Evidenzbasierter Humanist 4.0 (Foto: Pixabay CCO)
Der UN-Sonderberichterstatter für Folter hat vor Kurzem ein Essay über die Diffamierung unerwünschter Personen wie Julian Assange verfasst. Er spricht hierbei von einer Entwicklung, die „das Schicksal der westlichen Demokratie besiegeln“ und uns einer „ungezügelten Tyrannei“ überlassen könnte. Bemerkenswert ist, dass der UN-Sonderberichterstatter zugibt, dass er sich zunächst selbst von der medialen Kampagne gegen Julian Assange habe vereinnahmen lassen:
“Wie die meisten Bürger war ich unterbewusst durch die unerbittliche Schmutzkampagne, die jahrelang gegen ihn geführt wurde, vergiftet worden.“
In seinen realen Wirkungen auf Psyche und Physis wäre ein solches Dirty Campagning direkt mit Folter gleichzusetzen. Existenziell bedrohlich wäre das Kesseltreiben insbesondere, wenn der Staat selbst daran beteiligt ist:
„Nachdem er [Assange] durch Isolation, Spott und Schande entmenschlicht worden war, wie die Hexen, die wir auf dem Scheiterhaufen verbrannt haben, war es leicht, ihm seine grundlegendsten Rechte zu entziehen. (…) Was in der öffentlichen Debatte wie bloßes „Schlammschleudern“ aussieht, wird schnell zu “Mobbing”, wenn es gegen einen Wehrlosen eingesetzt wird, und sogar zur “Verfolgung”, wenn der Staat beteiligt ist.“
Ja, man hat heute wirklich den Eindruck, dass gerade wieder Scheiterhaufen für die Pogrome der Zukunft geschlichtet werden. Und an Bütteln, die eifrig Scheitholz herbeitragen, fehlt es auch heute nicht. Nicht nur die „Leitmedien“ (siehe “Über Südtäusche Wasserleichen im Relotius-Narrenspiegel“), die mit dem Staat, seinen Geheimdiensten und special denunciation forces wie der JTRIG Hand in Hand arbeiten, treiben die Sabotage zivilgesellschaftlichen Engagements und freien Denkens systematisch voran. Auch ganze Rudel an Hobbydenunzianten sind mittlerweile regelrecht besessen davon, Andersdenkende zu beseitigen. Whistleblower, diese lästigen Störenfriede des süßen Konsumfriedens, werden für vogelfrei erklärt. Menschen, die anders denken als man selbst, werden – derzeit noch digital – geteert und gefedert bzw. bekommen einen „Aluhut“ aufgesetzt.
Und gleich allen bisherigen Anhängern absolutistischer Ideologien wie Faschismus, Bolschewismus, Maoismus, Trotzkismus, Dschihadismus etc. haben natürlich auch die neuzeitlichen Saubermacher nicht die geringsten Bedenken daran, dass sie im Recht sind und ihre eth(n)ischen Säuberungen für den „Fortschritt“ unabdingbar.
Die Hobby-Inquisitoren und Hexenjäger formieren jetzt sogar als eigene politische Partei namens „Die Humanisten“. Bei der jüngsten EU-Wahl haben sie mit über 62.000 Stimmen fast den Sprung ins EU-Parlament geschafft, um uns von dort den Scihad zu erklären. Man darf sich hierbei von Worten nicht ins Bockshorn jagen lassen. Denn in Zeiten, in denen laut Frank Schirrmacher alle hehren Worte wie Freiheit, Demokratie und Humanismus „mit Null multipliziert“ und „der Menschheit geraubt“ wurden, besitzen freilich auch die Gwup-Skeptiker genügend Chuzpe, um ihren Scihad-Kreuzzug nicht unter einer Totenkopfflagge, sondern unter dem Parteinamen „Die Humanisten“ anzutreten.
Die ins Gewand streng wissenschaftlicher „Humanisten“ gehüllten neoliberalen Nihilisten rühren nicht nur verbissen die Trommel für die transhumanistische Robotisierung („Wir ebnen den Weg zum Körper 2.0“), Gentechnik, Glyphosat und Kernkraft (siehe unten), sondern auch zur „evidenzbasierten“ Ausmerzung aller Fortschrittsfeinde – siehe dazu auch die „Unvereinbarkeitsliste“ dieser smarten Partei auf webarchive.org: Darin versichern die „Humanisten“, dass sie in die gleiche Stoßrichtung arbeiten werden, die auch Bundespräsident Steinmeier jüngst angekündigt hat: Allen „verschwörungstheoretischen Bewegungen und Medien“ werden die (Trans-)Humanisten entgegenarbeiten, ausdrücklich genannt sind dabei unter anderen: Attac, Die Nachdenkseiten, Rubikon und KenFM. „Aufgrund der großen Vielfalt an teils gegensätzlichen Verschwörungstheorien und der unüberschaubaren Fülle an Akteuren“ sei jedoch das Aufstellen einer abschließenden Liste „schwerlich möglich … und ist daher auf die Onlineplattform PSIRAM zu verweisen“. Na ist das nicht fabelhaft? Da haben wir sie also wieder: Die Listen … die dann demnächst von kundigen Experten abgearbeitet werden.
Aber die Liste der (Trans-)Humanisten ist endlos … man sieht daran wieder einmal, wie groß die Welt der Andersdenkenden ist. Aber dank Künstlicher Intelligenz und lückenloser Bürgerüberwachung in Gwupsmart Cities sind die Gwupper zuversichtlich, dass es erstmals in der Geschichte möglich sein wird, auch wirklich alle Andersgläubigen und Fortschrittsfeinde zu beseitigen.
(Screenshot Twitter /Account „Partei der Humanisten“, https://twitter.com/diehumanisten/status/1114833081037459457?lang=de, 08.07.2019)
Nun ja, wenn es dann keine Andersdenkenden mehr gibt, dann wird unter den Gwupern womöglich große Ratlosigkeit ausbrechen … und sie werden sich dann selbst auffressen müssen (so wie das Dostojewskij in Raskolnikoffs Traum von der szientistischen Pest ja vorausgesehen hat).
Obwohl sich die Freunde Sheldon Coopers auf eine streng wissenschaftliche, rein naturalistische Weltsicht berufen, haben sie nicht verstanden, dass Ökosysteme einer möglichst großen Diversität und Artenreichtums bedürfen, um stabil zu bleiben. Auch dass Monokulturen nur zum Preis der totalen Erosion und Vergiftung des Bodens aufrechtzuerhalten sind, aber trotz allen gigantomanischen Technologie- und Pesizideinsatzes letztlich doch kippen (inklusive massenhafter Suizide der Landbevölkerung aufgrund der Segnungen des von der Gwup propagierten Gentechnik-Saatguts), kann man in Ländern wie Indien, die als Monsanto/Gwup-Versuchslaboratorien dienen, zwar bereits sehen, aber who cares about reality, wo der feuchte neoliberale Smart City Science Buster Traum doch so süß ist?
Auch dass es in einem mit szientistischem Urin gefüllten Biotop – selbst wenn dieser Urin von Monsanto/Bayer nach streng „evidenzbasierten“ Kriterien synthetisiert wurde – keine Fische, keine Libellen und keine Schmetterlinge mehr geben wird, sondern sich dort allenfalls ein paar Würmer und Blutegel tummeln werden: Who cares? Dass am Todesstern die geilsten Parties abgehen und Darth Vader der unschlagbarste DJ des Universums ist, kann doch keiner, der Star Wars gesehen hat, bestreiten. Warum sollen wir uns von diesem coolen Schwarzhelm also nicht auch zum Tanz aufspielen lassen? It’s market-conform democracy, stupid!
Der im obigen Humanisten-Tweet genannte Kernkraft-Schwärmer und „Humanisten“-Beirat @sapinker ist übrigens der Harvard-Professor Steven Pinker. Mit eloquenter akademischer Sprache, aber zugleich fast surrealer Naivität singt Pinker in seinen Büchern ein Loblied auf das System des neoliberalen Kapitalismus. Anhand von „evidenzbasierten“ Statistiken beweist er dem kleinen Mann, dass freie Märkte und Globalisierung allen zu mehr Wohlstand verholfen hätten. Nach der Lektüre seines Buches könnte man der Meinung sein, dass es den Menschen dieses kurz vorm Ökozid stehenden Globus, die gerade vermeinen die Hölle durchzumachen, in Wirklichkeit so gut geht wie noch niemals zuvor (Pinker: „Heute leben wir länger, gesünder, sicherer, glücklicher, friedlicher und wohlhabender denn je, und nicht nur in der westlichen Welt. Der Grund: … Aufklärung und Wissenschaft“).
Ich will jetzt nicht näher auf die fortschrittseuphemistische Pinkerei eingehen. Zum Glück existieren im Netz ja bereits einige Rezensionen wie z.B. im New Statesman („Unenlightened thinking“), in denen die Absurdität von Pinkers Gedankenluftschloss demaskiert wird. Zumindest Bill Gates findet Pinkers Buch weiterhin großartig: »Mein absolutes Lieblingsbuch aller Zeiten.« Auch in Kreisen der Gwup-/Psiram-/Skeptiker-Bewegung genießt Pinker quasi Guru-Status. Liefert er doch auf bestem akademischen Niveau den Stoff, an den die Freunde Sheldon Coopers ihre technizistischen Träume hängen.
Doch man will nicht unter sich bleiben und drängt nun an die breite Öffentlichkeit. Nach Ansicht von Pinker und seinen nuklearen Anhängern müsse man den unaufgeklärten Menschen die noch vorhandenen Reste an „Mythen“ austreiben, sodass sie nur noch an „Fakten“ glauben … – die bekanntlich alternativlos sind. Zum Glück sind die Skeptizisten mit akademischen Institutionen, konzernwirtschaftlichen Lobbies und großen Verlagen bestens vernetzt. Pinkers Bücher erscheinen im renommierten S. Fischer Verlag, der ebenso wie Springer, Piper und die anderen großen deutschen Verlage gerade ganz begierig darauf sind, szientistisch-nihilistische Literatur wie von Dawkins, Hitchens, Schmidt-Salomon & Co. zu publizieren. Pinkers jüngstes Buch trägt den nicht unbescheidenen Titel „Enlightenment Now“. Der Fischer Verlag transkribierte diesen Titel für den deutschen Markt etwas bescheidener mit „Aufklärung jetzt“ (Untertitel: „Für Vernunft, Wissenschaft, Humanismus und Fortschritt“). Ich meine: Wer gegen diese salbungsvollen Schlagworte etwas einzuwenden hat, der kann ja nur ein unverbesserlicher Fortschrittsfeind oder Unmensch sein.
Angesichts des gerade boomenden technizistischen Traums hätte ein Schritsteller wie Hermann Hesse heute wohl kaum noch eine Chance, den Literaturnobelpreis zu erhalten. Darth Vaders Stormtrooper würden ihm stattdessen den Aluhut aufsetzen und ihn am digitalen Scheiterhaufen verbrennen – natürlich mit evidenzbasierten, rationalen Argumenten, denen jeder Touchdisplaybürger, der mit der Milchflasche des Science Edutainments (wörtl. „erziehende Unterhaltung“, so die Gwuper selbst über ihre mediale Propaganda) aufgezogen wurde, unweigerlich zustimmen muss. Die Partei der Humanisten ist ja „Die Partei der Moderne: rational, liberal und fortschrittlich“. Und die Weltanschauung, die Hermann Hesse vertritt, ist da eindeutig inkompatibel mit dem, was die rationale, evidenzbasierte Wissenschaft heute unter „Fortschritt“ versteht und daher brandgefährlich … also ein Fall für die Inquisition und den Scheiterhaufen.
Nachfolgende Worte von Hermann Hesse, für die er noch vor wenigen Jahrzehnten – in analogen Zeiten – den Nobelpreis erhalten hat und von denen sich fast eine ganze Generation in ihrem tiefsten Inneren angesprochen fühlte, sind also nicht ganz ungefährlich. Wer sie in sein Herz hereinlässt, den machen sie zum Ketzer wider den heute herrschenden Zeitgeist – den Geist eines nach außen hin smarten Systems, das Jean Ziegler als „kannibalisch“ bezeichnet. Es ist also durchaus möglich, dass wir mit diesen Worten am digitalen Scheiterhaufen landen. Auf der anderen Seite können uns diese Worte vor demjenigen Schicksal bewahren, das bei derzeitigem Kurs ansonsten unausweichlich ist: dem Weg in Dantes Eishölle.
Hier also Hesses Worte, die sich für jeden waschechten Skeptiker wohl ebenso anfühlen müssen wie ein in den Rachen gerichteter Lanzenstoß des Ritters Georg für den Lindwurm:
„Ich habe an vielen Dingen keine Freude und glaube an viele Dinge nicht, die der Stolz der heutigen Menschheit sind: Ich glaube nicht an die Technik, ich glaube nicht an die Idee des Fortschritts, ja nicht einmal an die Demokratie, ich glaube weder an die Herrlichkeit und Unübertrefflichkeit unserer Zeit, noch an irgendeinen ihrer hochbezahlten Führer, während ich vor dem, was man so ‚Natur‘ nennt, eine unbegrenzte Hochachtung habe.“
(Hermann Hesse)
Hermann Hesse (Foto: PD)
Vielleicht ermuntern uns diese Worte ja dazu, vom toten Pferd, auf dem wir gerade reiten, noch rechtzeitig abzusteigen … – bevor es uns digital wiehernd in den Grand Canyon befördert. Und wer so wie Hermann Hesse das Staunen über das uns umgebende Wunderwerk der Natur übt, der wird erleben, welch belebende Kraftquelle er in der Bewunderung der Natur, ihrer Fauna, Flora, Farben und Formen finden kann – einer Natur, die nicht tot ist so wie von den Skeptizisten behauptet, sondern die zutiefst lebendig und in allen ihren Aspekten nach einer unerfasslichen Genialität gegliedert ist und miteinander in Verbindung steht. Er wird dann womöglich auch zur überraschenden Erkenntnis kommen, dass die heute vielgeschmähten „Mythen“ sehr viel mehr mit der wahren Natur des Menschen und der Welt zu tun haben als die nukleare Pinkerei mit ihren „Fakten“.
Ein Professor an der technischen Hochschule, der entgegen der Mehrzahl seiner Kollegen zeitlebens vehement gegen Atomkraftwerke gekämpft hat, hat uns Studenten einmal erklärt, dass es relativ vergeblich sei, Kernkraftbefürworter durch gut gemeinte Erklärungen zu überzeugen. Man müsse den nuklearen Pinkey Boys die Konsequenzen der von ihnen propagierten Technologie am eigenen Leib spüren lassen – indem man sie dann, wenn gerade wieder irgendwo ein Kernkraftwerk hochgeht, wie z.B. in Tschernobyl oder Fukushima, zum „Aufräumen helfen“ hinschickt. Eventuell könnte man auch diejenigen strammen CDU-Politiker*Innen mit zum Aufräumen schicken, die seinerzeit ganze Schulklassen zum Kindergeburtstagsfeiern in unterirdische Atomülllager wie die Asse eingeladen haben, um zu demonstrieren, wie unbedenklich solche Atomüllendlager seien und wie gut und gerne es sich zwischen 102 Tonnen Uran, 87 Tonnen Thorium, 28 Kilogramm Plutonium (das bereits in Staubkorngröße tödlich ist) sowie einem Berg an sonstigen chemotoxischen Mitteln lebt und feiert. Nun droht nach massivem Wassereinbruch von täglich 13.000 Liter in der einsturzgefährdeten Asse eine Verseuchung des Grundwassers (siehe Deutschlandfunk).
Da in unserer Zeit nicht nur die Bienen, Schmetterlinge und Vögel verschwinden, sondern auch manches, was man in den letzten Generationen eigentlich bereits als solides zivilgesellschaftliches Bewusstsein verankert gemeint hat, hier vielleicht kurz eine Auffrischungsimpfung für die ansonsten ja so impffreudige und „evidenzbasierte“ Generation Pinker: Ein 20-minütiger Zusammenschnitt der über drei Stunden gehenden Originalversion von Holger Strohms Kernkraft-Dokumentation „Friedlich in die Katastrophe“:
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zum Weiterlesen:
Infiltrierter Borg, vormals „Homo sapiens“ / CC BY SA 3.0 by Marcin Wichary/Wikimedia Fotolink
Beim Lesen des letzten Artikels des Eifelphilosophen („Die Zombiefizierung der Gesellschaft“) haben wohl viele Leser kurz den Atem angehalten. Nicht wegen der erschreckenden Bestandsaufnahme der Realität – dieser ins Auge zu blicken sind wir ja schon durchaus gewohnt -, sondern auch angesichts seiner zwischen den Zeilen mitschwingenden Frage nach der Sinnhaftigkeit des Schreibens und der Ankündigung, dass seine Schreiberei womöglich nicht bis in alle Ewigkeit weitergehen wird.
Im Namen vieler treuer Leser und Fans des Nachrichtenspiegels sei an dieser Stelle daher ein offener Brief erlaubt – an denjenigen, der bisher mit über 2600 Artikeln unverdrossen gegen den Wahnsinn, den man uns heute zur Normalität erklären möchte, angekämpft hat.
Ja, dass es einigermaßen frustrierend ist, wenn nach fünf Jahren Nachrichtenspiegel, zig Millionen Klicks und zigtausenden Stunden Schreib- und Administrationsarbeit (übrigens: Hallo und Dank auch an den Regenbogenbieger – ohne ihn würde sich das Rad hier wohl auch nicht drehen) immer noch der Wahnsinn triumphiert und man beim morgendlichen Lesen der Tageszeitung ständig nur verheerende Niederlagen von den Fronten des Endkampfes um die Menschlichkeit entgegennehmen muss, das kann man nachvollziehen.
Und wenn man dann auch noch E-Mails von Trollen bzw. Orcs bekommt, die die Wahrheit gar nicht hören wollen, da sie diese schmerzt wie die Sonnenstrahlen jemanden, der jahrelang nur in einem dunklen Keller dahinvegetiert und in das trübe LED-Licht seines Smartphones geglotzt hat – dass man da manchmal am liebsten den Hut draufhauen möchte, wer könnte es einem verübeln? Auch darf man nicht unterschätzen, welche Anforderung an die geistige Verdauungstätigkeit es stellt, wenn jemand täglich die Moraste der Mainstream-Medien und der „Lügenpresse“ durchwatet und dort nach ein paar Perlen fischt, die zunehmend seltener werden.
Wie Nietzsche schon festgestellt hat, muss der, der in einen dunklen Brunnen blickt, aufpassen, dass er nicht selbst hineinfällt. Und wenn man die fast schon bewundernswerte Raffinesse ansieht, mit der Meinung heute gemacht wird und wie eine ganze Generation grausam verarscht, um alle ihre Zukunft betrogen wird, wie dieser Generation durch Schule, Uni und Medien ein menschenverachtendes, technokratisch-szientistisches Weltbild aufgeprägt wird, dann kann es leicht sein, dass man zwischenzeitlich kurz die Fassung verliert und selbst Gefahr läuft, in den Schacht des (ausgetrockneten) Brunnens hinabgezogen zu werden.
Wie z.B. Noam Chomsky und Fabian Scheidler bereits herausgearbeitet haben, wird Meinung heute höchst professionell „gemacht“ und in Form eines selbstkontrollierenden Automatismus etabliert. Ist Meinung erst einmal gemacht, dann können sich die Meinungsmacher getrost zurücklehnen und sogar demokratisch abstimmen lassen.
Die Presse als ehemalige vierte Säule der Demokratie ist dabei nur noch rückgratloser Handlanger in diesem Spiel des „manufacturing consent“.
„Der Clou dabei ist: Wenn die Presse einfach der Logik des Marktes ausgeliefert wird, dann braucht es kaum noch offizielle Zensur, um das Spektrum der öffentlichen Diskussion auf systemkompatible Positionen einzuengen. Die Eigentümerstruktur, die Abhängigkeit von Anzeigen, die Auswahl der Quellen und der vorauseilende Gehorsam gegenüber mächtigen Interessengruppen filtern unbequeme, nicht systemkonforme Positionen effektiv heraus.“ (aus: F. Scheidler, Das Ende der Mega-Maschine)
Daher braucht es in Wissenschaft und Politik in Zukunft gar keine Schmiergeldzahlungen und dergleichen mehr. Indem den Nachwuchskräften schon von klein auf ein rein technokratisch-kommerziell-szientistisches Welt- und Menschenbild eingeprägt wird, dann werden sie automatisch willfährige Exekutoren des alternativlosen Wahn-Sinns sein. Und uns immer tiefer in den Abgrund führen, obwohl jeder gesunde Menschenverstand an sich sagt, dass wir da unten definitiv zugrunde gehen werden.
Aber mit der Logik des in den Deckmantel der „Wissenschaftlichkeit“ gekleideten Sachzwang-Nihilismus lässt sich alles, wirklich ausnahmslos alles argumentieren, von der Ausmerzung allen Privatlebens durch Bürgerüberwachung bis hin zur automatisierten Ausmerzung „unwerten“ Lebens mittels Drohnen.
Aus „streng wissenschaftlicher“ Sicht kann unwiderlegbar nachgewiesen werden, dass Schuhpasta den gleichen Lichtabsorptionskoeffizienten besitzt wie schwarzer Kaviar. Genauso weisen die Wissenschaftler evident nach, dass in Bio-Lebensmitteln auch nichts anderes drin ist als in pestizidgespritzten und genmanipulierten Lebensmitteln. Und egal ob Meere mit Erdöl verseucht werden, die Erde gefrackt oder Kernkraftwerke in die Luft fliegen. Was man von den akkreditierten Wissenschaftlern bei solchen Anlässen, die uns an sich zum Aufwachen aus unserer naiven Fortschrittsgläubigkeit bringen sollten, jedesmal zu hören bekommt, ist der bekannte Stehsatz: „Es besteht keine Gefahr für den Menschen.“
Das ist auf den Kern reduziert auch die wesentlichste Aufgabe des akkreditierten Wissenschaftlers: Dafür zu sorgen, dass neue, profitable Technologien und Geschäftsmodelle ungehemmt expandieren können. Vergiftung von Luft, Wasser, Erde, Fracking, Nuklearverseuchung, irreversible Verhunzung des Erbguts („Gentechnik“), irreversible Verhunzung der Materiestruktur zu z.T. asbestartiger, kanzerogener Reizstruktur („Nanotechnologie“), Verschmelzung des Menschen mit Computerprozessoren, täglich fünf Stunden Inhalation astreinen Wahnsinns („Medienkonsum“) schon für Kleinkinder, denen angesichts des Tarantino‘schen medialen Gemetzels nur dank Schnuller nicht der Mund offen bleibt – alles kein Problem!
Was sollte ein „Wissenschaftler“, ein Doktor der Physik oder Chemie, ein MSc der Nuklearforschung, ein Mag. der Pädagogik oder ein Dippl. der Biotechnologie sonst sagen? Etwa die abgründige Gefahr, die unsere Umwelt und Lebenssysteme mit irreversibler Zerstörung bedroht, anprangern? Dann wäre er bereits morgen seinen Job los, sein wirtschaftskooperativ drittmittelfinanziertes Universitätsinstitut erhielte keine Mittel mehr von seinen Geldgebern aus der „freien Wirtschaft“ und außerdem hätte er eine Klage wegen Geschäftsschädigung im Postkasten. Wie soll er dann seinen Studienkredit und die 2.500.- Euro monatliche Kreditrate zurückzahlen, die er für die Errichtung seines borgkubusförmigen Einfamilienhäuschens samt standesgemäßem SUV vorm Gartenzaun von der Bank aufgenommen hat?
Welcher Mensch, der szientistisch erzogen wurde, ist schon so dumm bzw. so intelligent wie Edward Snowden, der einen gutbezahlten Job hat, in dem er ein leistungsfreies oder zumindest leistungsträges Einkommen bezieht und dann seine kleinbürgerliche Existenz opfert, um einen drohenden Überwachungs-SuperGAU zu verhindern?
Selbst wenn der Akademiker unterbewusst weiß, dass er auf dieser Welt eigentlich in eine andere Richtung arbeiten sollte und der Preis für die widersinnige Hamsterradtätigkeit in der Wirtschaftskratzlei, für die er sich verdingt, über kurz oder lang in die Erschöpfungsdepression (Burnout) führt und ihm obendrauf im Jenseits Dantes Eishölle blüht, weil er durch seine Profitgier unzählige Menschen auf der anderen Seite des Globus in Elend und Tod gestürzt hat und hingegen das, was die griechischen Stoiker als das „Notwendige“ bezeichnet haben, nicht getan hat.
Aus „wissenschaftlicher Sicht“ lässt sich eben alles stringent argumentieren und kann der Mensch in eine Richtung getrieben werden, wozu keine, wirklich keine Ideologie und Philosophie in der Lage wäre. Der Szientismus ist also das Mittel der Wahl, mit dem heute auf allen Ebenen, ökologisch, ökonomisch, sozial, technisch und allgemeinmenschlich der reine Wahnsinn auf Schiene gebracht und alles der restlosen Verwertung unterworfen werden kann.
Denn das Geheimnis des heute herrschenden Szientismus ist es ja, dass er geradewegs die vollkommene Abwesenheit jedweder Ideologie, Humanität, Moral und damit jedweden Geistes darstellt, also in philosophisch-existenzieller Hinsicht ein Vakuum bzw. ein schwarzes Loch ist. In dieses schrankenlose Vakuum können nun alle bösen Geister aus der Büchse der Pandora einziehen, ohne dass jemand auf die Idee kommt, sie zu verscheuchen. Denn das wäre ja fortschrittsfeindlich und ketzerisch. Sodass wir also heute das Paradox vor uns haben, dass unsere scheinbare akademische „Aufklärung“ und intellektuelle Brillanz auf allen Ebenen zu den denkbar ignorantesten, unerträglichsten und zerstörerischsten Zuständen führt.
Mit einem Wort: der Szientismus ist die perfekte Religion des Neoliberalismus und das genuine Mittel zur ökonomischen Verwertung von Mensch und Umwelt. An dem jedes Argument der Menschlichkeit und Moral abprallt wie eine Entenfeder an einem Stahlharnisch. Eine bessere Rüstung als den Szientismus kann sich der Neoliberalismus gar nicht zulegen. Wobei wir uns bei Gelegenheit vielleicht einmal ein anderes Wort für „Neoliberalismus“ überlegen sollten. Denn Neoliberalismus, das klingt ja richtig smart und fortschrittlich. Viel eher würde da ein Substantiv aus dem Jargon des Eifelphilosophen passen, z.B. Neokannibalismus, Mammon-Technokratie oder eben Zombiefikation – mag unpopulär klingen, aber träfe den Nagel auf den Kopf. Um beim Wort „Zombie“ zu bleiben: Was ist eigentlich ein Zombie? – Nun, nichts anderes als das, was eben übrig bleibt, wenn der Geist des Menschen ausgezogen ist: ein verwesender Kadaver ohne Menschlichkeit, nur noch getrieben von einem dunklen Sachzwang.
Über diese Zombiefikation und ihr ungehemmtes Metastasieren in Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Medien – über die man sich bei nüchterner Betrachtung eigentlich nur noch die Haare raufen kann, wie soll man da nicht trübsinnig werden? Der man mit Intellektualität nicht beikommen kann, sondern deren Lanze geradewegs die Intellektualität ist. Also wer darüber 2600 Artikel schreiben kann und dabei bei aller Tragik trotzdem Humor und Frohmut durchblitzen lässt, vor dem darf man angesichts des fünfjährigen Jubiläums schon mal kurz den Hut ziehen.
Zu diesem Anlass 3 Gründe, warum du nicht aufgeben darfst:
1.) Würden wir das, was wir tun, in quantitativen Kategorien messen, dann müssten wir in der Tat verzweifeln. Denn zehn Millionen Klicks in fünf Jahren ist schon nett. Aber was ist das zahlenmäßig gegen die Milliarden geistloser (zombifizierter) Mainstream-Artikel, die täglich in die Köpfe der Menschen gefüllt werden? – Wenn man hingegen nach dem homöopathischen Prinzip arbeitet, dann weiß man, dass auch kleinste Mengen einer Substanz oft ungeahnte Wirkungen auf den Gesamtorganismus haben und ihn von quälenden Leiden befreien können.
Und wer weiß, wieviele Menschen durch Lesen der Artikel hier gegen den zur Normalität erklärten Wahnsinn immunisiert wurden? Genauso, wie es eine womöglich erschreckende Anzahl an Impf-/Pharmaopfern gibt, so gibt es womöglich eine erstaunliche Anzahl an Menschen, die sich hier eine geistige „Schluckimpfung“ geholt haben, mit der sie dem Wahnsinn, der sie im Alltag angrinst, die Stirn bieten können. Der Wahnsinn klopft zwar täglich bei ihnen an, kostet auch durchaus Kraft und frustriert – aber er muss in den Außenschichten des individuellen Dasein bleiben, der Zugang zum humanen Kern des Menschen ist ihm verwehrt. Während der Wahnsinn bei Menschen, die der Vermassung erliegen, täglich die Gurgel runtergluckert wie das abendliche Dosenbier bei einem Fernsehsportler.
Viele Menschen haben heute das Gefühl, nicht normal zu sein, da sie sich mit dem zur Normalität erklärten Wahnsinn nicht mehr einverstanden erklären können. Nach dem Lesen deiner Artikel hier wird dieses verdrehte Bild vielfach wieder zurechtgerückt und man kann als Mensch wieder Selbstvertrauen schöpfen. Der Zweifel wird an den richtigen Ort gerückt: weg von sich selbst, hin zu den herrschenden Denk- und Handlungsweisen unserer Gesellschaft (ich habe jetzt bewusst nicht gesagt: hin zur herrschenden Politik und Wirtschaft, denn die Politiker und die Wirtschaft sind nur ein Produkt der herrschenden, unbewusst akzeptierten Denkweise).
Wären wir in dieser Hinsicht ganz bei Trost, dann würde es uns nicht im Traum einfallen, das höchste Regierungsamt einer Physikerin in die Hände zu geben, die schon in der DDR kein Problem damit hatte, sich schmiegsam in ein Repressionssystem einzufügen, ohne anzuecken und dort „wissenschaftliche“ Karriere zu machen. Oder einem beinharten Industrieoptimierer und VW-Manager die Sozial- und Arbeitsgesetzgebung. Ebenso befinden sich auch alle anderen Ressorts wie Pädagogik, Umwelt, Gesundheit etc. in der Hand stahlhart tickender Szientisten. Und die können natürlich keine andere Realität herbeiführen als sie selbst kennen: eine mechanische.
Es ist also zuallererst die Realität im Kopf des Menschen, die zu ändern ist. Die Medizin, um da wieder zu gesunden, ist manchmal bitter. Ebenso wie die Artikel im Nachrichtenspiegel. Aber sie wirkt.
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2.) Dass wir, wie du in deinem letzten Artikel beklagst, nicht ins Handeln kommen, obwohl wir doch bereits so viel verstehen, ist natürlich schlimm, zumal uns momentan die Zeit davonläuft und die Zustände bereits zu eskalieren beginnen.
Trotzdem darf man darauf vertrauen, dass wir auch dann, wenn wir äußerlich nicht handeln, immer eine Wirkung auf andere / auf die Umwelt haben – einfach durch die spezifische Qualität und Atmosphäre, die wir ausstrahlen. Und diese hängt maßgeblich von den Gedanken und Empfindungen ab, die ein Mensch in sich trägt.
Jeder kennt das Erlebnis: Genauso wie einem eine Begegnung mit einem unwirschen Menschen den ganzen Tag vermiesen kann, so kann einem auch eine nur wenige Sekunden dauernde Begegnung oder Beobachtung eines Menschen, der eine besondere Freundlichkeit, Ruhe, Aufrichtigkeit oder sonstige Qualität ausstrahlt, oft bis am Abend in Erinnerung bleiben.
Joseph Beuys hat das „soziale Plastik“ genannt (plastik kommt von „formen“, unsere Gesellschaft ist von jedem einzelnen in nicht zu unterschätzendem Maße formbar, egal ob er Manager oder „arbeitslos“ ist; in humaner Hinsicht ist man nie arbeitslos, man wirkt immer): Egal ob im Alltag, im Büro oder wenn man in einer Schlange an der Supermarktkasse stehe – man könne durch die Art, WIE (mit welcher Gesinnung) man dort stehe, alle umgebenden Menschen nachhaltig beeinflussen und dadurch Gesellschaft ganz real ändern.
Es wird vielfach erzählt, dass Menschen sogar den Gedanken an einen Suizid wieder verworfen haben, nachdem ihnen auf der Straße ein Mensch entgegengekommen ist, der etwas Aufrechtes und Hoffnungsvolles ausgestrahlt hat.
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3.) Und als letzten Grund den gewichtigsten: Ganz einfach, weil es momentan ums Ganze geht.
Wenn sich der oben beschrieben Teufelskreis aus Wissenschaft/Szientismus, Meinungsmache, Technikwahn und die erbarmungslose Verwertungslogik von Politik und Wirtschaft einfach linear fortsetzen, dann ist bald Sendeschluss. Nicht nur für den Nachrichtenspiegel, sondern für die gesamte Spezies des homo sapiens überhaupt.
Jeder, der 1+1 zusammenzählen kann, weiß, was dann zur Realität wird: eine vollkommen durchtechnisierte, entseelte und bürgerüberwachte Kommerzgesellschaft, in der alle menschliche Würde und Moral ausgemerzt sind. Im Vergleich zu dem irreversiblen Umbau und der Vernichtung an Mensch und Umwelt, die dann stattfindet, wird uns sogar die NS-Schreckensherrschaft als regelrecht sozialromantische Zeit erscheinen. Mit den Worten von SPD-Bundestagsabgeordneten Hermann Scheer: „Wenn wir es nicht schaffen, wieder die Würde des Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, dann beginnt ein neues Zeitalter der Barbarei.“
Würde kann man dem Menschen freilich nur zuschreiben, wenn man ihn als individuelle Personalität anerkennt und nicht nur als geistlosen Topfenklumpen. Denn was gibt es an einem Menschen ohne Geist, in einer Welt ohne Geist, schon großartig zu respektieren? Man wird ihn behandeln und ausschlachten wie ein Stück Vieh. Und wenn es nicht mehr nützlich ist, hat es eben ausgedient und endet als Katzenfutter in der Dose. Wozu altes, krankes und minderleistendes Vieh durchfüttern, wo doch der Sinn des menschlichen Daseins nicht mehr die von allen Hochkulturen und Philosophien konstatierte ethische (geistig-seelische) Entwicklung ist, sondern laut herrschender (szientistischer) Staatsdoktrin nur noch die kommerziell verwertbare Leistungsfähigkeit als Daseinsberechtigung anerkannt wird?
Die Voraussetzungen zur restlosen Verwertung der Humanressourcen werden ja bereits geschaffen, indem alle mühevoll über die Jahrhunderte errungenen Grundrechte, die den Menschen in seiner Würde und in seinem Privatleben vor Willkür und Ausschlachtung schützen, nun der Reihe nach niedergerissen werden.
Wenn wir fortfahren, die geistige Würde des Menschen weiterhin mit Füßen zu treten und nur dem technokratischen Szientismus huldigen, dann wird sich – und das schon in relativ naher Zukunft, exakt das verwirklichen, was die Star Trek Autoren in absolut visionärer Weise mit der Spezies der „Borgs“ skizziert haben: Die technische Infiltration und Robotisierung des Menschen. Bio-, Gen- und Nanotechnologie werden es in absehbarer Zeit ermöglichen, Mensch und Prozessor miteinander zu verschmelzen und damit den Menschen zu mechanisieren.
Die Forschungen dazu laufen bereits auf Hochtouren und erhalten Milliardenetats von staatlichen Seiten, um das Ziel der künstlichen Intelligenz und der Robotisierung des Menschen zu erreichen. Auch diverse Milliardäre und Oligarchen sponsern das Unterfangen der Mensch-Maschine Kopplung mit Unsummen, in der Hoffnung, sich als biotechnologisch mechanisierte Zombies das ewige Leben zu sichern. Diese Verschmelzung von Mensch und Maschine nennen die Wissenschaftler „Singularität“ oder „Transhumanismus“, einer ihrer Vordenker ist Ray Kurzweil (zur inzwischen millionenstarken Anhängerschaft und Werberührern, die sich von Ray Kurzweil das ewige mechatronische Leben versprechen, gehört übrigens auch der ehemalige Captain Kirk-Darsteller William Shatner. In einem Interview erklärt er plausibel, warum er Kurzweil folgt: „Yeah, I don’t wanna die, I like to live. That’s the reason why I join the work of Ray.”)
Und der Hohepriester des Szientismus persönlich, seines Zeichens Erfinder, Director of Engineering bei Google und Träger von 19 Ehrendoktortiteln:
„Die Singularität ist eine Zukunft, in der das Tempo des technologischen Wandels so schnell und weitreichend voranschreitet, dass die menschliche Existenz auf diesem Planeten irreversibel verändert wird. Wir werden die Macht unserer Gehirne, all die Kenntnisse, Fähigkeiten und persönlichen Merkmale, die uns zu Menschen machen, mit unserer Computer-Macht kombinieren, um auf eine Art zu denken, zu kommunizieren und zu erschaffen, wie wir uns heute noch nicht vorstellen können.
Diese Verschmelzung von Mensch und Maschine, mit der plötzlichen Explosion der Maschinen-Intelligenz wird, im Verbund mit rasend schneller Innovation in den Bereichen der Gen-Forschung sowie der Nanotechnologie, zu einer Welt führen, wo es keine Unterscheidung mehr zwischen dem biologischen und dem mechanischen Leben oder zwischen physischer und virtueller Realität gibt.“ (Ray Kurzweil)
Auch der renommierte Soziologe Hartmut Rosa meint, dass es keinen Grund gäbe anzunehmen, dass Menschen von der bald ins Haus stehenden Möglichkeit, ihre Leistungsfähigkeit durch die Kopplung ihres Nervensystems mit Computern und Nanobots zu steigern, NICHT Gebrauch machen würden.
Wem das wie Science Fiction vorkommt, der hat leider keine Ahnung vom aktuellen Stand der Technik. Vielleicht gibt’s dazu mal einen eigenen Artikel, hier nur soviel: Da ich selbst an vorderer Front der technischen Entwicklung tätig bin, kann ich sagen: Wenn das, was momentan im Backrohr der Nanotechnolgie und Kybernetik steckt, einmal ausgebacken ist, dann ist die Welt, wie wir sie kennen, Geschichte. Und zwar irreversibel. Und das Zeitfenster, um das zu verhindern, ist bereits ein relativ knappes. Derzeit gibt es allerdings keine ernsthaften Bemühungen, die Robotisierung des Menschen zu verhindern.
Was mich verwundert ist, dass wir über alle möglichen Krisenszenarien diskutieren (CO2/Klimakollaps, Umweltvergiftung, Nuklearunfälle, Pandemien, Terrorstaaten, Arbeitslosigkeit etc.), aber dass die bereits offenkundigen Möglichkeiten zur Robotisierung von Mensch und Umwelt praktisch nicht diskutiert werden, obwohl die exponentiell anschwellende Innovationswelle kurz davor ist, uns in Form eines technologischen SuperGAUs zu überrollen. Der Mensch schafft sich dabei selbst ab. Siehe auch die ARTE Doku „Welt ohne Menschen“.
Die Endstation des Gleises, auf dem wir momentan rollen, heißt also „Borg“ (siehe Wiki-Eintrag). Den „Borgs“ ist alles, was irgendwie mit Menschlichkeit, Kultur, Empathie, Seele oder Kunst zu tun hat, verhasst. Sie wollen es eliminieren, da diese Dinge nur lästige, irrationale Hindernisse gegenüber ihrem Ideal einer großen, hocheffizienten Technikmaschinerie sind. Der Hass auf die vorgenannten – eigentlich spezifisch menschlichen – Dinge, ist heute bereits unübersehbar. Er wird sich noch weiter steigern.
Denn je mehr wir uns der Technokratie und Robotisierung verschreiben, umso größer wird die Angst vor der eigentlich menschlichen Realität bzw. seinem Geist und dem Sinn des Daseins. Also wird die Losung lauten: Ausmerzen dieses lästigen menschlichen Potenzials, es reicht, wenn man eine neue, mechanistische Evolution sich selbst reproduzierender Nanobots und Cyber-Intelligenzen etabliert.
Die eigentliche Evolution der Menschheit bzw. das, was wir hätten werden können, ist dann gescheitert. Der menschliche Geist ist eliminiert, die reine Mechatronik bestimmt das Dasein und wird eine neue, sich selbst replizierende Maschinenwelt begründen.
Die erste, heute schon bedrohlich vorangeschrittene Vorstufe zur Eliminierung des menschlichen Geistes ist der vom Eifelphilosophen treffend angesprochene Verlust der Unterscheidungs- und selbständigen Denkfähigkeit. Wohin man auch blickt, alles wird auf den Kopf gestellt: Wahnsinn gilt als Sinn, Rückschritt als Fortschritt, Gutes als Böses, Krankes als Gesund und vice versa. Die von George Orwell eigentlich als Satire gemeinten Parolen „Krieg ist Frieden“, „Freiheit ist Sklaverei“ und „Unwissenheit ist Stärke“ sind tatsächlich führende Dogmen unserer Gesellschaft geworden.
Bisheriges politisches und gesellschaftliches Versagen hat in der Geschichte zu durchaus tragischen Katastrophen geführt, 30jährigen Kriegen, Partherkriegen, Hussitenkriegen, Türkenkriegen etc. Der Fortbestand der Menschheit war dadurch bei aller Tragik trotzdem nicht gefährdet. Während es angesichts der technologischen Möglichkeiten heute erstmals möglich ist, die menschliche Evolution wirklich zu beenden bzw. in besagte „Borg“-Realität einmünden zu lassen.
Aus diesem Grund müssen wir allen philosophischen „Most“, den wir im Keller haben, nach oben holen. Das Ausschenken dieses Apfelmosts wird uns vor dem grassierenden Wahn-Sinn schützen und wieder zur Besinnung bringen. – Und wir haben sehr guten Most im Keller. Die ganze Geschichte des mitteleuropäischen Abendlandes ist voll von großartigen Mostbrauern. Die uns nicht nur eindringlich vor dem Wahn-Sinn gewarnt haben, der momentan auf uns zurollt, sondern die uns auch jede Menge Potenzial und Geistesgut gegeben haben, auf dem wir eine menschengerechte, lebenswerte Gesellschaft aufbauen können.
Schon vergessen ? Wir sind doch das „Volk der Dichter und Denker“ und keine „Borgs“.
Aus diesem Grund: Mach weiter, lieber Eifelphilosoph, gibt nicht auf, Most aus dem Keller zu holen. Der Durst danach ist groß. Denn immer mehr Menschen wachen aus der Unterhaltungsnarkose auf und ahnen, dass es eigentlich scheisse ist, samt Familie zu „Borgs“ umgebaut zu werden.