für eine europäische Revolution haben schon stattgefunden. Damit aber nicht genug. Ehedem führende Politiker der SPD haben jetzt mal ordentlich auf den Tisch gehauen, wie im Handelsblatt zu lesen war:
Es sei an der Zeit für Veränderungen, ja, für eine breite soziale Protestbewegung: „Wenn sich die Kluft zwischen Arm und Reich weiter verbreitert, kann ich mir vorstellen, dass die Menschen ihrer Verzweiflung und ihren Demütigungen durch Proteste auf der Straße Ausdruck verleihen“, sagte er, „und das würde unserem Land nicht schlecht tun.“
So Hans Jochen Vogel.
Ein klarer Aufruf zur Revolte.
Zeit für eine breite soziale Bewegung ist es schon lange. Über einhundert Jahre lang wissen wir das schon. Deshalb haben wir die SPD gegründet, unterstützt und gewählt. So macht man das in einer Demokratie: man organisiert sich in einer Partei, die in freien und geheimen Wahlen ihre Spitzenpolitiker in Regierungsämter bringt. Dort angekommen, machen die dann, was sie wollen – aber nicht was wir wollen. Die Welt formuliert etwas über jenen Pfarrer, der sich als „Headhunter der Asis“ bezeichnet – und ebenfalls für Mindestlöhne und Vermögenssteuer plädiert – das sehr nachdenklich werden läßt:
Meurer strahlte etwas aus, das allen Mitgliedern des politischen Milieus in dieser Runde offensichtlich abging: Ein tiefer Glaube an eine wirklich bessere Welt und ein tief empfundenes Leiden, eine Wut auf die realen Verhältnisse.
Das sind die Emotionen, die Vorraussetzung für jede Art von Revolte sind. Aber das es nicht so schlimm werden sollte in Deutschland, darüber klärt uns schnell noch das ZDF auf, in dem es den Vogel nochmal gründlicher zitiert als andere es getan haben:
„Bei uns braucht es keine Revolution“, fügte er hinzu. Aber wenn die Menschen notfalls auch auf der Straße für soziale Gerechtigkeit einträten, „würde es unserem Land nicht schlecht tun“.
Als fernsehfreier Bürger fragt man sich: was hat der denn jetzt wirklich gesagt? Und vor allem: von welcher Verzweiflung und welcher Demütigung redet er? Es wäre schön, wenn er hier mal konkreter geworden wäre. Offenbar weiß man in den Führungskreisen der SPD, das es dem Volk schlecht geht, das es verzweifelt ist und gedemütigt wird, das die sozialen Verhältnisse eine Katastrophe sind.
Ein Rundumblick in den Nachrichten des heutigen Tages zeigt, das das Wissen, das Herr Vogel mit sich trägt, nicht elitär zu nennen ist. Es verschwindet in der Schlammflut unnützer Nachrichten über Promis, Sport und Parteiengezänk, aber mit etwas Mühe kann man einige Goldstücke aus dem Morast retten.
Fangen wir an mit unseren Gebrauchsgütern, die wir am besten gar nicht gebrauchen sollten. Dinge des täglichen Bedarfs, die beständig schneller kaputt gehen. Das ist kein Zufall, sondern das „dreckige Geheimnis hinter der Wegwerfgesellschaft„. Wir arbeiten gezielt und bewusst an der Vermüllung des ganzen Planeten. Merkt fast jeder jeden Tag: die Dinge werden immer billiger, halten weniger lange und sind enorm schwer zu entsorgen. Der Stinkefinger der Industrie für den Verbraucher.
Der jedoch … gewöhnt sich an seine Ohnmacht, denn immer wieder tauchen hinter den Kulissen Informationen auf, die belegen, das der Staat ihn belügt – und möglicherweise sogar mordet, wenn es ihm zu eng wird. Staatliche Killerkommandos als Exekutivorgane? Traut man sich da wirklich noch auch die Demo? Weiß der Vogel nicht, das man sich eventuell in Lebensgefahr bringt, wenn man zu erfolgreich ist? Einfach mal … Rudi Dutschke fragen.
Nun – die Welt der Geheimdienste ist ja nichts für uns, genauso wenig wie die Welt der Politik, weshalb ich an dieser Stelle nicht über die Bilderberger reden darf. Man würde mir sofort den Stempel „Verschwörungstheoretiker“ aufdrücken, erst recht, wenn ich behaupten würde, das in solchen Gesprächskreisen politische Entscheidungen getroffen werden, die direkt unseren Alltag betreffen … wie zum Beispiel die Deregulierung der Finanzmärkte, aufgrund dessen unsere Tauschmittel in grossen Mengen auf Konten jenseits der Landesgrenzen landen. In jenen Kreisen ist man sich bewusst, das die EU dem deutschen Steuerzahler bislang 2500 Milliarden Euro gekostet hat, von denen unter anderem Privatflüge, Cocktailpartys, Luxushotels und Tiffany-Schmuck bezahlt wurden, aber außer Fidel Castro darf sich niemand zu dem offen ausgelebten Lobbyismus äussern. Schnell ist man in einer Schublade mit jenen, die Naziufos am Südpol vermuten und auch ein Verweis darauf, das solche Treffen der Kartellbildung Vorschub leisten und schon deshalb verboten gehören, hilft da nicht weiter.
Es sind jene Kreise – an denen auch SPD-Politiker beteiligt werden – die die Liberalisierung des deutschen Arbeitsmarktes nach US-Vorbild gefordert, beschlossen und durchgesetzt haben: die Pest der Leiharbeit zu Armutslöhnen ist nicht vom Himmel gefallen.
Und was erfahren wir jetzt aus dem fortschrittlichen Wirtschaftwunderland: während es dicht vor der Pleite steht, sein „Arbeitsmarkt ein Desaster ist“ während jeder vierte Jugendliche arbeitslos ist werden erfolgreiche Konzerne mit Steuermitteln gesponsert und der Staat so weiterhin restlos ausgesaugt, während für die Bürger vor Ort nichts mehr übrig bleibt, außer Verzweiflung und … die Demütigung, als Bettler bei den Sozialkassen auflaufen zu dürfen.
Da wissen wir schon, was der Vogel von der SPD im Auge hatte, als er den Satz sprach. Deutschlands Zukunft wird dem US-Vorbild entsprechen, dafür hat in erster Linie die … SPD gesorgt. Und jetzt soll das Volk eine soziale Bewegung starten und die Karre wieder aus dem Dreck ziehen? Wenn denn das noch? Wir halten uns gerade mühevoll mit drei Minijobs über Wasser, um die Nachhilfe für unsere Kinder bezahlen zu können, für die wir erst recht keine Zeit haben. Jetzt müssen wir auch noch unser Obst und Gemüse waschen, dürfen aber nicht dran denken, das es hier eventuell einen Anschlag mit Biowaffen gegeben hat, seltsamerweise wütet der neue „supertoxische Keim“ hauptsächlich in Deutschland, aber hier gibt es sowas eben nicht. Hier ist alles in Ordnung, alles prima uns gehts gut.
Das in Stuttgart busweise Frauen zur Prostitution angekarrt werden, in Libyen der Aufstand durch Söldner bestritten wird oder man ungeniert nach unseren Organen greifen will nehmen wir verbittert zur Kenntnis – aber mit einem optimistischem Lächeln im Gesicht. Im Gegensatz zu griechischen Demonstranten, die erstmal das Finanzministerium stürmen, haben wir unsere Lektion gelernt.
Am Ende unserer Revolten stand: die SPD.
Anstelle von „tief empfundenem Leiden“, Wut über die realen Verhältnisse und dem Glauben an die Möglichkeit einer besseren Welt hat sie uns Hartz IV gebracht – und damit Verzweiflung angesichts steigender Preisforderungen der Wirtschaft und Demütigung angesichts der realen Enteignung und Entrechtung durch den rot-grünen Staat.
Das die Welt davon ausgeht, das solche Erwägungen unserem politischen Millieu abgehen, finde ich bemerkenswert. Ist ja nicht gerade ein linkes Kampfblatt.
Keine Wut über die realen Verhältnisse, kein Mitleid, kein Glaube an eine bessere Welt – warum geht man denn dann überhaupt in die Politik?
Nun – weil man dort eben auch mal mit einem Privatjet fliegen, in Luxushotels übernachten und teuren Schmuck kaufen kann. Man wird Teil jener Welt, in der eine Hand die andere wäscht:
Bundeskanzler Schröder trat im Jahr 2004 vor AWD-Führungskräften auf und soll laut einer internen AWD-Mitarbeiterzeitung erklärt haben: „Sie als AWD-Mitarbeiter erfüllen eine staatsersetzende Funktion. Sichern Sie die Rente Ihrer Mandanten, denn der Staat kann es nicht.“
Diese Nähe zur Regierung Schröder habe dazu geführt, dass viele Kunden dem AWD vertraut hätten. Das Unternehmen vermittelte zehntausenden Deutschen verlustreiche Fonds, die ihre Anteile zum Teil sogar auf Kredit finanzierten und letztlich viel Geld verloren. Laut vielen Geschädigten wurden die Produkte als sichere Altersvorsorge empfohlen.
Im März 2011 wurde bekannt, dass Maschmeyer die Rechte an Schröders Memoiren für rund eine Million Euro erworben haben soll.
Angesichts solcher Nachrichten dürfte unser Glaube an eine mögliche bessere Welt momentan etwas angeschlagen sein. Pech für die SPD. Nun wird sie möglicherweise selbst ihre Arbeit machen und soziale Demokratie in Deutschland durchsetzen müssen. Die jedoch startet momentan ein eigenes revolutionäres Projekt, das sich im ersten Moment seltsam anhört:
Die Mitglieder einer Volkspartei sind ihre Ohren und Augen.
Und was bleibt für uns übrig?
Verzweiflung, Demütigung – und ein verkrampftes Lächeln im Gesicht. Wir wollen ja nicht als Meckerdeutsche auffallen, lieber geben wir die freundlichen dauergrinsenden Aufschwungstatisten – das haben wir aus den USA gelernt.