Donnerstag, 24. Januar 2013. Eifel – und der wichtigste Artikel, den ich bislang geschrieben habe. Meiner Meinung nach können wir einpacken: soweit bin ich inzwischen. Warum? Einfach mal meine letzten 735 Artikel lesen: es gibt viele Gründe dazu. Nehmen wir zum Beispiel mal die Politik. Wir hören jedes Jahr erneut, das wir kaum noch Arbeitslose haben, die Gehaltserhöhungen und Leistungsprämien bei der Bundesagentur für Arbeitslosenzahlenpräsentation fließen in Strömen, die Politiker leeren triumphierend eine Flasche Schampus nach der anderen – und was macht NRW? Stellt erst mal über 200 neue Mitarbeiter ein, um Arbeitslose in Arbeit zu bringen – jene Arbeitslosen, die in Rheinland-Pfalz schon ihre Arbeit gratis versteigern lassen. Hatte NRW nicht so ein kleines Verschuldungsproblem? Und für „keine Arbeitslosen“ stellt man jetzt zweihundert neue Berater ein? Die sicherlich jetzt dafür sorgen werden, dass die dann leider doch noch vorhandenen Arbeitslosen ganz viele Bewerbungen schreiben, die den ums Überleben kämpfenden Firmen die Posteingänge verstopfen. In der Wirtschaft ist dieses Prinzip schon lange bekannt – und wahrscheinlich hat man in jedem Unternehmen schon mal Kopien jener Weisheiten gesehen, die einem zeigen, wie man ein totes Pferd reitet. Roland Schäfer, Bürgermeister von Bergkamen, hat da eine spannende Sammlung auf seiner Seite.
Während die Sioux einfach raten, abzusteigen, wenn man merkt, das man ein totes Pferd reitet, gibt die deutsche Verwaltung noch lange nicht auf: sie wechselt das Futter, schickt das Pferd oder den Reiter zu Motivationseminaren, wechselt den Reiter, versteigert das tote Pferd, setzt Leistungsanreize oder vereinbart Ziele für tote Pferde oder ihre Reiter – die Anzahl der Maßnahmen ist schier unbegrenzt. Am Besten haben mir die Maßnahmen von Helmut Kohl und Gerhard Schröder gefallen: der eine wartet 16 Jahre darauf, ob der Gaul nicht doch wieder aufsteht, der andere kauft leichtere Sättel.
Es sind über fünfzig Maßnahmen, die Herr Schäfer dort gesammelt hat – und ich denke, jedes Arbeitsamt und jeder Arbeitslose kennt alle von ihnen. „Wenn der Brunnen leer ist, stellen wir zweihundert Antreiber ein, die dafür sorgen, das die Leute doppelt so oft hingehen“ – das wird gerade in NRW praktiziert. Auch nur durchschnittlich gebildete Bürger schütteln den Kopf angesichts der vollendeten Idiotie, die ihre gewählten Politiker und mit Steuergeldern reich ausgestatteten Verwaltungsangestellten dort demonstrieren … und es schleicht sich ein wenig Angst ein. Nicht umsonst sitzt der Deutsche immer länger vor dem Fernsehen und wird immer depressiver: die Wirklichkeit mutiert immer mehr zur irrealen Muppetshow, vor der man sich in Sicherheit bringen muss.
Die Inkompetenz und Unfähigkeit der Politik hat aber noch weitere Folgen – wie eine Studie zeigt, die die Welt jetzt veröffentlicht hat:
Die Wirtschaftselite hat Angst vor dem neuen Mob. Fernab vom Rest der Welt diskutieren die Mächtigen in Davos. Doch eine Umfrage unter Hunderten Konzernlenkern weltweit zeigt: Sie fürchten, dass die jahrelange Krise sich bald ein Ventil sucht.
75 % der Wirtschaftslenker denken so. Man fürchtet, das die Menschen, die das komplette Programm der „Wie-reitet-man-ein-totes-Pferd“-Maßnahmen über sich ergehen lassen mußten, mit Gewalt wieder etwas Vernunft in das menschliche Miteinander bringen: das Mittel der allerletzten Wahl wird auf einmal wieder gesellschaftsfähig. Wir müssen uns auch etwas davor fürchten, was in Davos geschieht – denn dort wird das praktiziert, was es laut deutschen Medien überhaupt nicht geben darf: Verschwörungen am Fließband, siehe Spiegel:
Die richtig wichtigen Dinge werden normalerweise in kleineren Runden besprochen. In Davos gibt es dafür die sogenannten IGWELS („Informal Gathering of World Economic Leaders“). Sie bestehen meist aus rund 20 Politikern und Top-Managern, die zu „völlig privaten“ Treffen zusammenkommen. Die IGWELS tauchen im offiziellen Programm nicht auf, doch sie finden auch in diesem Jahr wieder statt. Themen sind etwa die Zukunft der Energieversorgung oder die geopolitischen Auswirkungen des Arabischen Frühlings.
1990 sprachen dort Helmut Kohl und Hans Modrow über die Zukunft Deutschlands. 23 Jahre später wissen wir immer noch nicht, was die besprochen haben – aber wir zahlen immer noch für das Ergebnis.
Und das ist nur der politische Rahmen, der zum Volksaufstand reizt – in der Wirtschaft sieht es noch desaströser aus: aber hierüber wird seit dem 8.Oktober 2008 auf Wunsch der Kanzlerin nur noch sehr beschönigend berichtet, damit der Deutsche nicht aus dem Fernsehsessel fällt.
Wir wissen aber, wie es unserer Wirtschaft geht: unsere Städte zerfallen, unsere Straßen werden nicht mehr repariert, die Schulen sehen aus wie nach dem Krieg – wer wissen will, wie moderne Städte aussehen, fährt nach Dhubai und nicht nach Hamburg, München oder Berlin. Aber auch diese Vergleiche stellen wir nicht an: man will das Volk nicht weiter demotivieren, die sollen ihren Hartz-IV-Antrag ausfüllen und Dschungelcamp gucken, damit sie deutlich vor Augen haben, was man noch alles mit ihnen anstellen könnte, wenn sie nicht bald einen Job finden.
Währenddessen …. droht die nächste Flut von Arbeitslosen: die Dienstleistungsgesellschaft löst sich auf. Auch das ist sicher ein Thema in Davos. Die Technik frisst zum dritten Mal Jobs: erst war es die Industrialisierung der Landwirtschaft, dann die Einführung der Roboter in der Industrieproduktion, die Massen an Arbeitskräften freigesetzt haben – und jetzt ist es die IT-Technik, die die Dienstleistungsjobs frisst. Eine neue Welle von toten Pferden wird in die Arbeitsagenturen geschwemmt, die über fünfzig Maßnahmen parat haben, mit dem Problem umzugehen … und es so der Politik ersparen, sich mit dem Problem effektiv auseinandersetzen zu müssen.
Es ist nun nicht meine Idee, das diese neue Flut von Arbeitslosen kommen wird – ich kann sie aber bestätigen. Seit zehn Jahren habe ich keinen Versicherungsvertreter mehr gesehen – geht alles online. Letztes Jahr habe ich zum ersten Mal seit 2005 wieder mit einem Bankberater gesprochen – unser Verein brauchte ein neues Konto – nur zwei Beispiele aus meinem Alltag. Das Internet selbst – wird mehr und mehr zum Betriebssystem der Gesellschaft – so Professor Gunter Dueck in einer Rede von re:publica 2011, einer Rede, die man sich mal in Ruhe anhören sollte:
Ein Großteil aller heutigen Dienstleistungsjobs wird verschwinden – übrig bleiben die Friseure und die Nagelstudios: auch heute schon beliebte Jobersatzstücke, die gerne genommen werden, um Hartz IV zu entkommen … dabei haben wir erst 2003 das Jahr gehabt, wo die Angestellten in Deutschland die Arbeiterschaft an Zahl überholt haben (siehe Wikipedia) – ein herber Schlag für die Anhänger der proletarischen Weltrevolution, die ihre Kämpfer in Zukunft aus den Reihen der arbeitslosen Anlageberater, Pharmareferenten und IT-Architekten rekrutieren müssen.
Das eine Gesellschaft, die sich nur gegenseitig die Haare schneidet und die Nägel stylt, keine Chance hat, auf dem Weltmarkt zu bestehen, ist schon seit Ronald Reagan bekannt – und manch´ fiese Gesellen vermuten ja, dass man deshalb die Raubkriege der Nato losgetreten hat, um überhaupt noch Kasse machen zu können: 150 Milliarden brachte allein der Krieg gegen Ghaddafi (siehe Politeia) als Reingewinn für die City of London, wo die Milliarden der anderen Diktatoren geblieben sind, ist momentan noch nicht ganz sicher.
Ich schätze mal: auch solche Themen werden gerade in Davos diskutiert … weshalb man sich zurecht vor einer Wiederholung der Geschichte fürchtet: die Weberaufstände kommen zurück … und das, obwohl wir als Steuerzahler so viel Geld für Straßenkosmetik ausgeben, damit wenigstens auf den Autobahnen alles so aussieht, als wäre die Welt noch in Ordnung, siehe Handelsblatt:
Mehr als 70 Prozent aller neu zugelassenen Porsche sind Dienstwagen. Diese werden vom Staat jährlich mit mehreren Milliarden Euro subventioniert.
Währenddessen müssen Arbeitslose sich von 4,70 Euro pro Tag ernähren – das reicht für ein Kindermenü bei McDonalds … oder einen einzigen Hamburger. Sogar das verpönte „amerikanisch essen gehen“ wird für viele zum unerschwinglichen Luxus. Aus gleicher Quelle erfahren wir, wie der Staat als Dank für den subventionierten Porsche auf Einnahmen in großem Stil verzichtet:
Um 50 Prozent sanken die Unternehmenssteuern seit 1990. Die Vermögenssteuer wurde 1996 abgeschafft, die Gewerbekapitalsteuer folgte 1998, der Spitzensteuersatz bei der Einkommenssteuer wurde 2005 von 53 auf 42 Prozent gesenkt, zu guter Letzt wurde 2008 auch noch die Körperschaftssteuer von 25 auf 12 Prozent abgesenkt. Die Unternehmenssteuerbelastung von Kapitalgesellschaften sank so seit 1990 auf weniger als die Hälfte.
Zusätzlich erfahren wir dort, das wir jedes Jahr 100 Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung verlieren – die Ratten verlassen das sinkende Schiff.
Schon 2009 hatte Professor Gunter Dueck die Situation in seinem Buch „Aufbruch“ beschrieben – hier zitiert auf seiner Website Omnisophie/Sinnraum
Geschäftsabläufe werden immer stärker automatisiert. Die Kenntnisse der wenigen Taxifahrer, die jede Straße in Berlin kennen, sind gegen ein normales TomTom nichts. Taxifahrer werden nur noch als Fahrer, nicht mehr als Ortskundige gebraucht. In dieser Weise werden viele Berufe auf den noch dem Computer unzugänglichen Bereich des rein Physischen reduziert und damit ganz oft in den Niedriglohnsektor abgedrängt. Ein Leben im Prekariat droht nun einer großen Menge von Menschen.
Hinter all den vielen kleinen Automatisierungsphänomenen in unserem Alltag steht eine große Bewegung, nämlich die der vollen Industrialisierung aller Arbeit, nicht nur der in der Produktion. Wir werden zunehmend in allen Berufen von Computern verdrängt. Diese Industrialisierung zieht Arbeitslosigkeit und Jobverlustangst mit sich. Wir fühlen den Niedergang.
Wissen Sie noch, dass zur Zeit meiner Geburt etwa die Hälfte der Leute in der Landwirtschaft tätig war? Heute schaffen knapp zwei Prozent dieselbe Arbeit und klagen noch immer über den Druck des Marktes. Über die Jahrzehnte hinweg mussten die Land-, dann die Berg-, schließlich die Industriearbeiter neue Jobs suchen. Dieser Prozess steht nun den Dienstleistungsberufen bevor. Und wie in all den anderen Fällen müssen wir fragen:
„Was geschieht mit all diesen Menschen?“ Deutschland muss sich neu erfinden und als Ganzes einen neuen Job suchen.
Was geschieht mit all diesen Menschen? Sie werden lernen, welche Möglichkeiten dem weißen Mann eingefallen sind, ein totes Pferd zu reiten. Fragen Sie einfach Arbeitslose in Ihrer Stadt, welche geballte Inkompetenz und Hilflosigkeit sie erleben, wenn sie ihrem „Fallmanager“ gegenübersitzen.
Oder aber … Sie schließen sich Professor Dueck an und sorgen dafür, das sich Deutschland insgesamt einen neuen Job sucht – und zwar am Besten schon vorgestern.
Wie das gehen soll? Nun, der Wunschkandidat der Piratenpartei für den Job des Bundespräsidenten und ehemalige Top-Manager von IBM hat da ein paar Vorschläge.
Deutschland muss ein Land der Nano-, Umwelt-, Medizin-, Computer-, Gen- oder Biotechnologie werden. Da liegt unsere Zukunft. Wo sonst, bitte?
Und was muss geschehen, damit wir dort hinkommen? Auch klar: Das Volk der Dichter und Denker besinnt sich auf seinen Kern und wird zum Hochbildungsland.
„Jeder muss und kann studieren!“ Ich meine – jeder! In Worten: Jeder! Wenn Sie das nicht mitmachen wollen oder nicht akzeptieren, enden wir in einer Kultur, die sich in Elite & Slum spaltet – in Reiche und Niedriglohnjobber. Diese Entwicklung zur Spaltung und zur Inhomogenität hat ja schon begonnen. Überall öffnen sich unsoziale Scheren zwischen ein paar auf dem allerhöchsten Gipfel und vielen, denen der Hartz ausreichen muss. Unsere Politiker päppeln ein paar Eliteuniversitäten heran und ärgern sich über die überbordenden Sozialausgaben an „Arbeitsscheue“, wie ein elitärer Minister dieser Tage sagt. Deutschland war immer geschätzt wegen seiner bürgerlichen Gleichmäßigkeit und des sozialen Friedens, wissen Sie noch?
2013 haben wir diese Kultur schon: die einen fahren den staatlich subventionierten Porsche – die anderen müssen ein paar Tage hungern, bis sie ihre Kinder einmal zum Happy Meal nach McDonalds einladen können. Banken machen Milliardengewinne dank unvorstellbar gigantischer staatlicher Rettungsoperationen, während im Landkreis Mayen die Arbeitskraft von Arbeitslosen gratis versteigert wird: deutlicher kann man die Wertlosigkeit von Arbeitskraft im Jahre 2013 kaum noch demonstrieren – man wird sie nur noch als Geschenk los.
Aber noch … kann man was ändern. Wie es einst Berufe und dann Städte gab, die sich im Rahmen der Arbeitsteilung differenzierten, können sich heute Staaten differenzieren – wenn sie es wollen. Unglaublich, das meine Kinder heutzutage in Schulen gehen, wo der Putz von der Wand abbröckelt und GANZE TAGE wegen Lehrermangel ausfallen … andererseits aber Milliarden in den Porsche als Dienstwagen gesteckt werden, um den schönen Schein auf Deutschlands Straßen zu wahren, die Umsätze im Premiumbereich (die real stark fallen) künstlich hoch zu halten und das in einem Land, wo alle sich freuen, das die Staatsverschuldung nun langsamer wächst als zuvor.
Wenn ich als Privatmann merke, das ich diesen Monat weniger zuviel ausgegeben habe als im Monat zuvor, kriege ich Panik … und führe keine Freudentänze auf – nur mal nebenbei bemerkt.
Erschrickt die Forderung nach dem Studium für alle?
Als Arbeiterkind weiß ich aus persönlicher Erfahrung, das man sich an der Uni fehl am Platze fühlen kann. Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, welche Hochachtung Menschen einem „Studierten“ entgegenbringen, wenn sie selbst noch nie eine Universität von innen gesehen haben … und als Pächter einer Studentenkneipe habe ich erleben dürfen, wie „normal“ selbst „Halbgötter in weiß“ sind. Mein Eindruck ist: es muss nicht nur jeder studieren – es kann auch jeder studieren. Wirklich: Studium ist leichter als Schule. Es macht mehr Spaß, macht mehr Sinn – und bringt der Volkswirtschaft ungeahnte Gewinne.
Vor allem: dieser Weg ist DER EINZIGE, der uns bleibt. Wir haben keine Rohstoffe, nicht unendlich viel Land – und wir können nicht ewig viele Despoten stürzen, um an deren eingefrorenes Kapital zu kommen. Ein paar Forderungen von Professor Dueck aus seinem Buch:
– energischer Eintritt Deutschlands in die quartäre Wissenskultur (jener Kultur, die die Dienstleistungsgesellschaft ersetzt)
– Pflicht des Staates, Zukunftsstrukturen aufzubauen
– Einstellung der Dauersubventionen für Sterbendes
– Anstreben einer Exzellenzkultur durch Ausbau des Bildungssystems, das multikompetente junge Menschen hervorbringt und entwickelt
– ethische Werte der Zukunftskultur in das Grundgesetz
– Einrichtung eines „Oberhauses“ für Zukunft und Ethik als Ersatz für die zu einflusslose christliche Kultur
– Steuerung der Wirtschaft als Einrichtung, die Prosperität des Landes sich sichern, in dem sie auf Strategien vertraut, die einen breiten Mittelstand erhalten
– Deutschlands Ausbau zu einem Land der Spezialmaschinentechnologien, der Medizin-, Gen-, Bio-, Umwelt- und Nanotechnologien
– Deutschland zum Mutterland der „Culture Technologies“ entwickeln, als Keimzelle des „Brighter Planet“.
Bevor man sich jetzt aufregt: die Alternative zu diesem einzigartigen kulturellen Umbruch ist – Hartz IV als Hauptbeschäftigung für alle (ausgenommen ein paar „Leistungsträger“ in Politik und Wirtschaft) – und Deutschland als Land, dessen Niedriglohnsektor für Thailand Hemden näht.
Anstatt nur hilflos den Gezeiten der technischen Entwicklung ausgesetzt zu sein und ständig zu jammern, dass es immer hin- und hergeht, könnte man mal die Entwicklung als Chance nutzen. Wenn man will, das Bürger bis 67 arbeiten, sollte man auch sicherstellen, dass es Arbeit gibt, die sie tun können – und vielleicht sogar Arbeit, bei der sie richtig dicke Gewinne einfahren und nicht nur irgendwie „beschäftigt“ sind.
Sicher – wir können uns auch daran ergötzen, wie gut man von 40 Euro im Monat leben kann, wenn man in Abfällen wühlt (siehe Welt) – ich sehe hier schon wieder neue Regelsatzdiskussionen am Horizont erscheinen – und Diskussionen über die Höhe der Mindestrente.
Wir haben über fünfzig Möglichkeiten entwickelt, ein totes Pferd zu reiten – oder Arbeitslose zu beschäftigen.
Wir haben auch über fünfzig Möglichkeiten entwickelt, die Tatsache zu verdrängen, das unsere Titanic untergeht – und empfehlen als Lösung, immer schneller zu rennen, um möglichst weit nach oben zu kommen, in jene Räume, wo wohlhabende Menschen noch trockenen Fußes sitzen und so tun, als wären sie auf festem Land.
Davos zeigt uns, das 75 % von ihnen aber verstanden haben, das das Schiff insgesamt untergeht und es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis auch ihnen das Wasser bis zum Halse steht – weil niemand mehr da ist, der den Porsche subventioniert. Natürlich können wir weiterhin Rettungswesten fordern („Grundeinkommen für alle!“), die für sich genommen auch sinnvoller sind als der Versuch, tote Pferde zu reiten – aber den Untergang des Schiffes hält man so nicht auf. Hören wir nochmal Professor Dueck aus seinem Sinnraum:
Abstrakt gesprochen: Der Staat und die Gemeinschaft haben die Aufgabe, die Strukturen der Zukunft zu errichten und sie zur Erzielung allgemeiner Prosperität der Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen. Der Staat hat nicht die Aufgabe, sterbende Zweige wie die Landwirtschaft oder jetzt den Servicebereich über lange Zeit am Leben zu erhalten, nur weil sich die Volkswirte seit Jahrzehnten einbilden, dass sich früher oder später alles wieder in einem Gleichgewicht einrenke. Nichts kommt wieder! Das Leben verändert sich bei jedem Strukturwandel radikal. Wir müssen dem Alten mit aller gebotenen Fürsorge und Achtung mit Bestimmtheit ade sagen und mit Zuversicht das Neue erbauen – infrasoziale Marktwirtschaft! Ich will, dass wir Älteren, die wir das Steuer in der Hand halten, eine Zukunft für unsere Kinder aufbauen, die auch wirklich eine Zukunft ist, die sie – die Kinder – für sich selbst wünschen. Wir müssen eine Zukunft der Digital Natives schaffen, nicht eine für ein kommendes Rentnerland.
Diesen Blick in die Zukunft leisten die Wirtschaftstheoretiker nicht! Der Staat ist nicht zum Ausgleich von Vergangenheitssünden da, nicht zum Retten nach Managementfehlern oder bei mangelnder Unternehmerfortune. Der Staat baut die Zukunft. Und da ich noch keine Zweidrittelmehrheit zusammen habe, kann ich zum Schluss des Buches natürlich ganz unbekümmert Vorschläge zu einer Grundgesetzänderung aufreihen: Bildung als Bürgerpflicht etc. Das ist leicht gesagt, aber Sie werden im Buch an dieser Stelle sicher sein, dass ich das wirklich ernst meine. Muss ich jetzt dafür fast eine neue Partei gründen? Ich? Kurz vor der Pensionsgrenze eine Partei für die Jungen? An welche Wand soll ich Thesen nageln? Wer bricht mit mir auf?
Muss man jetzt eine neue Partei gründen?
Bis man sich gegen die Altparteien durchgesetzt hat, dürfte Ostdeutschland schon von Ölscheichs aufgekauft worden sein – oder von internationalen Hedgefonds, die Landgrabbing betreiben, um ihre eigene Zukunft zu sichern. Die Mehrheit in den DAX-Konzernen (unserer alten Weltelite) haben sie schon – siehe Welt vom 1.5.2012.
Aber eine Bewegung – die muss her. Eine Bewegung aller Menschen, die in diesem Wirtschaftsraum überleben müssen. Wir retten die Titanic nicht, in dem wir alle nach oben rennen – aber wir haben noch die Kraft, das Schiff umzubauen, das es uns auch weiterhin trägt. Wir können es sogar besser bauen als je zuvor, weil unsere Mittel (noch!) ganz andere sind als früher.
An welche Wand soll Professor Dueck nun seine Thesen nageln?
An alle, die er findet. Und wir alle sollten dabei helfen – bis seine Thesen in jedem Briefkasten jedes Abgeordneten jeder Partei liegen, in jedem Kino, jedem Theater, jeder Schule, jeder Tankstelle, jeder Arztpraxis, jedem Supermarkt, jeder Gaststätte und Bahnhofskneipe an den Wänden hängen, bis jedes Schulkind sie als Forderung an die Politik auswendig aufsagen kann und jedes Jobcenter in Deutschland sie mit maximaler Kraft unterstützt … anstatt noch weitere Methoden zu suchen, tote Pferde zu reiten (auch wenn das den sammelfreudigen Bürgermeister von Bergkamen sehr freuen würde).
Und wer mit ihm aufbricht?
Nun – ich auf jeden Fall.
Und ihr?
PS: ich danke Herrn Professor Dueck für den äußerst freundlichen E-Mail-Verkehr und die handsignierte Ausgabe seines Buches – auch im Namen meiner Kinder, die vielleicht doch noch Hoffnung auf etwas Zukunft haben. Sogar auf eine glorreiche Zukunft.
PSS: wer nicht aufbrechen will: Lidl verkauft gerade eine „Exklusiv-Schneider-Boutique“ für knapp fünf Euro. Damit ist man bestens gerüstet … wenn die Thailänder mit ihren Hemden kommen und man selbst von ihnen als Näher ersteigert wurde. Nur mal so als Tipp …