Reichensteuer

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Die Einen leiden unter der Corona-Krise, die Anderen unter der Rolex-Knappheit

Jens Berger

NachDenkSeiten-Podcast

In der DDR mussten sich die Käufer eines Trabbis auf Wartezeiten von über zehn Jahren einstellen. So etwas gibt in unserer Marktwirtschaft nicht. Wirklich? Dass dem nicht so ist, zeigt der Markt für Luxusuhren. Wer sich ein bestimmtes Modell der Schweizer Luxusmarke Rolex kaufen will, muss sogar mit Wartezeiten von bis zu zwanzig Jahren rechnen; zumindest dann, wenn er die Uhr auf offiziellem Weg erwerben will. Auf dem Graumarkt werden diese Uhren fast zum Doppelten des Listenpreises gehandelt. Das Angebot kommt schon lange nicht mehr mit der Nachfrage mit. Dies ist eine direkte Folge der neoliberalen Politik und der Spreizung der Vermögens- und Einkommensschere. Während es vielen Menschen von Tag zu Tag schlechter geht, scheinen einige wenige Menschen gar nicht mehr zu wissen, wohin mit dem Geld. Wir hätten da eine Idee.

Deutschland 2012: die Unmenschen sind zurück. Und sie sind mit Unfug und Betrug sehr, sehr reich geworden.

Deutschland 2012: die Unmenschen sind zurück. Und sie sind mit Unfug und Betrug sehr, sehr reich geworden.

Mittwoch, 18.7.2012. Eifel. Urlaubszeit. Eigentlich die Zeit, in der man einmal Abstand von allem nehmen sollte – vor allem vom Alltag. Nun – aus ganz privaten Gründen habe ich im Urlaub aktuell überhaupt keine Zeit, was dazu führt, das ich viel zu wenig zum Lesen komme und noch weniger zum Schreiben – was mich persönlich ärgert, zeigt es sich doch, das es zwar kein Einkommen beschert aber überhaupt nicht umsonst ist … weder das Schreiben, noch das Lesen. Ich habe da etwas gefunden, das ich gerne teilen möchte … mitteilen.  Es ist eigentlich hoch brisant, sollte in allen viel gelesenen Zeitungen erscheinen … aber, wie ich fürchte, wird dieser Ort der einzige in der neuen Medienwelt des 21. Jahrhunderts sein, der ihn abbildet. Doch kommen wir zu den Worten, die ich mitbrachte, Worte, die zeigen, welcher Horror sich schon längst hinter dem Alltag versteckt, dem wir so elegant auf Malle oder in Bulgarien entkommen wollen:

Das Problem, vieler Dichter, die aus dem Exil nach Deutschland zurückgekehrt sind, war die Verfälschung der Sprache. Sie haben deutlicher als die daheim gebliebenen gespürt, dass das Dritte Reich die Sprache verroht hat. Es war nicht mehr die Sprache der Dichter und Denker, sondern die Sprache von Unmenschen. Der Politikwissenschaftler Dolf Sternberg hat diese Sprache des Unmenschen untersucht.

Die Sprache des Unmenschen zeichne sich aus durch eine Anhäufung von Zugriffsworten, wie sie in den Worten mit dem Präfix „be“ aufscheinen: „befehlen, beaufsichtigen, bekämpfen, beherrschen, bestimmen, behandeln, befolgen“. Das Präfix „be“ meine die Einwirkung auf eine Person bis hin zur vollen Bewältigung und Bemächtigung dieser Person oder Sache.

(Zitiert bei Anselm Grün, Wo ich zu Hause bin, Kreuzverlag 2011, S 49-50).

So einfach lässt sich der Unmensch also diagnostizieren. Einfach auf die Häufung von Präfix „be“ achten – und schon weiß man, wann wieder die Gestapo vor der Tür steht, um den Lebensberechtigungsschein einzuziehen. Aber: ist das wirklich so?  Ist diese Häufung zu beobachten?

Nun – ans „behandeln“ haben wir uns gewöhnt, in Griechenland wird bestimmt, beaufsichtigt und es soll befolgt werden, was befohlen wird. Ja – Krankheiten werden nicht mehr beheilt, sie werden be-handelt. Daran kann man viel mehr verdienen, weil es (so das stille Geheimnis der Mediziner) ÜBERHAUPT NICHTS BRINGT und deshalb beliebig oft abgerechnet werden kann.

An beherrschen haben wir uns auch gewöhnt. Beherrschen ist der Tenor des neoliberalen Menschenbildes, es gibt in dem Zusammenhang einen (auch aus anderen Gründen äußerst lesenswerten) Artikel in der FAZ, aus dem ich nur kurz zitieren möchte:

Die Regierung Schröder hat in Kooperation mit der gesetzesverschärfend agierenden CDU seinerzeit einen Paradigmenwechsel eingeläutet. Das grundsätzlich negative Menschenbild des Neoliberalismus wurde als Grundannahme in die Sozialpolitik eingeführt. 

Ja, da haben wir uns wirklich erschrocken, oder? Da waren die Unmenschen auf einmal wieder offen im staatlichen Machtapparat zugange, der Mensch brauchte wieder Druck, um zu funktionieren, er bekam dadurch zwar keine Arbeit, aber „BE-SCHÄFTIGUNG“.

Da war unser kleines Präfix wieder, es begleitete den historischen Paradigmenwechsel, der aus einem Sozialstaat ein Arbeitslager machte. Doch damit nicht genug von den Präfixen, den zeitgleich zu der Beschäftigung gab es noch ein neues, das ausserordentlich fremd klang, weil es ein Kunstwort ist, das ich zuerst (bezeichnenderweise) bei Sozialarbeitern vernahm. Anstelle von Erziehung und Bildung trat – die BE-SCHULUNG. Heute ein Fachbegriff, der sehr dem Wort Beschallung gleicht in in etwa auch das Gleiche meint: das sinn- und ziellose Ausgießen von Lernstoff über Schüler.  Das Lernstoffbeschallung bei Pisa keine guten Ergebnisse zeigte, wunderte ernsthafte Pädagogen nicht: in Wirklichkeit hatte man die Erfolge von einhundertfünfzig Jahren Pädagogik einfach ausgelöscht zugunsten einer Massenveranstaltung, die nur die Blödesten gesund überstehen: Generation Doof wurde gezielt gezüchtet.

Aber nicht nur hier wurde ein neues Kunstwort erfunden, damit das Unmenschentum auch über die angemessene Begrifflichkeit verfügt, auch der Kindergarten- bzw. Unterhaltungsbereich wurde neu definiert: was früher Erziehung und erbauliche Unterhaltung war, wurde zu: BE-SPAßUNG.

So nennt man Theater, Oper und Ballet gerne: Reichenbespaßung. Oder Unmenschenbespaßung.

Natürlich dürfen wir bei der einfachen Wortanalyse nicht stehenbleiben, es ist schon die Zeit gekommen, mal in den Benachrichtigungen nachzuschauen, ob sich unser Anfangsverdacht auch in der alltäglichen Realität bestätigen lässt. Begeben wir uns also erstmal zum Handelsblatt, wo man Erstaunliches bekannt gibt:

Schäffler schreibt dazu in seinem Brief an Lammert: „In den offiziellen und dem Bundestag vorgelegten Dokumenten ist nirgends die Rede davon, dass Banken aus dem ESM direkt rekapitalisiert werden sollen, obwohl das bereits geplant wird.“

Da wurde jemand belogen und der Steuerzahler beschissen – so etwas können nur Unmenschen tun.

Gehen wir hinüber zum Spiegel, wo Jakob Augstein sich zu dem Vorschlag äußert, das die Reichen die Republik retten sollen. Er hat in dem Zusammenhang eine interessante Rechnung aufgemacht, die man trotz Beschulung und Bespaßung noch einigermaßen leicht nachvollziehen kann:

Kurzer Überblick über die Zahlen: Ein Vermögen von mehr als 250.000 Euro gesellt seinen Besitzer in Deutschland zu den reichsten acht Prozent der Bevölkerung. Das sind immerhin 4,4 Millionen Menschen. Nach dem Vorschlag des DIW würden diese Bürger zum Kauf von Anleihen in Höhe von zehn Prozent ihres Vermögens verpflichtet. Das ergibt 230 Milliarden Euro.

Das wäre was, oder? Nur zehn Prozent, dann auch noch nur geliehen und wir könnten unser Probleme im Land vergessen. Vergessen können wir stattdessen, das die Reichen ihre Beute der letzten Jahre auch nur leihen würden. Sie wollen das Land bluten sehen … und vergessen dabei ganz, das ohne die Pest der Neoliberalisierung die Zahl der Reichen in Deutschland deutlich geringer wäre, die Zahl der Armen aber auch. Der Chefredakteur der Welt wendet sich gleich voller Panik persönlich an die Leser:

„Der Charme einer Zwangsanleihe liegt darin“, freut sich der schleswig-holsteinische SPD-Chef Stegner, und er spricht hier wirklich von „Charme“, „dass sie nur Leute betrifft, die es sich leisten können.“ Oder die Leute, möchte man entgegnen, die gespart und vorgesorgt haben, so wie es die Politik immer predigt.

Und Andrea Seibel, unsere stellvertretende Chefredakteurin, hat kommentiert. Sie ist „mit diesem nehmenden Staat“ nicht mehr einverstanden und wehrt sich im Leitartikel auf Seite 11 dagegen, „dass Erfolg und Wohlstand in Deutschland unter Generalverdacht stehen, so als sei Vermögen nur auf kriminellem Wege zu erlangen und unterliege daher der Enteignungspflicht“.

Das sind harte Worte, die nachdenklich stimmen

Betrachten wir doch mal so einen Reichen aus der Nähe.

Boris Becker, zum Beispiel. Dessen Haus wird – siehe Welt – gerade zwangsversteigert:

Um 11 Uhr in Saal Nummer 6 des Gerichts in Palma wird dann wohl das Haupthaus von „Son Coll“ angepriesen werden: 800 Quadratmeter ist es groß, verfügt über fünf Bäder, drei Schlafzimmer, Küche, Bibliothek und ein Spielzimmer – luxuriös eingerichtet von Beckers Ex-Frau Barbara.

Hinzu kommen weitere Häuser für Gäste und Personal, ein Poolhaus, ein Weinkeller, Pferdeställe, ein Hubschrauberlande – und natürlich ein Tennisplatz. Umgeben ist das Gelände von einer nicht zu knapp geratenen Gartenanlage, in der sich Becker auch ein Amphitheater einrichten ließ. Rockbands wollte er darin auftreten lassen.

Ein wahrhaft fürstliches Anwesen. Was hat Herr Becker dafür geleistet? Die Pest besiegt? Die Welt vor einem Krieg gerettet? Ein Zwergkaninchen von der Autobahn geholt?

Nein.

Er hat den Tennisplatz BE-SPIELT.

Reiche bespaßt.

Und andere – Reiche – haben dann dafür viel Geld gegeben, das er auch reich wird. Er hat dann das gemacht, was alle Reichen machen (und was leider in der Tat zu dem von Frau Seibel befürchteten Generalverdacht führt): Steuern hinterzogen, siehe Wikipedia:

Das Landgericht München I verurteilte ihn am 24. Oktober 2002 zu einer Haftstrafe von zwei Jahren, die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Zudem wurde er dazu verpflichtet, 300.000 Euro (500 Tagessätze zu je 600 Euro) Geldstrafe zu zahlen und 200.000 Euro Geldbuße an verschiedene karitative Einrichtungen zu überweisen.

Becker habe bewusst falsche Angaben in seinen Steuererklärungen gemacht, um 3,3 Millionen Mark zu sparen. Der ehemalige Sportler hatte zu Beginn des Prozesses zugegeben, zwischen 1991 und 1993 in München gewohnt zu haben, obwohl er offiziell in Monaco gemeldet war. Becker sagte: „Ich wusste und kannte die Gefahren und habe das in Kauf genommen“. Er betonte aber, man könne ihm nicht vorwerfen, Einnahmen verschwiegen oder kriminelle Machenschaften betrieben zu haben.

Nein, Herr Becker, Steuerhinterziehung ist natürlich nicht kriminell. Sie zahlen halt nur den Eintritt nicht, wollen aber die ganze Show genießen – und zwar ganz vorne, dann gerne noch auf erhöhten Plätzen, damit die anderen nicht auch noch was sehen. Der Stern berichtet, woher Beckers Geld herkommt:

Auf zirka 340 Millionen Mark wurde im Juli 2001 das Vermögen geschätzt, das Becker durch Preisgelder und Werbeverträge verdient hatte. 

Das zahlen wir alle – durch Preise – und die Sponsoren und Firmen setzen es von der Steuer ab. Nicht ein einziger, durch ehrliche harte Arbeit verdienter Euro ist da drunter – alles nur ein Umverteilen von unten nach oben.

Das sieht gut aus und macht viele reich … aber in einem geschlossenen System wie dem Geldkreislauf führt das immer dazu, es es unten ganz vielen immer be-schissener geht. Physiker wussten das früher, bis bekannt wurde, das die EZB das geschlossene System einfach öffnen kann, so dass immer mehr Billionen verbeckert werden können.

Auf einmal merkt man: die Unmenschen sind in der Tat wieder zurück, sind sehr sehr reich geworden – und bedrohen uns lächerlicherweise auch noch mit Auswanderung (siehe Welt), als hätte es irgendeinen finanziellen Effekt, wenn sie keine Steuern mehr in Deutschland hinterziehen.

Man sollte es begrüßen. Was wäre gewesen, wenn Hitler 1933 gesagt hätte: „Wenn ihr uns nicht wählt, dann marschieren wir eben nach Bolivien!“.  Die Nazis wären zwölf Jahre früher dort angekommen – und wir hätten die Macht des Präfix „be“ nie kennengelernt.

Wären das schöne Zeiten geworden.

Vielleicht sollten wir es begrüßen, wenn sie gehen. Endlich könnte man wieder Bildung und Erziehung betreiben, gehobene Unterhaltung (bei der man vielleicht sogar noch was lernt) wäre wieder hoch im Kurs, man könnte es sogar als gebildeter Mensch wieder wagen, den Fernsehapparat einzuschalten und Arbeit … wäre wieder mit Einkommen verbunden. Man bräuchte nur noch nach abgeschlossener Aussiedlung der finanziellen Triebtäter eine neue Währung einführen – und schon wären wir alle Sorgen und Schulden los und könnten – ganz ohne Krieg diesmal – gleich wieder völlig von vorne  anfangen.

Wäre doch schön oder?

Und würde uns viel ersparen.

PS:

Das Herr Becker ein Unmensch ist, möchte ich nicht behaupten, auch wenn er Steuern hinterzieht, gerade keine Rechnungen bezahlt und Schulden macht. Aber man sollte mal genau der Spur des Geldes folgen, das in seinen Taschen gelandet ist – ich bin mir sicher, das man dann zur Präfix-Quelle stößt – und zum Hort der neuen Unmenschen, die uns schon jetzt ihre Unmenschensprache aufdrücken.

 

 

Soziale Gerechtigkeit…

…wurde und wird immer wieder, je nach politischer, ideologischer, ökonomischer Sicht oder aus sonstigen Nützlichkeitserwägungen heraus versucht zu definieren.

Nun steht es völlig außer Frage, das insbesondere ein so schwammiger Begriff wie Gerechtigkeit sehr unterschiedlich interpretiert werden kann.

Die Witwe wird es als ungerecht empfinden, wenn der Mörder ihres Mannes nach trotz „lebenslänglich“ nach durchschnittlich 15 Jahren wieder entlassen wird; der Mörder wird es als ungerecht empfinden, so lange auf eine zweite Chance im Leben warten zu müssen und vielleicht empfindet es der Richter als ungerecht, das er nicht die Todesstrafe verhängen konnte.

Das kleine Kind wird es als ungerecht empfinden, wenn es im Gegensatz zur großen Schwester nur eine Kugel Eis bekommt, während die Mutter es als ungerecht empfinden mag, das sie selbst aus Kostengründen zum Wohle der Kinder auf ein eigenes Eis ganz verzichten muß.

Der Arbeitgeber wird es als gerecht empfinden, wenn er für eine tatsächliche Halbtagsstelle nur noch 400,- Euro zahlen muß, während der Arbeitnehmer den Umstand für genau diese 400,- Euro das Doppelte des zuvor erlaubten Arbeitsdienstes erbringen zu müssen als äußerst ungerecht empfinden mag.

Der Niedriglöhner wird Hartz IV als ungerecht empfindne, solange ihm niemand sagt, das er i.d.R. auch Anspruch darauf hat und damit mit Arbeit immer mehr hat als ein vergleichbarer Arbeitssuchender. Und nie mehr, als jemand der angeblich „sein Geld für sich arbeiten läßt„.

Der wirklich Gutverdienende – 1,2 Millionen im Jahr – wird die tatsächliche Steuerlast von um die 20 % als ungerecht empfinden; der Steuerfahnder, der feststellen muß das ebenjener Einkommensmillionär und Wenigsteuerprozentsatzzahler einen Teil seines Geldes unversteuert ins Ausland transferiert hat, wird es als ungerecht empfinden, wenn dieser Betrüger davon kommt, weil entweder die Beweise als nicht zulässig erklärt werden oder der Steuerbetrüger einen Tip bekommen hat und sich als scheinbar reuiger Sünder darstellt, der eben nachzahlt.

Die Gesellschaft an sich wird es als ungerecht empfinden, das es wenige gibt, denen es deutlich besser geht, als dem Rest und viele, denen es deutlich shclechter geht, zugleich werden die Teile der Gesellschaft, denen es weder zu gut noch zu schlecht geht zumindest froh sein, nicht zu den ärmsten der Armen zu gehören.

Neid spielt hier natürlich eine gewisse Rolle, aber dieser Neid ist auch eine Triebfeder der Menschen, spornt an. Z. B. zum Mord, um einem anderen etwas wegzunehmen, das man für sich selbst haben will.

Nun ist es mit dem Neid so, wie mit eigentlich allem anderen: die Dosierung macht es.

Salz bspw. ist gesund – in Maßen. Zuviel davon kann tödlich sein.

Bitte, könntest Du mir etwas leihen..?“ erweist sich objektiv als effizienter, als einfach mit der Keule Schädel einzuschlagen und dann mit der behindernden Beute im Arm vor den rachsüchtigen Verwandten fliehen zu müssen. Damit hat man Eitelkeit & Scham zugunsten des Neides überwunden, aber gefahrlos bekommen, was man begehrt.

Aber ehe wir uns scheinbar zu weit entfernen, zurück zur sozialen Gerechtigkeit.

Geht man davon aus, das auch der Mensch letztlich nur ein Tier ist, hat man zwei Optionen: das Tier Mensch kann handeln wie ein Tier – oder eben menschlich.

Menschlichkeit gilt in nahezu allen ernstzunehmenden Religionen – jenen Theorien, die uns als Individuum und Gemeinschaft die Zeit zwischen nach der Geburt und vor dem Tod erträglicher machen sollen – als ersterbenswertes Ziel, weil es den friedvollen und vernünftigen Umgang miteinander deutlich erleichtert.

Deshalb lehrt man uns in den Urformen von Juden- und Christentum, im Islam und den „asiatischen“ Religionen solide, leicht verständliche Umgangsformen, die ein gemeinsames Zusammenleben ermöglichen.
Und für die Agnostiker & Atheisten unter uns gibt es noch den Humanismus als quasi wissenschaftliche Religion.

Aus diesen abseits von Instinkten, vielmehr aus pragmatischen Überlegungen und Beobachtungen hergeleiteten Regeln wiederum ergibt sich – die Moral, also das, was man tut und was man nicht tut.

Aus dieser Moral heraus ergeben sich dann die Gesetze, die deutlich komplizierter, als bspw. die 10 Gebote der Bibel, regeln, was man tun darf und was nicht.

Dies alles zusammen ergibt dann einen Teil der Welt, in der wir uns bewegen, in der wir existieren und sind. Und unsere Kinder sein werden.

Jetzt gestehen uns Theologen wie Wissenschaftler einen mehr oder weniger freien Willen zu, also liegt es an uns selbst, ob wir uns der Gesellschaft anpassen – nach den Regeln spielen – oder ob wir eine Außenseiterrolle annehmen, mit anderen Worten: die Regeln biegen, brechen oder (grundlegend) verändern.

Finden sich genügend Außenseiter, ändern sich die Regeln für alle.

Schlimmstes Beispiel dürfte hier der Nationalsozialismus sein…

Also: die Werte nach denen wir leben und handeln, ändern sich. Und mit ihnen die Gesetze.

Wobei – und damit sind wir wieder beim freien Willen, der in der Masse schonmal nur ein rein theoretisches Konstrukt sein mag – man sich immer aus den falschen Gründen für das richtige und aus den richtigen Gründen für das falsche entscheiden kann; Lebensrisiko.

Verknüpft man nun also Moral und Gerechtigkeit (denn das Gerechtigkeitsempfinden ist eine grundlegende Frage der Moral, ebenso der Religion wie auch des Rechtes) – kommt man der Frage nach sozialer Gerechtigkeit langsam näher.

Kann es sozial gerecht sein, das es in einer modernen Industrienation Menschen gbt, die arm sein müssen..?

Kann es sozial gerecht sein, das es in unserem Land einige wenige Menschen gibt, die mehr Geld haben, als sie oder ihre Urenkel jemals ausgeben können, während es gleichzeitig vielzuviele gibt, die von ihrem Lohn allein nicht mehr leben können..?

Kann es sozial gerecht sein, das diejenigen, die gerade so das Einstiegsgehalt des Spitzensteuersatzes erreichen, diesen in voller Höhe begleichen müssen, während diejenigen, die mehr als das zehn- und zwanzigfache verdienen bekommen, gerade mal rund die Hälfte dieses Spitzensteuersatzes begleichen müssen..?

Kann es sozial gerecht sien, das weite Teile des Lebensweges einzig und allein von der sozialen Herkunft bestimmt sind..?

Kann es sozial gerecht sein, das ein Unternehmer bzw. ein Unternehmen, dessen Erfolg maßgeblich auf unserem solidarischen Gesellschaftssystem beruht, dieser Gesellschaft immer unsolidarischer entgegentritt..?

Kann es sozial gerecht sein, das immer häufiger solide Kaufmannskunst – der mittel- bis langfristige solide Gewinn hinterlegt mit realen (Sach)Werten – der wilden, ungestümen und gnadenlosen Hatz nach rein virtuellem Geld geopfert wird und damit immer wieder die Gesellschaft durch die unausweichlich kommenden Mißerfolge und Katastrophen in Mitleidenschaft gezogen wird..?

Kann es sozial gerecht sein, die im Ursprung persönlichkeitsbildende Bildung zugunsten schnöden Wirtschaftsprofites aufzugeben..?

Kann es sozial gerecht sein, eine bis vor ziemlich genau 20 Jahren funktionierende solide Gesellschafts- und Wirtschaftsform wie die soziale Marktwirtschaft bewußt gegen einen reinen, weitgehend ungezügelten Kapitalismus auszutauschen, von dem man weiß, das er zum scheitern verurteilt ist, weil er lediglich die niedrigsten – also unmoralischten, unmenschlichsten – Instinkte weckt und bedient..?

Mit anderen Worten ist es sozial oder besser noch überhaupt in irgendeiner Form gerecht, wenn aus dem Menschen wieder ein (Raub)Tier wird..?

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