Täter

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Der Kampf der feinen Gesellschaft gegen das arme Opfer oder: ein hohes Lob des Jammerns

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Montag, 19.9.2016. Eifel. Haben ja viele meinen Abschiedsbrief nicht zu Ende gelesen und deshalb so reagiert, als sei ich gestorben. Nun, der Brief war für heute gedacht, aber der Blitzkrieg gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung läuft halt blitzschnell – uns läuft die Zeit davon. Vielleicht hätten manche erwartet, dass heute etwas über Berlin kommt, die tolle Wahl – und ich bin versucht, etwas darüber zu schreiben, andererseits … werden bei Wahlen nur die Kellner aufgestellt, die uns die ultrarechte Wirtschaftspolitik servieren darf, wir dürfen also wählen, ob wir den miesen Brei gerne mit einem freundlichen oder einem passenden Gesicht serviert bekommen möchten, eigentlich ein Thema, das keiner weiteren Erläuterung bedarf.

Darum möchte ich mich heute einem wichtigeren Thema zuwenden: der zunehmenden massiven Verrohung breiter bürgerlicher Schichten, die bei ihrer Verachtung gegenüber Armen streng antichristliche Züge annimmt – aber natürlich … wie alle Verbrecher … im Namen Gottes handeln. Bevor wir uns aber diesem schleichenden Gift nähern, sollten wir zuerst mal einen Blick auf die Welt richten. Ja, auf die ganze Welt. Das hat zuletzt Arthur Schopenhauer getan, der alle Wissenschaften in sein Weltbild einbeziehen wollte, was seitdem kein Philosoph mehr versucht hat. Kaum zu glauben, aber wahr: während wir einerseits große Erklärbärwissenschaften haben, die via TV alles und jedes bis ins Detail beschreiben, hat die Philosophie aufgegeben, dies zu tun: die Welt ist einfach zu komplex geworden (was Sie vielleicht schon mal gehört haben). Wie kann das sein? Nun: die Verblödungswissenschaften (ich nenne sie mal so, weil es das ist, was sie tun) verkaufen einfach ihre Theorien als Wahrheit. So einfach ist das. Der Philosoph weiß: es sind nur Theorien. Nur … Schatten an der Wand.

Nun – was ist die Welt? Wie stehen wir in ihr?

Ich habe da letztens eine interessante Passage in einem Werk von Wilhelm Reich gefunden – eine Passage, die sich heute niemand mehr trauen würde zu formulieren, weil sie einfach nicht „positiv“ ist. Lauschen wir einfach mal – sie ist sicher nicht positiv, aber stattdessen ja vielleicht endlich mal realistisch. Reich zitiert dort seinen Lehrer Sigmund Freud, der ein Weltbild hat, das für Milliarden Menschen auch 80 Jahre später – allem Fortschritt  an Produktivität zum Trotz – immer noch Alltag ist:

„Glück wäre eine Illusion, meinte er, denn von drei Seiten drohte das Leiden unweigerlich. „Vom eigenen Körper her, der zu Verfall und Auflösung bestimmt ist“; „Von der Außenwelt, die mit übermächtigen, unerbittlichen, zerstörenden Kräften gegen uns wüten kann“ und dem dritten großen Leidkomplex „Das Leiden, dass aus den Beziehungen zu anderen Menschen stammt, wäre, meinte Freud, schmerzlicher als jedes andere“ (aus: Wilhelm Reich, Die Entdeckung des Orgons, Die Funktion des Orgasmus, Kiepenheuer und Witsch, 10. Auflage 2014, Seite 163).

Nun – Reich ist natürlich anderer Meinung, verwischt jedoch das Leid der Außenwelt mit dem Leid, das durch Menschen verursacht wird – ein zentraler Fehler, wie wir noch sehen werden.

Gehen wir diese Punkte doch mal durch. Als Mensch mit 56 Lebensjahren kann ich sagen: ja, die Theorie vom Verfall des Körpers ist beobachtbar, das erfuhr ich am eigenen Leib. Ab vierzig geht es nur noch bergab, erklärte mir ein damals Vierzigjähriger – mit 44 konnte ich darüber nur die Nase rümpfen, fühlte ich mich doch kerngesund. Mit 45 war es dann vorbei: mit einem großen Knall gab die Lendenwirbelsäule nach, was zu einem Beckenschiefstand führte, der wiederum eine Arthrose im Knie nach sich zog: Jahr für Jahr wird die Beweglichkeit geringer. Auch wenn Freuds Ansicht allen Botschaften der vernunftlosen Konsum- und Freizeitindustrie widerspricht, jener Industrie, die heute die Philosophie nahtlos ersetzt hat, so kann ihre Wahrheit jeder am eigenen Leib erfahren.

Und die Außenwelt? Hier brauchen wir uns gar nicht weit von unserer eigenen Haustür entfernen: dieses Jahr haben viele Bundesbürger erlebt, was kleine Bäche, die hundert Jahre lang friedvoll schlummerten, anrichten können: ganze Heime wurden mitten im Frieden vernichtet. Die Zahl der klimabedingten Katastrophen nehmen weltweit zu, 45 000 Menschen fallen ihnen pro Jahr zum Opfer (siehe Deutschlandfunk), auch für uns in Europa ist die Zeit vorbei, wo wir in „gemäßigten“ Breiten lebten. Nach wie vor kann die Welt jederzeit brutal zuschlagen – sei es durch Meteoriten, durch Ernteausfälle oder durch Erdbeben und Vulkanausbrüche … mit denen wir hier in der Eifel wieder rechnen müssen, haben wir doch noch aktive Vulkane in engster Nachbarschaft.

Und die Menschen? Jene Gattung, die es durch Gemeinsinn und Kooperation geschafft hat, Eiszeiten und Säbelzahntiger zu überstehen, ist zur größte Bedrohung der gesamten Menschheit geworden: nuklearer Holocaust, sozialer Holocaust, ökologischer Holocaust – wir brauchen schon längst keine Naturkatastrophen mehr, um Massensterben einzuleiten: das machen entartete Regierungen und wirtschaftliche Machtballungen inzwischen selbst. Auch im Kleinen haben wir einen Siegeszug der Asozialität zu verzeichnen, der gerade jene Grundfesten menschlicher Macht angreift, ohne die wir dieses Jahrtausend nicht lebend erreicht hätten: Kooperation, Gemeinsinn und Solidarität weichen zunehmend einer asozialen Philosophie, die nur eins im Sinn hat: die künstlich aber außerordentlich professionell vom Marketing erzeugten Luxusbedürfnisse auf Kosten aller Umweltelemente des egomanen Individuums zu befriedigen – auf Kosten seiner natürlichen Umwelt, seiner sozialen Umwelt und seiner humanen Umwelt.

Die letzte Bastion in dieser düsteren Welt: das arme Ich, das unter den Umständen leidet und sie in die Welt hinausposaunt, eine Fähigkeit, die wir im zarten Alter von einem Tag schon beherrschen. Was immer auch an Ungemach aus der Welt auf uns einstürzt: wir können dagegen anplärren und damit die Nerven der Mächtigen zerrütten – auch wenn wir sonst nichts tun können. Meine Kinder konnten das alle. Die letzte Hoffnung des Planeten – gerade in Bezug auf menschengemachtes Leid – ist die Klage, das Jammern, das Notgeschrei. Wie anders will man auch seine Umwelt erreichen, um sie zur Umkehr zu bewegen? Wir machen das seit tausenden von Jahren: fällt der Säbelzahntiger über uns her, beißt uns einen Arm ab, dann senden wir Notsignale in die Welt. Das machen sogar alle Tiere … und, wenn ich mich recht entsinne, auch Pflanzen.

Diese düstere Welt entspricht der Erfahrung von Tausenden von Generationen – und das stört die menschlichen Soziopathen in ihrem Siegeszug gegen die Menschheit enorm. Immerhin könnten die Notsignale mal wieder dazu führen, dass sich Solidarität breit macht, dass sich die Starken an ihre edelste Aufgabe erinnen: die Schwachen zu schützen … anstatt sie auszuplündern, wie es in unseren „modernen“ „aufgeklärten“ Zeiten zunehmend Alltag wird; ebenso könnten die Schwachen sich solidarisieren und merken, dass sie zusammen viel stärker als die Starken sind: das könnte zu Zuständen führen, in denen der hemmungslose Konsum von heute auf einmal völlig unwichtig wird – eine Katastrophe für jene, die ihn organisieren und so ein völlig leistungsloses Leben auf Kosten der Gemeinschaft führen.

Was ist also zu tun – im Sinne der Soziopathen?

Nun … streng im Sinne des Sozialdarwinismus muss man das Notgeschrei, die Sendung von Notsignalen unterbinden, es entwerten, es umdeuten – und dazu hat man eine Waffe entwickelt, die man … sicherheitshalber … im Reich der „Esoterik“ ansiedelte, um sich Gottes Hilfe zu sichern. Ihre Botschaft ist eine andere – und sie wird seit hundert Jahren mit großem Druck in die Menschheit gepreßt, versehen mit Gottes Segen, den sich auch die deutsche Wehrmacht auf die Fahnen schrieb.

Die Welt ist toll und heil, so ihre Aussage. Weitab von den Aussagen der großen Weltreligionen, die die Leidhaftigkeit der Welt noch gezielt beschrieben (das Christentum als „gefallene Welt“ jenseits des Paradieses, der Buddhismus mit seinem verführerischen „Schleier der Maya“, der heute via TV noch dichter gewebt wird als zuvor, oder Krishnas „Asuras“, die die Menschheit gern mit Leid plagen) oder der uralten „schamanischen“ Naturreligionen (die in einer Welt voller böser Geister leben, die auch ursächlich für Kriege und Aggressionen verantwortlich sind) behaupten sie, dass die Welt völlig perfekt ist, ja, geradezu paradisiesch – nur jene Menschen, die das nicht sehen können sind … ja, fehlerhaft, mangelhaft, blind …. kurz gesagt: unwert.

Ich habe da mal ein paar Aussagen gefunden, die das beispielhaft illustrieren sollen – Sie werden problemlos hunderte von „Trainern“, „Coaches“ und „Unternehmensberatern“ finden, die diese Botschaft in verschiedenster Form in das Bewusstsein der Menschheit pumpen. Hier jetzt mal einer der führenden Protagonisten jener inhumanen Denkungsart (siehe: SpiritualWiki):

„Tief eingeschliffenes Täter-Opfer (TO)-Denkmodell

Das TäterOpfer-Denkmodell ist so tief in die existierende Weltanschauung des Massenbewusstseins eingegraben, dass es als Perspektive nur selten in Frage gestellt wird. Eine einfache Netz-Recherche ergibt, dass sich in Suchmaschinen fast ausschließlich Quellen finden lassen, die das Täter-Opfer-Modell bestätigen, indem sie ihre Argumentation darauf stützen. Sein Realitätsbezug wird nur von wenigen abgesprochen.“

Das „Täter-Opfer-Modell“? Eine andere Formulierung für „Ursache und Wirkung“. Ein Beispiel? Gern. Beschließt die Bundesregierung, die Arbeitslosenversicherung zu enteignen und stattdessen ein repressives System a´la Hartz IV einzuführen, dann werden Millionen Menschen arm, beschließen die Konzernmedien dann, diese Menschen als „unwertes Leben“ anzugreifen, dann sind sie sozial richtig im Eimer, können nur noch daheim bleiben und nur noch das TV als letztes Fenster ins Leben nutzen. Es gibt einen klar definierten Täter (Bundesregierung und Konzernmedien) und klar definierbare Opfer (die Beitragszahler der Arbeitslosenversicherung).  Sie können gerne andere Beispiele nehmen: Auschwitz wäre so eins – oder die Vergewaltigung in Ihrem Vorgarten gestern Abend.

Ja – bleiben wir bei der Vergewaltigung – wo wir in der Rechtsprechung ja schon hanebüchene Urteile erleben durften … und peinlichste Prozesse. Was ist denn so schlimm daran, hier eindeutig Opfer und Täter auseinander zu definieren?

Das TO-Modell beruht auf dualistischem Spaltdenken und trifft nicht zu. Die TäterOpfer-Betrachtungsweise wirkt sich wie ein gesellschaftlicher Virus aus, da sie bewusstseinsmäßig lediglich auf BW 135 schwingt. Sie befindet sich zwischen den Notstandsgefühlen Angst und Wut.

BW 135? Nun – wir haben es hier mit den Äußerungen von D. R. Hawkins zu tun, einem New Yorker Psychiater, der am Ende seiner Karriere gottgleich wurde. Er hat einen Maßstab für Bewusstseinsebenen entwickelt, der von Null bis Tausend reicht. BW 135 ist nicht viel, sein eigenes Buch jedoch liegt in seiner eigenen Einschätzung bei BW 999, Christus, Buddha und Krishna liegen bei 1000. Beinahe … wäre er also ein neuer Sohn Gottes geworden. Auf jeden Fall ist seine Lehre geeignet, ein umfassendes Täterschutzprogramm zu etablieren (und es gibt noch gut hundert weitere moderne Lehren, die ins gleiche Horn stoßen).

Die vergewaltigte Frau – um bei diesem Beispiel zu bleiben – soll sich halt mal selbst fragen, wie sie in diese Situation gekommen ist. Sie soll bei sich schauen. Gut, wenn sie die Vergewaltigung überlebt hat – ich frage mich, wie Mordofper ihre Schuld an der Tat verarbeiten sollen. „Dualistisches Spaltdenken“? Nun – setze ich den Glaubenssatz in die Welt „die Welt ist perfekt“ – was Freud zur Raserei treiben würde – so ist natürlich jede Kritik an diesen Zuständen ein Sakrileg. Die Reichen freuen sich über eine solche Welt: immerhin legitimiert sie absolut ihren Reichtum. Die Armen jedoch – nun den muss man das Jammern abgewöhnen:

„Eine Opferhaltung einzunehmen, ist nicht integer. Sie entzieht dem Großen Ganzen Energie einschließlich dem „Opfer“ selbst.

Die an Tätern und (gewalttätigen) Tatkräftigen orientierte Kultur hat eine punitive Rechtsauffassung und -sprechung hervorgebracht.“

Merken Sie, wie langsam und schleichend das Opfer einfach zum Täter gemacht wird – und der Täter zum Opfer eines Jammerlappens? Das böse Opfer entzieht dem Großen Ganzen Energie … was für eine Sauerei! Zudem erfahren wir, dass Menschen, die „im Opfersein verhaftet“ sind, nicht mehr ändern kann. Fragen Sie sich auch gerade, was wir denn politisch und gesellschaftlich mit jenen machen sollen, die dem Großen Ganzen Energie entziehen und nicht änderbar sind? Ja: da sind sie wieder, die „Ballastexistenzen“ des Dritten Reiches, jener Form der Gesellschaftsgestaltung, die maximale Ausbeutbarkeit von Leibeigenen garantiert, die sich für freie Helden der Geschichte halten.

Wir erfahren auch was über die Werkzeuge der Opfer, die … auch alle nicht „integer“ sind:

„Beschämen
Beschuldigen
Ausreden / Rechtfertigen
Klagen / Jammern „

Beschämd die vergewaltigte Frau ihren Täter, so ist das von Übel. Beschuldigt sie ihn: übel. Übt sie sich in Ausreden und rechtfertigt sie sich, warum sie im Dunkeln im Minirock durch die Stadt geht: übel. Klagt sie über die Folgen, jammert sie über die Schmerzen: übel. Was bleibt ihr übrig? Still zu Hause zu leiden. Und sich bei dem Täter zu entschuldigen.

Nun – eine weitere Auseinandersetzung mit Hawkins würde zu weit führen … er dient ja auch nur als Illustration einer globalen Bewegung des Täterschutzes, die vermögende Kreise sehr erfreut, einer angeblich „hochgeisten“ und „gottnahen“ Bewegung, die sich durch ein außerordentlich niedriges Niveau an Mitleid und Empathie auszeichnet, einer bislang kaum dagewesen Degeneration jeglicher humanintären Ethik, die wieder direkt in die Gaskammer führt, weil Opfer einfach nichts anderes verdient haben und man ihnen sowieso nicht helfen kann.

Doch halt: ich höre da eine Gegenstimme. Die Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross scheint in das gleiche Horn zu stoßen (siehe „Erfüllte Leben – würdiges Sterben“, Sonderausgabe Gütersloh 2004). Auch ihr bietet sich die Welt nach ihrer Arbeit mit sterbenden Menschen eher als eine Art Schule an, in der die Seele kurz lehrreiche Erfahrungen sammeln kann – doch sie kommt zu ganz anderen Ergebnissen:

„Wenn Sie Ihre Kinder nur mit den natürlichen Gefühlen groß werden ließen und ihnen gestatteten, ihrem Schmerz, ihren Zorn und ihrem Kummer Ausdruck zu geben, würden Ihre Sprößlinge leidenschaftlich gern zur Schule gehen. Lernen wäre für sie nichts anderes als ein aufregendes, herausforderndes und aufregendes Abenteuer…“ (Seite 116).

Das Weltbild der Frau Kübler-Ross ist etwas größer als das des Herrn Freud oder des Herrn Hawkins. Sicher, es enthält Elemente, die der aktuellen Konsum- und Geldreligion enorm im Wege steht: die aus vielen Beobachtungen resultierende Erfahrung, dass der Tod das Heraustreten des Schmetterlings aus der Verpuppung darstellt, die ihn in eine weitere Existenzform führt, die ihm alle Konsequenzen der eigenen Entscheidungen vor Augen hält … allerdings nicht in Form von Höllenqualen (die man sich allenfalls selbst zufügt), sondern in einer sehr liebevollen Umgebung. Sicher nur Wunschdenken von Opfern – doch aufgrund der großen, gesicherten Datenlage ein Aspekt, den undogmatische Wissenschaft nicht einfach ignorieren kann. Ich würde mich sogar in den Satz versteigen, dass wir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit damit rechnen müssen (auch wenn wir nicht wollen), dass ihre Weltsicht eine erlebbare Realität beschreibt, die alle Menschen erreicht – wie es Hoch- und Niederreligionen seit Jahrtausenden beschreiben.

Wo liegt aber der Unterschied? Wie kann Gott (dem Hawkins nach eigener Meinung ja sehr nahe kommt) das Leid der Menschen so einfach akzeptieren?

Nun – das tut er ja nicht. Er hat klare Grenzen gesetzt, innerhalb derer er sich das Miteinander vorstellt: nicht töten, nicht stehlen, nicht ehebrechen, nicht verleumden – und der Sonntag ist arbeitsfrei, auch für Sklaven. Außerdem sollten andere Götter (modern: „Staat“, „Konzern“, „die Wirtschaft“, „die Partei“, „der Markt“, „die Kirche“, „der Fortschritt“) nicht verehrt werden – und niemand sollte sich anmaßen, im Namen Gottes zu reden oder klar zu definieren, was das denn eigentlich ist, dieser „Gott“.

Was wäre das für eine Welt … in der die dritte Komponente menschlichen Leidens nach Freud völlig verschwinden würde (und auch alles Reden über „Gott“), weil sie in einer eh´ schon feindseligen Welt völlig unnütz und kontraproduktiv ist: das von Menschen verursachte Leid. Wenn wir also jene, die sich im Mäntelchen der Esoterik anschleichen, diese zu üblen Zwecken der Entwertung von Menschen missbrauchen, stellen wollen, so müssen wir Ihnen klar sagen: es gibt eine eiserne Grenze, die nicht überschritten werden darf: jegliches von Menschen geschaffenes Leid ist unnatürlich, hat keinen Nährwert, ist keine Lehre, sondern einfach nur schrecklich überflüssig – und eindeutig widergöttlich. Jene große, überweltliche Kraft (das Große Ganze) auf die sie sich berufen, würde sie zum Teufel jagen. Jeder empathische, atheistische Humanist auch.

Trotzdem durchziehen diese Botschaften gerade die „feine“ Gesellschaft, der sie effektiv zuarbeiten. Nicht ungerechte Verteilung von Gütern oder Ausbeutung von Arbeitskraft ist die Ursache allen Leidens … sondern die erbärmliche Schwäche der Opfer. Schön bequem, diese Haltung – und sie befreit auch jeden Täter wunderbar von jeder Verantwortung. Solche Sichtweisen schleichen sich auch zunehmend in die Rechtsprechung ein, vergiften den Glauben an Gerechtigkeit, jedoch sollte man sich klar werden, dass sie durch nichts – aber auch wirklich durch gar nichts – zu rechtfertigen sind.

Was bedeutet das nun für Sie? Mal politisch betrachtet?

Schreien Sie Ihr Leid gefälligst in die Welt hinaus! Jede kleinste Ungerechtigkeit gehört offen auf den Tisch! Es ist IHR Leben, sie dürfen damit tun, was Sie wollen (ausgenommen eben … die eisernen Grenzen überschreiten, die weltweite Gültigkeit haben – auch in gänzlich unreligiösen Werken wie der Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte, die direkt aus den Erfahrungen resultierten, die wir in Auschwitz gemacht haben). Und wenn Sie jemand daran hindert, Ihr Leben zu leben: schreien Sie die Klage in die Welt hinaus. Lassen Sie sich von den Priestern der Geldreligion nicht zu Tätern machen, weil Sie üble Taten anprangern – lassen Sie sich Ihren Zorn, Ihre Wut, Ihren Kummer und Ihren Schmerz nicht verbieten – erst recht nicht im Namen Gottes!

Dass Täter auch unter den Unbillen der Welt leiden – darf berücksichtigt werden. Das macht sogar unsere Rechtsprechung, weil sie ein ziemlich weises Element enthält. Nicht alle Täter sind Psychopathen – manche sind nur selbst Opfer, die Schmerz, Wut, Kummer, Zorn, Trauer lange Zeit unterdrückten, bis der Kessel eben platzte und in einem Amoklauf endete. Ja: man darf auch aus solchen Taten lernen, das ist erlaubt und möglich – aber dies ist nur ein sekundärer Lerneffekt. Besser wäre: wir schaffen Bedingungen für Menschen, menschengerecht zu leben, die solche Taten überflüssig machen. Umwelt und der eigene Körper machen einem ohnehin schon genug zu schaffen.

Und was ist nun mit „Gott“ – auf den sich alle Verführer immer berufen? Nun – er hat uns mit beschränkten Sinnen in eine Welt gesetzt – so beschränkt, dass wir ihn gar nicht konkret erfassen – höchstens erahnen – können. Vergessen sie ihn – seine Gebote sind in den Menschenrechten erhalten, mehr brauchen wir von ihm nicht, um unser Leben zu leben. Und wie es scheint (hier verweise ich auf Kübler-Ross, a.a.O.), ist genau das seine Absicht. Und setzten Sie anstatt des „positiven Denkens“ lieber „realistisches Denken“ – es entlastet ihr Gehirn, das befreit wird von der Arbeit, eine bedrohliche Welt in ein Paradies umzudeuten und versetzt Sie in der Lage, „Herausforderungen“ effektiv zu begegnen.

Und bitte: beschämen Sie die Täter. Beschuldigen Sie sie. Rechtfertigen Sie sich … und reklamieren so Gerechtigkeit. Und jammern Sie, was das Zeug hält! Solche Menschen brauchen wir, wenn wir das Paradies neu errichten wollen – und nicht jene, die die Täter der feinen Gesellschaft zu hilfreichen Heiligen machen wollen, die uns unbegrenze Lernerfahrungen anhand widergöttlicher Asozialität liefern.

 

 

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