartoffeln, Zwiebeln – überall legte der Preis 25 bis 30 Prozent zu. Gemüse insgesamt wurde um 17,5 Prozent teurer, Obst knapp acht Prozent – innerhalb von gerade mal zwölf Monaten. Ist das keine Inflation?

Wenn das Essen unbezahlbar wird, dann … werden wohl auch die Deutschen zunehmend bargeldlos einkaufen – aber nach dem Modell Tunesien. Folgt man dem Plädoyer der Befürworter einer Kindergrundsicherung – hier zitiert bei scharf-links – ist die Armut bei uns schon längst viel weiter bei uns verbreitet als uns lieb ist:

Die hohe Dunkelziffer bei der heutigen sozialen Sicherung wird beseitigt bzw. unbekämpft bleibende Armut vermieden. Denn viele Menschen nehmen ihnen zustehende Geldleistungen im Rahmen von Hartz IV oder Kinderzuschlag aus Unwissenheit oder aus Scham nicht in Anspruch, selbst wenn diese als suboptimale Lösung erhöht werden sollten.“

Damit fallen die auch aus allen Statistiken heraus, die selbst schon bedrohlich genug wirken – trotz aller kosmetischen Schrumpfkuren der letzten Jahre.

Aufruhr in Deutschland?

Ohne Weiteres denkbar. Wir hatten ihn schon mal. Ich denke … wenn es wieder Uniformen für die Aufrührer gibt, zusätzlich eine warme Mahlzeit und ein warmes Nachtlager, dann wird es schon wieder einen Sturm geben können. Wie üblich würden zornige arme Menschen in den Uniformen stecken, Menschen, die schon jetzt wenig Verständnis für Stuttgart 21, Betrügerboni oder Maßnahmen der Arbeitsagentur haben. Lustig würde das trotzdem nicht werden, wahrscheinlich wird man wieder die Arbeitslosenquote durch physische Ausrottung der Arbeitslosen senken – aber vielleicht kommen ja mangels Mitbürgern jüdischen Glaubens diesmal auch Funktionsträger des Lobbyistensumpfes unter die Räder.

Auf jeden Fall ist die Stimmungslage der Lumpenelite gedämpfter – auch außerhalb Ägyptens. Wie es aussieht, befürchten die noch Schlimmeres, wenn man dem Manager-Magazin Glauben schenken darf:

Dies ließ sich am Sonntag bereits an den Handelsplätzen der Region beobachten, wo die Kurse auf breiter Front ins Rutschen kamen. An der Spitze der Talfahrt der arabischen Börsen lag der Index in Dubai mit einem Fall von 4,3 Prozent. Er erreichte damit den tiefsten Stand des vergangenen halben Jahres. Auch in Katar gab der Leitindex um 3 Prozent nach. In Oman und Abu Dhabi verloren die Kurse bis zum Handelsschluss 3,0 beziehungsweise 3,7 Prozent.

Ein bischen viel Panik angesichts solcher kleinen nationalen Revolten, oder? Aber … die haben ja auch Herrschaftswissen, während ich nur rätselnd und staunend vor der Historie stehe.

Könnten wir normalen Bürger, die wir noch eher soziale Gemeinschaftswesen als asoziale Räuber sind, nicht ganz schnell noch die Notbremse ziehen? Führen erstmal den Taler wieder ein, als regionale Währung für regionale Produkte, erklären unsere Regionen zu unabhängigen Kleinstaaten, lassen die Berliner Republik auf ihren Schulden sitzen und bauen unsere Wirtschaft erstmal wieder ganz von vorne auf. Müßte ja auch ohne Krieg gehen. Wir hätten sofort Vollbeschäftigung, volle Kassen und supergute Laune, unsere Kinder hätten eine ökologisch gesicherte Lebensperspektive auf höchstem Bildungsniveau und alle zusammen wieder mehr Sinn, Spaß und vor allem: Zukunft im Leben.

Wäre doch irgendwie spannender als den Rest seines Lebens damit zu verbringen, sich Programme anzuschauen, die so flach wie die neuesten Bildschirme sind. Vielleicht wäre es schöner, mit den Nachbarn zusammen die Autobahnen der Lumpenelite (und des österreichischen Führers) zurückzubauen, um Ackerland für Biokartoffeln zu gewinnen.  Das wäre mal echtes Leben anstelle der virtuellen Lebenskrücken.

Das ginge auch alles ganz friedlich, ohne großes Blutvergießen. Und ich glaube – das ist viel eher die deutsche Art der Revolution. War ja 1989 auch so. Damals gegen die Gemeinschaftslumpen, diesmal … gegen die Hochleistungslumpen.

Also … wie wär´s? Morgen früh mit Spitzhacken um 6.oo Uhr auf der A1? Wäre doch schon mal ein Anfang. Aber … vielleicht ist das auch verboten. Ich sollte erstmal nachschauen …

Mal im Ernst – was sollte uns Deutsche daran hindern, uns auf friedlichem Wege die Bonner Republik zurückzuerobern, eine Republik, die mehr Demokratie wagen wollte und auf dem besten Wege war, die dunklen Schatten der Deutschen Geschichte weit hinter sich zu lassen um in die Ruhmeshalle der Vorbildstaaten aufgenommen zu werden. Was … sollte uns wirklich daran hindern, das einfach Morgen zu beginnen?

Tunesien

Na so was auf ein Mal ging es ganz schnell und nachdem sich der ehemalige Langzeitpräsident Ben Ali aus dem Staub gemacht hat, geben sich die Übergangspräsidenten die Klinke in die Hand. Sehr mysteriös das Ganze. Schließlich ist der Herr Ben Ali unser Mann und das nicht erst seit Gestern. Außerdem konnte man in Tunesien immer so schön Urlaub machen alles war ruhig und vorbildlich, quasi ein Aushängeschild eines afrikanischen Landes.

Auch die Probleme kommen Einem sehr bekannt vor. Eine grassierende Jugendarbeitslosigkeit und natürlich daraus resultierende Perspektivlosigkeit. Eine Oligarchie der oberen 10 Prozent, Die sich in Politik und Wirtschaft alles ab machen was es zu erbeuten gibt und eine Bevölkerung bei denen fast nichts vom Wirtschaftswachstum an kommt. Eine Presse die sich in Hofberichterstattung ergeht und den Deckel auf der Unruhe in der Bevölkerung gehalten hat, bis Ihr Dieser halt nun um die Ohren geflogen ist.

Da das System Ben Ali allerdings linientreu auf der Seite von Europa und den USA stand, ist es natürlich kein Wunder, das sich die Franzosen noch vor 2 Tagen bereit erklärt haben zur Not der Polizei unter die Arme zu greifen. Allerdings ist so eine Einstellung ja nichts Neues, selbst bei uns in D-Land nicht. Heißt es doch aus einschlägigen Kreisen, das man sich dem Druck der Strasse nicht beugen darf und es nichts zu sagen hat oder Einfluss auf die Politik nehmen darf  wenn die ewig Unzufriedenen auf die Strasse gehen.

Man sollte die Parallelen zu uns natürlich nicht zu weit führen, schließlich sind es bei uns immer wieder andere Leute, Die sich an die Industrie und die Hochfinanz verkaufen und selbst wenn uns unsere großartige Kanzlerin irgendwann abhanden kommen sollte, können wie davon aus gehen, das schon diverse Käuflinge aus den etablierten Parteien in den Startlöchern stehen um sich mit Freude den Oligarchien an den Hals werfen, ganz egal welche Parteiabzeichen man am bürgerlichen Revers hängen hat. Anders als in muslimischen Ländern zählt bei uns der Familienverbund fast nichts mehr und ist weitgehend durch Parteienproporz und materielle Unterschiede ersetzt worden. Darum müssen wir uns auch keine Gedanken machen das die Vetternwirtschaft ein zieht, da zählen Seilschaften aus Politik und Society doch sehr viel mehr.

Ich schätze auf uns im Westen wird der kleine Zwischenfall in Tunesien keine Auswirkungen haben, aber wir können wohl mal wieder gespannt sein, in wie weit sich die Bevölkerungen in Afrika und dem nahen Osten ein Beispiel an den Tunesiern nehmen. Es gibt da schließlich noch einen Haufen vorbildlicher Demokratien in denen sich die Herrscher nicht zu schade waren Ihr Land meistbietend zu verschachern und den Gewinn großzügig unter der Familie auf zu teilen.

Tunesien-Deutschland: Urlaub sicher. Armut auch. Aufschwung nicht – der bleibt privat.

In Tunesien und Algerien ist gerade viel los. Menschen werden in Mengen auf offener Straße von der Polizei erschossen, aber worum es geht erfährt man erstmal nicht so richtig.  Manche stecken sich auch selber an, aber: wir können beruhigt sein, meint jedenfalls die Welt:

Die blutigen Unruhen in Tunesien stellen nach Ansicht des Auswärtigen Amtes derzeit keine Gefahr für Touristen in den beliebtesten Feriengebieten des Landes dar. Die Ausschreitungen richteten sich nicht gegen westliche Urlauber, erklärte ein Sprecher in Berlin. Urlaubsorte wie die Insel Djerba seien nicht betroffen, die Polizei schirme sie weiträumig ab.

Dieser Satz am Ende eines Artikels, der von geschlossenen Schulen und Universitäten spricht, wirkt seltsam deplaziert. „Neonazis machen nur Jagd auf Ausländer, Deutsche können weiterhin beruhigt einkaufen gehen“….wäre ein ähnlicher Satz. Es sind keine extremistischen Islamisten, die in Tunsien auf die Straße gehen, es sind … Blogger, Journalisten, Rechtsanwälte, wie die Welt weiter schreibt. Wortgewandtes Volk, das sich hierzulande eher mit der Frage auseinandersetzt, wer der bessere Verseschmied ist – und wer die meisten Abmahngebühren eintreiben kann. Unsere Journalisten haben andere Probleme, unsere Anwälte auch. Das Manager Magazin berichtet momentan davon:

mm: Wie legt man denn im Falle eines Falles einen erstklassigen Alphatierauftritt hin?

Mayer: Der ist ganz klar definiert durch den Dreiklang Schwarz, Rot und Weiß. Da geht es um Macht, Kampf und Dynamik. Schwarz vermittelt Distanz, Rot ist die Farbe des Sieges, Weiß die Farbe der Klarheit.

mm: Das klingt ja alles recht reglementiert. Wie kann man denn als Mann in einem konservativen Geschäftsumfeld überhaupt eigenen Stil zeigen?

Mayer: Das ist nicht allzu schwierig. Nichts kleidet besser als ein gut sitzender Anzug. Der Anzug ist die Rüstung und die Waffe des Mannes. Und er muss Geld kosten. Ein Mann kann einfach nicht gut angezogen sein, wenn er einen Anzug für 299 Euro, ein Hemd für 39 Euro und eine Krawatte für 20 Euro trägt. Die persönliche Leinwand ist das magische Dreieck: Hemd, Revers, Krawatte. Da kann man seinen Stil zeigen.

„Seinen eigenen Stil zeigen“, das scheint das wichtigste Problem des deutschen Alphamännchens zu sein. Das möchte ich jetzt auch nicht sexistisch interpretiert wissen.

Und welche Probleme haben jetzt die Tunesier, mit denen sie glauben, ungestraft unsere Urlaubspläne stören zu dürfen … jenen Urlaub, den wir uns nach einem Jahr perfekten Dresscodeaufmarsch wirklich verdient haben? Ganz fremdartige, meint die RP-Online:

Der Nordafrika-Spezialist Pierre Vermeren sieht bei den sozialen und wirtschaftlichen Ursachen durchaus Gemeinsamkeiten. Er nennt vor allem die gestiegenen Lebenshaltungskosten und die hohe Arbeitslosigkeit. Für junge Menschen, die im Maghreb die Mehrheit stellen, sei es wegen der Wirtschaftskrise immer schwieriger geworden, in Europa Arbeit zu finden, was den heimischen Arbeitsmarkt zusätzlich belaste.

Für Spannungen sorge zudem die wachsende Kluft zwischen der Masse, die sich unter oft miserablen Lebensbedingungen durchschlägt, und der neuen Schicht der glänzend verdienenden Geschäftemacher. Die arbeitslosen jungen Algerier erbittert zudem, dass der Staat 155 Milliarden Dollar Reserven besitzt, die aus Öl- und Gas-Exporten stammen, die ihnen aber in keiner Weise zugute kommen.

Also … da gibt es viel Volk – auch gebildet – die nichts verdienen und eine kleine Gruppe cleverer Geschäftemacher (aber perfekt angezogen, schwarz-weiß-rot, werde mal in Zukunft drauf achten), die immer mehr Geld scheffeln. Woher kenne ich das nur? Hören wir zu dem Thema einfach mal Karl Weiss:

Der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Schmieding, räumte mit dem Märchen auf, in Deutschland gäbe es ein „Jobwunder“, die Industrie blühe auf und stelle ein. In Wirklichkeit ist die Bruttowertschöpfung der Industrie in Deutschland 15% unter Vorkrisenniveau. Zusätzliche Arbeitsplätze wurden dort fast nirgends geschaffen. Weise, Chef der ‚Bundesanstalt‘ sagt sogar, das verarbeitende Gewerbe in Deutschland werde den Beschäftigungsstand von vor der Krise nie mehr erreichen.

Na so was? Was erlaubt sich dieser Herr? Will er denn den Aufschwung kaputt reden?

Nun – das ist Deutschland. Hier kümmern sich Journalisten um Anzug und Karriere und Bügerjournalisten um Politik und Wirtschaft. Das wird bei uns fein geteilt.

Aber man findet auch sehr kritische Stimmen im Blätterwald – man muß da nur gründlicher suchen und die seitenlange Aufschwungpropagande meiden. Dann findet man solche Perlen wie Meinhard Miegel im Tagesspiegel:

Aber auch dieser Aufschwung beruht ganz wesentlich auf Schulden. Etwa die Hälfte des Aufschwungs ist global betrachtet über Schulden finanziert. Noch nie in der Geschichte waren die Staaten so hoch zugunsten der Wirtschaft verschuldet wie gegenwärtig. Schauen Sie sich die USA an: Da werden irrsinnige Summen in die Wirtschaft gesteckt, damit es überhaupt weitergeht. Das gilt aber auch für die europäischen Länder. Von Japan ganz zu schweigen. Und diese Länder haben ja derzeit noch ein deutlich geringeres Wachstum als Deutschland.

Aha. Jetzt können wir auch erahnen, wo unsere Horror-Staatsverschuldung herkommt. Schön, das man nebenbei auch mal davon etwas erfährt. Die brauchten wir um Geschäftemacher zu glänzenden Verdiensten zu verhelfen. Erinnert irgendwie an Tunesien, oder?

Dort wird auch die Bundeswehr im Inland eingesetzt … also, nicht unsere Bundeswehr, sondern die tunesische Armee. Das würde vor allem der Schäuble gerne auch hier, um zu verhindern, das es ganz schlimm kommt.

Ganz schlimm kam es zum Beispiel laut Spiegel in „Skatopia“:

Strippen, saufen, Sinn suchen: Mitte der neunziger Jahre gründete eine Handvoll Lebenskünstler in den USA ein Paradies für Aussteiger, Skater und rebellische Teenies. Sie schufen einen utopischen Mini-Staat, geführt von einem tätowierten Diktator und CIA-Agenten, die Autos anzünden.

Das waren natürlich unhaltbare Zustände, erst recht, wenn man die Details bedenkt:

Doch das vielleicht Erstaunlichste an diesem Ort ist, dass all dieses Chaos aus Blut, Exzess und Anarchie auf eine seltsame Weise zu funktionieren scheint. All die Jahre gab es keine Toten, keine Vergewaltigungen, keine Schwerverletzten. Denn so martialisch diese seltsame, utopische Welt auf einem Acker in Ohio auf den ersten Blick auch wirkt – was sie ihren Bewohnern wirklich gibt, hat nichts mit Krieg zu tun. Im Gegenteil: Sie finden Frieden.

Keine Toten, keine Vergewaltigungen, keine Schwerverletzten … sogar FRIEDEN … davor kann uns nur die Bundeswehr im Inneren schützen. Das ist mir jetzt auch klar.  Ich sehe schon den Satz vor mir:

Die Bundeswehr macht landesweit Jagd auf  Journalisten, Blogger und Rechtsanwälte. Die Polizei schirmt das Gebiet weiträumig ab„.  Na, wie gut, das sich ein Großteil der ehemaligen Säulen des Rechtsstaates in erster Linie um  ihren erstklassigen Alphatierauftritt sorgen. Wohl auch ein Grund, weshalb die Proteste in Tunesien so richtig nicht interessieren. Dabei … scheinen die dort die gleichen Probleme zu haben wie wir.  Nur nebenbei bemerkt: Jugendarbeitslosigkeit in Spanien stieg von 2008 bis 2009 laut Statista von ca 30% auf 44,5 %.

Die Arbeitslosenquote in Tunesien beträgt 13,9%.  Wir haben momentan 3 Millionen Arbeitslose, das entspricht 7,2 %.  Dann haben wir noch knapp sieben Millionen Hartz IV-Empfänger, die auch keine Arbeit haben aber irgendwie nicht als Arbeitslose zählen. Wir schaffen also real doch … locker 13,9%.

Tunesische Verhältnisse in Deutschland.  Sieht auch der Spiegel so:

Die deutsche Wirtschaft boomt – und auch das Geldvermögen der Bundesbürger wächst rasant. Die Verluste aus der Finanzkrise sind laut einer DIW-Studie inzwischen komplett ausgeglichen. Davon profitieren besonders die Reichen: Noch nie gab es hierzulande so viele Vermögensmillionäre.

Da bleibt nur zu sagen: hoffentlich steckt sich hierzulande keiner an.


Die letzten 100 Artikel