Wenn ich zusehe, wie unsere intellektuelle Avantgarde gerade streng wissenschaftlich vernünftlend vor sich hinfechtet und selbst alternative Medientreibende sich gegenseitig mit Correctiv- und Mimikama-Links in Schach halten, um „Verschwörungstheorien“ zu stoppen, dann frage ich mich manchmal im Stillen, ob Hopfen und Malz nicht vielleicht schon verloren sind.
Besonders genial: Wenn Bürger auf Hohlraumfiguren und Statthalter des globalen Wahnsinns wütend werden, dann tritt bei vielen Intellektuellen eine Art Robin Hood-Reflex auf. Sie werfen sich dann in die Bresche, um die ach so fies, unsachlich und übertrieben kritisierten Figuren wie Gates und Merkel zu verteidigen. „Die meinen es ja vielleicht nur gut, wollen das Gute & Gerne. Und außerdem wären andere wie Merz ja womöglich noch schlimmer.“
Da das wirkliche Unheil unserer Zeit wie ungreifbar bleibt, üben wir uns in der Jagd auf handfeste Zeitgenossen, die von der herrschenden Lehre für vogelfrei erklärt wurden. Die Jagd auf „Schwurbler“ und „Aluhüte“ ist eröffnet. Und jeder Sofa-Intellektuelle, der etwas auf sich hält, nimmt das ihm dargereichte Schießbudengewehr entgegen und feuert ebenfalls einige Salven ab. Genaues Zielen ist dabei nicht notwendig, man kann im Vorbeigehen aus der Hüfte ein paar Schüsse abgeben und wird jede Menge Plüschtiere und Plastikrosen vom Regal kullern sehen. Der Schießbudenmann parfümiert einem dann die heruntergeschossenen Rosen und der Revolverheld darf die wacker erlegten Trophäen und Skalps stolz nach Hause tragen.
Man muss dem System des „Konsensmanagement“ (Chomsky) samt zugehörigem „Dissensmanagement“ (Mausfeld) – das nach Ratschlag einschlägig bekannter Thinktank-Propagandisten nicht nur wesentlich billiger, sondern sogar effektiver als Gewalt sei – schon seinen Respekt zollen. Es ist mittlerweile richtiggehend bewundernswert, wie es möglich ist, die großen Massen ebenso wie die vermeintlich individualistischen Intellektuellen per Federstrich in eine gewünschte Richtung zu treiben bzw. von unerlaubten Wegen abzuhalten. – Und wie sich diese vermeintlich aufgeklärten Intellektuellen in fast jedes Stöckchen verbeißen, das man ihnen hinwirft. Man braucht bloß ein paar Bullshitbingo-Wörtchen wie „Aluhut“ oder „Schwurbler“ kreieren und Feindbilder an die Wand malen, bei denen jeder aufgeklärte Leitmedienbürger sofort Gewehr bei Fuß bereit steht, um sie auf den digitalen Scheiterhaufen zu befördern, und schon kann man sich zurücklehnen und das Wrestling genießen, das sich das Fußvolk nun liefert.
Jüngster Bullshitbingo-Dreher, nachdem sich „Verschwörungstheoretiker“, „Aluhut“ und „Schwurbler“ schon etwas abgewetzt haben und nicht mehr richtig ziehen: „Sekte“. Sogar in bislang ernstzunehmenden Foren wird wenige Tage nach dem Launch dieses Nonsens-Wörtchens nun ernsthaft und eifrig darüber diskutiert, ob das, was Bodo Schiffmann und andere Kritiker der Regierung-Coronapolitik machen, vielleicht „Sekte“ sei. Natürlich mit guten & gernen Argumenten und nicht ohne abgeklärte Späßchen, bei denen Freunde gehobenen intellektuellen Amusements schnell handelseins sind und sich augenzwinkernd auf die Schultern und die Schenkel klopfen können.
Wer in eine solche Club-Lounge reinplatzt und vermeint, dass wir nun „am Arsch“ sind, würde von den DJs dieser Clubs nur Augenrollen und lässiges Ja-ey-lol ernten. Das Sofa, auf dem sie sitzen, ist offensichtlich noch warm und trocken, ihr Kühlschrank gut befüllt. Dass die Lockdown-Maßnahmen („Covid19“) laut jüngster UNICEF-Studie 150 Millionen Kinder zusätzlich in Armut und Elend gestürzt haben und dass laut Oxfam-Studie die Zahl der hungernden Menschen um 82 Prozent bzw. 120 Millionen zunehmen werde, zum Jahresende 2020 deswegen ca. 12.000 Menschen pro Tag zusätzlich sterben würden, ein großer Teil davon Kinder … wer solche alternativen Fakten ins Feld führt, befördert sich selbst ins Out. Denn es geht hier bei uns um andere, knallharte Fakten, die korrekt zitiert sein wollen: Ob das 6jährige Schulkind in Bayern womöglich gar nicht an oder mit der in Bayerischen Schulen und Schulbussen obligatorischen Maske gestorben ist, so wie vom Arzt Bodo Schiffmann in den Raum gestellt, sondern halt „einfach nur so“ (dass das Kind gestorben ist, wurde mittlerweile von mehreren Seiten, u.a. von der Polizei München bestätigt, Schiffmann bekundet unter Berufung auf seine ärztliche Schweigepflicht, im vorliegenden Fall auch die betroffenen Eltern sowie die Todesurkunde zu kennen). Doch dass Schiffmann in einer ersten, emotionalen Reaktion gesagt habe, dass das tote Kind aus Schweinfurt komme, obwohl das Kind gar nicht direkt aus Schweinfurt stammt, sondern aus dem Umkreis von Schweinfurt bzw. aus dem Gebiet zwischen München und Rosenheim, und die unterfränkische Polizei daher korrekt dementiert habe, dass es in Schweinfurt einen solchen Todesfall gebe – das geht gar nicht, da ist der Ofen vieler intellektueller Beobachter nun aus. Schweinfurt oder nicht Schweinfurt, das ist hier die Frage. Und sie wurde falsch beantwortet. Also Kopf ab von diesem Schwurbler!
Aber selbst wenn er die Schweinfurtfrage richtig beantwortet hätte, hat sich Schiffmann vor den Augen der Szene-DJs schon alleine deswegen disqualifiziert, weil er emotional geworden ist. Wie uncool, fängt der doch tatsächlich zu heulen an, weil ein Kind gestorben ist. Das geht natürlich gar nicht, wo unsere führenden Politiker und Influenzer doch souverän beweisen, dass man heute mit einem Obamacronrezotilo-Smile selbst die abgründigsten Sachverhalte en passant – einfach davonlachen kann.
Inzwischen ist es zum regelrechten Volkssport geworden, sich darüber zu mockieren, wie sehr die Querdenker und „Verschwörungstheoretiker“ danebenliegen und unrealistisch seien. Was aber inmitten dieser Hatz‘ niemand zu denken wagt: Was, wenn all das, was die Verschwörungstheoretiker sagen, wirklich daneben ist – weil es gegenüber dem, was hinter der Bühne abläuft und der Menschheit droht, noch weit UNTERtrieben ist und was sich selbst Orwell nicht hätte träumen lassen?
Mir kommt in letzter Zeit immer wieder ein Ausspruch in den Sinn, den ich einst von einem alten Mann vernommen habe:
„Von Kindern und Narr‘n
– kannst‘ die Wahrheit erfahr’n.“
Erst jetzt realisere ich seinen Gehalt: Gerade im scheinbar Abwegigen verbirgt sich oft eine erstaunliche Wahrheit. Man sollte es daher nicht leichtfertig verwerfen. Ebenso wie sich das scheinbar penibel Vernünftige und „streng wissenschaftlich“ Evidenzbasierte nicht selten als größte Ignoranz herausstellt.
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Donnerstag, 19.5.2016. Eifel. Erst kürzlich habe ich eine kleine Umfrage gemacht, einfach mal ein paar Leser gefragt, welche Themen sie noch interessieren würden. Ich war überrascht, was für ein vielfältiges Interessenbild sich dort abbildete. Einer – kam sogar direkt mit dem Feind der Menschheit an. Nein: nicht Dr. No oder Ernst Stavro Bloefeld (nur original mit Katze), nicht Putin oder Hitler, nicht Weganer (also: Invasoren von der Wega) oder Islamisten, sondern den absoluten Frontkämpfer der Weltvernichtung, den Feind allen Lebens und aller Lebendigkeit. Ich zitiere mal:
„Erklärbäreltern. „nein jason-kevin, mach bitte die Motorsäge aus. “ Hurra-der -Wolf -ist-wieder -da-schreier mit Reihenhausbiotop in Recklinghausen-mitte….“
Nun: das ist recht einfach, weil – aufgrund der inneren Logik der Vernichtung – die Erklärbäreltern dieselben sind, die auch den Wolf lieben -und ein Reihenhausbiotop in Recklinghausen-Mitte haben.
Ich möchte über die beiden mal ein wenig erzählen. Wie sie heißen? Dieter und Daniela Biermann. Daniela ist medizinische Fachkraft in einer urologischen Praxis (also: Arzthelferin). Dieter arbeitet im Großraumbüro einer Versicherung. Sie haben zwei Kinder: Jason-Kevin (den kennen wir schon) und die bezaubernde Diana.
Was beide auszeichnet, ist ihr gemeinsamer Geschmack, was Musik, Filme und Fernsehen angeht: als sie sich darüber austauschten, hatte es sofort gefunkt. Dieter und Daniela schauen und hören nur das Beste, nur das Beste ist für sie gut genug. Zu Hause und im Auto haben sie jederzeit die Top Ten der aktuellen Charts griffbereit, in ihrer privaten Videothek finden wir den Gesamtbestand der meistverkauften Filme der letzten zehn Jahre, Filme, die sich Dieter und Daniela jedes Wochenende anschauen.
Ja: sie gehen nicht ´raus am Wochenende. Es ist nicht sicher da draußen, das ist ihnen klar. Ungern erinnern sie sich an die Zeiten, als sie noch Untermenschen waren, „Mieter“, und gezwungen waren, mit Fremden in einem Haus zu leben. Es waren einmal sogar Ausländer darunter. Türken. Dieter und Daniela haben nichts gegen Ausländer, sie sind – wie die Kanzlerin es angeordnet hat – öffentlich „für Flüchtlinge“ – aber doch bitte nicht im eigenen Haus. Oder der eigenen Straße.
Mit der Straße haben sie Glück gehabt: es ist eine kleine Seitenstraße in der Innenstadt von Recklinghausen, direkt in den Siedlungen am Kuniberg, hinter dem Bahnhof. Nur Deutsche dort, die türkische Enklave beginnt weiter nördlich, wo die alten Zechenhäuser stehen. Alles ordentliche Leute dort – so erzählt Dieter gerne im Büro. Was war das für ein Triumph, als sie dort endlich ihr Reihenhäuschen beziehen konnten: 700 qm2 Garten, Carport, Gerätehäuschen, ein kleines Beet, dass Daniela in ihrer Freizeit bearbeitet. Sie haben so ein wenig den Traum vom Selbstversorgertum, fernab der Zivilisation, eine große Ranch mit endlosen Weiden – aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg und solange muss das Beet den Traum von großer Freiheit auffangen.
Letztes Jahr haben sie drei Sonnenkollektoren angebracht – mehr gab das schmale Dach nicht her. „Für die Umwelt“, meinte Dieter und erzählte jedem im Büro, dass er jetzt auch Unternehmer ist, „Stromproduzent“. Er war sehr stolz darauf.
Dieter spricht nicht gern über seine Arbeit. Er ist Sachbearbeiter einer Versicherung – und dicht dran an einer Beförderung. Seine Spezialgebiet, seine herausragende Fähigkeit: Ansprüche gegen die Versicherung abwehren. Da läuft er zur Hochform auf, das hat ihm schon einige Boni und Gehaltserhöhungen eingebracht. Da ist er schon ein Spezialist – und besonders stolz darauf, dass er sogar erst letzte Woche einen Akademiker „geknackt“ hat, der seinen Wasserschaden durch seine Hausratsversicherung bezahlt haben wollte. Da kam er bei Dieter gleich an den Richtigen, schnell war klar, dass die Firma nicht für menschliches Versagen zahlen konnte. Es war sein erster Akademiker, daraufhin gab es gleich ein großes Grillfest für die engere Nachbarschaft – nur die Bonnermanns, die Hofmeisters und die von Grüneburgs, die angeblich adelige Vorfahren in der Tschechei hatten (was auch der eigentlich Grund war, weshalb man mit ihnen Beziehungen pflegte: es war immer gut, den Adel an seiner Seite zu wissen).
Akademiker mochte Dieter nicht, die konnten sogar die mühsam verklausulierten Standardverträge lesen und verstehen und kamen oft genug mit ihren überzogenen Ansprüchen durch, weil sie gleich zum Anwalt rannten. Gott sei Dank gab es genug alte Leute, die die Pleiten bei den Akademikern wieder ausbügelten, denen konnte man noch klar machen, dass sie nur Zahlvieh waren – und Dieter ihr Meister.
Ja: so sah er sich. Als Meister. Er – an der Spitze der Nahrungskette, ganz dicht vor der Abteilungsleitung. Und wenn er die erstmal bekommen würde, dann würden einige in der Abteilung ganz schön dumm aus der Wäsche schauen. Immerhin: er tat alles, um an die Spitze zu kommen, das war schon harte Arbeit. Dieter – und selbstverständlich auch Daniela – taten alles, was angesagt war. In allem teilten sie die Meinung der Mehrheit und aus Themen, wo die Mehrheit noch keine Meinung hatte, hielten sie sich einfach heraus.
Dieter deckte im Small-Talk alle männlichen Themen ab: Fussball, Investment, Auto und das Grill-Event während Daniela sich in den weiblichen Themen vorarbeitete, um hier die ethische Überlegenheit der Biermanns zu demonstrieren: Tierschutz, Yoga und Ernährung. Dieter war sehr stolz auf Daniela: seit vier Monaten war sie Veganerin, was den Bonnermanns, Hofmeisters und von Grüneburgs ordentlich Respekt einflößte. Sie kaufte ihr Gemüse nur in edelsten Bioläden, vermittelte Hunde aus der Tötung über Facebook und beschäftigte sich intensiv mit Tarotkarten. Letzteres schien nur im ersten Zug etwas seltsam zu sein, aber da Daniela die ganze Nachbarschaft mit ihrer Tarotarbeit beglückte (vor allem jene Frauen, die ihren Yogakurs besuchten), bekamen die Biermanns so detallierten Einblick über privateste Dinge – was gelegentlich von unschätzbarem Vorteil im Streitfall war.
Sie waren natürlich emanzipiert, sogar schon weit über die Emanzipation hinaus: bei den Fahrradausflügen fuhr Dieter natürlich immer vorne weg, dann Daniela, dann die Kinder. Im Auto saß Daniela immer auf dem Beifahrersitz – und bei Wanderungen ging sie immer hinter Dieter her. Immerhin war er der Mann – und man selbst war ja aufgeklärt darüber, welche Fehler die Emanzen immer gemacht hatten, weshalb die auch keinen so tollen Mann wie Dieter abbekommen haben.
Sie hatten zwei Kinder – und besonderes Glück mit ihnen: einer war ein Junge und sollte ein kleiner Dieter werden, das andere ein Mädchen, perfekt geschaffen für eine kleine Daniela. Der Junge hatte Montags Fussball, Dienstag Ergotherapie, Mittwoch Tennis, Donnerstags Nachhilfe, Freitags war er bei der Jugendgruppe des technischen Hilfswerkes, Samstag half er im Flüchtlingsheim und Sonntags trug er Zeitung aus, beides mit seiner Schwester, die Montags beim Ballet war, Dienstag Klavierunterricht hatte, Mittwoch einen Nähkursus besuchte, Donnerstag zum Hiphop in die Tanzwerkstatt ging und Freitag bei Danielas Yogakurs assistierte. Perfekte Kinder eben. Die allerbesten. Natürlich beide auf dem Gymnasium. Sie waren die besten Freunde ihrer Eltern und liebten sie heiß und innig – jedenfalls wurde das von ihnen erwartet, immerhin ließ man ihnen ja alle Freiheiten, die möglich waren. In den Ferien bekamen sie sechs Stunden Nachhilfe täglich, Dieter hatte eine Lehrerin angestellt – eine von jenen, die in den Ferien bei Hartz IV landete, weil sie nur befristete Verträge bekam. Natürlich zahlte er ihr den Mindeslohn, da ließ er sich nicht lumpen.
Dreimal im Jahr ging es in den Urlaub. Frühjahr: Wanderung in den Alpen. Österreich. Herbst: Wattwanderung an der Nordsee, Holland. Sommer: Türkei. So wie man es halt macht.
Ihr ganzer Stolz war Herrmann, der Hund. Daniela hatte ihn gerettet, ein Mischling von der Größe eines Schäferhundes. Dieter war ihr sehr dankbar dafür und führte ihn am Wochenende aus. Es gab ein unglaubliches Gefühl von Macht, mit Herrmann eine Einheit zu bilden: der Herr und sein Hund waren als Team unschlagbar. Herrmann konnte viel erledigen, was Dieter untersagt war: die Kinder der Schönfelds ankläffen (die hatten fünf Kinder – sowas von asozial; was die an Kindergeld und Zulagen bekamen, war unerträglich: Schönfeld war Beamter) – einmal hatte Herrmann fast den alten Schönfeld selbst gebissen. Natürlich hatte sich Dieter dafür entschuldigt – aber es hatte Dieter noch monatelang ein Triumphgefühl der Extraklasse beschert. Zudem half Herrmann seinem Herren beim Nachbarschaftsrating: jene Nachbarn, die nach einer Sanktion verlangten, bekamen – in Häufigkeit fein abgestuft nach Grad der Sanktionsgrundes – Herrmanns Häufchen auf ihr Grundstück verpasst. Am häufigsten waren jene dran, die keinen Zaun hatten und nicht oft genug den Rasen mähten. Das … ging gar nicht. Diese Langhaarigen, zwei Straßen weiter. Surfer, Autoschrauber, Musiker – arbeitsloses Gesindel, das dem Steuerzahler auf der Tasche lag: die bekamen eigentlich bei jeder Runde eine Ladung ab.
Die Biermanns hatten auch eine Katze – „Bärchen“. Allerliebst. Sie brachte oft Vögel und Mäuse an, die sich auf die kleine Terrasse ablegte, was ihr immer ein Extraleckerli von Frauchen einbrachte: erfolgreiche Jagd musste belohnt werden – jedenfalls, wenn es im Dienste der Biermanns war, die keine Mäuse im Haus duldeten und keinen Vogelschiss auf ihren Sonnenkollektoren wünschten.
Ein Aquarium rundete Dieters Reich ab. Natürlich Seewasser. Ausgewählte Exoten tummelten sich da drin, deren lateinische Namen er gerne auswendig wüsste.
Ja: sein Reich. Wie sehr genoss es Dieter, wenn sie zusammen im Wohnzimmer saßen und den erfolgreichsten Film der Saison sahen: die Biermanns – bei allen ganz vorn, mit ihm an der Spitze, die Tiere zu Füßen. Natürlich sahen sie auch alle Ratingshows, in denen junge „Talente“ um ihren künstlich geschaffenen Platz kämpften und sich überall anbiedern mussten – und jene Talksendungen, in denen die Untermenschen aus ihrem Leben erzählten: herrlich war das, einfach herrlich, täglich sehen zu können, wie weit oben man war – und wie tief unten die anderen.
Das Leben war fast perfekt – es fehlte nur noch eins. Ein Makel hatte das Leben noch: der SUV war von einer koreanischen Firma. Es musste natürlich ein SUV sein: groß, bullig, mächtig, herrschend, triumphierend, jederzeit bereit, den Gegner zu zermalmen, während man selber unbehelligt blieb – die Rüstung des modernen Raubritters, der der Menschheit zeigte, wo der Hammer hing. Doch das Budget erlaubte nur einen Koreaner. Dieter schauderte bei dem Gedanken, dass die Bonnermanns vielleicht bald einen Deutschen hätten. Er wusste auf jeden Fall, was SEIN Wagen war – der neue Audi. Allein schon die Beschreibung erzeugt bei Dieter Gänsehaut (siehe Spiegel):
„Den rechten Fuß nur ein paar Millimeter bewegt, schon beschleunigt der wuchtige SUV explosionsartig, der 435 PS starke SQ7 rennt davon wie von Sinnen. Weil schon bei 1000 Touren ein maximales Drehmoment von 900 Nm an den Rädern reißt und den Schotter beim unbedachten Start auf losem Grund meterweit spritzen lässt, werden die 2,2 Tonnen Gewicht zu einer virtuellen Größe. Herkömmliche Dieselmotoren erreichen kaum mehr als die Hälfte dieses Wertes und brauchen dafür deutlich mehr Drehzahl.“
Mit diesem Wagen – wäre Dieter der König der Straße. So in drei- bis fünf Jahren wäre er möglich, vorausgesetzt, die Akademiker versauen ihm nicht die Abteilungsleitung. Natürlich nur gebraucht. Dieter hatte die Hoffnung, dass vielleicht Danielas Chef – der Arzt – sich einen neuen SQ7 kauft, den er dann nach ein paar Jahren übernehmen könnte: das war sein großer Traum, die Krönung seines ganzen Lebens.
Es gibt vieles, was Dieter und Daniela nicht interessiert. Umwelt – zum Beispiel. Die weltweit großen Fischsterben, die immer beunruhigendere Ausmaße annehmen (siehe konjunktio) und auch vor Fischteichen nicht Halt machen (siehe Nordkurier) ignoriert er mit festem Blick auf sein Aquarium, wo nur selten ein Fisch verendet. Dass die Türkei gegen Flüchtlinge Selbstschußanlagen installiert (siehe FAZ), interessiert ihn nicht – sie haben Kinderkleidung für Flüchtlinge gespendet, ganz, wie von der Regierung gewünscht – da ist man ganz auf einer Linie mit der Kanzlerin. Dass in den USA Mitarbeiter in der Geflügelindustrie Windeln tragen, um ihre Arbeit nicht unterbrechen zu müssen (siehe Zeit), ändert nichts an seiner Überzeugung, dass die Kanzlerin TTIP jetzt schnell durchpauken muss (was sie vorhat, siehe Spiegel), denn: „von den USA lernen heißt siegen lernen“ – und da bald jeder zweite Arbeitsplatz in Deutschland durch Technik ersetzt wird (erst recht in Dienstleistung und Verwaltung, siehe Welt), braucht man dringend neue Hoffnung aus Übersee.
Dieter ist nicht beunruhigt von den Nachrichten einer schrumpfenden und vom endlos wachsenden Kapital zerquetschten Mittelschicht (siehe Zeit), erstmal bilden er und Herrmann ein Superteam, zweitens sind sie die Biermanns, die immer ganz vorne sind und drittens hätten sie gerne selbst mehr Kapital. Er liebt Nachrichten wie die über „Mesut T“, „der sich mit den Falschen angelegt hat und durch eine Autobombe im fließenden Verkehr zerfetzt wurde (siehe Berliner Zeitung): so sollte es allen gehen, die sich mit den Falschen anlegen – das hat er auch im Büro erzählt.
Das in England Jugendämter gegen Prämie Adoptionsquoten zu erfüllen haben (siehe Muttis Blog), findet er gut: man kann das Pack nicht früh genug zerschlagen, dem Pöbel nicht früh genug zeigen, wo der Hammer hängt. Es beruhigt ihn, dass von jedem Internetnutzer ein Dossier existiert (siehe thema.voralberg.at), so kann man rechtzeitig erkennen, wenn einer anfängt, aus der Reihe zu tanzen, er findet Schäuble gut, der die Leistungsträger dieses Landes schützt, in dem er Informaten über Briefkastenfirmen abblitzen läßt (siehe Spiegel). Es ist ihm egal, dass Adenauer seinerzeit die Naziopfer aus den Ämtern drängte, um der Funktionselite des Nationalsozialismus breiten Zugang zu Schaltstellen der Macht in der jungen Bundesrepublik zu geben (siehe Zeit), dass führende Genomforscher im Geheimen über die Schaffung künstlicher Menschen diskutieren, berührt ihn nicht (siehe nytimes) noch versteht er, was das für ihn bedeuten kann: warum auch – Herrmann und Dieter sind zusammen unschlagbar und bilden den unzerstörbaren Kern der herrlichen Biermanns.
Ja – das mit der Kettensäge, letztes Jahr im Baumarkt. Da haben sich ein paar Spießer drüber aufgeregt, weil Jason-Kevin sie ausprobierte, aber kaum halten konnte. Aber Dieter ist souverän eingeschritten und wies Jason-Kevin aus der Ferne an, die Säge wieder hin zu legen: nicht zu streng jedoch, denn Jason-Kevin war ein Biermann – und er sollte schon früh lernen, dass er auserkoren war, zu herrschen – so, wie es Dieter.
Der Wolf jedoch – das war das geheime Totems der Biermanns – und auch ein geheimer Grund für die symbiotische Beziehung von Dieter und Herrmann. Der Wolf – hing als großes Poster im Wohnzimmer, heulend vor dem Vollmond. Der Wolf – war heilig. Der Wolf – war Natur, war Kraft, war List, war Verschlagenheit, war … GOTT. Die Biermanns liebten den Wolf, wären gerne wie er: frei und wild durch die Wälder streifend, im Biermannrudel, unbesiegbar, schneller als der stärkere Bär, stärker als der listige Fuchs und hinterhältiger als die verschlagene Wildkatze – allem Überlegen, was beim Kampf um die Beute Konkurrenz bedeutet. Was wäre das für ein Leben: als Herren der Wälder über alles zu herrschen, was da kreucht und fleucht, frei, unabhängig, unbesiegbar.
Und vielleicht – kommt ja noch einmal eine Zeit des Wolfes, vielleicht bekommt des große Rudel aller Biermanns der Republik bald wieder einen Führer, der Vegetarier ist und Hunde liebt, erste Zeichen kündigen ihn schon an (siehe Kopfumkrone.at):
„Die Tendenz in diese Richtung wächst deutlich. Ich glaube, dass wir momentan eine zu kurzsichtige Diskussion führen – nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland. Die Frage lautet: Wie schaut es um den Bestand unseres demokratischen Systems, so wie wir es seit 1945 kennen, überhaupt aus? Ich befürchte, dass dieses System sich gerade in aktuer Lebensgefahr befindet. Ob man daran noch etwas ändern kann, weiß ich nicht. Derzeit sprechen alle Indikatoren dagegen. Immer mehr Menschen hinterfragen unser demokratisches System an sich – insbesondere in Zeiten wie diesen, in denen wir immer größer werdenden politischen Herausforderungen, ökonomischen Verwerfungen und gesellschaftlichen Problemen gegenüberstehen. In Österreich, europaweit, ja weltweit. Sei es nun die aktuelle Flüchtlingskrise oder die in Wahrheit bis heute ungelöste Finanzkrise – all das sind die großen Probleme, die große Entscheidungen abverlangen. Es stehen mitunter bahnbrechende Weichenstellungen und nötige große Umwälzungen an, die uns regelrecht dazu zwingen werden, unser gesamtes kapitalistisches und schuldenbasiertes Wirtschaftssystem auf den Kopf zu stellen. Denn es funktioniert schlichtweg nicht mehr. Obwohl wir das wissen, wollen wir es nicht wahrhaben. Vor allem unsere Politiker nicht. Es zweifeln immer mehr Menschen daran, ob unser derzeitiges demokratisches Parteiensystem all diese großen Umbrüche schultern kann. Diesen Zweifeln müssen wir uns stellen.“
Und dann wird man endlich wieder Wolf sein können und sich den Schafen im Land mit aller Aufmerksamkeit unter dem Schutz des großen Rudelführers artgerecht widmen können.
Doch solange der Führer noch im Dunklen ruht, bleibt noch der Weg zur Abteilungsleitung, zur Verbesserung der Chancen beim Straßenüberlebenskampf und der Ausbildung der Biermann-Jugend zum omnipotenten Werkzeug der Elite.
Dass die Biermanns mit ihrer Lebensweise zu jenen Gestalten gehören, die ganz vorne bei der allgemeinen Ressourcenvergeudung dieses Planeten mitmischen, wird fein von Sonnenkollektoren und veganen Würstchen verdeckt – doch in ihrer selbstverliebten Herrlichkeit werden sie wahrscheinlich nie etwas davon merken, dass wir 1,5 Planeten verheizen, aber nur einen haben. Sie haben halt die Gnade, direkt am Königshof zu wohnen (dem „Westen“), wo man erst ganz zuletzt merkt, dass es gewaltig brennt.
Und außerdem: sind ja die Biermanns, eine Sekte für sich, die alles richtig machen und immer tun, was angesagt ist. Und wer sie nervt, kann schnell ihren Herrmann richtig kennen lernen – so wie jene hassenswerten Arschlöcher, die gegen den Wolf sind, wie der Wolfsmonitor aktuell berichtet (siehe Wolfsmonitor). Die – kommen als erste dran, denn der Wolf, der Schafe und Ziegen reißt, Pferde und Schweine anfällt und auch vor dem Hirsch, dem König der Wälder nicht zurückweicht, ist der Biermanns großer Liebling – und ihr Idol … dessen Wiederkehr sie orgiastisch feiern.
…
(PS: sollte es wirklich ein Paar mit Namen Dieter und Daniela Biermann geben: ihr seid nicht gemeint. Entschuldigung – aber irgendwelche Namen brauchte ich ja. Ansonsten – ist alles eine erfundene Geschichte. Fast … jedenfalls).
(PS2: Dieter geht wirklich nur zu Weihnachten mit den Kollegen ins Bordell, sonst nicht. Und nur zu freien Sexarbeiterinnen. Von den Behauptungen der Aussteigerinnen, dass Prostitution immer Missbrauch ist und meistens chronisch kranke Menschen zurück läßt, hält er nichts (siehe linksunten.indymedia.org).
Jede undemokratische Zentralregierung benötigt politisch korrekte Mitläufer, die das System unterstützen. Das neosozialistische Bürger- und Spießertum sieht sich selbst nicht als Täter, dennoch hilft es der Erhaltung eines abartigen Machtsystems.
Es werden Keulen geschwungen
Ein Artikel von JennyGER