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Hartz IV, der Gutmensch und die Kultur des Bösen

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Samstag, 26.3.2016. Eifel. Wir leben ja gerade in ganz besonderen Zeiten. Ganz konkret, meine ich. Gestern ist ein ganz wichtiger Mensch gestorben, eine zentrale Sagengestalt des christlichen Mythos, ein Gotteskind und Wundertäter, bald steht er wieder von den Toten auf. Das wichtigste Fest der christlichen Sekte, die noch unter uns lebt, aber tagtäglich ein Einfluss verliert. Für sie: der heiligste Tag des Jahres, der Triumph der Menschheit über den Tod, ausgeführt durch einen großen Huna-Magier, der auch Kranke heilen, Tote wiedererwecken und Brot vermehren konnte  – und dadurch auch so lange im Gespräch blieb, dass siebzig Jahre später sich eine Reihe von Evangelisten hinsetzen konnten, um aus den überlieferten Fragmenten der Erzählungen ein großes Werk zu verfassen: die Evangelien, die ihren Namen von dem altgriechischen Wort evangelos haben – was soviel wie „gute Botschaft“ bedeutet. Drei sind bekannt (Markus, Mattheus und Lukas – Johannes ist da aus gewissen Gründen ein Sonderfall), eins ist in der Geschichte verschollen – wir kennen noch nicht mal seinen Namen.

Der Wundertäter hatte sich – soviel ist bekannt – bei den römischen Besatzern unbeliebt gemacht, er predigte wirres Zeug: alles solle man verkaufen und es den Armen geben, „den Markt“ hatte er sogar mit einem Knotenseil aus dem Tempel vertrieben – überhaupt hat er sehr viel Geistiges in die Welt gesetzt – so viel, dass Zen-Buddhisten ihn für einen Zenlehrer halten (siehe Kenneth S. Long, Jesus – der Zenlehrer Herder 2000). Fakt ist: es hat ein wundertätiger Mensch in Jerusalem und Umgebung gewirkt, der allerdings die Wunder nur zum Zwecke der Aufmerksamkeit wirkte – nicht, um als großer Zauberer zu jeder Hochzeit eingeladen zu werden, um dort Wasser in Wein zu verwandeln. Fakt ist: als Symbol für ihn wurden fortan von den Reichen und Mächtigen, die seine Lehre schnell aufgriffen und vereinnahmten, überall Folterinstrumente aufgestellt – die ganze Welt ist voll von Bildern eines gequälten, gefolterten Kindes Gottes (was wir ja aus christlich-jüdischer Sicht alle sind).

Haben Sie schon mal daran gedacht, dass wir auch andere Bilder sehen könnten? Zum Beispiel, wie er als Friedenskönig in Jerusalem einritt? Oder wie er als strahlende Gestalt aus dem Grab trat? Oder einen Toten zum Leben erweckt? Oder auf den Wellen steht und weise Worte spricht?

Entschieden hat man sich für das Kreuz. Seien Sie mal ehrlich: wie wirkt dieses Kreuz auf Sie? Vergessen Sie alle Interpretationen aus dem Religionsunterricht – und diese ganze Sühne- und Schuldgeschichte, schauen Sie einfach nur hin. Was sehen Sie? Den edelsten Boten Gottes, sein eigenes Kind, hingerichtet von den Mächten der Welt. „Vater, Vater, warum hast Du mich verlassen …“ sprach er am Kreuz: so lernen wir das im Religionsunterricht. Das dies der Beginn eines Psalmes ist, wollen wir für einen Moment ausblenden – es fehlt der Beweis, dass er in der Tat diesen Psalm aufsagen wollte. Bleiben wir bei dem Moment: jener Heroe, der mit dem Teufel in der Wüste gerungen hat und Herrscher der Welt hätte werden können: gefoltert und hingerichtet vom Imperium. Damals: dem römischen. Ein Akt, der Jahrtausendelang allen Menschen vor Augen gehalten worden ist – als Symbol des gekreuzigten Jesus.

Eine gute Gelegenheit, mal über Gut und Böse zu reden. Viel zu oft lauschen wir dem endlosen Geschnatter der Talker, Sprecher und Redner, viel zu selten haben wir noch Ruhe, die großen Gedanken des menschlichen Lebens zu denken und für uns zu entscheiden. Keine Sorge: ich rede jetzt nicht von Moral. Moral wird es, wenn wir aus den Reflexionen über Gut und Böse Lehrsätze bilden und diese als Gesetz befolgen lassen. Wer treu dem Gesetz ist, gilt dann als moralisch gut, wer dem Gesetz widerspricht und gegen es verstößt, ist böse. Laufen Sie bitte jetzt nicht fort, wenn ich den Namen Hitler erwähne, aber er illustriert gut, was Moral ist. Moral bedeutet: den Feind des Volkes ausfindig zu machen und ihn den staatlichen Folter- und Vernichtungsbehörden zu übergeben – selbst wenn es die eigenen Eltern sind. Viele Gutmenschen haben damals geholfen – ganz im Geiste des „Mainstream“ – das ganze jüdische Volk auszurotten … und viele andere „böse“ gleich mit. Schaurig, oder? Bis 1945 waren die sehr moralisch, danach böse.

Wir trauen deshalb dieser Moral nicht, die heutzutage junge Männer dazu bringt, Frauen zu verkaufen, wie Vieh zu halten und ihre Gegner zu köpfen. Ja: die viel gefürchtete IS hält sich für gnadenlos gut. Gutmenschen halt. Es ist ihr gemeinsamer Nenner, dass sie sich immer für gnadenlos gut halten, ergo ihre Widersacher für böse. Scheint ziemlich blöde zu sein, dass Gerede über gut und böse.

Ich möchte jetzt nicht vom Gewissen reden, jenem Beweis eines ewigen, übergeordneten Naturgesetzes im Inneren des Menschen, denn das 21. Jahrhundert liefert uns in den Beobachtungen des Alltages zu wenig Belege für die Existenz eines solchen, sondern bei der Vernunft bleiben – und aufzeigen, dass es trotz allem das Böse gibt. Hierzu wenden wir den Blick ab vom Menschenreich, schauen ins Tierreich, wo noch nie Gewissen vermutet wurde. Dort finden wir: den mächtigen Löwen und sein Opfer, die flinke Gazelle. Hässlich, was diese Bestie dem schlanken Läufer antun wird, wenn man sie läßt – aber wollen wir das Hässliche deshalb Böse nennen? Der Löwe nimmt seinen Platz in der Natur ein, in der Ordnung, die ihn überleben läßt. Ebenso die Gazelle. Jeder füllt den Platz aus, den er zum Leben braucht, jeder nimmt die Ressourcen, die er zum Überleben braucht – mehr nicht. Mit gutem Recht können wir dies „gut“ nennen, es ist wenig Willkür in dem Bezugsrahmen – der ist eigentlich vorgegeben.

Was wäre dann „böse“?

Wenn ein Wesen mehr Platz, Raum, Ressourcen für sich in Anspruch nimmt, als es zum Überleben braucht. Dieses würde man mit Fug und Recht böse nennen, wie ein Löwenrudel, dass blindwütig durch Afrika streift und alles tötet, was es in die Klauen bekommt – nur um des Tötens willen. Würde dieses Löwenrudel gar Maschinen bauen, um seine Macht ins Unendliche auszudehnen und alle anderen Tiere ins Gas schicken zu können: wir hätten alles Recht, das Wort „Böse“ zu gebrauchen.

Sie wissen, worauf ich hinaus will, nicht wahr? Das Wesen, dass ich wesentlich mehr von dem Planeten raubt, als ihm zustehen würde – dass sind SIE. Eine Kultur, die ewiges Wachstum auf ihren Standarten trägt, kann gar nicht anders als irgendwann alle Ressourcen des Planeten in Plastiktüten umzuwandeln, mit denen eitler Tand in die künstlichen Höhlen, den Tempeln des eigenen kleinen Ego, geschaufelt wird, damit sie sich zum Bersten füllen. Schauen Sie nicht so blöd: wir haben mehr Plastik als Plankton im Meer und brauchen – bei gleichbleibendem Verbrauch – einen ganzen zweiten Planeten …. ob es nun einen menschengemachten Klimawandel gibt oder nicht, ist da ein völlig nebensächliches Thema, ein Problem, das nur obendrauf kommt (siehe Zeit):

„Jedes Jahr im Sommer errechnen Umweltexperten den sogenannten Earth Overshoot Day: Das ist der Tag des Jahres, an dem alles verbraucht ist, was die Natur binnen zwölf Monaten erneuern kann – dazu gehört Trinkwasser, Brennmaterial oder Bauholz, aber auch Getreide oder bestimmte Fischarten. Im Jahr 1970 war das am 23. Dezember. Seitdem ist dieser Tag immer weiter nach vorne gerückt: Im vergangenen Jahr bereits auf den 13. August.

Ökonomisch betrachtet ist der Earth Overshoot Day jener Tag, ab dem die Menschheit auf Kredit lebt. Die Schulden zeigen sich in Form von Klimawandel, Artensterben oder Wassermangel.Einen solchen Tag dürfte es eigentlich gar nicht geben.“

Interessante Informtionen. Eindeutig ist die Menschheit hier böse, sie nimmt mehr – viel mehr – als sie zum Überleben braucht: das irrsinnige, dem ultimativen, mörderischen Wahn verfallene Löwenrudel ist Realität geworden – samt seiner Maschinen, die seine Macht schier endloc ausdehnen.

Die Menschheit? Bitte, fallen Sie auf die Lügen der Prediger des Reichtums nicht herein. Es ist nicht „die Menschheit“. Die Stämme in Asien, Australien, Afrika und Nord- oder Südamerika sind auch Menschen. Ja – so leicht versteckt sich Rassismus in allgemeinen Aussagen. Jene Stämme kannten keinen „Earth Overshot Day“. Sie nahmen, was ihnen zustand, was sie zum Überleben brauchten. Lesen Sie ruhig diesen Artikel in der „Zeit“, ich zitiere noch ein wenig:

„20 Prozent der Menschheit verbrauchen 80 Prozent der weltweiten Rohstoffe und verursachen 70 Prozent der globalen Emissionen – das ist die Bilanz der wirtschaftlichen Dominanz des Westens, deren Fundament mit der industriellen Revolution gelegt wurde. Und darauf folgt im Umkehrschluss: Wir verbauen den anderen den Weg zum Wohlstand, denn wir haben uns bereits einen so großen Anteil am Reichtum des Planeten genommen, dass den Menschen in den ärmeren Gegenden kaum etwas bleibt. Die Erde würde es schlicht nicht verkraften, wenn auch in Nigeria oder in Pakistan vor jeder Haustür ein Auto stünde.“

Das ist die häßliche Fratze „des Westens“, deren Werte die Bomber der Nato weltweit mit Feuer und Schwert verteidigen … jenes Westens, der den Sohn Gottes nicht als barfüßigen Wanderprediger darstellt, der bekannt für seine Menschenliebe ist, sondern als gequälte, gefolterte, ermordete Person, hingerichtet durch die Schergen des mächtigsten Imperiums der damaligen Menschheitsgeschichte. Heute würde er Waterboarding in Guantanamo hinnehmen müssen – und wer weiß: vielleicht ist er schon gemäß der Prophezeiung zurückgekommen, sah etwas zu „arabisch“ aus und sitzt genau dort.

Sie wissen, worauf ich hinaus will? Denken wir gründlich über „gut und böse“ nach – wie bewiesen, eine sehr relative Frage, denn die Propheten des Westens halten ihre Kultur für hemmungslos gut, obwohl noch keine Kultur eine so große Vernichtung über die Artenvielfalt des Planeten gebracht hat, wie sie. Nehmen wir jedoch den Rahmen, der bedinungslos und alternativlos unsere Dasein begleitet – die Natur – so ist jene Kultur, die voller Stolz den Mord am Sohne Gottes illustriert, das Maximum an denkbarem Bösen.

Das es anders ginge, zeigen die Aborigines in Australien, die sich lieber in der magischen „Traumzeit“ bewegen, um dort realistischere, ansprechendere und bewegendere „Unterhaltung“ bekommen als wir mit unseren „sprechenden Bildern“ (hier realisierte unsere Kultur mit ihrem „Flatscreen“ ein finsteres Bild aus der Apokalypse des Johannes) und ihrer Flut an Seichtigkeit, die jeder Bürger im Schnitt vier Stunden am Tag geist- und gedankenlos konsumiert. Diese Form des Lebens – die ein Christus predigte – könnte Millionen von Jahren auf der Erde existieren, im Einklang mit dem vorgegebenem Betriebssystem. Die Kultur, die Christus kreuzigte, nicht. Ihr – dem römischen Imperium – haben wir überhaupt erst die Wüsten Nordafrikas und die Verwüstung Spaniens zu verdanken. dort schlugen sie das Holz für ihre Kriegsgaleeren.

Verfolgen wir nun jenen Gedanken weiter, der uns vom „relativen“ Gutem zum „absoluten“ Guten geführt hat, so können wir ihn auch auf die Gesellschaft des Westens übertragen und ihn dort weiterbenutzen, um über Gut und Böse zu richten. Je mehr ein Mensch dem absoluten Bösen untertan ist, ihm zuarbeitet, ihm zu Diensten ist, umso mehr Geld hat her. Wir können den Grad der Bösartigkeit direkt am Kontostand ablesen – unabhängig von der eigenen Sicht des eigenen Verhaltens, die – das können wir wohl voraussetzen – immer „gut“ ist. Auch ein Hitler fühlte sich – von der „Vorsehung“ auserwählt – als hemmungslos gut, als: „Gutmensch“ (im eigentlichen Sinne, nicht im flachen Sprachgebrauch der Rechtsradikalen, die hier vor allem lobenswerte soziale Aktivitäten entwerten und als „links-grün-versifft“ entlarven wollen).

Das Gegenteil vom Gutmenschen (der auch als Henker des Sohnes Gottes seine „gute“ Arbeit im Dienste des Imperiums tat) ist – so können wir jetzt erkennen – nicht der böse Mensch, sondern der weise Mensch. Oder ein Kind Gottes, das sich um die Bewertung von Gut und Böse im Rahmen seiner Nächstenliebe gar keine Gedanken macht und dafür von den „Guten“ gekreuzigt wird.

Andererseits dürfen wir jene Menschen zurecht „gut“ nennen, die von Hartz IV leben – jenem Zustand, den der „Gutmensch“ (neben plakativen Flüchtlingsrettungsaktionen zu Werbezwecken für das eigene „gutsein“, dass den Kontostand verkleiden und das eigene Ego preisen soll) als Parasitentum brandmarkt. Sie leben zwar im Reich des ultimativen, kannibalistischen Bösen, trachten jedoch den Grad der Weltvernichtung möglichst gering zu halten. Leider nicht freiwillig, weshalb es nur ein relatives „gut“ ist – und kein absolutes, welchem dem freien Willen entspringt.

Es ist – denke ich – für jene wachsende Zahl an Armen wichtig und heilsam zu wissen, dass sie nicht böse sind, schlecht, minderwertig, Abfall, schmarotzend oder parasitär sondern in einer Kultur des Bösen lebend, die sie – wie sie es mit Christus taten – gerne aus dem Wege räumen würden. Sie sind nicht krank, schlecht oder „zu wenig in Resonanz mit dem Universum“, sondern einfach nur Menschen in einer bösartigen Umwelt, die sich nicht nur parasitär in die Welt frisst sondern gleiches auch mit der eigenen Volkswirtschaft betreibt: Vernichtung zum Ruhme des ultimativen Bösen – also: des größtmöglichen Kontostand in Privathand.

Faszinierend, oder? Erinnert uns an Adorno, welcher uns lehrte, dass es kein richtiges Leben im falschen gäbe: er ist hier sehr rigoros – ich würde den Widerstand der „Weißen Rose“ gegen Hitler aber trotzdem richtig nennen, obwohl es „Leben im falschen“ wahr

Bleiben wir zu Ostern – weil es ein heiliges Fest ist – aber gleich bei den neuen Lehren des Bösen, dem „Gesetz der Resonanz“, welches uns „der Westen“ schenkte und das uns sagt, dass jeder gute Mensch soviel Reichtum bekommt, wie es seinem „gutsein“ entspricht. Kennen Sie den Witz über den Reichen und die beiden Armen – einer davon kann auch Flüchtling oder Arbeitsloser sein? Sitzen drei Mann an einem Tisch, auf dem 12 Kekse liegen. Der Reiche nimmt 11 Kekse und sagt einem der Armen: „Pass auf, der Flüchtling will Deinen Keks!“. Dieses Beispiel zeigt uns die Wirkung des Gesetzes der Resonanz, dass die Passivität der Menschen noch verstärkt (und von nahmhaften Unternehmensberatern deshalb in den Führungsetagen gepredigt wird): hier wird der Arme aufgefordert, seine Kekslosigkeit durch endlose Suche nach der Ursache in sich selbst zu finden (wo auch alle Quellen gesellschaftlichen Ungleichgewichtes zu suchen sein sollen) …. anstatt bei dem Reichen, der gerade dick und fett wird.

Es sind häufig „Gutmenschen“, die dieses Gesetz anbeten, das den Grad der Gutartigkeit am Kontostand ablesbar macht (je höher, umso mehr „Resonanz“, ergo umso besser das Leben. Außerdem hat man ja einfach mehr Geld, was auch als schön empfunden wird, weil man den Zusammenhang zwischen Geld und bösartiger Vernichtung der Natur ausblendet und mit Spenden für Greenpeace auszugleichen hofft), dabei zeigt sich an dem Kontostand nur, wie erfolgreich man der Kultur des Bösen dient: jenem Bösen, das die ganze Welt tagtäglich weiter vernichtet … zum Wohle des Konsums der Spaßgesellschaft.

Und diese Kultur hat zur Warnung an die wirklich guten Menschen – die glücklich und in Frieden im natürlichen Paradies leben – das Kreuz als Warnung errichtet: Widerstand ist zwecklos, wir kriegen euch alle – auch Gottes eigenen Sohn.

Verwirrt? Nun – fing nicht das Problem schon damit an, dass die Menschen sich anmaßten, selbst darüber zu entscheiden, was „gut“ und „böse“ ist – damals, im Paradies, mit diesem Apfel? Anstatt sich mit dem Platz zufrieden zu geben, den sie für ihr Überleben brauchten … jenen Platz, den sie heute im Urlaub als Krönung ihres Lebens immer noch aufsuchen: die paradiesische Natur.

Oder kennen Sie einen Menschen, der Urlaub neben Hochöfen, Autobahnen oder in Gelsenkirchen macht?

Damit – möchte ich die Erwägungen abschließen und unseren Lesern ein frohes Osterfest wünschen!

Bitte – nutzen Sie es zur Besinnung uns lassen Sie die Fresserei sein.

Eine Weihnachtsgeschichte: wie ich der Bote Gottes wurde …

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Sonntag, 28.12.2014. Eifel. Es geschah zur Weihnacht 2014, dass der Herr Philosoph sonderbare und denkwürdige Begegnungen hatte, die ihrerseits wieder sehr zum Nachdenken anregten. Damit meine ich nicht das Telefonat mit Krimreisenden, die Bedenkliches von der Halbinsel berichten – angeblich hat man wieder Angst, seine Meinung offen zu sagen. Aber was solls? In Deutschland haben auch immer mehr Menschen Angst, ihre Meinung zu sagen … jedenfalls: öffentlich. Die „politische Polizei“ geht um – so las ich gerade – und befragt den deutschen Blogger, warum er eigentlich eine solche seltsame Meinung hat (siehe Duckhome). Vielmehr – waren es Beobachtungen im Alltag , direkt vor Ort, nicht geschützt durch die Distanz eines Bildschirms.

Aber: immer der Reihe nach.

Wir jedes Jahr nach Heiligabend fuhr der Herr Philosoph mit seinen Kindern vererinbarungsgemäß zur mütterlichen Wohnung, wo weiter gefeiert werden sollte. Dieses Jahr jedoch sah ich, dass es wieder eine Gelegenheit gab, recht stimmungsvolle Aufnahmen zu machen, im Sturm treibende Wolken, der Stimmung der Rauhnächte sehr angemessen. Also eilte ich los auf die Höhen, um noch schnell das letzte Licht des Tages für ein paar Aufnahmen zu nutzen.

Dann noch kurz hinab ins Tal, wo es sich zeigte, dass ich zu langsam war – oder meine Kamera zu billig. Was für das menschliche Auge noch hell wirkte, war für sie zu dunkel. Viel zu dunkel. Nun – wo sich die Gelegenheit bot, verweilte ich noch kurz am Fluss bei einem meiner Lieblingsbäume, einer großen, kräftig gewachsenen Buche, die sicherlich noch Napoleon persönlich kennen gelernt hatte – wenn nicht sogar noch Zeitgenossen Luthers.

Der Fluss schäumte kräftig, als ich eine Joggerin hinter mir bemerkte. Joggen – war das nicht verboten am ersten Weihnachtsfeiertag? Das der Unfug generell verboten werden sollte, weil er die Gelenke ruiniert und generell krank macht (siehe z.B. Mens Health), wollte ich hier gar nicht zur Debatte stellen – ist ja Weihnachten, wer will da schon wissen, dass Sport jeder Art das Leben verkürzt?

Wie – das glauben Sie nicht? Sie brauchen das auch nicht glauben, wir sind hier in der Realität, nicht in der Kirche. Ich erkläre es Ihnen aber gerne mal kurz, wie es mir Ärzte aus der Uniklinik Eppendorf erklärt haben: Ihr Herz hat einen elektronischen Impulsgeber, eine Ansammlung spezialisierter Zellen. Die brauchen wir zur Initialzündung des Herzschlages. Wunderbar, oder? Wir sind im Prinzip eine laufende Batterie … mit begrenzter Ladung. In der Tat ist bei jedem Menschen die Anzahl der Herzschläge von Geburt an vorprogrammiert – und je mehr sie durch Sport davon abrufen, umso schneller ist die Batterie leer.

Ja – die Menschen denken, sie können so dem Tod davonlaufen, dabei rennen sie direkt auf ihn zu – wie der Erfinder der Kunst des Joggens James Fixx, der mit seiner „lebensverlängernden“ Sportart gerade mal 52 Jahre alt wurde. Wenn die Menschen dann „einfach so“ „am Herzen“ sterben, nennt man das „plötzlicher Herztod“ – oder auch „Sudden Death“. Man liest nicht viel darüber: Herzschrittmacher für jedermann würden die Krankenkassen überfordern.

Nun – das hätte ich der Joggerin sagen sollen, doch der Mensch ist seines eigenen Schicksals Herr, also hielt ich respektvoll Abstand – auch, weil ich gelernt habe, dass Frauen Männer in freier Wildbahn als tödliche Gefahr begreifen. Gilt zwar nicht für die Eifel – aber wer sagt denn, dass die Dame nicht aus Köln oder Düsseldorf stammte?

Ich genoß noch eine Weile die Dämmerung, dann machte ich mich auf den Weg.

Zu meiner Überraschung stand sie noch am Parkplatz … und redete mit einem kleinen Wetterhäuschen, dass zum Unterschlupf für Wanderer gebaut worden war – war haben einige davon in der Eifel, weil es hier schon recht oft regnet. 177 Regentage haben wir im Jahr – den Rest schneit´s, sage ich immer, und da ist es schon mal ein Segen, wenn man sich kurz in einer solchen Hütte vor den herabströmenden Fluten verbergen kann.

Das Menschen sich sonderbar verhalten, ist mir bekannt. Von mir aus können Sie gerne mit Häuschen reden, mit Göttern und Geistern, mit Bäumen, Gräsern und Tieren: mir ist´s egal, dies ist ein freies Land – und allemal besser, sie beschäftigen sich so, als dass sie neue Rentenreformen ersinnen, die die Leute noch ärmer machen, neue Anlagekonstrukte basteln, die im Entwurf schon Betrug sind oder sich mit Lust an der Verbreitung von Hass, Streit, Abscheu, Verachtung und Zorn beteiligen – wie es weite Teile der unfriedlichen Bevölkerung pflegen.

Ich ging also zu meinen Auto, löschte die Aufnahmen, die wirklich nichts geworden waren, bemerkte, wie die Joggerin mit ihrem Wagen den Parkplatz verließ und wollte mich um meinen weiteren Abend kümmern, als mir ein Gedanke kam: im Sommer hatte ich gelegentlich einen Obdachlosen in der Hütte bemerkt, einen sehr menschenscheuen Gesellen, der dort gelegentlich ruhte. War das vielleicht der Grund, weshalb die Dame mit der Hütte redete? Gab es einen Bewohner?

Nun – als normaler Bürger des neudeutschen Gemeinwesens war ich gewohnt, dass man sich darum nicht kümmert. Ja – so halten wie es ja heute in Deutschland. Außerdem hatte ich gelernt, dass wir in Deutschland keine Obdachlosen haben. Ja, das wundert Sie, aber eine breite Allianz von Wohlstandsblasen arbeitet gezielt an der Leugnung des Problems, wie ein Autor der Zeit am eigenen Leib erfahren durfte, als er sich mal unbedacht über Unbedachte in Deutschland äußerte:

„Schnell wurde ich eines Besseren belehrt: Wer in Deutschland nachts auf der Straße schlafe, schrieben meine Freunde bei Facebook , tue das, weil er es tun will, nicht weil er es tun müsse. Diese Menschen seien dann auch nicht „obdachlos“, sondern „nichtsesshaft“. Schließlich fange das deutsche Sozialsystem jeden auf. In Amerika sei das anders: Dort schläft keiner freiwillig, quasi als Statement, auf der Straße, sondern, weil er dazu gezwungen wird“

Ja – in Deutschland gibt es keine Obdachlosen – so der Konsens der Mehrheit. Wer dem widerspricht, bekommt einen Schuss vor den Bug: einen „Mini-shit-Storm“ als Warnung. Behauptet man weiter solche Absonderlichkeiten, wird man als rechtsradikaler Verschwörungstheoretiker abgestempelt und darf seine Geburtstage in Zukunft wie auch Karneval und Sylvester allein verbringen.

Natürlich ist es eine Lüge, dass wir keine Obdachlosen haben: wir haben hunderttausende davon, Tendenz steigend (siehe T-Online, erwartet wird eine Zunahme um 100 000 bis 2016), aber es ist ein Tabu der Spaßgesellschaft, diese wahr zu nehmen – man müßte ja selbst was tun, wenn es solchen Misstand gäbe.

Da saß ich nun in meinem Auto, hinter mir die dunkle Hütte. Es war dunkel und kalt da draußen. Vielleicht … saß da ja niemand drin? Und überhaupt: ging´ es mir selber nicht auch schlecht? Zudem hatte ich ja Kinder? Und überhaupt: was sollte ich mit einem Obdachlosen mitten im Wald machen? Vielleicht will er das ja auch?

Wer kennt das nicht, diese seltsamen inneren Stimmen, die dem Ruf des Herzens widersprechen, Hilfe anzubieten, wo Hilfe nötig ist?

Manchmal ist auch keine gewünscht, man wird aufdringlich, nur um sich selbst ganz toll vorzukommen. Immerhin lebte im Aachener Stadtwald jahrelang ein Professor als „Wilder“, weil er nichts mehr mit der Zivilisation zu tun haben wollte? Und überhaupt: welches Recht habe ich, mich in das Leben anderer Menschen einzumischen?

Ja – es wäre so einfach gewesen, mit dem Wagen den Parkplatz zu verlassen und den Vorfall zu vergessen … aber auch noch am ersten Weihnachtsfeiertag?

Was las ich erst am Tag zuvor von Anselm Grün über Heilig Abend?

„Unser Leben hat sich für immer verwandelt. Gottes Licht leuchtet in der Finsternis. Gott ist als Kind geboren, um unsere versteinerten Herzen aufzubrechen – für die Freude und für die Liebe“ (aus: 365 Tagesimpulse, Herder 2012, Seite 156)

Und  – ja: versteinerte Herzen gibt es schon genug um uns herum. Also … machte ich mich auf zu dieser Hütte, wohl wissend, dass es in Deutschland keine Obdachlosen gibt, gegen die man Wasserwerfer, Stinkbomben, Metallspitzen oder Steine einsetzt und sogar speziell Bänke so konstruiert, dass niemand sich lange auf ihnen aufhalten kann (siehe Spiegel). Wir haben sie nicht nur erfolgreich aus unserem Denken verbannt – wenn sie das überlebt haben, haben wir noch ganz andere Möglichkeiten, sie aus dem Leben zu verbannen.

Innen drin … saß ein älterer Herr. Offensichtlich schon länger – die Hütte war voll mit Plastiktüten … vielleicht 30? 40? Es war klar, dass ich nicht bequemerweise die Polizei holen konnte. Der Herr würde eine Menge Ärger bekommen.

Ich wünschte ein frohes Weihnachtsfest … und fragte, ob ich helfen könnte. Immerhin … es war ein wenig kühl und sollte bald noch viel kühler werden. Ich bot ihm an, ihn dorthin zu fahren, wo er es wärmer hätte …. doch er wollte nicht. Seine größte Sorge war, dass ich mich die Nacht bei ihm einquartieren könnte … in seiner Wanderhütte. Wenigstens diese Sorge konnte ich ihm nehmen.

Er war Rentner, 68 Jahre alt, arbeitete noch nebenbei in den Gärten anderer Leute – und wohnte draußen. Trank keinen Alkohol, rauchte nicht … und war sichtlich etwas menschenscheu. Eine Geschichte ähnlich der meinen, eine Geschichte, wie ich sie schon häufig gehört hatte: Männer, die über die Trennung von ihrer Frau – und ihrer Familie – nie hinweggekommen waren, Männer, die fortan die Einsamkeit suchen um das Leid ertragen und der Verachtung der Umwelt entgehen zu können – und sich manchmal so weit zurückziehen, dass sie allein in einer Eifelhütte landen, Jäger die ihr Stamm verstoßen hat: seit Jahrtausenden die gleiche Geschichte. Ich kenne sogar Rechtsanwälte, die aus diesem Grund in Hamburg auf der Straße leben … was heißt „kenne“ – ich kannte sie mal.

Er wollte nirgend wo hin, wollte auch keine Gesellschaft – sondern sichtbar seine Ruhe.

Wie bequem für mich.

Trotzdem war mir nicht wohl dabei, ihn so allein zu lassen. Die Temperaturen näherten sich dem Gefrierpunkt – gesund ist anders.

Da sah ich ein Licht im Wald – und entsann mich, dass dort Mönche ein Kloster gekauft hatten. Anhänger des exkommunizierten Erbischofs Lefaivre (schreibt man den so? Ich finde über ihn nichts im Netz … was schon seltsam ist. Auch tabu? Oder obdachlos?). Mönche – Christentum – Nächstenliebe … so schloß ich messerscharf. Und außerdem – so war mir in Erinnerung – war der Orden nicht mehr exkommuniziert.

Schon war der Entschluss gefasst – und ich machte mich den Weg hinauf zum Kloster. Dort waren viele Menschen, Wärme – und eine Küche. Hier war Not – dort war Hilfe. Gut – er wollte nicht dort weg: aber am Weihnachtsabend eine warme Suppe – das könnte man doch hinkriegen.

Das Kloster war dunkel – und es gab keine Klingel. Eine Glockenseil hing neben der Tür, doch so oft ich auch dran zog: es gab keinen Ton.

Durfte man die Stille der Meditation und Kontemplation an einem solchen Abend überhaupt stören? Fast schon – wäre ich gegangen, doch dann gab es Geräusche und Licht am Nebenfenster. Menschen – und eine Küche. Es waren nicht die Mönche, die man aus der Zeitung kannte – aber egal. Eigentum verpflichtet, dachte ich mir. Christentum auch.

Zwei Männer waren in der Küche – und nach einer Weile (einer längeren Weile) hörten sie mein einsames Klopfen am Fenster.

Schnell trug ich mein Anliegen vor, was leicht ging: sie waren der deutschen Sprache mächtig – sehr gut sogar, wie mir schien. Ein alter Mann sei dort in der Kälte, so erklärte ich ihnen. Er wolle dort ausharren – aber vielleicht könne man ihm etwas Warmes zu Essen besorgen? Der ältere von beiden strahlte mich an … doch der jüngere schüttelte verschwörerisch den Kopf, wobei ich nicht verstand, was er sagte.

Sollte ich nun noch Vorträge halten – als konfessionsloser Sünder?

Ja.

Also sprach ich von Weihnachten, von Kälte und Menschlichkeit – und überließ Ihnen die Entscheidung. Ich verließ sie mit einem weihnachtlichen Gruß, was den älteren der beiden zu einem sehr offenherzigen Lächeln brachte, während der andere sein Gesicht zu verbergen suchte.

Ich selbst – ging dann meine eigenen Wege. Obdach – ja gut, dass habe ich, auch wenn es sehr in Gefahr ist. Wird Zeit, sich ein wenig darum zu kümmern, dass es anders wird. Außerdem meldete sich der Rücken und forderte stabile Seitenlage, was umso dringender war, da ich anderntags eine weite Strecke zu bewältigen hatte.

Was ist nun draus geworden aus dem alten Mann?

Ich weiß es nicht, werde mich aber freuen, wenn ich ihm im Sommer wieder begegne. Ich konnte sein Gesicht in der Dunkelheit nicht erkennen – aber ich kenne ja seine „Ferienwohnung“.

Ich weiß nicht, ob ich alles richtig gemacht habe. Vielleicht hätte ich die Polizei rufen sollen? Wie geht man um mit Obdachlosen, die es offiziell gar nicht gibt? Wie gehen „die“ um mit Menschen, die eine Wanderhütte zugemüllt haben? Strafanzeige, Gefängnis? Das zu Weihnachten?

Muss doch nicht sein.

Am nächsten Tag – während einer langen Fahrt – kam mir dann ein anderer Gedanke: wie das wohl auf die Klosterbewohner gewirkt haben muss. Waren das überhaupt Mönche?

Wenn ja … dann haben sie am Weihnachtsabend ein denkwürdiges Erlebnis gehabt. Ein Fremder – in schwarz gekleidet, zu Fuss aus der Nacht gekommen – war an dem Fenster erschienen und bat um Hilfe für eine arme Seele. Suppe .. wäre schon genug gewesen. Ein Aufruf zur Nächstenliebe – und eine Gelegenheit, diese zu praktizieren.

„Und siehe, es erschien ein Bote des Herrn in der Nacht und brachte Kunde vom Sohne Gottes, der allein in der Kälte harrte, wo Heulen und Zähneknirschen herrschen; und er bat die Diener des Herrn um ein Almosen für den Heiland“.

So einfach … können Wundergeschichten entstehen.

Almosen für den Heiland?

Und heißt es nicht: Was ihr getan habt den geringsten meiner Brüder, das habt ihr mir getan?

Mathäus 25 – vom Weltgericht.

Die Herren aus dem Kloster haben jetzt eine Chance, wo ich versagte. Ja – mir war so, als hätte mich der Herr in seiner Hütte nicht haben wollen, als fürchte er Konkurrenz um seinen Schlafplatz. Mir kam der Gedanke zu spät, dass ich vielleicht doch Gesellschaft hätte leisten sollen – auch dort, wo sie nicht gewollt wird. Aber ich mag halt ungern aufdringlich werden …

Besinnlichkeit und Raserei

Manche Wörter sollte man nochmal erwähnen, bevor sie aussterben – zum Beispiel das Wort „Besinnlichkeit“. Wir wissen wenig über frühere Zeiten, wenig über das, was wirklich „Alltag“ war im Mittelalter. Wir merken uns Könige und Kriege – und nebenbeivernachlässigen wir vollkommen die kulturstiftende und friedensbringende Kraft des Handels. Da fallen uns gerade noch die Fugger ein – oder Marco Polo – das war es dann schon. Eine sehr militaristische Geschichtsbetrachtung, ein sehr eingeschränkter Blickwinkel – aber wir haben ja noch Zeit etwas daran zu ändern.

Wovon man aber ausgehen kann ist die Tatsache, das das Leben früher viel besinnlicher war … wenn´s nicht gerade Kriege gab. Aber auch die konnte man unbeschädigt an Leib und Leben überstehen, weil die Zivilbevölkerung erst in der Neuzeit ins Visier der Menschenvernichter geraten ist.  Manche Leute pflegten – wie Ernst Jünger – Besinnlichkeit sogar mitten auf dem Schlachtfeld. Warum auch nicht – es ist immerhin eine erquickende Kunst.

Besinnlichkeit bringt einen dazu, Fragen zu stellen, die man ansonsten nicht stellen würde, weil wir nicht dazu kommen, scheinbare Selbstveständlichkeiten zu hinterfragen.  Zum Beispiel die Frage: Wozu haben wir eigentlich Staat? Die historische Antwort ist einfach: zum Zwecke der Ausbeutung.  Jedenfalls würde ich diese Perspektive als eine der Ersten in Betracht ziehen, denke da an den „Warlord“ mit seiner kleinen Burg, von der aus der die Umgebung tyrannisiert.

Erst später kamen kirchliche Gelehrte in Europa auf die Idee, das Herrschaft eigentlich ja auch irgendwie legitimiert werden sollte – und schon war die Idee der „Schutzfunktion“ des Staates geboren worden, der adelige Landräuber wurde zum wohlmeinenden Landesvater, die Diktatur der Räuberelite machte auf einmal Sinn, weil sie (widersinnigerweise) den Menschen vor dem Menschen schützte.  Gleichzeitig gab es aber auch eine andere Entwicklung: die Armbrust. Auf einmal war der gepanzerte Ritter nicht mehr unbesiegbar – ein kleiner Junge konnte ihn mit wenig Geschick vom Pferd holen.

Als dann jeder Bürger eine Pistole in der Hand hatte, war es ganz vorbei mit der Machtherrschaft des Adels. Jetzt konnten sogar die zerbrechlichsten Frauen den stärksten Mann ohne große Mühe entsorgen … da bedurfte es neuer Qualitäten für den Adel – und so wurde der Adel Edel oder bemühte sich zumindest, so auszusehen.

Ich gebe zu: das ist eine sehr kurze und einseitige Darstellung von Geschichte, die die Rechtsbildung von Stammesgesellschaften völlig außer Acht läßt – für Stammesgesellschaften ist aber die Schutzfunktion der Gemeinschaft so selbstverständlich, das sie gar nicht darüber reflektieren.

Das ist erst dann notwendig, wenn man merkt, das sie nicht mehr da ist – oder das die Gemeinschaft selbst zu einer Gefahr geworden ist.

Auf Deutsch gesagt, ist der Staat also da, um uns vor den Menschen zu schützen, mit denen Merkel essen geht oder die die Parteien als Berater hinzuziehen.  Kein Wunder, das es uns schlechter und schlechter geht.

Und kein Wunder, das die Kultur der Besinnlichkeit zunehmend durch eine „Spaßgesellschaft“ ausgetauscht wird – eine Gesellschaft, die ihre Kapitalquellen aus Kinderarbeit und anderen kriminellen Machenschaften schöpft. Es ist jedoch weniger die „Spaßgesellschaft“ die als Oberbegriff interessieren sollte, sondern eher … der Begriff der “Kultur der Raserei”.

“Raserei” ist zum Selbstzweck geworden … einfach mal umschauen im Land. Wir rasen durch die Lüfte, durch die Straßen, durch die Geschäfte, ja, durch das ganze Leben. Egal wohin, Hauptsache schnell. Diese Raserei ist der Tod jeglicher Besinnlichkeit und dort, wo Besinnlichkeit keinen Raum mehr hat, breitet sich Dämlichkeit ungehemmt aus – und Dämlichkeit kann sehr teuer werden. Ich rede hier nicht von Moral oder gar Ethik, sondern von Euro, eine Sprache, die auch Unternehmensberater verstehen dürften.

“Staat” ist teuer. Schon an sich. Seine Diener wollen alimentiert werden – und das nicht zu knapp. Am Besten für ewig und mit einer kleinen Beförderung kurz vor der Pensionierung, Dienstvilla und Dienstwagen inklusive. Je größer der Staat umso mehr Lumpengesindel sammelt sich um seinen Reichtum wie die Motten ums Licht, alles erbärmliche Kreaturen mit dem Anspruch auf leistungslosen Wohlstand, der selbstverständlich nur ihnen zusteht und nicht den Witwen und Waisen im Land, für deren Versorgung wir Staat überhaupt geschaffen haben.

“Staat” leistet sich sogar besinnliche Menschen als Berater. Auch die sind sehr teuer, wobei man sich auch hier die Frage stellt: wozu müssen wir einen Historiker eigentlich bezahlen? Es gibt genug Heimatforscher, die in ihrerer Freizeit Geschichte schreiben und nebenbei ganz normal für ihren Lebensunterhalt arbeiten gehen. Wozu zahle ich als Staat Menschen, die solche Urteile fällen wir Egon Flaig?

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/31/31712/1.html

Kinderarbeit ist an sich keine Form von Unfreiheit.

Das würden Kinder vielleicht anders sehen, aber die leben auch nicht ein Luxusleben auf Kosten des Steuerzahlers. Und das wäre ja der Untergang der westlichen Zivilisation:

Wenn ein Nicht-Arbeitender sich weigert, eine Arbeit anzunehmen, weil sie ihm “nicht passt”, aber gleichzeitig fordert, dass die Arbeitenden für ihn aufkommen, dann tut er ein Doppeltes: Erstens wird er zum Ausbeuter – er lebt auf Kosten anderer – ähnlich wie ein Sklavenhalter; zweitens gibt er die Verantwortung für seine soziale Existenz ab und bürdet sie der Gesellschaft auf. Gerechtigkeit verlangt, dass jeder für sein Brot und seine Wohnung auch eine Gegenleistung zu erbringen hat; diese besteht in einer Gesellschaft vor allem aus seiner Arbeit – sofern er nicht physisch oder geistig behindert ist. Rechte implizieren Pflichten, andernfalls werden sie zu Privilegien. Wer das nicht akzeptiert, beansprucht für sich das Recht, von anderen versorgt zu werden – im Klartext: dass andere für ihn arbeiten. Ein solcher Anspruch entspringt entweder der Mentalität eines Kleinkindes oder derjenigen eines Kriminellen – oder soll ich hinzufügen: Derjenigen eines Sklavenhalters? Der Sozialstaat ist eine enorme historische Errungenschaft, und wir sind gehalten, ihn zu verteidigen. Darum müssen wir ihn auch vor Missbrauch schützen. Vor allem müssen wir verhindern, dass er sich in eine Versorgungsanstalt verwandelt, welche die Verantwortungslosigkeit fördert – mit fatalen Konsequenzen für die individuellen Fähigkeiten und die sozialen Kompetenzen der Fürsorge-Empfänger. Das Ende wäre eine sozioenergetische Entropie: Ein signifikanter Teil der Staatsbürger würde in alimentierter Unmündigkeit gehalten.

Und da gebe ich dem Professor doch mal vollkommen Recht. Alimentierte Unmündigkeit ist keine angenehme Sache. Muß er selbst am Besten wissen, denn er gehört zu denen, die der Staat alimentiert – wie auch Ärzte, Krankenpfleger, Pfarrer, Lehrer, Arbeitslose, Minister, Kanzler, Witwen, Blinde und Waisen. Und seine Gedankengänge sind ebenfalls nicht von der Hand zu weisen: der Faulenzer mit Versorgungsanspruch ist ein Sklavenhalter … aber darum gehen ja Faulenzer mit Versorgungsanspruch lieber in die Politik oder zur Bank anstatt eine Karriere als ARGE-Kunde anzustreben. Viele Menschen arbeiten dafür, das der Professor seine Ergüsse von sich geben kann, ohne von der Mühsal des alltäglichen Broterwerbs belästigt zu werden. Jetzt stellt sich doch die Frage: was tut der Professor nun für die Gemeinschaft? Er klärt uns über seine Sicht der Sklaverei auf:

Egon Flaig: Es gibt keinen “historischen Werdegang”. Denn Sklaverei hat es in allen Hochkulturen gegeben, und in einer stattlichen Anzahl sogenannter “primitiver Kulturen”. Sie speist sich aus zwei Quellen: a) aus dem Import von gewaltsam versklavten Menschen, in der Regel Gefangene von Kriegen und Überfällen; Orlando Patterson nennt das “intrusive Sklaverei” (der Sklave ist ein Fremder), b) aus der eigenen Bevölkerung, nämlich durch soziales “Herausfallen” – Kinderverkauf, Kindesaussetzung, Verkauf von verschuldeten Menschen, gerichtliche Verurteilung; Patterson nennt dies “extrusive Sklaverei” (der Versklavte wird in diesem Falle zum “Fremden” gemacht). Extrusive Sklaverei herrschte in Ostasien, v. a. China, Korea, und in Russland; intrusive herrschte vor allem in Afrika, in den präkolumbianischen Hochkulturen, bei Griechen und Römern bis zur Kaiserzeit, in der gesamten islamischen Welt und in der amerikanischen (Brasilien, Karibik, Süden der USA) Sklaverei.

Extrusive Sklaverei findet gerade vor unseren Augen statt, auch wenn der Professor das nicht sehen möchte, weil er die Formen der Sklaverei der Antike mit den Formen der Sklaverei der Neuzeit vergleicht und treffsicher feststellt: früher war das anders. Mit dem gleichen Argument könnte man sagen: es gibt heute keine Kriege mehr, weil niemand mehr Burgen oder Belagerungstürme baut – oder es gibt keine Ärzte mehr, weil niemand mehr zum Zwecke der Heilung zu Apollo betet.

Darum ist seine “Beweisführung”, das Hartz IV keine Sklaverei ist, auch so mittelmäßig – was nicht schlimm wäre, müßten wir das nicht bezahlen.

Der Vergleich des arbeitsunwilligen Hartz-IV-Empfängers mit dem Sklaven ist legitim und heilsam. Durch Vergleiche lernen wir unterscheiden, durch Unterscheiden kommen wir zu Erkenntnissen. Damit der Vergleich methodisch korrekt sei, frage ich nun Sie:

Wurde je Hartz-IV Empfängern – als solchen – der Pass entzogen, die Staatsbürgerschaft aberkannt und wurden sie in den Zustand der völligen Rechtlosigkeit versetzt?

Nein, aber er hat de fakto Hausarrest während der Dienstzeiten der Behörde. Vogelfrei ist er nicht – noch nicht – aber wir fangen ja gerade auch erst wieder an die Sklaverei wieder einzuführen.

Wo wurde ihr Vermögen eingezogen?

Gar nicht. Das müssen sie verbrauchen, bevor sie zu ARGE kommen. Das ist ganz schnell weg, wenn es nicht so groß ist, das man durch Zinserträge leben kann.

Wo wurden ihre Ehen aufgelöst und sämtliche Verwandschaftsverhältnisse annulliert?

Es lösen sich Bedarfsgemeinschaften aus, weil Eheleute gemäß Gesetz bestraft werden und einen noch geringeren Regelsatz erhalten. Und aus der Verwandschaft fallen sie durch Hartz IV heraus, weil sie die moderne Geschenke- und Partykultur nicht mehr mittragen können. “Soziale Isolation” ist da ein bekanntes Problem…..wie auch bei Professor Flaig, der wohl noch nicht ganz im 21. Jahrhundert angekommen ist.

Wo wurden ihnen die Kinder weggenommen und verkauft?

In Münster, weiteres ist in Vorbereitung

Und angenommen, man inhaftierte sämtliche arbeitsunwilligen Hartz-IV-Empfänger, wären sie dann Sklaven? Sogar Gefängnis-Insassen haben Rechte, auf die sie sich berufen können; sie sind Rechtspersonen, obwohl sie für eine bestimmte Zeit bestimmte Rechte nicht ausüben können.

Sie sind schon inhaftiert, die haben Hausarrest. Gefängnisinsassen haben Rechte, in der Tat. Die machen auch mal Rehabilitationssegeln um Mallorca herum. Hartz-Sklaven nicht.

Können Sie mir die Hartz-IV-Empfänger zeigen, die man in Kolonnen die Straßen entlang treibt, unterm Peitschenknallen von Aufsehern?

Das nennen wir heutzutage “Maßnahmen”, allerdings verwenden wir keine Peitsche mehr. Ach ja … unsere Soldaten reiten auch nicht mehr ins Gefecht. Und auch sonst hat sich einiges geändert. Wir können sogar fliegen und haben fließend Wasser und elektrisches Licht – aber das ist hier nicht das Thema.

Können Sie mir sagen, wo man sie öffentlich auf den Plätzen aufstellt, um sie – vor aller Augen – zu peitschen, ihnen ein Brandmal auf die Stirn zu drücken, ihnen Gliedmaßen abzuschneiden, oder sie zu Tode zu foltern?

In Frankfurt wollte man sie zur Schau stellen. Und diese Geschichte mit den Gliedmaßen und den Brandmalen machen wir heutzutage im ganz normalen Straßenverkehr, da brauchen wir keine gesonderten Veranstaltungen für. Zu tode Foltern wir immer noch … aber lieber psychisch. Das schont den Täter und macht weniger Dreck.

Bezahlt wurde der Professor für Besinnlichkeit, geliefert hat er: Raserei.

Jedes Imperium wurde auf den Rücken von Sklaven aufgebaut. Wenn ich einen Haufen Gold irgendwo hinlege und tausend Jahre später nachschaue, so habe ich immer noch einen Haufen Gold und keinen Krümel mehr. Nehme ich aber einen Haufen Menschen und lasse sie und ihre Kinder tausend Jahre für mich arbeiten, habe ich auf einmal das “Haus Hohenzollern” mit all seinen Liegenschaften. Oder ein römisches Imperium.

Flaig hat sicher recht: die Abolation war ein Riesenschritt nach vorne. Aber wie jeder nobel alimentierter Elfenbeinturmbewohner steckt er mit seinem Kopf in den Wolken. Sicher … die Sklaverei nimmt heutztage andere Formen an – wie andere Dinge auch. Trieben wir früher noch Schweine zum Markt um sie gegen Hühner zu tauschen, benutzen wir heute Geld um Waschmittel zu kaufen. Wo früher der Schuldturm stand und das Gefängnis, ist heute der Hausarrest im sozialen Wohnungsbau angesagt … denn Hartz-Abhängige müssen in den billigsten Schimmellöchern Unterschlupf suchen. Ist aber insgesamt billiger als eigens für die noch neue Gefängnisse zu bauen. Für die wird die Wohnung zum Gefängnis … und Fernsehen zur Strafe.

Sicher, meine Vergleiche sind nicht besser als die des Professors, aber ich werde für solchen Unsinn auch nicht bezahlt. Ich denke auch nicht, das Hartz-IV-Abhängige schon Sklaven sind – aber der Schritt geht in die Richtung. Viele Schritte gehen in diese Richtung – aber dafür muß man mal mit den Menschen reden … und nicht nur über sie. Wir haben zwar die Sklaverei abgeschafft, aber nicht die Gier der Sklavenhalter nach leistungslosem Wohlstand. Die suchen sich jetzt neue Wege, wie sie links und rechts um die Menschenrechte herum wieder neue Formen der Sklaverei einführen können….und die Agenda 2010 war für sie ein wichtiger Meilenstein.

Im Zeitalter der Raserei wird man aber nicht die Muße haben, innezuhalten und das zu merken. Und die Positionen, die wir extra für Besinnlichkeit bezahlen, werden von rasenden Menschen wie Professor Flaig besetzt. Fehlbesetzt, muß man sagen, denn den Nutzen seiner Arbeit für die Gesellschaft vermag ich jetzt nicht gerade zu erkennen, die Höhe seiner Alimente allerdings schon.

Ich schätze mal … für einen Egon fütter ich locker 20 Arbeitslose samt Familien durch. Aber die stiften dann weniger Unfug. So gesehen, ist eine bei Heise gefundene Forderung nach Kürzung der professoralen Alimente um 50% für mich sehr plausibel. Die Preise für Papiermüll sind zwar gerade im Anstieg begriffen, aber diesen Müll durch Professoren produzieren zu lassen scheint mir nicht mehr marktgerecht.

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