Querfront

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Die wahre Querfront

Ein Standpunkt von Michael Ewert.

Der Vorwurf einer Querfront ist allgegenwärtig. Ebenso häufig wird er zurückgewiesen. Zu Recht? Das ist die Frage, denn bei näherem Hinsehen kann man zu dem Ergebnis kommen: Ja, wir haben eine Querfront, und sie ist tatsächlich eine Gefahr für die Demokratie. Sie zu bekämpfen bedarf es all unserer Anstrengung. Allerdings sind es andere Kräfte als die sonst in diesem Zusammenhang genannten, die eine Front gegen unsere Grundrechte bilden. Wer dem Missbrauch des Begriffs „Querfront“ entgegentreten will, muss sich erst einmal dessen historische Ursprünge anschauen.

Als erstes sollten wir klarstellen, worüber wir reden. Historisch gesehen verweist die aktuelle Diskussion auf Überlegungen des Reichskanzlers General Kurt von Schleicher aus dem Jahr 1932, mangels Unterstützung im Parlament ein Spektrum gesellschaftlicher Gruppierungen zu bündeln. Ausgangspunkt war nicht die Idee eines Bündnisses von ganz links bis ganz rechts, sondern die realistische Einschätzung von Etiketten, denen in der Praxis keine Bedeutung zukam.

Endlich … das Gute und Gerne Leben für Jeden?

167 zug pixabay

In jüngster Zeit konnte man in der überhitzten Klimadebatte zum Glück auch einige angenehm deeskalierende Stimmen vernehmen, die uns zur Erinnerung brachten, dass man sich auf Seiten neoliberaler Machtstrukturen ja gerade diebisch freuen muss, wenn sich kluge Köpfe innerhalb der alternativen Medien und der Friedensbewegung, die bislang Freunde und Partner waren, nun in verbissenen Grubenkämpfen aufreiben.

In diese gerade abschwelende Kontroverse wurde nun von ganz unerwarteter Seite wieder Öl ins Feuer gegossen. In einem – zweifellos wohlmeinenden – Interview auf Rubikon mit Jens Wernicke verlässt Prof. Mausfeld, der streitende Pole bisher immer angenehm souverän von einer Art Meta-Ebene aus betrachtet hat (und damit in gesamtgesellschaftlicher Hinsicht  umso mehr Klärung bewirken konnte) nun seine gewohnte objektive Position und zeigt sich durchaus parteiisch. Mausfeld  bringt zum Ausdruck, dass auch er keine Geduld mehr mit der Gegenbewegung zur derzeit herrschenden Klimabewegung habe, er die „Heftigkeit und momentane Breitenwirkung dieser Gegenbewegung“ nicht verstehe. Dass „subjektiv überzeugte Teilzeit-Hobby-Geophysiker ihre Intuitionen gegen wissenschaftliche Einsichten geltend zu machen suchen“ sei auch „kognitionswissenschaftlich nicht ganz einfach zu erklären“. Mausfeld führt dabei ein quantitatives Argument ins Feld, das man von jemandem, der bisher aufgrund kritischer Analyse befundet hat, nicht erwartet hätte: dass es bezüglich der Klimadebatte einen deutlichen „Konsens der relevanten Forschergruppen“ gebe und „die wissenschaftliche Interpretationslage außergewöhnlich einhellig“ sei.

Rubikon-Chefredakteur Jens Wernicke, ein in Sachen Manipulationstechniken und medialem Meinungsmanagement an sich ebenfalls geschulter und erfahrender Kopf (Autor des Buches „Lügen die Medien?“), bestärkt Mausfeld noch in seinem Unbill und bezeichnet die  Kritiker der derzeit herrschenden Klimabewegung als „Astroturf-Bewegung“, für die es „keinerlei wissenschaftlichen Spielraum“ gebe.

Angesichts der drohenden Zerstörung unserer Lebensgrundlagen kann man die Vehemenz, mit der sich Wernicke und Mausfeld nun zu positionieren versuchen, durchaus verstehen, insbesondere, da ja heute jeder im öffentlichen Diskurs stehende Mensch gerade massiv gedrängt wird, sich im aktuellen Klimakampf zu „positionieren“. Wer das nicht tut, dem wird schnell AfD-Nähe, Rechtslastigkeit, Irrationalität oder Schlimmeres unterstellt.

In den sozialen Netzwerken und alternativen Medien flammen nun die soeben erst ein bisschen zur Besinnung gekommenen Grubenkämpfe wieder neu auf. Sogar heftiger denn je, sodass man im Vergleich dazu die Bomben- und Granteneinschläge von Erdogans aktueller Offensive im Norden Syriens fast schon wie belangloses Hintergrundrauschen wahrnimmt. Auch alle anderen Probleme in unserem unmittelbaren Umfeld, die uns bis vor Kurzem noch intensiv beschäftigten, sind wie vom Tisch. Sogar innerhalb der alternativen Medien wird nun der „Kampf gegen Rechts“ und gegen die „Querfront“ ausgerufen. Dass die Doomsday Clock inzwischen auf zwei Minuten vor Mitternacht, i.e. den nuklearen Holocaust gestellt wurde, juckt kaum noch jemanden, alle starren jetzt auf die Klima-Uhr, die gnadenlos tickt. Da uns laut dieser Uhr nicht mehr viel Zeit zum Handeln bleibt, ist man zu allem entschlossen. Unter dem Header „UNITE BEHIND THE SCIENCE“ sollen nun nicht mehr dumme Politiker, die von noch dümmeren Wählern gewählt werden, Entscheidungen treffen, sondern konzernwirtschaftlich (pardon: „wissenschaftlich“ natürlich) akkreditierte „Experten“ sollen jetzt alles regeln (siehe auch Norbert Häring: „Der Griff der Konzerne nach der Weltherrschaft“).

Und während gerade unglaublicher sportlicher Ehrgeiz entfaltet wird, um dem anderen seine „Unwissenschaftlichkeit“ nachzuweisen (notfalls auch mit Links zu „Faktencheck“- und Inquisitionsplattformen, von welchen man selbst diffamiert wird),  kann einen das unheimliche Gefühl beschleichen, dass wir alle nur wie Ameisen auf einem Schienengleis sitzen, auf dem gerade eine gewaltige Megamaschine heranrollt, die alles über den Haufen werfen könnte, was wir bisher an zivilisatorischen Verhältnissen gewohnt waren.

Ich habe bei der ganzen Diskussion jedenfalls das ungute Gefühl, dass sich die Global Governance-Strippenzieher (siehe „United into Great(a) Desaster“) gerade genüsslich amüsieren, wenn nun sogar im alternativen Lager der „Kampf gegen Rechts“ ausgerufen wird (wie uns Prof. Mausfeld früher ja erklärt hat, ein „Fake-Kampf“, der von den wirklichen Problemen, die uns derzeit bedrohen, ablenken soll).

Ich denke auch, dass es den meisten Kritikern der herrschenden Klimatheorie und des Greta/Rezo-Hypes (den „Klimaleugnern“) weniger um die Widerlegung der CO2-Modelle geht, sondern sie ahnen wohl eher das fundamentale Ablenkungsmanöver und die Verkürzung, in der sich jetzt alles auf CO2 fokussiert und alle anderen, wirklich abgründigen Probleme plötzlich von der Bildfläche verschwinden.

Machen wir ein einfaches Gedankenexperiment: Denken wir den CO2-Ausstoß, und auch diese AfD, auf deren Bekämpfung von allen Seiten ja nun schon seit Jahren soviel Energie verwendet wird, einfach weg (und meinetwegen auch dieses EIKE-Institut). Ist unrealistisch, ich weiß, aber nur so als Denkübung: CO2 Emissionen auf Null reduziert und AfD futsch, alle Rechten zum Schweigen gebracht … Sind wir dann wirklich gerettet und ist dann endlich das Gute und Gerne Leben für Jeden da?

Oder sind wir dann womöglich genauso am Arsch bzw. am Abgrund wie derzeit?

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Unsere Leitmedien und das älteste Gewerbe der Welt


Foto: Public Domain/Wikimedia

Auf der Plattform Swiss Propaganda Research ist gerade ein anonymer Bericht eines Top Level Journalisten erschienen. Mit trockenen Worten schildert er, welcher Arbeitsethos heute in den Redaktionen unserer vielgepriesenen  Qualitätsmedien herrscht:

Ich bin selbst schuldig, Teil des Systems zu sein oder zumindest das Spiel mitzumachen …

Die meisten seilen sich bevor sie 50 werden in die PR ab. Das Angebot von gutbezahlten PR-Jobs ist für erfahrene Journalisten gross. Der Spruch: «jetzt gehe ich dann in die PR, weil das was ich hier mache ist nicht viel anders, einfach schlechter bezahlt», ist nicht unüblich. Wer die Überzeugung hat, mit Journalismus etwas bewirken zu können, ist sehr jung, oder wird ausgelacht von der Mehrheit.

… Vordergründig herrscht in den Mainstreammedien kompletter Meinungspluralismus – abgesehen von Einzelfällen tun sich Journalisten kaum mit festen Überzeugungen hervor: Man ist für alles offen, suspekt ist, wer eine Haltung hat und konsequent aus dieser Haltung berichtet. Die Journalisten mit einer konsequenten Weltanschauung sind rar.

… Es ist nicht so, dass es vor 20 bis 30 Jahren auf den Redaktionsstuben keine Selbstzensur, Gleichschaltung, vorauseilenden Gehorsam und Tunnelblick gegeben hätte. Doch die Rahmenbedingungen in den heutigen „Redaktionsfabriken“ der Mainstream-Medien fördern geradezu den ideologielosen, opportunistischen, Klick-orientierten Journalismus, dem die wichtigen Fragen entgleiten.“

(Quelle: https://swprs.org/bericht-eines-journalisten/ )

Diese als „Geständnis“ betitelte Schilderung eines Leitmedien-Journalisten folgt geraume Zeit auf die legendäre Rede des New York Times-Chefredakteurs John Swinton. Bereits zu Zeiten, in denen die regierungsnahen Leitmedien noch über allen Verdacht erhaben waren und die von ihnen ausgegebenen Texte von fast jedermann/jederfrau täglich konsumiert und weitgehend unreflektiert internalisiert wurden, meinte Swinton:

 „Wenn ich mir erlaubte, meine ehrliche Meinung in einer der Papierausgaben erscheinen zu lassen, dann würde ich binnen 24 Stunden meine Beschäftigung verlieren. Das Geschäft der Journalisten ist, die Wahrheit zu zerstören, schlankweg zu lügen, die Wahrheit zu pervertieren, sie zu morden, zu Füßen des Mammons zu legen und sein Land und die menschliche Rasse zu verkaufen zum Zweck des täglichen Broterwerbs. … Wir sind Werkzeuge und Vasallen von reichen Männern hinter der Szene. Wir sind Marionetten. Sie ziehen die Strippen, und wir tanzen an den Strippen. Unsere Talente, unsere Möglichkeiten und unsere Leben stehen allesamt im Eigentum anderer Männer. Wir sind intellektuelle Prostituierte.“ (Quelle: Wikipedia)

Der Vergleich mit dem Gewerbe der Prostitution wird vielen Journalisten, die mit ihrer Berufswahl an sich angetreten sind, um der Wahrheit, Aufklärung und Humanität zu dienen (so denke ich naiver Mensch mir das zumindest), wohl sauer aufstoßen. Man mag darüber streiten, inwiefern zwischen den beiden Gewerben moralische Parallelen bestehen, auf rein monetär-existenzieller Ebene betrachtet, befinden sich Journalisten heute allerdings in der Tat in derselben Zwickmühle des Prekariats wie die Gewerbetreibenden in der Prostitution: Konnte man in guten alten Zeiten noch schnelles Geld machen, wenn man bereit war, seine menschliche Würde aufzugeben und sich unter den Hund zu bringen, so bekommt man fürs Beinebreitmachen heute mitunter gerade mal 15 Euro (Quelle: ZDF Reportage „Bordell Deutschland“), wovon mehr als die Hälfte an den Zuhälter und ans Etablissement gehen. Unterm Schnitt bleibt der Prostituierten also ein mieserer Stundensatz als einer Reinigungskraft, obwohl erstere laut Statistik ein größeres Gesundheits- und Todesrisiko eingeht als ein Soldat, der in den Krieg zieht. Etwas bessere Bezahlung gibt es allenfalls noch im Nobelescort-Service, allerdings ist die Ausschlachtungszeit dort sehr gering, ständig drängt billiges Frischfleisch aus dem Osten heran, während abgehangenes Fleisch von den Metzgern schnell ausrangiert wird.

Gleichermaßen konnte man in guten alten Zeiten als Bezahlschreiber bei den deutschen Leitmedien eine Menge Geld verdienen, wenn man bereit war, sein Herz gegenüber der herrschenden (transatlantisch-neoliberalen) Meinung breitzumachen und seinen Ethos an den Nagel zu hängen (siehe dazu Interview mit dem ehemaligen Welt-Journalisten Dirk C. Fleck bei KenFM«Wir leben in einem globalen Schweinesystem … Es gibt in Amerika 1.500 Zeitungen, 1.100 Magazine, 9.000 Radio­stationen und 1.500 TV-Anstalten. Die sind in sechs Händen konzentriert. Davon sind vier Rüstungs­unter­nehmen und zwei Energie­unter­nehmen. Jetzt wissen Sie Bescheid über „die freie Presse“.» Nun ist aber auch unter denen, die bisher den vollen Rückenwind des Mainstreams genossen haben, Saure-Gurken-Zeit angebrochen. Obwohl sie das mühsame Schwimmen gegen den Strom tunlichst vermeiden wollten, müssen sie nun in unwirscher Strömung um ihr Überleben paddeln. Denn nicht nur billiges Frischfleisch und junge Prekariats-Volontäre drängen in die Schreibstuben der ehemaligen Gutverdiener nach, auch die zunehmende Digitalisierung gräbt dem Nachrichtengewerbe das Wasser ab: Info-News werden von einer der drei Pressekonzerne AP, Reuters und AFP  wie vorgebackene Brötchen angeliefert und können per copy & paste übernommen werden (wie lediglich drei globale Nachrichtenagenturen als Zapfsäulen für die nationalen Massenmedien dienen, ist im SWPRP-Medienreport „Der Propaganda-Multiplikator“ nachzulesen).

Um die Tiefkühlbrötchen der Presseagenturen aufzubacken, braucht es allenfalls einen Kosmetiker, aber keinen Journalisten mehr, der wirklich in die Tiefe recherchiert und das macht, wozu er als Journalist eigentlich ausgebildet wurde. Demnächst braucht es sogar nicht einmal mehr den Kosmetiker – smarte Algorithmen übernehmen mitunter bereits das Schreiben kompletter Artikel. So ist es in mehreren US-Zeitungen bereits gang und gäbe, dass man dem Computer nur noch ein Sportergebnis füttert und der Blechkollege dichtet eine Story drumrum, die dann unredigiert abgedruckt wird. Auch auf Wikipedia werden schon seit längerem automatisierte Bots eingesetzt, die im Netz verfügbares Informationsmaterial durchforsten und daraus pro Tag bis zu 100.000 Artikel verfassen, die sogar für das skeptische Auge von Gwup-Nerds und der Sheldon Cooper-Community alle Anforderungen an Wissenschaftlichkeit und Sachzwänglichkeit erfüllen (siehe Spiegel).

Doch nicht nur dem niederschwelligen Boulevardjournalismus stehen wenig rosige Zukunftsaussichten ins Haus. Auch im Nobelescort-Bereich des Journalismus ist die Luft dünn geworden, allerortens wird gnadenlos rationalisiert. Wie aus der Redaktion ausgestiegene Journalisten berichten, sind die Zeiten, in denen man als gewöhnlicher Spiegel-Redakteur wirklich gut verdient hat, längst vorbei und hat auch die Porsche-Dichte in der Tiefgarage deutlich abgenommen. Allenfalls als Chef der Etablissements hat man noch leicht lachen und kann bei abendlichen Gala-Diners von Atlantikbrücke-Verein & Co. entspannt Champagner schlürfen und Schokotrüffeln schlemmen – und das Schulterklopfen der ganz Mächtigen genießen. Dass Putin und Russland in der deutschen Medienwelt die alternativlos Bösen bleiben, lässt man sich in der oberen Liga schon noch etwas kosten.

Für kleine Schreiberlinge und Nachwuchstalente sieht es jedoch traurig aus, denn sie sind in der postfaktischen Medienwelt jederzeit ersetzbar geworden. Niemandem wird es auffallen, wenn sie nicht mehr auf ihrem Arbeitsplatz Dienst verrichten, geschweige denn, ihnen eine Träne nachweinen. Wie der eingangs erwähnte Journalist im SWPRS-Bericht erzählt, herrscht in den Massenmedien mittlerweile Existenzangst und Endzeitstimmung:  „Nirgends war das Klima der Angst grösser und expliziter als beim grössten privaten Medienhaus der Schweiz. Die Angst vor der nächsten Sparrunde, Umstrukturierung, vor dem unerwarteten Seitenhieb in der Blattkritik.“ Die Existenzangst führe dazu, dass die Journalisten ihre eigenen Denkmuster nicht mehr hinterfragen und insbesondere einer „US-EU dominierten Sicht- und Erklärweise der Weltereignisse“ unterliegen.

Nichts ist in den Schreibstuben also mehr wie früher. Sogar wenn sich bedingungslos auf Blattlinie schreibende Journalistinnen wie die junge Leonie Feuerbach um Kopf und Kragen schreiben, indem sie mit allem ihnen zur Verfügung stehendem Krallen- und Beißwerkzeugeinsatz politisch nicht korrekte Friedensfestivals an den Pranger stellen (siehe heise) und mit aller gebotenen Härte gegen „Querfrontler“ wie Ken Jebsen, Xavier Naidoo oder Werner Altnickel vorgehen, ist nicht gewiss, ob die eifrigen GedankenpolizistInnen nicht schon übermorgen selbst wegrationalisiert werden. In Zeiten, in denen morgen nichts mehr so ist wie gestern, kann es schnell mal sein, dass sich Leonie Feuerbach als Kühlregalschlichterin beim Lidl widerfindet, obwohl sie doch gerade erst nach stolzer Gutsherren(frauen-)art das Horn zur Jagd geblasen hat und mit einem stattlichen Rudel an Labradoren im Gefolge über die urbanen Äcker des neoliberalen Fürstentums geritten ist.

Wer weiß, vielleicht wird die jagdlustige Dame, die unzähligen Hasen den kalten Angstschweiß aus dem Fell getrieben und ihnen dieses dann über die Ohren gezogen hat, unvermittelt von einem Burnout gestreift … oder die grüne Galle, die sie im Kampf gegen unbotmäßige Friedensaktivisten entwickelt hat, schießt ihr in die Nieren … – und schon kann Schluss sein mit der spitzen Schreibtischtäterschaft und dem Sold am Monatsersten. Wenn man heute nur für kurze Zeit einmal nicht mehr leistungsfähig ist, dann darf man erleben, wie das leistungsorientierte System, für das man zuvor mit aller Verve gekämpft hat, mit einem selbst umgeht. Auch wenn sie jetzt noch im ledergepolsterten Vorzimmer zum Chef sitzt und aus der erhöhten Sitzposition des SUV nach unten blickt, selbst ambitionierte Nachwuchskräfte wie Leonie Feuerbach, die alles gegeben haben, sind heute nicht davor gefeit, schon morgen ausrangiert und auf Hartz 4 gesetzt zu werden. Statt SUVs in der Tiefgarage dürfen sie dann versprengte Einkaufswägen an der Lidl-Kassa parken.

Dabei war der Traum vom kleinen Glück bereits so greifbar nahe: Nachdem die junge Leonie laut ihrer FAZ-Vita dem ehrwürdigen Leitmedium von 2014 bis 2016 als Volontärin gedient und nach dieser zweijährigen Bewährungsprobe schließlich am 1. April 2016 dasjenige Privileg erhalten hat, das für eine Studentin der Politikwissenschaften in heutiger Zeit seltener ist als ein vierblättriges Kleeblatt in einer Sandkiste: eine Festanstellung als Redakteurin. Nach dem Platzen der schillernden Seifenblase, auf die Oma besonders stolz war, wird die junge Leonie dann womöglich auch verdutzt feststellen dürfen, dass die nadelgestreiften Feudalherren, in deren Sold sie früher stand, an der Kassa keinen einzigen Cent Trinkgeld springen lassen, während Friedensaktivisten, denen sie in ihrem früheren Leben den medialen Garaus bereitet hat, sich als unerwartet großzügig erweisen, obwohl diese selbst ein karges Auskommen haben und in zerschlissener Kleidung unterwegs sind. Angesichts der herablassenden Art der nadelgestreifen Herren, mit denen sie früher auf Augenhöhe scherzte und die nun bei ihr einkaufen, wird die geharzte Leonie womöglich sogar an die leibhaftige Existenz von Reptiloiden zu glauben beginnen, obwohl sie solchen Verschwörungstheorien bisher immer sehr abhold war.

Wie sie in ihren FAZ-Artikeln unter Beweis gestellt hat, verstand es Leonie, Verschwörungstheorien mit fachmännischer Journalistenhand zu einem toxischen braunen Cocktail zu mixen, in den als Zutaten neben Chemtrails, den 9/11-Anschlägen, Reichsbürger-, Tiefenstaat- und Überwachungsphantasien, Aluhüten und sonstigem „kruden“ Kraut dann auch noch beiläufig die Namen derjenigen Personen eingestreut wurden, vor denen man als aufgeklärter fernsehender Spiegelbildbürger unbedingt auf der Hut sein sollte (siehe FAZ).

Wären da nicht diese verflixte Digitalisierung und der gnadenlose Ökonomisierungsdruck, die Chefetage hätte Leonie Feuerbach diese Cocktails bis zu ihrer Rente jede Woche aufs Neue weitermixen lassen, um sie dann wie Schrotladungen ins weite Feld des „manufacturing consent“ zu schleudern (siehe Rezension zu Noam Chomsky auf Nachdenkseiten: „Die Wachhunde der Machtelite“), obwohl die Leser solcher Ergüsse bereits überdrüssig sind und sich angewidert abwenden. Jedenfalls wird die neue Smart-App „Leonie 4.0“ das Mixen dieser Cocktails genauso gut beherrschen – und zwar im Bruchteil einer Sekunde und zu einem Bruchteil der betriebswirtschaftlichen Kosten, die momentan noch für Humanressourcen auflaufen. – Humanressourcen, die sich gerade selbst in die Obsoleszenz schreiben.

 

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Zum Thema Journalismus siehe auch:

Prof. Reiner Mausfeld: „Der leise Tod der öffentlichen Debatte“

Jens Wernicke bei KenFM: „Lügen die Medien?“

Nachrichtenspiegel: „Der Mensch am Schlachtfeld zwischen Lüge und Wahrheit – Teil 1: Im Griff der Würgeschlange“

Nachrichtenspiegel: „Der Mensch am Schlachtfeld zwischen Lüge und Wahrheit – Teil 2: Die Götterdämmerung der Lügenpresse“

Donald Trump und Antiamerikanismus – nachdenKEN

bzw. ein Rant über betonköpfige Linke und als Links verkleidete Rechte. Und über echte Rechte. Und über Trump. Enthält KenFM Eigenwerbung.

youtube Text:

Der neue Präsident der USA heißt Donald Trump.

Noch nie hat eine Person, die sich für den Posten im Weißen Haus beworben hat, schon im Vorfeld so viel Dresche bekommen wie Donald Trump. Doch auch seit das Rennen gelaufen ist, reißt das offene und ununterbrochene Bashing ihm gegenüber nicht ab.

Die rassistischen Sprüche, mit denen Trump Teile seines Wahlkampfes bestritt, fanden ihr Echo in den Systemmedien, die bis heute mit ähnlich rassistischen Abwertungen Trump selber, aber vor allem die, die ihn gewählt haben, zu entwürdigen versuchen und als vollkommene Idioten abzustempeln. Trump-Wähler sind Abschaum – so wird seit Tagen verkündet.

Der Spiegel verstieg sich rund eine Woche nach der Wahl dazu, Trump einen Antisemiten zu nennen. Nur, wie passen dazu die Standing Ovations ihm gegenüber, als dieser in den letzten Tagen des Wahlkampfs vor AIPAC sprach? Sind amerikanische Juden einem Antisemiten auf dem Leim gegangen? Sind wirklich alle Trump-Wähler „White Trash“, oder ist diese gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, produziert von den Massenmedien,
nicht selber Rassismus in seiner übelsten Form?

Fakt ist: Der Sieg Trumps ist vor allem eine Niederlage der System-Medien. Ihnen ist es nicht gelungen, trotz monatelanger Propaganda für Clinton und gegen Trump, die öffentliche Meinung derart zu diktieren, dass der Wähler sich genötigt gesehen hätte, den Liebling der Medien Hillary Clinton zu wählen.

Der Sieg Trumps und vor allem die Reaktion in Deutschland auf ihn zeigt aber auch das Versagen der Linken. Trump erreicht in den USA-Wähler, die auch die AfD in Deutschland anspricht. Menschen, die nicht per se rechts ticken, sondern die vor allem enttäuscht sind. Enttäuscht von linker Politik, linken Medien und linken Aktivisten. Sie alle haben den Kontakt zur Straße verloren, Leben intellektuell entrückt. Der größte Teil der Linken auch in Deutschland hat sich mit dem Wirtschaftsfaschismus arrangiert und schaut dem Abbau des Sozialstaates weitgehend zu. Linke haben sich „eingerichtet“ und wollen – so wie die Grünen – nur noch bessere Posten in der Machtpyramide ergattern. Glaubwürdigkeit sieht anders aus. Die Linken von heute sind von einem Rudi Dutschke so weit entfernt, wie der Friedensnobelpreisträger Obama von echtem Change, sprich fairer Beteiligung der Massen an erarbeitetem Wohlstand. Teilhabe bedeutet für die offiziellen Wortführer der Linken in nahezu allen Bereichen vor allem persönliche Bereicherung und persönliche Teilhabe am großen Kuchen des vom Volk erarbeiteten Staatsvermögen.

Wir erleben in der Reaktion der Medien auf Trump den Niedergang eines elitären Systems, das unfähig ist, sich selber zu hinterfragen und das, ähnlich wie damals die Genossen in der DDR kurz vor Mauerfall, nur noch in der Lage ist, auf die die längst Ausgereisten verbal einzuschlagen. Damals war man Verräter des Sozialismus, heute ist man White Trash.

Die Wahl Trumps wird auch in Europa und speziell in der BRD ihre Auswirkungen haben, mit leichtem Delay. Die Wiederwahl Angela Merkels 2017 ist so „sicher“ wie der Wahlsieg von Hilary Clinton 2016 es war. Den Volksparteien geht der Hintern auf Grundeis und das ist auch gut so. Hochmut kommt vor den Fall.

Ken Jebsen denkt nach dem spontanen Webcam-Kommentar zu Trumps Sieg erneut über Trump und die Folgen nach. Er fordert auf, die Zeichen der Zeit zu erkennen. „Mehr Demokratie wagen“ bedeutet 2016 mehr zivilen Ungehorsam, mehr direkte Demokratie und weniger Ehrfurcht vor einer politischen Kaste, die große Teile der Bevölkerung für dumm, unfähig und gefährlich hält.

Die USA sind die dynamischste Demokratie der Welt, doch dass sich ausgerechnet die Fans von gestern jetzt nicht zu schade sind, jedes anti-amerikanische Klischee zu bemühen, um ihren Unmut über den Ausgang der letzten US-Wahl auszudrücken, lässt tief blicken. Sind vielleicht die System-Medien als Stimme der Einfluss-Reichen und Schönen nicht wirklich an echter Demokratie interessiert?

Die Hassgesänge der deutschen Medienelite – die Kolumne von Spiegel-Online

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Montag, 21.12.2015. Eifel. Aus der Kiste der Bücher, die ich noch zu lesen habe, zog ich letztens Jürgen Roths Werk „Gangsterwirtschaft“. Schon nach den ersten 50 Seiten hatte ich den Kaffee auf (wie man so schön sagt): die Bedrohung der demokratischen Zivilgesellschaft durch kriminelle Organisationen hatte 2012 ein Ausmaß erreicht, dass man zurecht von einer „Gangsterwirtschaft“ sprechen konnte, einer Gesellschaft, die Menschen wie den russischen Unternehmer Chodorchovsky als Volkshelden feiert: einen Unternehmer, dessen Sicherheitsdienst mit gezielten Auftragsmorden Menschen ermordete, die dem Unternehmen im Weg standen: einen Bürgermeister, der die Frechheit besaß, Steuerzahlungen vom Konzern zu verlangen, ein Ehepaar, das für den Konzern mordete und diesen erpressen wollte, ein Ehepaar, das seine Firma nicht verkaufen wollte (siehe: Jürgen Roth, Gangsterwirtschaft, Eichbornverlag, Taschenbuchausgabe 10/2012, Seite 39). Es gab noch mehr Informationen – über andere deutsche Konzerne, über Gelder des organisierten Verbrechens in der deutschen Wirtschaft – ohne die viele Unternehmen einfach pleite wären. Ich hatte mich für einen gut informierten Menschen gehalten – doch Jürgen Roth zeigte mir schnell auf, dass ich von der häßlichen Fratze dieser Welt keine Ahnung habe. Wie auch: wo Killerkommandos unangenehme Menschen aus dem Weg räumen, wo Spitzenpolitiker mit den Chefs der Auftragsmörder gemeinsame Sache machen, wo Arbeitsplätze in Gefahr sind – da schweigt der Journalist schnell, das süße Leben im Elite-Café ist gefährdet.

Umso überraschter fand ich die Empfehlung des Herrn Roth für einen Artikel von Sybille Berg über „Rechtspopulismus – Die Macht der Frustrierten“ – der mir selber übel aufgestoßen war. Ich lese viel von Frau Berg, selten erzeugt es Ungemach – es ist oft eine schöne, lustige, oberflächliche Plauderei, die in angenehmen Ton mit Perspektiven spielt, die nicht alltäglich sind, nur selten schimmert eine akademische Arroganz durch die Zeilen, die in diesen Kreisen üblich und … überlebenswichtig ist. Diesmal jedoch … war ich nicht wenig verblüfft, wie einem unverhohlener Hass entgegensprang (siehe Spiegel):

„Was da also durch den Führer zum Volk schwellt, ist das Gedankengut, das einer, der nicht alle zusammen hat, den das Leben bitter enttäuscht hat, der in einem vollgeschwitzten Unterhemd an einem Küchentisch in einer Bude sitzt, wo gerade der Strom abgeklemmt wurde, so vor sich hin brabbelt, nach dem zehnten Bier.“

Da war es wieder: das Urbild des neuen Untermenschen, kreiert von der Bildzeitung und ähnlich hohlen Gestalten, der Aussätzige in Person: vergessen worden waren nur die Mayonnaiseflecken auf dem Unterhemd.

„Es wird laut und aggressiv gegen jede Minderheit gewettert, Stimmung gemacht gegen alles, was dem Leitbild des weißen Schweizer Mannes scheinbar gefährlich werden kann. Ausländer, Frauen, Künstler, Homosexuelle, Sozialhilfeempfänger, vielleicht auch hier und da die Juden (in der Schweiz gibt es nicht mehr genug, als dass die Mobilmachung gegen diese Minderheit lohnte). Und das Volk nickt, dankbar. Das hat man doch immer gewusst. Die da unten sind schuld.“

So jedenfalls stellt die wohlbehütete, wohlversorgte Intellektuelle sich den niederen Untermenschen vor. Der wettert eigentlich nicht gegen Sozialhilfeempfänger – wem der Strom gerade abkeklemmt wurde, ist wohl eher selber einer. Wer arm ist, der kann nur Schuld sein – das war ja auch die Meinung Chodorchovskys, der die Ansicht vertritt, dass jeder – wirklich JEDER – Oligarch werden kann (wir berichteten). Eine Welt mit sieben Milliarden Milliardären kann er sich locker als realisiserbar vorstellen, wer anderer Meinung ist, wird halt entsorgt.

Populismus – was ist das eigentlich? Ich besuche die Bundeszentrale für politische Bildung (siehe bpb):

„Laut Duden ist Populismus eine „von Opportunismus geprägte, volksnahe, oft demagogische Politik, die das Ziel hat, durch Dramatisierung der politischen Lage die Gunst der Massen (…) zu gewinnen“. Das Erfolgsrezept von Populisten scheint auf einer kurzen Formel zu basieren: einfache Antworten auf schwierige Fragen geben.

Strittig ist, ob Populismus per se eine Gefahr für demokratische Systeme ist oder – einem Seismografen gleich – auf vernachlässigte Probleme hinweist. Es gilt, eine Debattenkultur zu etablieren, in der alle Herausforderungen und Probleme in einer Gesellschaft zwar benannt werden können, dies aber unaufgeregt und differenziert statt diffamierend und verkürzt. Die Grenzen des Diskurses liegen in der Würde des Anderen.“

Ja – es könnte sein, dass der Erfolg populistischer Parolen einfach darin begründet liegt, dass es echte Probleme gibt. Es könnte einfach sein, dass es gar keine „Querfront“ gibt, die ihr dunkles Haupt über Deutschland erhebt, sondern nur Menschen von Rechts bis Links, die sich an den gleichen Problemen reiben – wie zum Beispiel an dem Problem, dass Armut in Deutschland lebensgefährlich ist (siehe mdr):

„Im Erfurter Norden ist ein von Zwangsräumung bedrohter Mann in seiner Wohnung von mindestens einem Polizeischuss getötet worden. Der mit einer Axt bewaffnete 48 Jahre alte Mieter sei zunächst noch schwer verletzt in eine Klinik gebracht worden, dort aber kurz darauf gestorben, teilte die Erfurter Polizei mit.“

Zwangsräumung – kommt gleich nach dem Stromabstellen. Gibt es hier Edelfedern bei Spiegel-Online, die diese fortlaufende Verrohung kommentieren? Nein – dort baut man mit erstaunlicher Geschlossenheit ein neues Feindbild auf: den ostdeutschen Untermenschen. Es zeigt, dass „bildungsferne Schichten“ auch in Reaktionsstuben sitzen können, mit Amt, Würden und fürstlichen Bezügen ausgestattet – nur definiert man dort Bildung anders, das eigene Wortgeschwurbel wird zum Maßstab aller Dinge. Lauschen wir einfach mal Jan Fleischhauer (siehe Spiegel):

„Der Osten weist den Vorwurf stets von sich, fremdenfeindlich zu sein. So wie der Islam stets abstreitet, mit Terror etwas zu tun zu haben. Warum aber votiert jenseits der Elbe jeder Dritte für Parteien, die ein Problem mit Andersartigkeit haben?“

Der edle Besserwessi in Aktion – in einem Abwasch wird die Partei „Die Linke“ zu einem AfD-Ableger erklärt, der „Ossi“ an sich wird zum minderwertigen Untermenschen erklärt (diesmal ohne Bier und Unterhemd), ja sogar in ein Boot mit islamistischem Terror gesetzt: „guter“ Rassismus im Kampf gegen „bösen Rassismus“. Der Ossi – Feind der Welt, geistiger Bruder des „Islamischen Staates“.

Georg Diez schlägt begeistert in die gleiche Kerbe, ruft auf zur Volksfront gegen den wahren Feind im eigenen Land (siehe Spiegel):

„Aber es ist einfach zu unangenehm, sich die Zusammenhänge genau anzuschauen. Ein Jahr Pegida bedeutet eben auch: Die Integration von Teilen der ostdeutschen Bevölkerung hat nicht funktioniert – auch 25 Jahre Einheit haben nicht gereicht, um Menschen, die in einem totalitären System aufgewachsen sind, die Grundlagen von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten beizubringen.“

Der ostdeutsche Untermensch: Staatsfeind Nr. 1.

„Es verbindet sie nichts mit diesem System, das wird immer deutlicher. Man hat ihnen einfach nicht erklärt, was das alles soll, die Demokratie, und wenn man die Bilder sieht aus Nauen oder Meißen, dann sieht man, was das für ein Fehler war.“

Ja – die verstehen einfach nicht, was „Demokratie“ ist, diese Ossis. Die denken noch, sie dürften da einfach ihre Meinung sagen. Dabei heißt Demokratie in den Köpfen der Edelfedern, dass man sich ihrer Meinung gefälligst anschließen sollte – sonst kriegt man eins mit der Nazikeule. Nazikeule? Ja – Sascha Lobo fordert, sie flächendeckend einzusetzen (siehe Spiegel):

„Deshalb plädiere ich hiermit für die gezielte Verwendung der Nazikeule (und damit implizit für eine Umdeutung des Begriffs). Wann immer rechtsradikale Thesen geäußert werden, sollen sie rechtsradikal genannt werden. Wann immer rechte Menschenfeindlichkeit augenzwinkernd angedeutet wird, soll sie rechte Menschenfeindlichkeit genannt werden.“

„Der erste und wichtigste Schritt in das Gespräch, das die Besonnenen zu Recht fordern – ist also, deutlich zu machen, wo die Grenze verläuft zwischen legitimer Meinung und Nazi. Und zum Ziehen dieser Linie eignet sich die Nazikeule vortrefflich. Preist die Schönheit der Nazikeule!“

Ich merke immer wieder, warum ich Sascha Lobo prinzipiell meide: habe noch nie etwas von ihm gelesen, dass Inhalt hat und deshalb schnell aufgegeben. So allgemein gehalten ist dieses Geschwalle sicher noch kritikfrei zu ertragen – doch schnell wird es ungemütlich, wenn man fragt: was genau ist denn eigentlich mit „rechter Menschenfeindlichkeit“ gemeint? Ist „linke Menschenfeindlichkeit“ im Umkehrschluss dann ok? Und wo ich gerade dabei bin: ist dieser Aufruf zum hemmungslosen Einsatz einer wunderschönen Keule ohne konkrete Definition und klarer Aufdeckung der Vernetzung des kritisierten Gedankengutes mit nationalsozialistischen Überzeugungen nicht lediglich ein Aufruf zur gnadenlosen Hetze und gedankenlosen Jagd auf alles, was der Autor selbst als „anders“ und „fremd“ empfindet – was seinen Vorstellungen von „legitimer Meinung“ widerspricht?

Worum es geht, ist klar: die Flüchtlingskrise – das ist der bindende Zusammenhang; die Krise und die Angst der Deutschen vor dem Islam. Wo kam diese Angst eigentlich noch mal her?

Nun – es ist eine populäre Verschwörungstheorie, die diese Meinung am 11.9.2001 prägte – eine Theorie die nach ausdrücklicher Weisung des US-Präsidenten George W. Bush niemals angezweifelt werden darf  (siehe z.B Telepolis), obwohl es alternative Theorien gibt, die auch einen hohen Grad an Plausibilität besitzen. Nach dieser Theorie war es eine Bande von Islamisten, böse, primitive, andersartige Geschöpfe, die in Afghanistan in Höhlen wohnten und von dort aus die ganze Welt mit Terror überzogen – so genial, dass sie den kompletten Sicherheitsapparat der letzten Supermacht auf Erden mit Leichtigkeit austricksen konnten. Es bestand fortan Lebensgefahr für alle, im Kampf gegen den bösen Moslem mussten sogar Angriffskriege geführt werden, die gegen das Völkerrecht verstießen.

Der Geist des bösen Moslems bevölkerte fortan die Medien – was war er nur für ein unheimlicher Unmensch, der sogar Menschen bei lebendigem Leibe verbrannte (eine Nachricht, die bei uns weit verbreitet wurde, um die Bestialität des Moslem zu beweisen, während im arabischen Raum nur von einem toten Piloten die Rede war – siehe Zeit).

Nun kann man zurecht sagen: „Selbst schuld, der blöde Ossi, wenn er alles glaubt, was wir berichten; daran sieht man ja, wie blöde er ist und wie wenig er von der „Demokratie“ verstanden hat“. Man sollte sich dann aber nicht wundern, wenn das Wort der „Lügenpresse“ umgeht und viel Anklang findet.

Zurück zum Spiegel und seinen Kolumnisten, zurück zu Georg Diez, der gar nicht genug Superlativen fand, dass Attentat auf Henriette Reker aufzubauschen und es mit dem „Terror der RAF“ gleichzusetzen – ohne zu wissen, dass wir hier dem echten rechtsradikalen Terror sehr nahe kommen. Die Fraktion der Grünen hatte eine kleine Anfrage gestellt, was es denn mit diesen Gerüchten auf sich hätte, dass der Attentäter ein V-Mann des Verfassungsschutze war – also einer jener Leute, ohne die die NPD schon längst pleite gegangen und in Bedeutungslosigkeit versunken wäre. Die Antwort der Bundesregierung läßt einen verstört zurück (zu finden bei Volker Beck):

Zu 14 c):
Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass eine Beantwortung der Frage nicht erfolgen kann. Der Informationsanspruch des Parlaments findet eine Grenze bei geheimhaltungsbedürftigen Informationen, deren Bekanntwerden das Wohl des Bundes oder eines Landes gefährden kann.

Also: gemäß den Gesetzen der Aussagelogik würde ich das als klares „JA“ definieren, welches aus Gründen der Wahrheitsverschleierung nicht genannt werden darf. Wo bleibt da eigentlich die Nazi-Keule?

Nun: die prasselt auf jene nieder, die versehentlich die antimuslimische Propaganda des Westens ernst genommen haben und nun mit Angst reagieren. Das hat erstmal – im ersten Schritt – mit Nationalsozialismus nichts zu tun, eher das Gegenteil ist der Fall: der Nationalsozialismus konnte mit dem Islam viel anfangen (siehe Jungle World):

„Nicht nur Heinrich Himmler schwärmte von der »weltanschaulichen Verbundenheit« zwischen Nationalsozialismus und Islam; er führte den Begriff der »Muselgermanen« ein. Auch Amin el-Husseini wies auf das »Parallel-Laufen« der Ideale der Muslime und Deutschen hin und definierte die Berührungspunkte folgendermaßen: 1. Monotheismus – Einheit der Führung. 2. Die ordnende Macht – Gehorsam und Disziplin. 3. Der Kampf und die Ehre, im Kampf zu fallen. 4. Die Gemeinschaft. 5. Familie und Nachwuchs. 6. Verherrlichung der Arbeit und des Schaffens. 7. Das Verhältnis zu den Juden – »In der Bekämpfung des Judentums nähern sich der Islam und der NS einander sehr.«“

Huch – wo sind wir denn nun da gelandet? Nun – in jener Welt, in der Bildung herrscht und nicht bildungsferne Meinungsmacher Phrasen dreschen, beständig den anderen vorwerfen, sie würden die Welt (z.B. durch Verschwörungstheorien) „vereinfachen“, wobei gerade das Gegenteil der Fall ist: aufgezeigt wird, dass die Welt komplizierter ist, als es das Fassungsvermögen des durchschnittlichen Lohnschreibers zu verarbeiten erlaubt – weshalb man mit kruden Hypothesen Hass sät und Stimmung macht. Nazis und Islamisten hatten sogar einen gemeinsamen Truppenverband, die 13. SS-Gebirgsdivision „Handschar“ (benannt nach einem arabischen Krummsäbel). Da wird Pegida auf einmal zum antifaschistischen Widerstand – und die Welt der Lohnschreiber steht Kopf.

Es wäre auch einfach, das Problem zu lösen, die Ansätze sind bekannt. Einstellung der massenhaften Lieferung deutscher Waffen ins Krisengebiet – jener Waffen, die nach Angaben von Amnesty International die Gräueltaten im großen Stil befördern (siehe Spiegel) und Einstellung der Luftangriffe, die viele Menschen in die Arme der IS treiben (siehe Süddeutsche) – das blindwütige, geistlose Schwingen einer „Nazi-Keule“ im Inland gehört nicht dazu, auch nicht das Verdrängen einer wachsenden Deutschenfeindlichkeit muslimisch orientierter Mitbürger (das Magazin theintelligence führt hierzu einiges aus, unter anderem belegt durch einen Filmbericht des ARD über eine Schule in Essen-Karnap) oder die öffentliche Lobhudelei von dem überlegenen syrischen Flüchtling, der deutschen Kindern zeigt, wo er Hammer hängt … wie zum Beispiel jener Syrer, den die Verteidigungsministerin bei sich aufgenommen hat (siehe Spiegel):

„“Er hat unser Leben bereichert“, sagte die CDU-Politikerin der Zeitung. „Für meine Kinder ist es unglaublich lehrreich zu sehen, wie sehr er sich durchbeißen musste.“ „Die Ministerin sagte, der Syrer zeige, „wie viel Kraft in so jungen Flüchtlingen steckt, wenn wir ihnen am Anfang Zuversicht geben“. Sie betonte: „So viele Flüchtlinge wollen Fuß fassen und etwas in Deutschland schaffen. Diesen Schwung sollten wir aufnehmen und fördern, dann gelingt Integration.““

Überlegen Sie mal, wie das auf den bierseligen Mann im Unterhemd wirkt, dem gerade der Strom abgestellt wurde: natürlich ist der Hausflüchtling der Frau von der Leyen von edlem Geblüt, er macht gerade einen Pilotenschein, seine Familie ist so reich, dass er nie Leistungen in Anspruch nehmen musste, verdrängt wird, dass sein „Schwung“ auf einen jener Arbeitsplätze zielt, die für Deutsche selbst immer unerschwinglicher werden … womit wir wieder bei den bösen Ossis sind, die eben diese Erfahrungen machen mussten: die Reichtümer ihrer Länder waren für andere – für Besserwessis – gedacht. Ist es so schwer verständlich, dass es Ungemach erzeugt (und Ängste), wenn der Besserwessi jetzt den Bessersyrer einführt, an dessen Wesen das Land genesen soll? Wenn die Regierung das macht, was vor kurzem noch ein Scherz war – sich ein neues Volk zuzulegen, dass besser wählt als das alte?

Doch jene Menschen „brabbeln“ ja nur, eine Kommunikationsform, die nur geistig äußerst schwache Untermenschen anwenden. Das ist kein Rassismus?

Doch wo ist nun eigentlich die Quelle zu suchen, aus der diese Querfront von Reichen stammt, die augenscheinlich politisch weit auseinanderliegende Edelfedern so eint? Ist es die Agenda 2018, die jedem fünften Spiegelschreiber bis 2018 den Verlust des Arbeitsplatzes garantiert und somit zu besonders emsigen Konformitätsschreiben anleitet – um nicht auch zu jenen zu gehören, denen der Strom abgestellt wird (siehe Frankfurter Rundschau)? Oder ist es ein genereller Reflex auf den neuen Gesellschaftsvertrag, wie ihn der Soziologe Heinz Bude formuliert (siehe Spiegel):

Früher hieß der stille Gesellschaftsvertrag „Wer will, kann“, heute lautet die allgegenwärtige Drohung „Wer nicht aufpasst, rutscht“.

Ich denke – hier muss man weiter ausholen. Der Grund für den zwanghaft-neurotischen Gebrauch der Nazikeule (die erst überhaupt echte Nazis mit anderen kritischen Gruppen vereint – jene … oft V-Mann gesteuerten … Typen, die als Trittbrettfahrer überall auftauchen, wo politische Macht lockt) ist woanders zu suchen: man fürchtet die Konkurrenz. Es droht Gefahr für die Etablierten: eine neue Geburt echter Linker, die Gesellschaft neu erfinden wollen (siehe le Bohemien):

„Basierend auf dem Konzept des Linkspopulismus des argentinischen Theoretikers Ernesto Laclaus und der Erfahrung der (bis vor kurzem) erfolgreichen linken Bewegungen Südamerikas des letzten Jahrzehnts, versucht Podemos “jenseits von Links-Rechts” eine neue politische Identität zu schaffen: die des “Volkes”, das sich als Gegenpol zur politischen und wirtschaftlichen Elite versteht. Grundsätzliche Kapitalismuskritik tritt dann in den Hintergrund, zugunsten einer oft moralisierenden Anklage der korrumpierten Politik und dem obszönen Egoismus der Reichen.“

„Alle, die von dem Egoismus und der Korruption der alten politischen Klasse genug hatten, sollten sich in ihr wiederfinden. Beispielhaft für diese Strategie ist der Begriff “la casta” (die Kaste), der genau diese Verfilzung von politischen und wirtschaftlichen Eliten beschreibt. Podemos hat diesen Begriff erfunden, der heute aus dem spanischen Diskurs nicht mehr wegzudenken ist.“

Nur – Podemos hat „la casta“ nicht erfunden, es gab schon jemanden in Deutschland, der „das System“ beschrieben hat: Hans Herbert von Arnim, Verfassungsrechtler. 60 Prozent der Deutschen glauben nicht mehr an die Existenz von Demokratie im eigenen Land, 14 Jahre nach der Beschreibung des Systems (oder: la casta) ist die Kunde von seiner Existenz Allgemenwissen geworden. Übel für das System, das jetzt vor allem eins muss: jede Bewegung mit der „Nazikeule“ niederknüppeln, die Bürger außerhalb der „legitimen Meinung“ zusammenführt, die es überhaupt schafft, Menschen wieder auf die Straße zu bringen.

Die sind gar nicht so doof, die Edelfedern. Im Gegenteil: sie tun ihren Job im Dienste des Systems um ihren Platz im Cafe Einstein nicht zu gefährden: immerhin kostet dort das Sylvestermenü 79 Euro, „korrespondierende Weine“ dazu 29 Euro (siehe Cafe Einstein). Davon muss der Mann im Unterhemd einen Monat lang sein Essen und sein Bier bezahlen – kein Wunder, dass es für Strom nicht mehr reicht. Zeit, ihm schnell hasserfüllt die Nazikeule überzubraten (was man gemeinhin eine Diffamierung nennt – also eine böswillige Unterstellung), bevor er merkt, wer die Preise im Cafe wirklich bezahlt.

 

 

 

 

 

 

 

 

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