Während alle anderen Animationen von Steve Cutts explizit politisch gemeint sind, so hat er in einem Interview erklärt, dass das u.a. Video „nur eine unterhaltsame Story“ rund um Eistüten sei. Trotz dieser Bescheidenheit sehe ich aber in diesem Werk auf grandiose Weise ein derzeit beobachtbares Zeitphänomen dargestellt: Egal was passiert, egal welche schrecklichen Ereignisse wir als scheinbare Normalität zur Kenntnis nehmen müssen – kaum ertönen irgendwo ein paar Unterhaltungstakte oder rollt der Fußball, sind wir bereit, im Takt mitzuwinken und uns der Unter-Haltung hinzugeben.
So wie die Eistüten im Video: Egal, ob der Eistütenpartner gerade von einem Auto zu Matsch gefahren oder die Tüte in eine Gummizelle eingesperrt wurde: Sobald das fröhliche „Tüü-tüü-tütütü“ im „Uns geht’s gut“-Teletubbie-Sound erklingt, wird naiv mitgewinkt – so fährt die Eistüte im Winkepuh-Modus mit hoher Geschwindigkeit auf der Autobahn und winkt einer Partykolonne zu, ohne zu sehen, dass auf der Gegenfahrbahn ein LKW entgegenkommt, der sie selbst zu Matsch fahren wird.
Auch wenn er das selbst vermessen finden würde: Aber Steve Cutts angeblich vollkommen unpolitisches Eistütenvideo ist in Wirklichkeit die perfekte Persiflage auf Merkels „Deutschland geht es gut“-Losung.
Man könnte Steve Cutts Video jedoch sogar noch auf einer tieferen philosophischen Ebene interpretieren: Als leidenschaftliches Plädoyer für die Seele der kleinen Dinge, über die wir im Alltag viel zu achtlos hinweggehen. Indem er Eistüten für einige Minuten Seele einhaucht, kann uns bewusst werden, dass auch in scheinbar profanen Dingen wie Lebensmitteln – wie schon der Name sagt – eben Leben steckt und diese Dinge daher etwas mehr Wertschätzung und achtsamen Umgang verdienen. Ebenso wie die Pflanzen, die Tiere und allgemein die Dinge des Alltags, die wir oft genug zu bloßen Gebrauchsgegenständen degradieren und konsumieren.
Mit poetischen Worten ausgedrückt:
„Es sind die kleinen Dinge
die uns brauchen
Denn wir hauchen
alle Lebensringe in sie ein.
Drum ergreift sie, meine Hände
voller Liebe
so als bliebe
ohne euch am Ende
jedes Ding für sich allein.“
(Karlfried Graf Dürckheim)
Wäre das nicht ein schönes Motto fürs kommende Neue Jahr? – So quasi als Antithese zum allerorts nach oben dampfenden bzw. zum Himmel stinkenden Rauchqualm des US Frackingprinzips („Put in poison, get out money“), nach dem derzeit unsere marktradikale („neoliberale“) Wirtschaftsordnung und unsere marktkonforme Demokratie tickt?
Video by Steve Cutts (siehe Galerie)
in memoriam Steve Geshwister