Prekariat

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Aktion T4 – Aktion Hartz IV – die Wiederkehr der sozialen Pest

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Sonntag, 9.10.2016. Eifel. Wir müssen noch mal über Faschismus reden. Ich denke: sogar dringend. Obwohl es nichts helfen wird: folge ich dem Kabaretisten Volker Pispers in seinen Ausführungen, finden 70 Prozent Angela Merkel toll – ein entsprechend großes Zahl dürfte das aktuelle System also toll finden, dem entsprechend werden wir nur 30 Prozent haben, die überhaupt für Alternativen zu begeistern wären.

Über Faschismus reden ist langweilig. Die meisten von uns kennen die tradierte Geschichte zur Genüge. Vielen Deutschen ist es extrem peinlich, über diese Zeit zu reden – immerhin hat fast jede Familie irgendwo einen Täter stecken … wenn man genauer hinschaut. Es ist wohl auch ein Grund, weshalb viele „Deutsche“ so unbedingt „gut“ sein wollen, nicht nur „gut“, sondern „besser“, um der ganzen Welt zu demonstrieren, dass es jetzt „andere Deutsche“ gibt, „bessere“, edle, reine und hilfreiche Deutsche … ohne zu merken, dass mit der Aufteilung der Menschheit in „gut“ und „böse“ der erste Schritt zur Wiederkehr der sozialen Pest gemacht wurde: jedes klar definierte „gut“ verlangt geradezu die Bösen, jene unwerten, schlechten, niederträchtigen Menschen, die einfach an und für sich in ihrem tiefsten Lebenskern völlig falsch sind.

Vizekanzler Gabriel hatte dies mal in einem Interview erwähnt: es gäbe – so zitiere ich aus dem Gedächtnis – Deutsche, die eher „Pack“ sind, „Mob“, Deutsche, die weniger nach Deutschland passen als die Flüchtlinge, die nun zu uns kommen auf der Flucht vor den Bomben der Herren der Welt. Fragen Sie sich auch manchmal, was denn so ein guter Mensch in seinem tiefsten inneren Lebenskern für Maßnahmen gegen jenes Pack ersinnt, das als Deutsche überhaupt nicht nach Deutschland passt? Irgendwie werden wir dieses Problem doch lösen müssen? Was ist das Fernziel dieser Aussage? Alle deportieren, die der Regierung unbequem sind?

Nun – ich möchte auch über die Wiederkehr der sozialen Pest reden, ein Begriff, den ich aus der Philosophie des Wilhelm Reich entlehnt habt – er macht die „emotionale Pest“ für die Horrorjahre zwischen 1933 und 1945 für die Ausfallerscheinungen der modernen, demokratischen Zivilkultur verantwortlich. Ich möchte hier nur von einer sozialen – oder besser: asozialen – Pest reden – ein Ansatz, der sich etwas von der bisherigen Geschichtserzählung unterscheidet. „In“ ist, die Geschichte wie folgt zu erzählen: es kam ein böser Mann aus Österreich, der ein finsterer Zauberer des Wortes war und so ein ganzes Volk verführte, es zu unglaublichen Gräueln gegen ihre jüdischen Mitmenschen anstachelte und es letztlich in den Abgrund des Weltkrieges führte. Eine schöne, bequeme Geschichte: wer kann schon für seine Entscheidungen und Taten verantwortlich gemacht werden, wenn er einer völlig dunklen Macht gegenübersteht, die seinen ganzen Willen lähmt? Normalerweise akzeptieren wir solche Mythen nur in modernen Märchen wie der „Star-Wars“-Saga, wo ein einziger dunkler Sithlord mit ihm völlig unterworfenen Mitstreitern die gesamte Republik in eine Diktatur verwandelt, für die Massenmord Volkssport wird.

Sicher – es gibt viele Vorbehalte, diese Version der Geschichte anzuzweifeln. Die Gräuel könnten verharmlost werden, Hitlers Anhänger könnten wieder auferstehen – „Lord Voldemort“ wird wieder lebendig. Es könnte zu unglaublichen Verzerrungen der Wirklichkeit führen – bis hin zur aberwitzigen Leugnung des Holocaust durch einige Sofahistoriker in der Mietskaserne, die sich nie die Mühe gemacht haben, die überwältigenden Berge von Dokumente zu studieren, die im Umfeld des Holocaust zu dessen Durchführung produziert wurden. Es ist zwar richtig, dass Geschichte immer von Siegern geschrieben wird, es ist auch richtig, dass Geschichte manipulierbar ist und von der Perspektive des Betrachters abhängig ist – trotzdem bleiben Fakten über: der Untergang der Bismark, die Schlacht um Stalingrad, die Bombadierung von Coventry und der Holocaust. Können wir uns auf solche Wahrheiten nicht einigen, können wir reden und denken einstellen und das Projekt „demokratische Zivilgesellschaft“ einstellen und uns auf eine Welt freuen, in der der Mond Dienstags eine Scheibe ist und Sonntags aus grünem Käse.

Ich möchte auch mal wieder über Hartz IV reden. Noch ein langweiliges Thema, das die Mehrheit der Deutschen gar nicht mehr hören kann, weshalb man leichtfertig und bequem den Regierungsparolen glaubt: da lungern faule, degenerierte, unbeschul- und unbelehrbare Untermenschen im Bodensatz der Gesellschaft herum, die man mit aller Härte zur Arbeit zwingen muss. Warum man die zwingen muss, warum man nicht andere Möglichkeiten der Motivation wählt, von denen die Wirtschaft viele kennt? Nun – es sind degenerierte Untermenschen, halbe Tiere: da hilft nur der Zwang. Oder irre ich da?

Und die Regierung hat auch Recht! Das wird Sie jetzt verblüffen – aber Menschen, denen man per Gesetz ihre Würde nimmt, verlieren in der Tat einen Teil ihrer Menschlichkeit – die Hartz-Mühle produziert ein enormes Maß an geistigen Krankheiten, an Demotivation, an zerstörtem Selbstwertgefühl und vernichteter Achtung durch die Gesellschaft … lesen Sie einfach mal ein paar einschlägige Fachzeitschriften der deutschen Hochkultur , „Bild“ – zum Beispiel, oder gewisse „Aufklärungsschriften“ aus dem Ministerium für Wirtschaft. Ja – so etwas wurde 2005 in deutschen Ministerien formuliert (siehe Kopie der Broschüre bei Harald Thomé):

Biologen verwenden für „Organismen, die zeitweise oder dauerhaft zur Befriedigung ihrer Nahrungsbedingungen auf Kosten anderer Lebewesen – ihren Wirten– leben“, übereinstimmend die Bezeichnung„Parasiten“.

Die soziale Pest – jener Gemütszustand, der die Vernichtung des Lebens und der Lebendigkeit seines Mitmenschen billigend in Kauf nimmt – steht nicht vor der Tür: sie hat schon längst wieder Fuß gefasst in der Mitte unserer Gesellschaft. Studien dazu gibt es genug – doch sie kommen zu spät, „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ schreitet unaufhaltsam voran – nicht nur in Bezug auf Arbeitslose.

Bleiben wir aber erstmal bei denen. Wissen Sie, was ein Arbeitsvermittler über den Zweck seiner Arbeit äußerte? Er brachte den Sinn und Zweck der ganzen „Reform“ auf einen Punkt (siehe Süddeutsche):

„Wir statten Arbeitgeber mit billigem Menschenmaterial aus“, kommentiert Meisner das, was seine Behörde tut. Als Beispiel nennt er das Weihnachtsgeschäft. „Da ruft ein großes Versandunternehmen aus dem Norden Berlins an: Hey, wir brauchen Leute. Dann trommelt die Agentur in Infoveranstaltungen Leute zusammen, schiebt sie in diese Jobs – obwohl völlig klar ist, dass sie nach dem Weihnachtsgeschäft wieder arbeitslos sein werden.“

Aus dem demokratischen Bürger ist „Menschenmaterial“ geworden. Billiges Menschenmaterial, das systematisch produziert wird. Lesen Sie mal den Aufsatz einer Akademikerin mit Doktortitel über ihre „exzellente Dequalifizierung“ (siehe Blätter), einer Dequalifizierung, mit der der Staat einen weiteren Nutzen einfährt:

„Mit ihnen entledigt sich der demokratische Staat auch eines guten Teils seiner eigenen gesellschaftspolitischen Reflexion und der kritischen Distanz zu sich selbst. Und dies gerade in Zeiten, da die Grenzen des neoliberal-enthemmten Umverteilens von unten nach oben nicht nur von Wissenschaftlerinnen (außerhalb Deutschlands, etwa von Thomas Piketty) eindrücklich nachgewiesen, sondern sogar vom Internationalen Währungsfonds wiederholt eingestanden worden sind,“

Die kritische Intelligenz wird auf dem Weihnachtsmarkt verheizt. Nun: „Deutschland geht es gut“ – so die Parole – was brauchen wir da noch Kritiker? Besser als gut geht nicht. Hartz IV ist auch erblich – selbst wenn man einen Studienabschluss mit der Note 1,6 erzielt (siehe Süddeutsche) entkommt man dem Prekariat nicht … und wird nach einem Jahr wieder zur Hilfsarbeiterin herabgestuft, für die es natürlich keine Arbeit mehr gibt, die Maschinen nicht besser und billiger machen können. Deutschland geht es gut – Millionen von Kindern können nicht in den Urlaub fahren (siehe NTV), die Zahl der armen Kinder steigt beständig (siehe Spiegel) – ebenso die Zahl der vom Jugendamt „in Obhut“ genommenen Kinder (siehe Spiegel), worunter wohl bald auch mehr Kinder von „sanktionierten“ Eltern fallen – wer eine Sanktion von mehr als 30 Prozent erdulden muss, wird dem Jugendamt gemeldet: Kindeswohl ist in Gefahr (siehe Kindesentzug 24). Dass die größte Gefahr für Kinder von der „Inobhutnahme“ selbst ausgeht (wie auch von jeder anderen frühen Fremdbetreuung: siehe Welt) wird billigend in Kauf genommen … trotz der drohenden „innerseelischen Katastrophen„.

2008 gab es ein Gutachten im Finanzministerium (siehe Bundesfinanzministerium), das sich mit der Problematik befasste, dass die Superreform einfach keine Ergebnisse  zeitigte. Die Lösungsvorschläge sind gruselig und reichen bis zur Versteigerung der Arbeitslosen an die Privatwirtschaft: das sozial völlig enthemmte Denken findet in den Bereichen jener Leute, die nur auf Kosten anderer Leben (Beamte und Professoren) keinerlei Grenzen mehr – man mag gar nicht wissen wollen, was da derzeit noch in den Schubladen schlummert.

Geht es uns eigentlich so schlecht, dass wir zu solchen Maßnahmen gezwungen sind? Lauschen wir mal der Presse (siehe Spiegel):

„In den sieben Jahren seit der großen Finanzkrise ist das private Geldvermögen weltweit um 61 Prozent gestiegen – beinahe doppelt so schnell wie die Wirtschaftsleistung.“

Die Welt stinkt vor Geld. Deutschland erst recht: aber es profitieren nicht die, die die Arbeit machen, sondern jene, denen der Staat per Staatsgewalt mit Zwang billigstes, degradiertes, entmenschtes Menschenmaterial zur Verfügung stellt. Hört sich schaurig an, wenn man das so formuliert, oder? Keine Sorge: es wird noch schlimmer.

Zu einem demokratischen Rechtsstaat gehört unbedingt auch die Gewaltenteilung zwischen dem Gesetzgeber, der durchführenden Polizeigewalt und dem Richteramt, das unabhängig die Maßnahmen auf Legalität überprüft. Funktioniert noch nicht immer überall perfekt, aber wir arbeiten dran.

Anderes Recht gilt für die Parasiten und Schmarotzer. Die „Junge Welt“ berichtet über neue Maßnahmen gegen die Verbrecherkaste der Arbeitslosen – und enthüllt interessante Aspekte (siehe Junge Welt):

„Die BA stellt in ihrer Dienstanweisung klar: »Die in einem OWi-Fall ermittelnden Sachbearbeiter besitzen weitgehend dieselben Rechte und Pflichten wie die Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von Straftaten.« Sie sollen sich an deren Vorschriften, etwa der Strafprozessordnung, orientieren. Ausgenommen seien »lediglich schwere Eingriffe, wie freiheitsentziehende Maßnahmen«. Selbst wenn am Ende das Bußgeldverfahren eingestellt wird, so geht weiter aus der Weisung hervor, habe der Betroffene, obwohl »rehabilitiert«, seine Auslagen, etwa für einen Rechtsanwalt, selbst zu tragen. Nur auf Antrag könne das Jobcenter nach eigenem Gutdünken entscheiden, ob die Staatskasse doch dafür aufkommen könnte.“

Wir werden eines Tages uns selbst verfluchen, dass wir des Emporkommen solch einer Monsterbehörde nicht umgehend verhindert haben – denn hinter der Philosophie von Hartz IV steckt noch viel mehr als die Anmaßung von Staatsgewalt durch schlecht ausgebildetes Personal aus ehemaligen Bahn-, Post- und Friedhofsbeamten.  Es ist eine einzige Behörde, die nach Gutdünken „Sanktionen“ verhängt – jene Sanktionen, die auch die Mehrheit der oben zitierten Gutachter des Bundesfinanzministeriums für unverzichtbar hält. Jene Sanktionen, die das Lebensminimun an Geld jederzeit ohne Gerichtsurteil auf Null fahren können – ein Umstand, den kein Massenmörder, Vergewaltiger oder Kinderschänder im Knast zu befürchten bräuchte. Die Behörde bestimmt die „Gesetze“ allein (also: den Sanktionsgrund), beurteilt ihre Legitimität allein und führt ihn auch allein durch: ein Staat im Staate. In einer demokratischen Zivilgesellschaft gehörte eine solche Behörde umgehend aufgelöst, weil sie sich von dem Boden der demokratischen Grundordnung entfernt – da sie aber Millionen Menschen Gewinne beschert, schert sich keiner darum. Jedenfalls keiner von denen, die Entscheidungsgewalt haben und an den so produzierten Reichtümern Gewinn machen … und das sind bis zu 70 Prozent der Bevölkerung.

Die soziale Pest schreitet immer weiter fort, wird Jahr für Jahr schlimmer: die Verlierer der Globalisierung werden Opfer der Verfolgung, als hätten sie selbst es zu verantworten, dass Arbeitsplatzabbau zum probaten Mittel zwecks Steigerung der Aktiengewinne geworden ist. Darf ich jetzt mal ein Zitat bringen?

„In den vielen Pflegeanstalten des Reiches sind unendlich viele unheilbare Kranke jeder Art untergebracht, die der Menschheit überhaupt nichts nützen vielmehr nur zur Last fallen, unendliche Kosten für die Verpflegung verursachen, und dabei ist keinerlei Aussicht vorhanden, daß diese Menschen je wieder gesund und nützliche Mitglieder der menschlichen Gemeinschaft werden können. Sie vegetieren dahin, wie die Tiere, sind asoziale, lebensunwerte Menschen, dabei sonst in den inneren Organen gesund und können noch viele Jahrzehnte leben. Sie nehmen nur anderen Menschen die Nahrung weg und bedürfen oft der zwei- und dreifachen Pflege. Vor diesen Menschen müssen die übrigen geschützt werden.“

Dieser Text, der ganz und gar den Geist moderner Broschüren aus dem Wirtschaftsministerium atmet, stammt aus dem Jahre 1940 – und beschreibt den Vorlauf zur Aktion T 4: der Vernichtung der Geisteskranken in den deutschen Pflegeheimen (aus: Götz Aly/Susanne Heim, Die Vordenker der Vernichtung, Hoffman und Campe, 4. Auflage 2004, Seite 268). Die Autoren sehen diese Aktion sogar als Test an, als Vorbereitung zur Massenvernichtung des Holocaust: ein Test, unter welchen Bedinungen das Volk solche „Maßnahmen“ aktzeptiert. Und die Vernichtung fing ganz langsam an:

„Als dann in den letzten Jahren vor 1939 der Ausbruch des Krieges in immer greifbarere Nähe rückte wurde uns bekannt, daß im Reichsinnenminiserium erwogen würde, im Kriegsfall die Insassen der Heil- und Pflegeanstalten für Geisteskranke, Epileptische und Schwachsinnige auf eine stark verkürzte Lebensmittelration zu setzen“ … was bedeutet, „sie einem langsamen, aber sicheren Hungertode auszusetzen“

Erst in Folge dieser Erwägungen wurde dann „vorsichtig vorgefühlt, wie die Innere Mission sich dazu stellte, wenn der Staat die Vernichtung bestimmter Kategorien von Kranken im Krieg … in Erwägung zöge“. (Aly, Heim, a.a.O., Seite 271).

Aly fasst die Quintessenz der Aktion T 4 wie folgt zusammen:

„Im Mittelpunkt des ersten, systematischen NS-Massenmordes stand die Definition der ökonomischen „Nützlichkeit“ eines Menschen.“ (Aly, a.a.O., Seite 268)

Der Kern des Holocaustes: die Reduktion des Wertes eines Menschen auf seine betriebswirtschaftliche Ausbeutbarkeit. Oder: die Verdrängung christlicher Urwerte durch die Betriebswirtschaft. Nicht mehr der Mensch steht im Mittelpunkt staatlichen Handelns, sondern der effektive Betrieb. Das Ziel?

„Daß der soziale Status Quo für die breite Mehrheit erhalten oder sogar verbessert werden sollte, indem eine als unbrauchbar definierte Minderheit ermordet oder wenigstens vertrieben wurde“. (Aly, a.a.O., Seite 270). 

Damit es 70 Prozent besser geht, müssen 30 Prozent weg. Alte faschistische Lebensweisheit. 70 Prozent fanden die damals gut – und heute wohl auch. Diese Facette des Faschimus wird eher am Rande der Geschichtsschreibung erwähnt, wir mögen lieber die düstere Geschichte vom übermächtigen Lord Voldemort.

Wie liest sich das im Detail?

Nun – ein späterer Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums „verfaßt 1942 einen statistischen Bericht über die erste Phase dieser Morde unter dem Titel „Was ist bisher in den einzelnen Anstalten geleistet, bzw. desinfiziert worden“- „Desinfizieren bedeutet die Ermordung durch Gas.“ Großzügig berechnet er die Einsparungen bis ins Jahr 1951 – durch „Tötung der nicht arbeitsfähigen Kranken (der Statistiker bezeichnet das als „Leistung“) kommen die Einsparungen „an toten Kosten“ bezüglich Essen, Wohnungen, Kleidungen „auf mehr als 880 Millionen Reichsmark“ (Aly, a.a.O., Seite 269″).

Erstaunlich, wer alles der Entnazifizierung entkommen konnte. Außer den „Stars“ der Bewegung wohl fast alle.

Wird Ihnen jetzt unheimlich?

Nun – wahrscheinlich nicht, wenn Sie zu den gesegneten 70 Prozent gehören, die vom System mit einem unkündbaren Arbeitsvertrag verpflichet wurden – oder wenigstens noch einen Vollzeitarbeitsplatz mit lebensfähigem Gehalt haben. Sie gehören ja zu den Gewinnern. Den „Guten“ – wie auch der Autor dieser Zeilen hier.

Die anderen jedoch müssen sich die Frage stellen: wann greift die soziale Pest wieder soweit um sich, dass wieder „desinfiziert“ wird?

Wann das sein wird?

Nun – die Vorarbeiten zur Aktion T 4 stammen aus den zwanziger Jahren.

„Im Sommer 1939 schrieb der Leibarzt Hitlers, Theo Morell, für seinen mächtigen Patienten ein kleines Gutachten. Er bezog sich auf eine Umfrage, die in den frühen 20er Jahren unter den Eltern schwerbehinderter Kinder in Sachsen durchgeführt wurde. Die Eltern hatten die „rein theoretisch“ gestellte Frage, ob sie „in eine schmerzlose Abkürzung des Lebens ihres Kindes einwilligen“ würden, weit überwiegend mit „ja“ beantwortet“. (Aly/Heim a.a.O., Seite 273)

Ab 1933 kam dann eine politische Bewegung, die dieses kleine „ja“ in die Tat umsetzte.

Was ist also Faschismus?

Die Bewertung des Menschen nach seiner rein ökonomischen Nützlichkeit … mit allen Folgen. Faschismus – ist Betriebswirtschaft ohne Menschlichkeit. Etwas, das ich gerne als „soziale Pest“ bezeichnen möchte.

Kommt Ihnen das bekannt vor – aus den Entlassungswellen der letzten Jahrzehnte?

Wo stehen wir da jetzt gerade? Wann werden wir die Entsorgung unnützen Menschenmaterials intensivieren?

Das möchte ich nun Ihrer eigenen Einschätzung überlassen. Ich möchte dem Souverän dieses Landes nicht in seine Meinungsbildung hineinreden…

 

Das Prekariat in Deutschland – die Vogelfreien und ihre Zukunft

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Montag, 4.Juli 2016. Eifel. Es wäre ein Tag zum Feiern – wäre es kein Tag wie alle anderen. Heute vor sechs Jahren war der Startschuss des Nachrichtenspiegels, gedacht als Plattform für Blogger, für Graswurzeljournalismus, für alternative Meinungsbildung. Sechs Jahre später ist das Kernteam immer noch da, viele andere sind verschollen. Es zeigt sich, dass man mit der Idee Geld hätte verdienen können, doch … wir waren nicht zum Geld verdienen aufgestellt. Manche haben uns gerade deshalb verlassen: man wird ja nicht bezahlt. Andere gingen, weil ihre Artikel nicht genug Leser hatten und die Kollegen nicht dafür sorgten, dass sich daran was ändert (wie sollten sie auch). Wiederum andere wollten Führung übernehmen – was in einem Autorenkollektiv schlecht abbildbar ist. Manche wanderten ins rechtsextreme Lager ab – was deutlich mehr Leser bringt, weil der Zeitgeist eben rechts ist. Was geblieben ist? Ein freier, unabhängiger Think-Tank am Rande der Gesellschaft, ein Ort, in dem man ruhig und unverfolgt seine Gedanken formulieren kann und offene Ohren findet – und gelegentlich einen Ausblick auf die Zukunft wagt, der nicht ganz mit der Anweisung der Bundeskanzlerin übereinstimmt, ab sofort alles nur noch rosig zu betrachten.

Deutschland geht es gut, so die Parole – woraus man schließen kann, dass jene, denen es nicht gut geht, eben nicht zu Deutschland gehören. Sie haben auch einen Namen: „Prekariat“ heißen sie. Sie haben die Proletarier als neue Elendsklasse abgelöst, unterscheiden sich aber sehr von ihr: die Arbeitskraft des Proletariats war unverzichtbar für die Massenproduktion, das Prekariat ist einfach … überflüssig. Zudem ist es außerordentlich heterogen (also: in sich verschieden) wie die Uni Jena ausführt (siehe Uni-Jena)

„Es ist der Leiharbeiter, der bei einer besseren Auftragslage für drei Monate eingestellt wird, um gemeinsam mit den Stammarbeitern, aber für wesentlich weniger Gehalt im Schichtdienst zu schaffen. Es ist die hochqualifizierte Dauer- Praktikantin, die in diesem Jahr bereits zum dritten Mal umzieht, in der Hoffnung, über dieses neue Praktikum endlich den Berufseinstieg zu schaffen. Es ist die junge Mutter, die nach der Babypause Schwierigkeiten hat, in ihrem alten Beruf eine Arbeitsstelle zu finden und die nun auf Minijob-Basis im Supermarkt aushilft.“

Ich würde den Kreis der Prekarianer noch weiter ziehen: der Arbeitslose, der von Maßnahme zu Maßnahme geschickt wird, um die steuerfinanzierte Arbeitslosenindustrie zu beschäftigen, der Früh- und Niedrigrentner, der in Papierkörben nach Pfandflaschen sucht, die „Ich-AG“, die all ihre Ressourcen verpulvert, um für eine Zeit lang so tun zu können, als gehöre man zum guten Deutschland, dem es gut geht, dazu, die ehemalige, hart arbeitende Millionärin mit akademischem Abschluss, die nun arbeits- und zukunftslos ist, weil ihr Vermögen vom „Neuen Markt“ völlig vernichtet wurde (einen solchen Fall schildert Dirk Kurbjuweit in: Unser effizientes Leben, Rowohl, März 2003, Seite 110), zudem ein cirka 2 Millionen Kinder (also; jedes siebte Kind, siehe Zeit), die von vornherein keine Chance haben (sollen), um als Konkurrenten für die Kinder der Etablierten nicht im Wege zu stehen, jene Klassenkameraden, mit denen sie noch nicht mal im Sommer zusammen Eis essen gehen können, weil der Preis für drei Kugeln Eis höher ist als ihr „Regelsatz“ für den ganzen Tag, dieses Gemeinschaftserlebnis also nur durch Hunger zu erkaufen wäre.

Wie viele gehören zu der neuen Unterschicht, die gerne im Unterhemd mit der Bierdose in der Hand von den Medien präsentiert wird, während sie die dämlichen, von der „Elite“ produzierten Peinlichtskeitsshows in privaten Sendeformaten konsumieren? Manche kommen schnell auf  15 Millionen Menschen (siehe academics), ich halte diese Zahl für deutlich untertrieben, erst recht, wenn man in die Zukunft schaut, in der Maschinen einen großen Teil der Bürojobs übernehmen werden. Es reicht aber schon, wenn die Zinsen steigen, die Immobilienpreise sinken – dann werden viele, die sich jetzt selbst zum „gehobenen Mittelstand zählen“, weil sie zwei Jobs und ein Eigenheim haben, innerhalb eines Jahres abrutschen – die Raten für die beiden Autos können nicht mehr beglichen werden, die Raten für das Haus steigen ständig (wie auch die Grundsteuer, weil die Gemeinden schon jetzt großen Mangel an Tauschmitteln haben, um den normalen Betrieb der Verwaltung sicherstellen zu können), die Zwangsversteigerung vernichtet jeden Wert des Objekts … was schon passieren kann, wenn nur einer seine Arbeit verliert (während die Kinder in Folge einer hemmungslosen Wohlstandsverwahrlosung zu ganz besonderen leistungsfernen Sozialfällen werden) – auch diese, als „reich“ definierten Menschen (deren Reichtum am theoretischen Wert ihrer Immobilie hängt, der jederzeit hemmungslos nach unten rauschen kann), leben „prekär“ – also: unsicher.

Doch eine solche Definition würde das Volk verunsichern, schnell würde man merken, dass „Deutschland“ nur noch aus einer Hand voll Entscheider besteht, die vor allem ihr eigenes Wohl im Auge haben – aber immer laut applaudieren, wenn die Parole der Kanzlerin gebrüllt wird: „Deutschland geht es gut“.

Dieselbe Regierung, die diese Parole ausgegeben hat, unterzieht die „Prekären“ ganz besonderen Maßnahmen, wozu vor allem eine degenerierte Sozialgesetzgebung gehört, die mehr in die Disziplinierung von Arbeitslosen investiert als in ihre Versorgung (wir berichteten), ohne dass die Medien dort ihr Wächteramt ausüben. Dem Staat wäre mehr gedient, wenn man die Gelder zur Unterstützung der von „der Wirtschaft“ Aussortierten direkt an sie auszahlen würden: die Binnenkonjunktur würde kräftig anziehen – und gleichzeitig Jobmotor werden. Aber: man will ja keine Jobs, man wollte einen „Niedriglohnsektor“ – das gab Bundeskanzler Gehard Schröder unumwunden zu (hier bei der Rede vor der versammelten Elite im Weltwirtschaftsforum von Davos (siehe Gewerkschaft von unten)

„Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt.“

Wir können den „Niedriglohnsektor“ auch mit einem Begriff umschreiben, der weniger angenehm klingt: Sklavenmarkt. Jenen Ort, wo weitgehend rechtslose Subjekte für Niedrigstpreise ihre Haut zu Markte tragen müssen – was das Ende einer lebendigen Demokratie bedeutet. Verweigert man sich dem Verkauf zu Billigstlöhnen, droht Vernichtung durch Hunger und Obdachlosigkeit – obwohl Herr Schröder das schöner formuliert:

„Wir haben einen funktionierenden Niedriglohnsektor aufgebaut, und wir haben bei der Unterstützungszahlung Anreize dafür, Arbeit aufzunehmen, sehr stark in den Vordergrund gestellt.“

Die letzte deutsche Regierung, die zu solchen Schönfärbereien griff, war die Reichsregierung Hitlers, die unsere Mitbürger natürlich nicht ins Gas schickte, um sich an ihnen zu bereichern, sondern „in den Osten umsiedelte“. So formuliert, gab es natürlich keine weiteren Fragen. Herr Schröder gab auch unumwunden zu, worum es bei den „Reformen“ ging:

„Deutschland hat über eine qualifizierte berufliche und sonstige Ausbildung ein Potenzial an hochqualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, was seinesgleichen in der Welt sucht“.

Und diese Ressourcen wurden an jeden verschleudert, der von den Banken Geld für ein Unternehmen geliehen bekam, welches dann durch Lohnminimierung der Arbeitnehmer zurückgezahlt wurde. Der Gewinn war garantiert: dafür schufteten ja die Arbeitnehmer billigst, um der Staatsmühle Hartz IV zu entkommen, einer Mühle, die beständig verschärft wird … obwohl es Deutschland doch angeblich so gut geht.

Wirklich gut geht es aber nur jenen, die skrupel- und gewissenlos das Angebot der Regierung annehmen, sich durch Billigstlöhne hemmungslos zu bereichern – ein Angebot, das in Zukunft ausgeweitet werden soll: der „Ein-Euro-Job“ soll Dauerzustand werden – was den Vermarktern des Billiglohnes Traumrenditen bescheren wird (siehe Gegen-Hartz), dafür werden fehlerhafte Bescheide nun per Gesetz verewigt (siehe Focus), Widersprüche werden aktuell ohnehin schon bestraft (siehe gegen-Hartz) und Rückforderungen für fiktive Arbeitseinkommen möglich (siehe hartziv.org), d.h. wer sich weigert, dem Sklavenmarkt einkommensschwach zur Verfügung zu stehen, wird mit Schulden bestraft … und das von einer Behörde, die gelegentlich auch schon mal Tote zur Stellungnahme auffordert (siehe Gegen-Hartz) und sterbende Menschen kerngesund schreibt, damit sie die letzten Tage ihres Lebens noch für die Rendite der Elite arbeiten können (siehe der Fall Antje Wunderlich).

Kurz: der Krieg gegen das von den Regierungen geschaffene und erhaltene, beständig wachsende Prekariat läuft weiter – auf breiter Front, gestützt von sich selbst gegenseitig beweihräuchernden Experten, die den neuen Sklavenmarkt in den Himmel loben und mit Hilfe branchenübergreifender Netzwerke massiv Meinungen manipulieren (für Österreich hier mal skizziert auf Mosaik) und gezielt an der Atomisierung und Ökonomisierung aller gesellschaftlichen Prozesse und aller Individuen arbeiten (siehe Heise), was zu einer neuen Verrohung der Mittelschicht führt – die schon lange beschrieben wurde (siehe Taz aus dem Jahre 2010):

„Die Soziologen sehen diese Erklärung: Im Kern gehe es dabei vor allem bei den wohlhabenden und reichen Bürgern im Lande um die Sicherung oder Steigerung eigener sozialer Privilegien „durch die Abwertung und Desintegration volkswirtschaftlich etikettierter Nutzloser sowie um die kulturelle Abwehr durch Abwertung“, heißt es etwas kompliziert.“

Damals hatte man es noch für unmöglich gehalten, dass aus dieser Verrohung einmal eine Partei wird – nun gibt es sie, gewählt von vielen „Prekären“, wohl in der Hoffnung, dass es erstmal irgendwie anders werden muss, damit es besser werden kann.

Wird es aber nicht.

Prekäres Leben hat für die „Elite“ – also jene, die an den Armutslöhnen super verdienen – unverzichtbare Vorteile (siehe Tagesspiegel):

„Armut ist gewollt und bewusst erzeugt, weil sie die „Aktivierung“, Motivierung und Disziplinierung der Bevölkerungsmehrheit gewährleistet. Die (Angst vor der) Armut sichert den Fortbestand der bestehenden Herrschaftsverhältnisse. Während der Reichtum als Belohnung für „Leistungsträger“ dient, gilt die Armut als gerechte Strafe für „Leistungsverweigerer“, „Faulenzer“ und „Sozialschmarotzer“.“

Anders gesagt: Sie können so fleißig arbeiten wie Sie wollen – der Gesetzgeber wird mit staatlicher Gewalt dafür sorgen, dass Armut weiter um sich greift und eine Gesellschaft des wirtschaftlichen „Fressens und gefressen werdens“ Gestalt annimmt und Unsicherheit und Angst zum Lebensalltag beständig dazu gehören: der demokratische Souverän des Landes wird zum Gejagten – was genug über den Zustand unserer Demokratie aussagt. Erstmals in der bekannten Geschichte der Menschheit merken wir den Verlust eines zentralen Moments menschlichen Lebens (mitten im Reichtum): des Mitgefühls (siehe srf.ch) – eine Entwicklung, die Massenvernichtung überhaupt erst möglich macht.

Diese Entwicklung reicht weit in den eigenen, innermenschlichen Bereich hinein – wie der jüngst verstorbene Götz George es für den Bereich der Schauspielerei beschrieb (siehe Spiegel):

„Diese Härte sich selbst gegenüber gab es früher nicht. Aber heute musst du so sein, da lassen sie dir keine Zeit zum Üben. Wer einen Fehler macht, fliegt raus. Keiner bekommt eine zweite Chance.“

Ja – Götz George, ein Fossil aus alten Tagen. Interessieren Sie sich dafür, wie es Schauspielern in einer verhartzen Fernsehnation geht – einer Nation, die täglich vier Stunden ihres Lebens vor dem Fernseher verbringt? Ich habe da eine aktuelle Schilderung (siehe Ohauerha):

„Im Gegensatz zu den Nachmittags-Erziehungsfernsehen Darstellerdarsteller hast Du das Metier gelernt, studiert und so… und dann siehste nur noch so Aushilfslemminge, die Dir die Jobs wegnehmen. Die Dein Geld verdienen. Geld, was Dir fehlt, wofür die dann auf Dich eintreten und sagen, du wärst ne faule Sau und geh arbeiten…. Hm…. komisch, woll? Damit Du sagen kannst „Ich bin Schauspieler!“… wäschste hauptberuflich Autos oder füllst Fritten in Tüten beim Schachtelwirt und anstatt Dir dreht der Melm mit Sinnlos TV ne Menge Kohle ein. Und Du guckst in die Röhre. Dazu kommt noch, dass wenn es bei Dir dann mal nicht so gut läuft und Du zwischen zwei Engagements ne Lücke hast und Du nicht den miesen Ausbeuterjob annimmst, den man Dir von Amts wegen vorschreibt, dann wirste sanktioniert und man streicht Dir mit Vorsatz Dein Obdach und Deine Kohle für Nahrung und… so nett nennen sie das heute: Soziale Teilhabe. Unter diesem Druck ist es kein Wunder, dass man von Seiten des Staates die Kunst und Kulturszene zerstört.“

Ist man gar politische Künstlerin, lernt man noch schneller den Hunger kennen (siehe NRHZ). Fälle, wo Landräte die laufenden Exekutionen stoppen, kann man mit der Lupe suchen – es gibt wohl kaum mehr als einen in Deutschland (siehe gegen-Hartz).

Vogelfrei sind sie, die Aussortierten. Jedenfalls bekommen auch sie kein ordentliches Begräbnis, verschwinden im kostengünstigen Massengrab (siehe scharf-links) – jedenfalls noch. Ein wenig mehr noch … und man kann sie den Vögeln zum Fraß vorwerfen: zunehmende Verrohung wird Konsequenzen haben, die sich nicht nur in brennenden Asylbewerberheimen manifestieren.

Ja – wie wird sie, die Zukunft? Also – die Zukunft der Aussortierten, von denen es aufgrund fortschreitender Automatisierungmit absoluter Sicherheit immer mehr geben wird (siehe hierzu WEF-Gründer Klaus Schwab – sicher kein „Linker“, in Blick.ch) – eine kreditfinanzierte Entwicklung, mit festen Blick auf zukünftige Massenentlassungen, die diese Kredite finanzieren werden?

Nach sechs Jahren Nachrichtenspiegel sage ich: düster. Da gibt es keine Hoffnungen, weil das Prekariat zu „individualisiert“ ist, um politische Macht organisieren zu können. Auch hier ist sich jeder selbst der Nächste – und ihre natürlichen Verbündeten – ideologisch links stehende Jugendliche (selten genug) – haben die Aussortierten völlig aus dem Blick verloren (siehe Zeit):

„Die junge, intellektuelle Linke hat den Bezug zu der Unterklasse im eigenen Land fast gänzlich verloren. Da gibt es vonseiten der Gebildeten weder eine Sensibilität noch eine Aufmerksamkeit und schon gar keine Verbindungen mehr. Die Linke hat sich eben kosmopolitisiert und, wie gesagt, ihren politischen Schwerpunkt auf eine kulturelle Ebene verlagert, und eben auf dieser Ebene unterscheiden sich die Milieus der hoch und weniger Gebildeten deutlich voneinander. Dieser Verlust der Kommunikation zwischen den Klassen, wenn ich diesen Begriff einmal verwenden darf, ist massiv und ein Problem für die soziale Gerechtigkeit.“

Das heißt: politisch gesehen steht das Prekariat völlig im Abseits – und ziemlich alleine da. Die Intellektuellen engarieren sich nur noch für bequeme Minderheiten – was nicht viel kostet und den Gewinn der neu strukturierten Sklavengesellschaft nicht in Gefahr bringt.

„Das zentrale progressive Anliegen ist mittlerweile die unbedingte Gleichstellung von Minderheiten. Das können ethnische, religiöse oder sexuelle Minderheiten sein.“

Adoptionsrecht für homosexuelle Paare (ohne Blick darauf, dass die Kinder in der Regel nicht aus dem Himmel fallen, sondern dem Prekariat per Staatsgewalt entzogen werden), Engagement für gut ausgebildete und gut situierte Flüchtlinge (also: Solidarität für die eigenen Klasse, die Armen sitzen immer noch in Syrien und dem Irak, wo sie völlig verrohten Schlächtern ausgeliefert sind – und den Bomben der Reichen) und – nicht zu vergessen – die Einübung der enorm wichtigen „gendersensiblen“ Sprache (die Uni München hat hier einen Leitfaden entwickelt – über korrektes Sprechen, siehe Uni München), wo ich gelernt habe, dass „jeder Benutzer sollte die bestellten Bücher umgehend abholen“ schlecht ist, „bitte die bestellten Bücher abholen“ aber gut.

Dafür muss Zeit sein. Drohender Weltkrieg, massive Umweltzerstörung, apokalyptisches Artensterben, exzessiver Demokratie- und Sozialabbau? Dank Papis Vermögen kein Thema. Außerdem kauft man deshalb ja Bio und hat staatlich subventionierte Sonnenkollektoren auf dem Dach, wenn´s ganz schlimm kommt, ernährt man sich sogar vegan, um sich vom Prekariat abzuheben – und ignoriert völlig, dass dies ohne pharmazeutische Industrie und ihre Nahrungsergänzungsmittel gar nicht lebbar ist (lernte ich unlängst im Krankenhaus, hängt dort öffentlich aus: bitte dort nachfragen: Krankenhaus Schleiden).

Wie ist also die Zukunft des Prekariats? Die Zukunft der Elite ist schon 15 Jahre lang bekannt: mit 50 in Rente gehen – mit luxuriösen Bezügen (siehe Manager Magazin), während man das Prekariat im gleichen Alter zu hoffnungsloser Arbeitssuche motiviert. Drei Monate Sommerurlaub (neben anderen Pausen) ist für die Elite der Top-Unterhalter im TV auf Kosten der Beitragszahler problemlos machbar (siehe Tagesspiegel): da weiß man, warum die immer so gute Laune haben, Tagesgagen von 50000 Euro (schnell dementiert, siehe Focus) sorgen für sorgenfreies Leben.

Und die Aussortierten, für die sich keiner mehr interessiert? Momentan gilt für sie: frühe Krankheit, früher Tod. Doch der Kostendruck wächst, weshalb auch die neuen Hartz IV-Reformen den Druck an die Ärmsten durchreichen.

Was machte man vor 75 Jahren, um Gelddurst von Staat und Elite zu befriedigen?

Man lies die Polen und Russen verhungern (ihr Essen ging an die verrohte „Elite“ ins Reich), die Juden schickte man ins Gas (ihr Eigentum ging an Gebrauchtwarenbörsen, wo jeder ein Schnäppchen machen konnte). Verweise hierzu auf Götz Aly: Hitlers Volksstaat.

Können Sie mir einen Grund nennen, warum das hier in Zukunft anders sein soll?

Ich kann Ihnen keinen nennen – aber einen, der für die Düsternis spricht (siehe Huffington Post):

„Wir müssen den Alten endlich die Hölle heiß machen. Denn sie waren es, die den Generationsfrieden aufgekündigt haben. Und deswegen sollten sie auch die passende Antwort dafür erhalten. Es wird wieder Zeit, zu rebellieren.“< >Was wird diese Jugend wohl mit der wehrlosen Masse der Armutsrentner machen? Vielleicht lernen sie etwas ganz besonders aus der Geschichte: wie man unwertes Leben kostengünstig entsorgt. Und die Generali Deutschland arbeitet gerade ganz aktuell an Definitionen von unwertem Leben – nennt es allerdings anders (siehe Telepolis).

Sechs Jahre Nachrichtenspiegel – es geht weiter bergab. Und ganz ehrlich: damit hätte selbst ich nicht gerechnet. Aber die Offensive des Neoliberalismus hat unsere Gesellschaft kalt erwischt, die Zahl derjenigen, die erkennt, dass es sich um einen großflächigen organisierten Blitzkrieg gegen die demokratische Zivilgesellschaft handelt, ist klein – und viele von denen, die das erkennen, suchen erstmal für sich selbst ein sicheres Fleckchen.

Ich denke, wir werden diesen Prozess noch weiter kommentierend begleiten. Wenigstens eins wollen wir ihnen nehmen: dieses „wir-haben-von-allem-nichts-gewusst“.

War damals schon gelogen.

 

 

„In eurer Hölle kann ich nicht atmen…“ – Juri Galanskow und das Manifest des Menschen

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David und Goliath v. Michelangelo [PD]

Der Umbau unserer Gesellschaft nach der Doktrin des Neoliberalismus, von Angela Merkel verblümt als „marktkonforme Demokratie“, vom ehem. UN-Kommissar Jean Ziegler weniger verblümt als „kannibalistische Weltordnung“ bezeichnet, nimmt eine immer abgründigere Dynamik an.

In einem bemerkenswerten Interview schildert auch der Friedens- und Konfliktforscher Prof. Werner Ruf die heute beobachtbare Tendenz, dass Menschen, denen ihr Leben nichts mehr wert ist, diesem in Selbstmorden ein Ende setzen, es – zum weit größeren Teil – auf der Flucht, etwa über das Mittelmeer, aufs Spiel setzen oder Risiken bei Massendemonstrationen gegen die elenden Verhältnisse, denen sie ausgesetzt sind, eingehen, ganz einfach, weil ihnen ihr Leben ohne Perspektive ohnehin als sinnlos erscheint.

>>Wir beobachten derzeit, dass „die Verdammten dieser Erde“, wie Frantz Fanon sie vor sechzig Jahren nannte, aufstehen, protestieren und nicht mehr bereit sind, sich mit ihren elenden Lebensbedingungen abzufinden.<<

Doch nicht nur in Afrika und im Nahen Osten gibt es inzwischen hunderte Millionen Menschen, die verzweifelt und zu allem entschlossen sind, auch im vermeintlich gelobten Zufluchtshafen Europa kracht es bereits im Gebälk. Laut einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung liegt die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien und Griechenland bei ca. 50 %, in Italien nur geringfügig darunter, in Frankreich war 2015 ein Viertel der Bürger unter 25 arbeitslos oder ohne Ausbildung. In Summe sind über ein Viertel der unter 18-Jährigen in Europa von Armut bedroht, verrotten ohne Perspektive in Wartestellung im Prekariat. Ganz gewöhnliche und für die letzte Generation noch selbstverständliche menschliche Bedürfnisse wie die Gründung einer Familie oder der Erwerb eines Eigenheimes sind für sie in utopische Ferne gerückt.

In einer von der US Firma Acxiom bereits als Datendienstleistung angebotenen Screening aller über uns verfügbaren Datenbestände (ganz im Stile der NSA), werden Menschen nach rein ökonomischen Gesichtspunkten bewertet. Zahlungskräftige Konzerne können die Daten kaufen, z.B. um zu sehen, wer sich bei ihnen bewirbt. Wenn jemand aus der Prekariats-Generation in Zukunft eine Absage erhält, dann hat das womöglich den Grund, dass er in der Acxiom-Datei in der untersten Kategorie geführt wird – diese Kategorie heißt lt. Acxiom „waste“, also Abfall oder Müll (siehe Süddeutsche).

Aber falls die Human Ressource Manager der Konzerne einem jungen Menschen wider Erwarten doch zugestehen, dass er eine geldwerte Kreatur ist, da es Arbeiten gibt, die man noch nicht robotisieren und digitalisieren konnte, dann wartet in vielen Fällen ein Bullshitjob – Jobs, über die in einer Guerilla-Plakataktion in der Londoner U-Bahn treffend geschrieben stand:

«Wie kann man auch nur ansatzweise von Würde in der Arbeit sprechen, wenn man insgeheim das Gefühl hat, dass der eigene Job gar nicht existieren sollte»

und: «Der moralische und geistige Schaden, der aus dieser Situation resultiert, ist tiefgreifend. Es ist eine Narbe quer über unsere kollektive Seele. Doch fast niemand spricht darüber»

Entgegen den Erwartungen der Regierung haben sich daher auch die Proteste in Frankreich nicht im allgemeinen Fußball-EM-Taumel totgelaufen, sondern steigern sich von Tag zu Tag; in der konservativen Zeitung Figaro wurde diese Woche der Chef des Inlandgeheimdienstes DGSI zitiert, dass „Frankreich am Rande eines Bürgerkriegs stehe“ – wenn man sich einige aktuelle Demonstrationsimpressionen in bewegten Bildern aus Paris ansieht (siehe YouTube), dann weiß man, wovon der gute Mann redet. Wer meint, dass sich solche Szenen nicht auch demnächst bei uns am Brandenburger Tor abspielen können, ist leider sehr naiv. Die Bundeswehr probt jedenfalls bereits das Niederringen von Bürgeraufständen.

Aber da sich das Aufzählen von Fakten und das Appellieren an die Vernunft bisher als relativ fruchtlos erwiesen hat, um gegen den herrschenden Marktradikalismus („Neoliberalismus“) anzukommen, will ich diesmal aus gegebenem Anlass lieber einen Schwenk in die Poesie machen – Poesie geht nämlich wesentlich tiefer als alle intellektuellen Phrasen und wäre insofern auch eine unserer letzten Hoffnungen, nachdem alle noch so klugen politischen und „wissenschaftlichen“ Effizienzdirektiven – die in Wirklichkeit nur Öl im Feuer des ökonomischen Wahn-Sinns sind – versagt haben.

Diese Woche jährt sich der Geburtstag des russischen Dichters und Dissidenten Juri Galanskow. Der Mann wurde nicht älter als 33 Jahre. Nachdem er das unten angeführte Gedicht veröffentlicht hatte, wurde er von den staatlichen Behörden zu  sieben Jahren verschärfter Lagerhaft in Mordwinien verurteilt, wo er schließlich nach einer Magendurchbruchs-Operation an einer Blutvergiftung starb.

Das Gedicht heißt „Manifest des Menschen“ und ist heute wohl aktueller denn je. Einer unserer Professoren hat es seinerzeit als Abziehkopien an uns verteilt, obwohl es mit dem Lehrstoff an sich nichts zu tun hatte. Es war damals noch möglich, derartige Texte unter die Studenten zu bringen, in der Hoffnung, dass vielleicht da und dort in der Zukunft einmal einsprechende Keime aufgehen. Würde heute ein Universitätsdozent einen solchen Text als digitales Handout öffentlich ins Netz stellen, dann würde er wohl umgehend als Ketzer wider die herrschende Doktrin des Mammonismus identifiziert und seine Stelle nächstes Jahr einfach nicht verlängert werden (eine Kollegin hat mir von einem Universitätsdozenten erzählt, der nach bloßer Erwähnung des Wortes „Prekariat“ in einer seiner akademischen Abhandlungen in ernsthafte Bedrängnis kam und seiner vermeintlich systemsubversiven Motivlage unter Androhung beruflicher Konsequenzen abschwören musste – Prekariat, so etwas gibt es doch in einem Land, dem es lt. herrschender Meinung gut gehen muss, nicht).

Zurück aber zu Juri Galanskows Gedicht. Ich habe es diese Woche beim Durchblättern alter Studentenunterlagen auf einem bereits vergilbten Loseblatt gefunden. Als ich es im Internet suchte, war ich zunächst verblüfft – obwohl im Netz ansonsten jede Verdauungsstörung von Paris Hilton, Dieter Bohlen & Co. protokolliert ist, findet sich zu einem solch wesentlichen Gedicht eines der mutigsten neuzeitlichen Köpfe keine offizielle Übersetzung.

Schließlich fand ich es zumindest als laienhaften User-Eintrag im Animexx-Forum. Dort jedoch fälschlicherweise als “Gedicht zum 2. Weltkrieg“ angeführt. – Dabei war das Gedicht  bereits einer ganz anderen Epoche bzw. einer ganz neuen Art des Krieges gewidmet: Dem auf Hochtouren anlaufenden Konsumismus und technokratisch-nihilistischen Fortschrittsglauben der  späten 1960/70er Jahre. Wer meint, dass ein solches Gedicht nur den dunklen Verhältnissen der seinerzeitigen Sowjetgesellschaft entspringen kann, der irrt – zur gleichen Zeit hat auch Pier Paolo Pasolini in Italien,  also im Land des zuckersüßen dolce vita, den „Konsumismus als größten Faschismus“ proklamiert – aber dazu mehr ein andernmal, heute wollen wir für einige Momente Juri Galanskows gedenken (hier ein – leider nicht lizenzfreies – Foto des Mannes aus einem russischen Archiv).

Wir sollten Galanskow heute eigentlich vor jedem europäischen Parlament ein Denkmal errichten. Denn wir hätten dort seinen Geist, den er im Kampf gegen den zur Normalität erklärten Wahnsinn frühzeitig ausgehaucht hat, bitter nötig.

MANIFEST DES MENSCHEN

(von J. Galanskow)

1
Wieder und wieder
packt mich in nächtlicher Stille ein Weinen.
Denn nicht einmal den Saum der Seele
kann man verschenken.
Niemand braucht
einen Tag lang
nach einem Irren zu suchen.
Aber die Leute gehn nach der Arbeit
dorthin, wo Geld rollt und Huren sind.
Sollen sie´s tun.
Ich aber werde durch die Lawine der Leute
hindurchgehn,
anders als sie, und allein –
wie der Splitter eines Rubins,
der im Eise glüht.
Himmel!
Lasse mich leuchten.
Lasse mich nachts
auf das schwarze Samtkleid
ausschütten die Diamanten der Seele.

2
Glaubt nicht den Führern und Ministern,
Glaubt nicht den Zeitungen!
Erhebt euch, die ihr mit eurem Antlitz die Erde deckt!
Seht ihr die große Bombe
und den Blick des Todes aus den offenen Gräbern?
Steht auf!
Steht auf!
Steht auf!
O Purpurblut des Aufstands!
Steht auf und reißt die morschen Zuchthausmauern
dieses Staates ein!

3
Wo sind sie –
die den Kanonen an die Gurgel fahren,
die mit dem heiligen Messer der Rebellion
die Geschwüre des Krieges herausreißen ?
Wo sind sie?
Wo sind sie?
Wo sind sie?
Oder gibt es sie nicht mehr? –
Dort an den Werkbänken stehen ihre Schatten
angekettet mit einer Handvoll klingender Münzen.

4
Der Mensch ist verlorengegangen.
Unwichtig wie eine Fliege
rührt er sich kaum in den Zeilen der Bücher.
Ich gehe hinaus auf den Platz
und presse ins Ohr der Stadt
den Schrei der Verzweiflung.
Menschen! Tröstet mich nicht!
In eurer Hölle kann ich nicht atmen!

5
O Himmel!
Ein strafendes Messer will ich besitzen!
Sieh nur, wie man die schwarze Lüge
auf das weiße Linnen speit.
Sieh nur,
wie abends die Dunkelheit
am blutbesprengten Banner nagt …
Furchtbares Leben –
wie ein Gefängnis, auf Knochen getürmt.
Ich falle!
Ich falle! …
und fühle wie in meinem Innern tief
der Mensch erblüht.

6
Wir haben uns daran gewöhnt,
in freien Stunden
auf den Straßen Gesichter zu sehen,
die vom Leben besudelt sind –
Gesichter wie eure.
Aber plötzlich –
wie das Grollen eines Gewitters
und wie das Antlitz Christi am Tag der Wiederkunft
aufersteht
die getretene und gekreuzigte
Schönheit des Menschen.
Ich bin es – ich,
der zur Wahrheit ruft und zum Aufstand,
der nicht mehr Diener sein will,
und eure schwarzen
aus Lügen geflochtenen Fesseln zerbricht.
Ich bin es – ich,
der vom Gesetz in Fesseln Geschlagene,
der das Manifest des Menschen verkündet!
Mag mir der Rabe
in den Marmor des Leibes eingraben
das Kreuz.

 

Die systematische Vernichtung der Jugend im Westen – und der Verlust der Zukunft

Digital StillCamera

Montag, 16.5.2016 Kennen Sie Woodstock? Nein, nicht den kleinen Vogel der „Peanuts“, der dem Hund Snoopy ein treuer Begleiter ist, sondern das Festival: „3 Days of Love und Peace“. Es fand vom 15. – 18. August 1969 statt. 60000 Besucher waren erwartet worden, 400 000 kamen. Ein Alptraum für jeden bürgerlichen Organisator – doch das Festival zeigte, das große Mengen junger „Normalbürger“ sich völlig ohne Polizei oder Regierung effektiv organisieren können – ein Alptraum für alle Parteien in allen Ländern, demonstrierte es doch deutlich, wie überflüssig sie in Wirklichkeit sind. Die große Menge erlebte friedliche Tage -und räumte danach ihren Müll selber weg. Sind Sie deshalb für uns Helden? Sie sollten es sein: sie haben gezeigt, wie Menschen auch leben können – ohne gleich den ganzen Planeten zu vernichten. Die Hippies stellten die größte Gefahr da, die das Establishment des Westens je gesehen hatte: sie lösten es einfach friedlich von innen heraus auf, lebten ein produktives, kreatives, nachhaltiges Miteinander unter völlig freier Entfaltung der eigenen Person – das Paradies war für kurze Zeit Realität geworden.

Der Indianer und Jurist Vine Delore Jr. sprach in seinem Werk „Nur Stämme werden überleben“ sehr huldvoll von der „Woodstock-Nation“, von der Jugend, die als Minderheit ihren eigenen Stamm bildet, der sich an den Werten indianischer Stämme organisiert und eine Wahl getroffen hat: sie hat sich fürs Tipi entschieden, anstatt für das Schloss (Nur Stämme werden überleben, Vine Deloria jr., Hrsg. von der Arbeitsgruppe für Nordamerikanische Indianer, München, Schätzungsweise 1970?), eine Entscheidung, die für die Gesellschaft als solche lebenswichtig gewesen wäre: „Schloss“ ist einfach nicht zu finanzieren, dafür hat der Planet zu wenig Ressourcen – jedenfalls, wenn alle eins wollten.

Man stelle sich vor: „Woodstock-Nation“ hätte sich durchgesetzt. Wir hätten fünzig Jahre später (also: fast genau JETZT) einen friedlichen Planeten voller Ökodörfer, die ihren eigenen Strom produzieren, wir hätten 365 Days of Peace. Love and Freedom – jedes Jahr. Wir hätten keine Umweltprobleme, keine Energieprobleme, keine Kriege, bräuchten nicht vor der wachsenden Häßlichkeit unseres eigenen Lebensumfeldes jedes Jahr dreimal in ferne Länder fliegen (und auch dort die Umwelt zu ruinieren – was die Anreise schon genüngend tat), um dort für ein paar Tage „Woodstock-Nation“ zu leben – also jenes Leben, das sich für eine einfache aber zutiefst glückliche Existenz in der Natur entschieden hat. „Woodstock-Nation“ war der kulturelle Counterpart zu Auschwitz – und deshalb schon in dem von echten Nazis durchsetzten Deutschland der sechziger Jahre überhaupt nicht gern gesehen.

Die besondere Gefährlichkeit an der Hippiebewegung war: viele ihrer Protagonisten kamen aus reichen Häusern. Sie kannten den Lebensstil ihrer Eltern in den Villen (also: den modernen Schlössern), jenen Lebensstil, der geprägt war von Heuchelei, Anpassung, Gewalt und Unterdrückung und ohne Alkohol überhaupt nicht auszuhalten gewesen wäre. Und sie kannten die Folgen dieses Lebensstiles: der ewige Krieg. 2016 können wir sagen: in der Tat, der hört nie auf. Das heißt: sie sprachen aus Erfahrung, hatten die höchsten Höhen des Konsums kennengelernt … und sich angeekelt von der Hohlheit und Leere abgewandt.

Nun: Vine Delore jr. hatte sich geirrt. Es war nicht der Beginn einer neuen Stammeskultur, die dem Systems des geisteskranken Wachstums- und Leistungswahns eine lebbare Alternative entgegenstellte, es war vielmehr das letzte Aufflackern der Jugend, bevor sie von der Maschinerie des Todes überrollt wurde. Die Konzernwelt wusste ganz genau, welche Gefahr von diesen genügsamen, langhaarigen, bunten Gestalten ausging, die LEBEN vor KONSUM stellten: die ganze Wirtschaftsordnung war in Gefahr, ja: die ganze Kriegsmaschine konnte zum erliegen kommen. Also: produzierte man zukünftig seine eigene Konzernmusik, spielte die in allen Konzernsendern, schummelte sie duch Konzenmedien an die „Spitze“ der „Charts“, die man eigens geschaffen hatte, um den Menschen zu zeigen, was „gute“ Musik ist – und was „schlechte“. Die „gute“ brachte viel Geld in die Kassen der Konzerne und machte die Konzernmusiker unendlich reich: so zog man sie automatisch auf die Seite des superreichen Establishment. Dann noch schnell John Lennon erschießen (und das auch noch an meinem Geburtstag): schon war der friedliche Aufstand vorbei.

Das Ergebnis sehen wir heute: Menschen, deren größte Angst es ist, ein „Nichtsnichts“ im Lebenslauf zu haben (siehe Zeit). Dabei hat niemand wirklich ein „Nichts“ im Lebenslauf, jeder lebt ja die ganze Zeit, nur: unsere Gesellschaft hat wieder „unwertes Leben“ eingeführt – und davor muss man wirklich Angst haben, denn es wird mit Arbeitslosigkeit bestraft, die über Sanktionen, Hunger und Obdachlosigkeit langsam zum Tode in einem der reichsten Länder der Welt führen kann. Das ist eine Realität, die die Jugend von Heute schon am Beispiel von Klassenkameraden sehen kann – auch an jenen, die vom Jugendamt mitten aus dem gymnasialen Unterricht hinausgeschossen und ins ferne Ungarn transportiert werden, um dort allein unter Fremden auf einem heruntergekommenen Hof ohne Schulunterricht zu leben (den Fall finden Sie in der WDR-Dokumentation „Mit Kindern Kasse machen“ – wo man offen ausspricht, dass Kinder im Deutschland des 21. Jahrhundert längst „handelbare Ware“ geworden sind – dank „Jugendamt“, 3,5 Milliarden kann man damit im Jahr verdienen. Steuergelder, wohlgemerkt). Wie ein solches Leben in Angst die Jugend prägt, erfahren wir aktuell aus einer Studie (siehe Spiegel):

Am Anfang der großen Jugendkulturen stand fast immer Provokation und das Bedürfnis, sich von den Eltern abzugrenzen. Die Jugend im Jahr 2016 tickt da anders. Das geht aus der Sinus-Jugendstudie hervor, die heute in Berlin veröffentlicht wurde. Provokante Subkulturen gebe es heute kaum mehr, fassen die Autoren der Studie zusammen: „Eine Mehrheit der Jugendlichen ist sich einig, dass gerade in der heutigen Zeit ein gemeinsamer Wertekanon von Freiheit, Aufklärung, Toleranz und sozialen Werten gelten muss, weil nur er das ‚gute Leben‘, das man in diesem Land hat, garantieren kann.“

Was sehr auffällig ist: die Klasse der „kulturell Kreativen“ – die wichtigste Klasse für die Gestaltung der Zukunft – existiert gar nicht mehr in dieser Studie. Dafür finde ich die „Prekären“ – als wäre das ein Lebensentwurf, den man sich selber aussucht … und zusätzlich noch eine „freizeit – und familienorientierte Unterschicht mit ausgesprochen markenorientiertem Konsumbewusstsein“ … als ob Familienorientierung schon ein Unterschichtsmerkmal ist.

Was der Spiegel nicht so deutlich beschreibt: dieses Ergebnis ist eine absolute Sensation in 5000 Jahren Menschheitsgeschichte. Ja: seit 5000 Jahren meckern die Eltern über die „Jugend von Heute“. Lauschen wir mal den alten Sumerern (siehe Bildungswissenschaftler.de):

Die Jugend achtet das Alter nicht mehr, zeigt bewusst ein ungepflegtes Aussehen, sinnt auf Umsturz, zeigt keine Lernbereitschaft und ist ablehnend gegen übernommene Werte“ (Keller, 1989, ca. 3000 v. Chr., Tontafel der Sumerer).

Schon die Sumerer hatten Hippies. 2500 Jahre später: immer noch keine Besserung:

„Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer. (Sokrates, 470-399 v.Chr.)

Doch im 21. Jahrhundert ist auf einmal alles anders. Eine Sensation. Sogar das faschistische Deutschland brachte mit der „Weißen Rose“ noch aktiven systematischen Widerstand gegen das bösartige System hervor – heute jedoch … liegen die Interessen anders. Heute – gibt es auch spezielle Nachrichtenmagazine für die Jugend (die früher schon allein durch strenge Observation der Tagesschau rebellisch wurde), wie „bento“ von Spiegel-Online (siehe Spiegel), so eine Art vorgekaute Nachrichten für Kinder. Meistens findet man dort nur Mumpitz einer wohlstandsverblödeten Hedonistenklasse, einmal jedoch bin ich etwas aufmerksam geworden: da merkte doch in der Tat ein Jugendlicher, dass etwas nicht stimmte in dem Land (siehe bento):

„Ich kann es ehrlich gesagt nicht mehr hören: Dieses ewige Gerede über die „blasse, angepasste“ Jugend von heute. Das ständige Gejammer über diese ach so egoistischen, jungen Menschen, die sich nicht mehr engagieren würden, denen Politik egal sei und deren orgiastischste Glücksvorstellung in einem Reihenhaus läge, vor dem ein frisch geputzter Volvo steht und ein angeleinter Dackel die Stare im Kirschbaum ankläfft.“

Ein zorniger junger Mann, will man meinen. Einer, der die Beine übereinander legt und die Lehrer tyrannisiert. Weit gefehlt: auch hier mangelt es an Bildung in den Fächern Geschichte und politische Philosopie, denn er hat die „Schuldigen“ schon längst ausgemacht: die Eltern.

„Die Wahrheit ist: Dieses Land gibt seinen jungen Menschen gar keine Chance mehr, Träume zu entwickeln. Schon sehr früh nämlich machen Jugendliche in Deutschland Bekanntschaft mit dem allgegenwärtigen Leistungs- und Konkurrenzdruck. Und vielen macht das schon zu schaffen, bevor sie überhaupt erwachsen werden können.“

Die Wahrheit ist: das liegt nicht an „diesem Land“. Der Leistungs- und Konkurrenzdruck kommt direkt aus den desaströsen Totalversagerfinanzmärkten, die mit „Senkung des Ratings“ ganze Volkswirtschaften ruinieren können und ruinieren, ohne das die Regierungen der Länder überhaupt nur irgendetwas dagegen tun können – oder wollen. Das sind die Gesetze der Lebensform „Schloss“ – weshalb die Hippies das Tipi wählten. Die so mit absoluter Macht ausgestatteten Ratingagenturen werden selbst nicht kontrolliert, sind bewiesenermaßen komplett fehlerhaft (haben zum Beispiel den letzen Megacrash nicht im Mindesten vorausgesehen), werden aber weiter mit großen Ehren überzogen, weil sie ihren Job gut machen. Gut im Sinne einer absoluten Machtausübung.

Womit er Recht hat: der Leistungsdruck beginnt bei uns schon im Kindergarten. Da, wo der Indianer noch Körper und Geist entfalten darf, um in seine Kraft  zu kommen, üben wir schon Geige und Chinesisch um zu gefallen, um vermarktbar zu werden und verwertbar zu bleiben. Wir lernen von klein auf, dass wir selbst überhaupt nichts Wert sind, nur unser Nutzen für das Kapital zählt, nur das, was wir für andere als „Leistung“ (also: Rendite) bringt. Die Dressur beginnt bei uns schon im Kleinkindalter (siehe Spiegel):

„Von wegen Rabeneltern! Wer seine Dreijährigen über die Ziellinie eines Spaßlaufs schleift, bereitet sie damit bestens auf das Leben in einer Gesellschaft vor, in der kaum jemand ein gesundes Verhältnis zum eigenen Körper hat.“

Das sind die Erfahrungen, die unsere Jugend mit ihren Eltern macht. Erfahrungen, die prägen – wie auch die Erfahrungen mit dem Thema „Familie“, die immer mehr zum aussterbenden Model gehört – und das dies Folgen für das ganze Leben der betroffenen Kinder hat (siehe Zeit):

„Kann die Scheidung der Eltern noch im Erwachsenenleben schaden? Eine Langzeitstudie deutet darauf hin, dass frühe Traumata Gesundheit und Status beeinflussen.“

Solche gescheiterten Leben werden durch unsere Gesellschaft gezielt gezüchtet: Familien, die von Hartz IV leben, erhalten eine Prämie, wenn sie sich trennen, den sogenannten „Alleinerziehendenzuschlag“ – der es den Eltern nach der Trennung dann möglich macht, ihre Kinder (deren Tagessätze ungefähr bei dem Gegenwert von drei Kugeln Eis liegen) etwas besser zu versorgen.  Aus diesem Pool fischen sich dann andere ihre Rekruten heraus, wie man aktuell erfahren kann (siehe Spiegel):

„Besonders gefährdet sind demnach Jugendliche aus schwierigen, familiären Verhältnissen. Mindestens zwei Drittel der von Mücke betreuten jungen Männer wuchsen ohne Vaterfigur auf. Daraus resultiert oft ein übersteigertes Bedürfnis nach männlicher Identifikation. Und genau das nutzen Salafisten aus: Werber und Prediger übernehmen als charismatische Autorität eine neue Vaterrolle für den Jugendlichen.“

Das läßt tief blicken – auf die Zukunft, die uns bei steigenden Scheidungsraten noch erwarten wird. Die Gesellschaft wird für den Selbstoptimierungswahn der Eltern (die auch ihre Beziehungsqualität durch ständigen Partnerwechsel optimieren wollen) noch einen hohen Preis zahlen müssen – in anderen Ländern zahlt man ihn jetzt schon: hier jedoch sind die Väter nicht durch Jugendamt „entsorgt“ sondern durch die Bomben des Westens einfach umgebracht worden.

Doch bleiben wir bei der Kritik des jungen Mannes. Wissen Sie, was Vine Deloria vor knapp fünfzig Jahren schrieb? (a.a.O., Seite 91)

„Die Kinder werden von Klassenstufe zu Klassenstufe gehetzt, egal, ob sie den Stoff verstehen oder nicht. Tests trennen in bestimmten Zeitabständen die Talentierten von den Untalentierten und dieser Selektionsprozess setzt sich bis ins College und die Graduiertenseminare hinein fort. Es wird ein einfacher, aber effektiver intellektueller Hinderniskurs aufgebaut, der sich zum Ende hin verengt“.

Daran hat sich seit heute nichts geändert – obwohl man weiß, dass man dadurch die bei allen Kindern vorhandene Hochbegabung vernichtet (siehe hierzu die Forschungen von Gerald Hüther).

„Selektion“ – erinnert wieder an Auschwitz – und ist geprägt vom selben Geist: wer noch Nutzen hat, kommt nach rechts, wer nicht, nach links. Das trifft im Übrigen auch jene, die wirklich alles richtig machen. Jene, die die Selektionsprozesse überleben und die besten Abschlüsse erreichen und die höchsten Höhen akademischen Lebens erreicht haben (siehe Tagesspiegel):

„Ich bin nach fast drei Jahren und fast 300 Bewerbungen noch immer arbeitslos. Auf außerwissenschaftliche Stellen hatte ich nur eine Einladung. Nachdem ich ein DAAD-Stipendium hatte, in einer Ivy-League-Uni geforscht habe und vom Bundesministerium und der EU insgesamt eine Millionen Euro Forschungsmittel eingeworben habe, steht als Nächstes Hartz IV an.“

Und Hartz IV vernichtet binnen eines Jahres alle Berufsabschlüsse und verpflichtet fortan zu Tätigkeiten auf Hilfsarbeiterniveau. Das weiß auch unsere Jugend – und diese Perspektivlosigkeit (von der kollabierenden Umwelt mal ganz abgesehen) prägt ihr Leben – wenn sie intelligent und gebildet sind. Ja – es rutschen immer noch welche durch. Es gibt immer noch Einzelfälle, die es schaffen – wundersamerweise. Aber andere – die realitätsnäheren, will mir scheinen – können lesen und wissen, dass die laufende vierte industrielle Revolution jeden zweiten Arbeitsplatz vernichten wird (siehe Welt).

Sie sehen sich einer Welt gegenüber, die viel kassieren aber nicht liefern will: nur so ist das Schloss zu finanzieren. Hören wir dazu unseren Indianer (a.a.O., Seite 15):

„Ein besserer Weg, Ereignisse zu verstehen, ist, vorhandene Ähnlichkeiten in der Struktur zu finden. Bei der Beachtung der philosophischen Unterschiede können Verallgemeinerungen dieser Art sehr nützlich sein. Es scheint mir, dass die moderne Gesellschaft vor zwei Alternativen steht. Die Amerikaner werden aufgrund der Kompliziertheit moderner Kommunikations- und Verkehrsmittel in neue soziale Formen gezwungen. Das neue Stammestum konkurriert dabei mit dem Neo-Feudalismus. Der Kampf der Zukunft geht um die Rückkehr – zum Schloss oder ins Tipi!“

Wir haben uns entschlossen: wir wollten ins Tipi. Aber der Fürst wollte sein Schloss. „Neo-Feudalismus“ ist heute Alltag, wie nennen es „Neoliberalismus“ und meinen damit nicht weiter als die Freiheit des Stärkeren, das hemmungslose Ausleben eines grenzenlosen Sozialdarwinismus. Doch diesmal: steht keine Jugend auf, um dem Wahnsinn die Stirn zu bieten. Unser junger Autor von „bento“ hat viel verbale Prügel für seine Aufmüpfigkeit bekommen – aus den Reihen der Elterngeneration, die ihren Weg vehement verteidigen. Es ist ein Weg, der 1,5 Planeten braucht – aber egal. Hauptsache: Arbeitsplatz und Wachstum.

Es ist ein Weg des vollkommenen Wahnsinns, der drohenden – ach was, der sicheren Vernichtung unserer natürlichen Lebensgrundlage, damit wir immer mehr Schlösser bauen können … und die neufeudalen Schlossherren haben dafür gesorgt, dass Kinder keine Träume mehr haben, keine Familie, keinen Stamm, kein Land, keine Heimat – und keine Zukunft.

Und wo die Kinder keine Zukunft mehr haben – haben wir auch keine mehr.

Zum ersten Mal seit 5000 Jahren.

Hören wir nochmal Sebastian Christ, den letzten aufmüpfigen jungen Mann:

„Unsere Eltern glauben doch selbst nicht mehr an Visionen für eine bessere Zukunft. Und dann erwarten sie, dass die nächste Generation dann wie aus dem Nichts mit neuen Ideen die Welt verändert? So lange es nicht gelingt, Kinder in diesem Land zu Freiheit und Individualität zu erziehen, ist der Rock’n’Roll tot.“

Der Tod des Rock´n´Roll war auch gewollt. Selbst der war zu rebellisch.

Aber dafür haben wir: Helene Fischer.

 

 

Dokumente deutscher Dämlichkeit: Hetzjagd auf Arbeitslose aktuell – Lumpenproletariat im Einsatz

Dokumente deutscher Dämlichkeit: Hetzjagd auf Arbeitslose aktuell - Lumpenproletariat im Einsatz

Samstag, 10.8.2013. Eifel. Ich bin ja nun schon seit einigen Monaten bei Facebook. Ich gebe zu: ich mochte es nicht. Bin auch jetzt noch kein großer Freund davon – habe aber dort nette Leute kennen gelernt. Im deutschen  Zombieland ist man ja froh über jede Seele, die noch einen Ausdruck von Lebendigkeit, Menschlichkeit und sozialer gemeinschaftsfreundlicher Gesinnung besitzt. Menschen die innerlich schon tot sind aber trotzdem noch über die Düsseldorfer Kö wanken, haben wir genug. Manche versuchen sich auch, eine politische Meinung zu bilden – so wie diese hier, gefunden bei Facebook:

Sabine Ulrich

Ohne Worte……aber leider traurige Wahrheit.
Natalie Kemeter
Vor ein paar Minuten im TV: 2 Hartz 4 Empfänger Heiraten und ziehen logischerweise in einer gemeinsamen Wohnung. Der eine Partner davon hat schon ein Kind.

Natalie Kemeter – offenbar schwer beschäftigt – hat Zeit sich wirklich jeden Unfug unkritisch im Fernsehen anzuschauen und umgehend einen gedankenlosen Kommentar dazu abzulassen. Arbeitslose können das nicht, die suchen nach Jobs.

So jetzt kommts:

Sie beziehen beide noch Hartz 4…..jeweils ca 350 EURO entspricht 700 € + 180 € Kindergeld + 300 Mutteschaftsgeld. Der Mann will nur ein Minijob ausüben und bekommt im Monat 150 €. Das sind ingesamt Netto am Monatsende 1330 €. Miete , Nebenkosten usw übernehmen ja wir Bürger die sich den Arsch aufreisen und Arbeiten gehn.

Das Verb arbeiten wird hier klein geschrieben – aber die Frau kann nicht nur nicht rechnen, sie kann auch nicht schreiben. „Ingesamt“  sollte wohl insgesamt heißen. Das richtige Wort für „gehn“ in der deutschen Sprache heißt „gehen“ und der Mann will natürlich „einen“ Minijob ausüben.

Kindergeld und Mutterschaftsgeld sind Einkommen und werden (soweit ich mich in einschlägigen Foren informieren konnte) angerechnet, d.h. die beiden Eltern haben 700 Euro plus Regelsatz des Kindes, der deutlich unter 430 Euro liegt. Von den 150 Euro darf der Mann 100 Euro behalten. Die kommen so also nicht auf 1330 Euro, sondern nur auf 800 – plus den Regelsatz für ein Kleinkind, das sind 224 Euro. Nun rechnet unsere Legasthenikerin weiter:

So: Arbeitslohn von einem Verheirateten Mann mit Kind in Stuttgart…Mutter Hausfrau. 

„Verheiratet“ ist hier ein Adjektiv und wird klein geschrieben – nur mal nebenbei bemerkt. Hausfrau ist in Deutschland schon lange keine Arbeit mehr – wie die Familie schnell merken würde, wenn der Verdienst des Mannes weiter sinkt und das Jobcenter anfängt, durchzuregieren.

Nettolohn: 1900 €
Kindergeld 180 €
Insgesamt Netto 2080 €
Jetzt ziehen wir ab:
Miete: 700 €
Nebenkosten : 300 €
KFZ Kosten weil der Mann ja zur Arbeit fährt c.a 300€ durch Spritkosten, Verschleiß usw.
Bleiben unterm Strich 780 €..davon muss die Familie leben und natürlich eventuelle Vereine wie zb..schwimmen, turnen usw finanzieren…..Hartz 4 Empfänger bekommen dies natürlich von den Steuerzahler finanziert….das heisst, auch von dieser Familie die am Monatsende 600 € weniger am Monatsende hat trotz Arbeit im gegensatz zu den Hartz 4 Empfänger.

Zum Beispiel wird z.B. abgekürzt, weil das Beispiel groß geschrieben wird. Heißt schreibt man mit ß, allerdings wird Gegensatz groß geschrieben. Der Sozialhilfeempfänger mit Kind braucht ebenfalls ein Auto – für Kind und Minijob. Also ziehen wir dem auch mal 300 Euro ab. Bleiben also 724 Euro gegenüber 780 Euro. Diese Familie hat also … mehr. Arbeit lohnt sich noch – und die Frau kann ohne Job einfach so zu Hause bleiben.

Jetzt zu euch Liebe Arbeitskollegen die Morgens um 2.30 Uhr in der Früh zur Arbeit Fahren um die Familie zu ernähren, aber natürlich auch alle andere Beschäftigte, die total gestresst sind, Schlafstörungen haben, Essstörungen usw , trotzdem arbeiten gehen Steuern zahlen, die Kinder kaum aufwachsen sehn und eventuell die Rente nicht erreichen oder erkrankt erreichen.

Liebe ist hier ein Adjektiv und wird klein geschrieben, fahren ist ein Verb und wird klein geschrieben, es sind „alle anderen“ Beschäftigten und aus „sehn“ machen wir lieber „sehen“. Für die miserablen Arbeitsbedingungen ist zudem kein Arbeitsloser verantwortlich.

Was haltet ihr davon…postet das weiter, so dass das alle sehn…..
Einfach unter aller Sau…echt traurig

Ja, in der Tat. Unter aller Sau und traurig: das deutsche Bildungsproletariat rechnet sich die Welt schön anstatt Deutsch zu lernen. Ja, ich weiß: Rechtschreibfehler suchen ist gemein. Mache ich auch sonst nicht, weil ich selbst genug Flüchtigkeitsfehler mache – nur diese Frau hat ein großes Problem mit der Groß- und Kleinschreibung … und das ist wohl auch der Grund, warum sie so wenig verdient. Sichere Beherrschung der deutschen Sprache ist in allen Jobs Voraussetzung, wo viel Geld fließt. Ob man sich mit lumpigen 1900 Netto unbedingt ein Auto und eine superteure Wohnung leisten muss, ist jedem selbst überlassen, wohnt man billiger und fährt mit der Bahn, dann hat man auch mehr Geld.

Natürlich könnte unser Stuttgarter Vater auch einfach mal mehr verdienen. Warum soll der Arbeitslose jetzt dafür herhalten, dass dieser Vater mit seinen Luxusansprüchen seine Arbeitskraft auf dem Markt nicht besser verkaufen kann? Oder dass ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft (die „Hausfrau“) kein Einkommen erzielt, dass die Finanzlage der Gemeinschaft aufbessert? Ist „Hausfrau“ ein ordentlicher Job, dann gilt das auch für die „Schmarotzer“: die Arbeitsleistung einer Mutter in einer Bedarfsgemeinschaft ist mindestens ebenso groß wie die einer Mutter in einer „Beschäftigtenfamilie“.

So sieht das unser „fleißiger“ Staatsbürger leider nie, er ist mit seiner Minderleistung immer perfekt – und damit das so bleibt, muss die Sozialhilfe weg. Er könnte sich ja nicht mehr als der unangefochtene König der Straße fühlen, wenn alle wüssten, dass er für seine Plackerei nur 56 Euro mehr als der Sozialhilfeempfänger bekommt.

Dieses üble Posting wurde knapp 100 000 Mal geteilt – das geht nur in Zombieland. Aber es kommt noch besser: unser Freund „Grilleau de Marigny“ hat einige Kommentare zu dem Posting gesammelt – Worte aus der deutschen Unterschicht:

Benjamin W: So ist das leider in Deutschland, als Arbeiter wirst du eh von vorne bis hinten verarscht und die Hartz4 Assies bekommen alles in ihren Ärschen geschoben–> kotz würg usw.

Nun – da hat das Fernsehen ja vollen Erfolg mit seiner Propaganda gehabt. Wer aber ist Schuld an der Verarschungssituation? Nun – der, der es tut … und der, der es sich gefallen lässt. Seltsam – an die denkt Benjamin gar nicht.

Kai S: Daran krankt unser Land!!! Und eine PS3 haben die auch alle, irgendwie müssen die ja den Tag rumkriegen während wir für die arbeiten!!!!!! Das stinkt doch zum Himmel……..

In der Tat brauchen „die“ eine PS3. Die müssen jede Sekunde erreichbar sein und dürfen den Wohnort nicht verlassen. Wenn man nun nicht nur die Rauhfasertapete anstarren möchte oder sich hemmungslos „DummTV“ ausliefern will, muss man sich schon mal was einfallen lassen. Videospiele werden auch im Rahmen der Traumatherapie empfohlen um einen „sicheren Raum für die verletzte Seele“  zu schaffen – ich denke, man kann davon ausgehen, dass Arbeitslose angesichts dieser Hetzpropaganda extrem verletzlich sind und sich nicht mehr auf die Straße trauen.

Michaela W: So ist unser Staat…nichts gegen 1950…da gab es noch Regelung….und Strafe an die Faulen….

Was diese Frau mit „1950“ meint, ist mir nicht klar. Offensichtlich lebt sie in einem Paralleluniversum, in dem die Aktion „Arbeitsscheu Reich“ weiter fortlebte. Dem Gedanken, dass „Faulheit“ (was immer das nun sein soll) „bestraft“ werden müsse, hatten viele Deutsche damals Bombenteppiche, Feuerstürme und völlig zerstörte Innenstädte zu verdanken: die Gemeinschaft der Demokraten hatte diesen Ungeist mit Feuer und Schwert ausgerottet.

Antje Z: Super da fragt man sich doch warum man so blöd ist u arbeitet. ..

Die Antwort ist einfach: weil die Rechnung falsch ist und jeder alles Mögliche an Erniedrigung und Hungerlohn akzeptiert, um bloß nicht in Hartz IV zu landen.

Wil MA: Armes Deutschland. .. solche Leute sollen sich echt in Grund und Boden schämen

Ja – in Grund und Boden sollten sich hier wirklich viele schämen – aber nicht die, die durch Staat und Medien sozial hingerichtet wurden. Was diese Strategie angerichtet hat, sehen wir ja jetzt: neue Juden braucht das Land – und hat sie auch bekommen.

Monika P: Alles streichen solchen faulen asozialem Abschaum ich könnte kotzen…..

Ja – da ist er wieder, der Geist, der die zivilisierten Nationen der Welt gegen die Deutschen aufgebracht hat – so sehr, dass sie nur die völlige Vernichtung dieses Ungeistes akzeptieren konnten, der in seinem hasserfüllten Wahn alle Träume einer aufgeklärten Welt mit einem Schlag vernichtet hatte. Das ist der Aufruf zum Mord durch Hunger – kann man inzwischen einfach wieder so sagen in diesem Land.

Tim B: Ist leider so…. Da schwillt mir echt der Kamm ! Wie sagt einer unser Baulummen mit versteinerter Mine : Hartz 4 und der Tag gehört Dir ! SCHÄMEN SOLLTET IHR EUCH ! ( auch wenn manchmal auch traurige Schicksale dahinter stehn, dass will ich ja gar nicht sagen ! )

Es wäre schön, wenn mehr Niedriglöhner eine solche Meinung hätten – dann würde niemand mehr diese Drecksjobs machen und man könnte über ordentliche Gehälter reden. Aber der typisch feige Deutsche hat da mal wieder keine Eier in der Hose. Judenhatz ist ihm da wirklich lieber – die hatten eine Religion, die Gegenwehr schwierig machte: „Du sollst nicht töten“. Solche Feinde sind dem Lumpenproletariat lieb.

Benny S Wiederlich!!!

Schreibt man mit einfachem i: widerlich.

Pidi B: Hartz 4 = sofortige Abschaffung.Grundgesetzverletzung hoch 3,jetzt sind wir dran und die Wende selbst in die Hand nehmen.Macht euer Kreuz im September an der richtigen Stelle,damit dieser Wahnsinn ein Ende hat.

Alle Deutsche werden am September ihrer Meinung nach das Kreuz an der richtigen Stelle machen. In der Tat habe ich den Verdacht, das Hartz IV eine Grundgesetzverletzung hoch drei ist, aber: in dem Kontext die Abschaffung fordern, ist erstmal Aufruf zum Massenmord an Aussortierten – und die allermeisten von ihnen haben sich nicht selber aussortiert. Das hat ein „Arbeitgeber“ getan, nachdem sie zu alt, zu krank oder einfach  zu teuer geworden sind.

Sabrina B: Der Hammer ich merke es mom immer wieder das alle die das Geld beziehen überall die Sachen in den Hintern geschoben bekommen und ich als Arbeitnehmerin voll bezahlen darf…würden gerne nen zweites Kind haben geht aber nicht da die finanziellen Möglichkeiten nicht da sind…unfassbar sowas macht mich wütend und dann sin se noch am jammern

Na, Sabrina – dann arbeite an deiner Sprache, dann bekommst Du vielleicht auch noch mehr Geld. Oder kündige Deinen Job, um auch ins Hartz-Paradies zu kommen. Merke: auch noch so viel Arbeitslosenhatz beschert Dir keine Gehaltserhöhung. Die kriegen auch nicht „alles reingeschoben“ sondern müssen das in einem unwürdigen und in Europa einzigartig demütigendem Prozess beantragen, haben Lebensbedingungen wie ein Verbrecher auf Hafturlaub und müssen beständig mit der Drohung leben, dass ihnen dieser kleine Rest aufgrund einer Laune des Sachbearbeiters ebenfalls gestrichen wird. Im Übrigen: Kinder bekommen ist noch umsonst in Deutschland. Viele Hartz IV-Bedarfsgemeinschaften bekommen das auch gut hin – trotz erbärmlich niedriger Regelsätze für Kinder. Sie können halt wirtschaften. Kann man das nicht, hilft auch noch so viel Geld nicht.

Marcel S: Drecks Schmarotzer !!!

Schreibt man zusammen. Arbeitslosengeld ist die effektivste Wirtschaftsförderung, die man machen kann: alles, was man dort hineinsteckt, kommt der Gesamtwirtschaft zugute. Wir geben es aber lieber den Reichen, die es gewinnbringend im Ausland anlegen, während die Binnenwirtschaft darbt. Jeder zusätzliche Euro Arbeitslosengeld fördert Konsum und Arbeitsplätze, die an diesem Konsum dranhängen. Dieses Fluchwort sollte also lieber an die gerichtet werden, die ihren Porsche auf Kosten des Steuerzahlers fahren – was auf 70% aller neu zugelassenen Porsche zutrifft. Fördervolumen im Jahr: Knapp 165 Milliarden Euro – mehr, als der gesamte Sozialstaat (inkl. Rente und Gesundheit) kostet.

Pit B: arbeite schon dreißig jahre als alleinverdiener musste mir alles schwer erkämpfen….und die…bekommen es in ihren Arsch geschoben Armes Deutschland

Ich denke, der wird noch glücklich sein, dass hier in den Dingens geschoben wird, wenn seine Firma pleite macht. Bei den Rechtschreibfehlern wird eine Anschlussbeschäftigung schwer.

Die Krönung ist natürlich der Kommentar von „Sarah von Kackafurz“ (der Name scheint Programm zu sein – hat sich aktuell umbenannt), die auch Probleme  mit der deutschen Sprache hat:

Am besten bei 40 Grad Hitze auf´n Ackerfeld  schicken und foltern. Und den Gehalt an die Menschen verschenken, die es wirklich brauchen … damit solche Hartzer mal wissen, wie es wirklich ist. 

Man merkt schon ein wenig, was sich da zusammenbraut, oder?

Doch bevor nun die Hasskeule kommt: ich habe mir ein paar Stunden Zeit genommen, um mich mit diesen Menschen zu beschäftigen. Facebook macht es möglich.

Was wir dort vorfinden, ist ein neues Proletariat (nicht zu verwechseln mit dem Prekariat, welches Staat und Wirtschaft zur Rettung der Zinsgewinne geschaffen haben). Marx hatte es schon mal im Visier – als Lumpenproletariat. Niedrige Bildung, schlecht bezahlte Jobs, asoziale Einstellung zur Gemeinschaft – und von Soziologen völlig ignoriert, weil sie einfach zu uninteressant sind.

Knapp 100 000 von ihnen haben den obigen Lügentext gedankenlos verbreitet und gedankenlos kommentiert (mal von Tim B abgesehen, der Ansätze zur Differenzierungsfähigkeit zeigt).

Die sind nicht abgrundtief böse, das merkt man, wenn man sich mit ihren Alltagssorgen beschäftigt.  Sie sind auch schon seit hundert Jahren gut bekannt, siehe Wikipedia:

Dass das in seiner Zusammensetzung sehr heterogene „Lumpenproletariat“ sich nicht wie die Industriearbeiterschaft organisieren lasse, ein geringes Bewusstsein seiner Interessenlage habe und offen für Bestechung durch den Klassengegner sei, sah man in der Arbeiterbewegung als Problem. Es schied wegen seiner Unzuverlässigkeit und seiner Unfähigkeit zur Entwicklung eines proletarischen Klassenbewusstseins als Bündnispartner der Arbeiterklasse aus. Polit-ökonomisch bestimmt wird das Lumpenproletariat (Vagabunden, Verbrecher, Prostituierte) im marxschen Kapital als Teil des „tiefsten Niederschlags“ der relativen Überbevölkerung (der industriellen Reservearmee), die das Kapital produziert.

Zu diesem „Auswurf, Abfall, Abhub aller Klassen“ zählte Marx die „zerrütteten Lebeherren mit zweideutigen Subsistenzmitteln und von zweideutiger Herkunft, verkommene und abenteuerliche Ableger der Bourgeoisie, Vagabunden, entlassene Soldaten, entlassene Zuchthaussträflinge, entlaufene Galeerensklaven, Gauner, Gaukler, Tagediebe, Taschendiebe, Taschenspieler, Spieler, Zuhälter, Bordellhalter, Lastträger, Literaten, Orgeldreher, Lumpensammler, Scherenschleifer, Kesselflicker, Bettler, kurz, die ganze unbestimmte, aufgelöste, hin- und hergeworfene Masse, die die Franzosen ‚la bohème‘ nennen“

Heutzutage können wir noch weitere Berufsklasse hinzufügen: all jene, die mit ihren mittelmäßigen Jobs gerade so über die Runden kommen, die aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation und ihres Bildungsgrades jederzeit durch jedermann ersetzbar sind – und dieses auch wissen. Sie sind sich auch ihrer Schwäche bewusst – und erst recht ihrer Ersetzbarkeit.

Der Zorn, die Angst, die Hilflosigkeit führen zu Aggressionen, die Politik, Wirtschaft und Medien gezielt gegen das künstlich dafür geschaffene Prekariat lenken – mit Erfolg, wie diese Dokumente deutscher Dämlichkeit belegen.

Wer nun meint, dieses Urteil sei zu hart, der sollte überlegen, dass uns die geforderte „Flexibilität“ am Arbeitsmarkt alle zu Vagabunden macht, das Steuerhinterzieher durch die Bank Verbrecher sind und wir uns alle prostituieren sollen, um überhaupt Arbeit zu finden – einer der Hauptgründe für die seit Jahren zunehmende Konformität.  Was übrig bleibt?

Ein paar Beamte.

Mir scheint, die fortschreitende Industrialisierung der Gesellschaft hat ein neues Lumpenproletariat geschaffen, das die Mehrheit des Wahlvolkes darstellt. Offen für Bestechung, unfähig zur Erlangung eines politischen Bewusstseins, unzuverlässig als Teil einer solidarischen Wertegemeinschaft und unfähig, sich auch nur ein Minimum an Allgemeinbildung anzueignen.

Früher erschien dieses Lumpenproletariat nur am Rande einer arbeitenden Gesellschaft, heute macht es die Mehrheit einer Gesellschaft aus, deren Arbeit fortschreitend durch Maschinen ersetzt wird, die es einfach besser können.

Und das alles kann man erkennen, wenn man nur ein kleine Zeit bei Facebook verweilt.

Schon spannend, oder?

Denkt man aber darüber nach, welche Zukunft eine Gesellschaft haben soll, die überwiegend aus Lumpenproletariat besteht, kann einem schon schnell mulmig werden.

 

Verbotene Fakten über die Massenarbeitslosigkeit in Deutschland

Samstag, 6.7.2013. Eifel. Haben Sie sich schon einmal Gedanken über Arbeitslosigkeit gemacht? Nein, nicht um Ihre persönliche (die ist sowieso Ihr Privatproblem, worum sich weder Staat noch Wirtschaft noch weiter kümmern wollen), sondern um die gesellschaftliche  Bedeutung von Arbeitslosigkeit? Das sie eine hat, scheint klar: immerhin ist die Ver- bzw. Zuteilung von Flachbildfernsehen, Blue-Ray-Playern, I-Pods und Neuwagen direkt an einen Arbeitsplatz gekoppelt: gibt es diese Plätze nicht, produziert die Wirtschaft für die Halde - oder - wie momentan - für das Ausland, das die Waren dann mit Krediten aus Deutschland kaufen kann ... Kredite, die sie niemals wieder zurückzahlen können. Damit wären wir im Herzen der Eurokrise, aber nicht im Herzen der Arbeitslosigkeit angelangt.

Samstag, 6.7.2013. Eifel. Haben Sie sich schon einmal Gedanken über Arbeitslosigkeit gemacht? Nein, nicht um Ihre persönliche (die ist sowieso Ihr Privatproblem, worum sich weder Staat noch Wirtschaft noch weiter kümmern wollen), sondern um die gesellschaftliche  Bedeutung von Arbeitslosigkeit? Das sie eine hat, scheint klar: immerhin ist die Ver- bzw. Zuteilung von Flachbildfernsehen, Blue-Ray-Playern, I-Pods und Neuwagen direkt an einen Arbeitsplatz gekoppelt: gibt es diese Plätze nicht, produziert die Wirtschaft für die Halde – oder – wie momentan – für das Ausland, das die Waren dann mit Krediten aus Deutschland kaufen kann … Kredite, die sie niemals wieder zurückzahlen können. Damit wären wir im Herzen der Eurokrise, aber nicht im Herzen der Arbeitslosigkeit angelangt.

Der Nobelpreisträger Joseph Stieglitz hat in seinem Buch „Im freien Fall – vom Versagen der Märkte zur Neuordnung der Wirtschaft“ interessante Fakten erwähnt. In einer Fußnote (1.Auflage, Pantheon Verlag 2010, Seite 437) spricht er über echte Arbeitslosenzahlen, die zur effektiven staatlichen Steuerung von Wirtschaftsprozessen unerläßlich sind:

Die saisonbereinigte Gesamtquote der Arbeitslosen plus aller geringfügig Beschäftigten plus aller aus ökonomischen Gründen Teilzeitbeschäftigten in Prozent der gesamten zivilen Erwerbsbevölkerung betrug im Oktober 2009 17,5 %

Horrorzahlen, oder? Riesige Massenarbeitslosigkeit in den USA – und keiner merkts?

Nein, nur die Bezugsgrößen wurden verändert. Wer keinen richtig echten Job mehr hat, von dem eine ganze Familie leben kann, der ist im Rahmen der Ver- bzw. Zuteilung von Luxusprodukten so benachteiligt, dass er als arbeitslos gelten kann bzw. kaufkraftmäßig einem Arbeitslosen gleichgestellt ist.

Da stellt sich schnell die Frage – sie sieht das eigentlich für Deutschland aus?

Regierung und Bundesagentur für Arbeit jubeln stetig aufs Neue, wie toll man die Arbeitslosigkeit bekämpft hat – was aber wäre, wenn man mal genauer nachschaut und Stieglitz´Perspektive einnimmt?

Erstmal – was haben wir aktuell an Arbeitlosen? Richtig echten, von der Regierung offiziell genehmigt?

3 Millionen 46 ooo am heutigen Tag, siehe Jobbörse BA

Weniger als eine Million davon sind ALG 1 Bezieher (siehe Statista).

ALG 2 Bezieher haben wir 4,4 Millionen (siehe Statista), zusammen mit den ALG 1 Beziehern kommen wir auf 5,2 Millionen Arbeitslose.

Angesichts von 42 Millionen arbeitsfähigen Deutschen wären wir da schon bei einer Arbeitslosenquote von satten 12, 5 %. Andere Quellen erwähnen 39,7 Millionen arbeitsfähige Deutsche – da sehe die Quote schon schlimmer aus.

Wir wollen aber nicht kleinlich sein, denn wir haben noch andere, die wir zu den 5,2 Millionen addieren müssen – zwischen 3,1 und 4, 9 Millionen, die zwar Leistungsansprüche haben, diese aber nicht wahrnehmen (siehe yahoo).

Manche von ihnen werden Geringverdiener sein. 20 % der erwerbsfähigen Bevölkerung sind dort anzusiedeln (siehe Tagesschau), acht Millionen Menschen, jeder vierte arbeitet 50 Stunden die Woche (siehe Focus).

5,2 Millionen Arbeitslose ohne irgendeine Tätigkeit plus

3,1 Millionen Arbeitslose (minimal) ohne Leistungsbezug (oder Vermögen) plus

8 Millionen Geringverdiener.

Natürlich gibt aus auch noch Aufstocker – 1,2 Millionen – aber die sind schon in der Statistik der Hartz IV-Empfänger enthalten … hoffe ich.

Manch einer will jetzt vielleicht schon den Rechenblock zücken … was zu früh wäre.

Nach Stieglitz brauchen wie nämlich noch die Teilzeitarbeiter.

Zehn Millionen haben wir davon in Deutschland – ein Spitzenwert in Europa laut Zeit.  Das sind 26 % aller Beschäftigten in Deutschland (wobei ich nicht genau weiß, ob da schon die korrigierten Bevölkerungsanteile enthalten sind … aber: wir wollen ja nicht kleinlich sein).

Welche Teilzeitbeschäftigte beziehen nun nicht als Aufstocker Hartz IV, sind keine Geringverdiener?

Gut die Hälfte der Aufstocker arbeitet in Teilzeit (siehe Frankfurter Rundschau) – ältere Daten, aber für die grobe Rechnung reicht das. Ziehen wir also 600 000 von den zehn Millionen ab: es bleiben 9, 4 Millionen. Alles Geringverdiener? Wäre schön … dann blieben aber mindestens 1,4 Millionen übrig – denn Geringverdiener haben wir nur 8 Millionen.

Damit haben wir 17,7 Millionen Arbeitlose in Deutschland – so wie Stieglitz sie zählen würde. Oder 19,5 wenn wir weniger blauäugig rechnen.

Das machte eine reale Arbeitslosigkeit – im günstigsten Falle – von 41,4%.

Beachtlich, oder?

Holen wir uns andere, aktuelle Daten zur Hilfe – aus der Berliner Zeitung:

„An die Stelle klassischer Beschäftigungsmodelle treten zunehmend befristete Arbeitsverhältnisse, Zeitarbeit und Teilzeitjobs“, sagt Eric Thode, der Co-Autor der Studie. Waren diese Beschäftigungsverhältnisse jahrzehntelang Sonderformen, machen sie derzeit immerhin schon 40 Prozent der Anstellungen aus. Tendenz steigend. In Branchen wie dem Dienstleistungssektor ist mittlerweile nur noch jeder zweite Arbeitnehmer unbefristet als Vollzeitkraft beschäftigt.

Nun ist die Branche „Dienstleistungsektor“ keine Branche wie jede andere. Dienstleistungsgesellschaft ist unsere Zukunft – nach dem Wegfall der Arbeitsplätze in der Agrargesellschaft oder der Industriegesellschaft. Das wurde uns lange Jahre gepredigt, die Gesellschaft, die sich gegenseitig die Hamburger serviert, ist unser Utopia – wenn wir genug Geld hätten, die Hamburger zu bezahlen.

Bleiben wir bei der Bertelsmannstudie. Die Teilzeitjobs machen ca. 20 % der Jobs aus – aber was ist mit den befristeten Arbeitsverträgen und der Zeitarbeit?

Stieglitz würde sie wohl auch  nicht als ordentliche Arbeitsverhältnisse durchgehen lassen – immerhin schwebt man immer direkt über dem Jobcenter und bleibt in einer prekären Situation.

Manche der befristeten Arbeitsverhältnisse sowie der Zeitarbeit finden wir wohl auch bei den Geringverdiener. Aber selbst wenn es alle wären und es nur noch billigste Lohnsklaverei im Dienstleistungssektor gibt … bleiben noch ein paar Millionen übrig. 8,8 Millionen, um genau zu sein.

Drehen wir den Spieß aber einfach mal um und sagen: 40 % haben aktuell keinen tollen, echten Job, wie man ihn braucht, um im Kapitalismus angstfrei überleben zu können.  Das sind 16,8 Millionen. Dazu kommen noch 5, 2 Millionen Arbeitslose, die definitiv keinen Job haben (die Aufstocker lassen wir mal draußen).

Da kommen wir auf 22 Millionen Menschen – von 42 Millionen.

Nur noch 20 Millionen haben einen echten Job, davon sind 1,7 Millionen Beamte (Arbeitslose mit Sonderfunktionen im Staatsdienst) und 4,6 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst (Arbeitlose mit Sonderfunktion in der Arbeitslosenverwaltung): macht 6,3 Millionen Menschen, die zusätzlich von staatlichen Subventionen abhängig sind.

Die wollen wir mal von den 42 Millionen abziehen, weil sie kaum wirtschaftlich produktiv aber ungemein teuer sind.

Bleiben als Grundlage: 35,7 Millionen echte Arbeitnehmer, von denen 22 Millionen arbeitslos sind.

Der aufstockende Teilzeitbeamte ist hier nicht berücksichtigt, dafür berechnen wir nur 3,1 Millionen Arme ohne Hartz IV – sonst sähe es noch schlimmer aus.

Damit haben wir eine reale Arbeitslosigkeit von 61 %. 

Nur noch 39 % der Deutschen haben einen echten Job in der privaten Wirtschaft, der eine Familie ernähren kann. Tendenz: weiter sinkend.

Darum baut die deutsche Wirtschaft auf Export – und darum jongliert die Politik mit Zahlen genauso, wie ich es jetzt gemacht habe.

Selbst wenn ich mich um ein paar Millionen verrechnet haben sollte … diese Zahlen erklären hinreichend die Staatsverschuldung von 2 Billionen Euro.

Neuwagen werden übrigens zum überwiegenden Teil (60 %, siehe Jan Kluge, Unliebsame Wahrheiten, Seite 92) von Firmen angemeldet – und vom Steuerzahler bezahlt. So steht hinter den Rekordgewinnen der Automobilindustrie auch der Steuerzahler, was in Hinblick auch die zukünftige Entwicklung von Arbeitslosigkeit keine Hoffnung macht.

Die 39 % mit den echten Jobs müssen übrigens für all´ die anderen aufkommen – auch für 165 Milliarden Subventionen an deutsche Firmen: das sind allein 12000 Euro im Jahr für jeden von Ihnen. Aber: dafür haben sie ja wenigstens überhaupt Arbeit.

Noch eine Zahl, die die Realität der Arbeitslosigkeit jenseits der Regierungspropaganda unterstreicht? Ok, eine noch (aus Kluge, a.a.O., Seite 75): von 47 Millionen deutschen Haushalten zahlen 23,5 Millionen Haushalte KEINE Steuern. Mit einem Jahreseinkommen von unter 8004 Euro brauchen sie das nicht.

Wie diese Deutschen die 2 Billionen Euro Staatsschulden PLUS 1,57 Billionen Privatschulden (Tendenz: steigend!, siehe Spiegel) zurückzahlen wollen?

Nun – Kanzerlin Angela Pippi Merkel-Langstrumpf weiß wie (Text bei Golyr)

2 x 3 macht 4
Widdewiddewitt und Drei macht Neune !!
Ich mach‘ mir die Welt
Widdewidde wie sie mir gefällt ….


Und so werden auch die Arbeislosenzahlen berechnet, um die Märkte nicht zu beunruhigen.

 

 

Umerziehung und Wirklichkeitssteuerung in Deutschland: über Kornkreise, Goldman-Sachs und echte Widerstandskämpfer

Mittwoch, 12.9.2012. Eifel. Gestern war Jahrestag einer der größten Verschwörungen der Welt. Verschwörung? Ja - das war es auf jedenfall. Es gibt eine amtliche Verschwörungstheorie und einige öffentliche, die mit der amtlichen nur in Teilen übereinstimmen. Und wie das so ist in einer Welt, in der es Verschwörungen, Vertuschungen und Geheimdienste gibt, weiß man als Zeitungsleser überhaupt nicht mehr, was man glauben soll - aus lauter Verzweiflung glaubt man dann einfach das, was die Regierung als Regelmeinung herausgibt. Damit kriegt man ja auch am wenigsten Ärger. ARTE brachte nun eine Dokumentation über Goldman-Sachs - eine Dokumentation über eine Verschwörung:

Mittwoch, 12.9.2012. Eifel. Gestern war Jahrestag einer der größten Verschwörungen der Welt. Verschwörung? Ja – das war es auf jedenfall. Es gibt eine amtliche Verschwörungstheorie und einige öffentliche, die mit der amtlichen nur in Teilen übereinstimmen. Und wie das so ist in einer Welt, in der es Verschwörungen, Vertuschungen und Geheimdienste gibt, weiß man als Zeitungsleser überhaupt nicht mehr, was man glauben soll – aus lauter Verzweiflung glaubt man dann einfach das, was die Regierung als Regelmeinung herausgibt. Damit kriegt man ja auch am wenigsten Ärger. ARTE brachte nun eine Dokumentation über Goldman-Sachs – eine Dokumentation über eine Verschwörung:

Goldman Sachs ist mehr als eine Bank. Sie ist ein unsichtbares Imperium, dessen Vermögen mit 700 Milliarden Euro das Budget des französischen Staates um das Zweifache übersteigt. Sie ist ein Finanzimperium auf der Sonnenseite, das die Welt mit seinen wilden Spekulationen und seiner Profitgier in ein riesiges Kasino verwandelt hat. Mit weltweit einzigartigen Verflechtungen und einem Heer aus 30.000 Bankern konnte Goldman Sachs auch in den letzten fünf Krisenjahren kräftige Gewinne einstreichen, seine Finanzkraft weiter ausbauen, seinen Einfluss auf die Regierungen stärken und sich vonseiten der amerikanischen und europäischen Justiz völlige Straffreiheit zusichern. 

Das Geschäftsgebaren der Bank ist überaus diskret. Ihr Einfluss reicht weit in den Alltag der Bürger hinein – vom Facebook-Börsengang über die Ernennung des Präsidenten der Europäischen Zentralbank bis hin zum Lobbying gegen die Regulierung des Finanzsektors. Der Arm der Bank ist lang, und sie befindet sich stets auf der Gewinnerseite.

„Der Arm der Bank ist lang“ … und wenn wir nun Geschichten von 55-jährigen Frauen in Deutschland hören, die nach Streichung des Regelsatzes in ihrer Wohnung verhungern, dann merken wir, das dieser Arm direkt in unseren Alltag hineinreicht.  Wir werden noch weitere Folgen zu tragen haben – egal, wie Karlsruhe heute entscheidet.

Diese Verschwörung ist bekannt, sie läuft vor unser aller Augen ab. Eine mit „unbegrenzter Feuerkraft ausgestattete EZB“ (siehe Welt) feuert demnächst auf den Bundeshaushalt, auf die Rentenkassen, das Gesundheitswesen und den Sozialstaat … und ich wette, das es keinen Aufstand dagegen gibt. Sicher, die Angst der Deutschen vor der Armut ist größer als die Angst vor dem Krieg (siehe Handelsblatt) – wobei man schon bemerken sollte, das es solche Degenerationserscheinungen nur in Ländern gibt, in denen die letzten zwei – drei Generationen schon gar keinen Krieg mehr mitbekommen haben und eigentlich gar nicht wissen, wovon sie reden.

Dabei ist ihre desolate persönliche Situation das direkte Ergebnis eines Krieges, den die US-Superklasse seit vielen Jahren gegen Europa führt – die Superklasse und ihre Funktionseliten, die gerade in Deutschland superfest im Sattel sitzen. Nur hier wird es toleriert, das zum Beispiel Ärzte bei ständig schlechter werdenden Leistungen ungeniert und äußerst trickreich immer tiefer in die Taschen der Patienten greifen (siehe Welt), Realschullehrer Spitzengehälter für die Serienproduktion von Hartz-Kunden und Prekariatspersonal bekommen (siehe OECD-Studie im Spiegel) und die offiziell künstlich  hergelobten Leistungsträger unserer feinen Gesellschaft zu einem Förderverein von Zwangsprostitution und Menschenhandel werden (aktuell – neben VW und HMI – die deutschen Schienenproduzenten, siehe ebenfalls Welt).

Das ganze wird gestützt von einer Presse, die – direkt oder indirekt abhängig von der Superklasse und ihren Funktionären – nebenher (entgegen aller von Sozialarbeitern geschilderten Wirklichkeit) den Mythos der glücklichen Hure auf allen Kanälen verbreitet, jener Frau, die gerne für jeden Mann da ist – notfalls auch umsonst. Von solchen feuchten, pubertären Träumen berichtete man früher nur in Schilderungen aus katholischen Internaten, heute ist das publizistische Standardmeinung der … Dauerkunden.

Die Sendung bei ARTE über die Goldmänner ist sehr empfehlenswert, wiewohl sie ziemlich entmutigen kann. Sie enthält eine interessante Aussage über Formen von Korruption, die wir gar nicht als solche Wahrnehmen, weil sie entsteht, wenn viele Menschen mit der gleichen Art zu denken zusammenkommen und Entscheidungen treffen. Sind diese Menschen Psychopathen, ist jede Hemmung abgebaut, man geht auf Freund und Feind gleichermaßen los, wie Europa und seine Bürger jetzt nach den US-Bürgern (die die ersten Opfer waren, jetzt aber abgeschöpft sind) hautnah erleben dürfen – auch wir Deutschen, wenn Ende des Jahres die Rezession in Deutschland beginnt (siehe OECD-Prognose in der Welt) und wir bedingt durch die Extremwetterlagen (siehe Oxfam-Studie im Spiegel) auch in Deutschland merken, das Essen doch nicht bei Aldi im Regal wächst und man das Prekariat auch gezielt durch Preisexplosionen eliminieren kann.

Man sollte nun erwarten, das das Volk angesichts der vollständigen Vernichtung seines Wertesystems, seiner Lebensqualität und seiner Existenzgrundlagen vor lauter Wut auf den Straßen tobt … jedenfalls wäre das bei einem normalen Volk zu erwarten. Bei Griechen, Italienern, Franzosen, Spaniern, Portugiesen, Ägyptern, Syrern, Tunesiern und allen anderen halbwegs zivilisierten Freunden der Losung „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ und Anhängern der Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte ist es auch so … jedoch nicht bei den Deutschen.  Die sind bedauerlicherweise in einer ziemlich dämlichen Lage: zum einen haben sie eine ganz deutliche Pfui-Geschichte als Vergangenheit (dank neoliberalisiertem Psychopathenwahn aktuell auch eine Riesenpfuigeschichte in der Sozialgesetzgebung), zum anderen sind sie seit achtzig Jahren umerzogen worden – und zwar mal hierhin und dann wieder dorthin.

Erst kam eine Weimarer Republik und erzog sie zu Demokraten.

Dann kam ein Führer, erklärte Demokraten zu dummen, gemeingefährlichem Teufelszeug und erzog sie zu Herrenmenschen.

Nach Vollendung der Führung und vollendeter Vernichtung des Landes kamen Amerikaner und erklärten den Führer zu dummen, gemeingefährlichem Teufelszeug, Demokratie kam wieder in Mode.

Dann kam der Focus und erklärte Demokratie zu dummen, gemeingefährlichem Teufelszeug (siehe Hintergrund) bzw. zu „einem zum Scheitern verurteiltem System sozialer Organisation“. Sogar unsere Kanzerin malt ja schon mal gerne das Bild der marktkonformen Demokratie an die Wand, die unser veraltetes, marodes, unbezahlbares und schlecht steuerbares defizitäres Demokratiesystem ersetzen soll – die vierte komplette Umerziehung erfolgt in nur hundert Jahren.

Schon jetzt kann man erahnen, das nach dem Ende der nächsten (Ver-)führung wieder Retter die Demokratie einführen und Merkel samt Focus zu dummen, gemeingefährlichem Teufelszeug erklären werden.

Das System der Wirklichkeitssteuerung entlarvt sich nun ziemlich einfach an den tabuisierten Randthemen, denen sich jetzt beispielsweise der Spiegel gewidmet hat: den Kornkreisen.

Worum handelt es sich bei diesem Phänomen?

Nun – seit mehreren Jahrhunderten (siehe Kornkreise-forschung.de) erscheinen in Kornfeldern seltsame Kreismuster. Für den Bauern (der heutzutage  zwischen Hartz-Regelsatz und Friseurinnenstundenlohn wirtschaften muss) bedeuten sie empfindliche Einkommenseinbußen, der Tatbestand der böswilligen Sachbeschädigung ist mehr als deutlich gegeben (siehe 20Min.ch) – ein Aspekt, der in der Diskussion oft vergessen wird.

Ich bin auf dieses Phänomen durch einen Arzt aufmerksam geworden, der gelegentlich in der Eifel zwecks Goldschürfung unterwegs ist und selber Zeuge dieses Phänomens wurde. Offenbar entstehen über Nacht ästhetisch sehr beeindruckende Muster im Korn, die auf eine hohe Intelligenz der Kunstschaffenden schließen lassen, ebenso auf perfekt getarnte Operationen, die über eine hochtechnisierte Ausrüstung und der personellen Ausstattung und Logistik eines Großkonzerns verfügt – hören wir dazu den Spiegel-Autor:

Die Nachricht vom südenglische Phänomen hatte die Zahl der weltweit gemeldeten Kornkreis-Sichtungen rasant ansteigen lassen, und ihre Erschaffung entwickelte sich zu einer wahren Kunstform mit immer komplizierteren Figuren aus Kreisen, Linien und Vielecken, für die weit mehr als nur ein paar Bretter und Seile nötig waren. Einige der Künstler orientieren sich mittlerweise mittels Laser oder GPS-Geräten. Die Halme selbst, so schrieb der Physiker Richard Taylor von der University of Oregon, könnten mit sogenannten Magnetronen mittels Mikrowellenstrahlung umgelegt werden. 

Doug Bower und Dave Chorley indes gelten in Kornkreismacherkreisen als die Begründer dieser neuen Kunstform, ihre selbstauferlegten Regeln als ungeschriebene Gesetze. Dazu gehört, dass das Getreide nur gebogen, nicht gebrochen werden darf. Die Piktogramme müssen während der Nacht entstehen und ihre Erschaffer das Feld verlassen, ohne menschliche Spuren zu hinterlassen.

Gut, diese Erkenntnis steht etwas im Gegensatz zu den Behauptungen bekennender deutscher Kornkreisschöpfer (siehe Kornkreise.de), aber mit solchen Verblüffungen muss man in Tagen der Umerziehung leben.

Bis heute sind ca. 6000 dieser Kornkreise beobachtet worden, jedes Jahr kommen ein paar hunderte hinzu. Die Organisation, die mithilfe von Mikrowellenkanonen, GPS-Geräten und Lasern in großem Umfang Ernten vernichtet, bleibt vollkommen im Dunkeln, allerdings lässt sich anhand der mathematischen Gleichungen, die in den Mustern verborgen sind (siehe beispielsweise Shortnews, Heise, Zeit), schließen, das es sich um führende mathematische Köpfe der Menschheit handeln muss.

Wir schlucken diese Verschwörungstheorie ohne weiteres – obwohl bis heute noch kein hochgerüstetes Kornkreiskommando auf frischer Tat ertappt wurde, weil sie mit höchster organisatorischer Effizienz nach im Dunklen und absoluter Stille vollbrachter Tat spurlos aus der Gegend verschwinden.  Außer der Schweizer Polizei jagt auch niemand die Täter, obwohl sie insgesamt Schäden in Millionenhöhe verursachen (was wieder irgendwie an die Goldman-Sachs-Geschichte erinnert – auch dort sind Mathematiker im Spiel, auch dort findet keine Strafverfolgung statt – allerdings sind die Schäden um ein vieltausendfaches höher).

Es wäre doch eine hochinteressante Geschichte, welche Organisation hier versucht, die Menschheit zum Narren zu halten – und das mindestens über ein Vierteljahrhundert hinweg.  Immerhin haben wir es hier – wie bei Goldman-Sachs – mit einer internationalen Verschwörung zu tun, die gezielt und absichtlich einen Mythos produziert, der zu äußerst irrationalen Deutungen einlädt: das scheint mir schon mehr als grober Unfug zu sein.

Was aber tun „wir“, die Gemeinschaft der Umerzogenen?

Wir fragen gar nicht mehr weiter.

Das auf der Basis von Magnetronen schon EMP-Waffen entwickelt worden sind, erfährt man nur nebenbei durch Wikipedia, das diese Waffen für manch einen unerklärlichen Stromausfall der letzten Jahre verantwortlich sein kann, muss man sich selber denken, das die USA solche Waffen schon längst besitzen (siehe Spiegel aus dem Jahre 2003), wir aber nicht erfahren, wo und wie die heute schon im Einsatz sind, soll uns nicht weiter interessieren. Vielleicht sind sie ja schon 1965 angetestet worden, als es im Zusammenhang mit dem „großen Stromausfall in Nordamerika“ zu unerklärlichen Blitzen über Syracuse kam (siehe Wikipedia). Syracuse? Ja, genau dort gibt es eine US-Militärbasis, die auf sich aufmerksam machte, als sie für ihre Anlage Röhrentechnologie aus der Sowjetunion beziehen musste (siehe Wikipedia), Röhrentechnologie, die – wie man heute weiß – gegen EMP-Impulse unanfällig ist.

Wir gewöhnen uns halt an eine Kultur, die durch einen ökonomischen Putsch die Grundwerte des christlichen Abendlandes vernichtet, die Nachfragen verhindert und jedes kritische Denken als „esoterisch“, „verschwörungstheoretisch“ oder „hysterisch“ brandmarkt.

Was kaum einer merkt: wir befinden uns da ganz akut in einem System, das die Psychopathologisierung des weltanschaulichen Gegners wie selbstverständlich handhabt … obwohl wir doch wissen, das dies ein Merkmal menschenverachtender, stalinistischer Systeme war: wer Dinge für möglich hält, die ausserhalb der staatlich definierten Weltsicht existieren, kann einfach nur geistig krank sein (… während gleichzeitig die räuberischen Goldmänner als Leistungsträger und Helden des Marktes gefeiert werden).

Die Realität dieser stalinistischen Systeme in unserem Alltag ist uns aber inzwischen so in Fleisch und Blut übergegangen, das wir sie gar nicht mehr bemerken: Umerziehung und Wirklichkeitssteuerung haben eine perfekte Scheinwirklichkeit aufgebaut, die nur gelegentlich am Rande von anderen nicht vordefinierten Wirklichkeiten gestört wird … zum Beispiel durch Kornkreise, Ufos, Nahtodeserfahrungen, religiöse Erlebnisse oder philosophischer Reflexionen, denn all das hat in der Goldman-Sachs-Welt keinen Platz.

Unabhängig davon, ob es nun El-Kornkreisaida, Erdgeister oder Weltraumtouristen waren, die dort Spuren im Sand (bzw. im Korn) hinterlassen haben, fordern diese Kreise unsere Wissenschaft zu Erklärungen heraus … Erklärungen, die letztlich zeigen, das wir uns auf einem wissenschaftlichem Niveau bewegen, mit dessen Hilfe man auch beweisen könnte, das die Erde eine Scheibe ist.

Noch ein Schmankerl dazu? Die Seite „Wissenschaft im Dialog“ steht mit hehrem Anspruch im Netz:

Weil Wissenschaft und Forschung die Lebensbereiche aller Menschen tiefgreifend verändern, bringt die Initiative Wissenschaft im Dialog (WiD) Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Menschen aller Altersgruppen und Bildungsgrade ins Gespräch und engagiert sich für den Austausch und die Diskussion über Forschung in Deutschland.

Wer schreibt dort einen „wissenschaftlichen“ Artikel über Kornkreise und erklärt mit zehn Sätzen ein Phänomen, für das US-Forscher immerhin schon Mikrowellenwaffen ins Spiel bringen?

Der Einzelhandelskaufmann Werner Walter (siehe Wikipedia), der mit seinem „unwissenschaftlichem“ und „polemischem“ „Ein-Mann-Netzwerk“ seit Jahren einen Kreuzzug gegen alles mögliche führt.

Mag es sein, das unsere wissenschaftliche Elite angesichts dieses Niveaus wirklich in den Untergrund abgetaucht ist und nur noch über Kornkreise mit uns kommuniziert?

Denkbar wäre es.

Zurück jedoch von dem kleinen Exkurs über ein umstrittenes Randphänomen der menschlichen Wahrnehmung, das im Prinzip erstmal an sich völlig bedeutungslos ist (nebenbei bemerkt: was würde sich für uns eigentlich ändern, wenn dort im Korn keine Geheimorganisation tätig ist, sondern jugendliche Aliens, die auf ihren Weltraumsurfbrettern mal eben bei den „nackten Affen“ halten, um ihnen einen Schabernack zu spielen … so wie unsere Kinder schon mal einem Hund einen Knochen an den Schwanz binden, damit der sich zu ihrer Belustigung selber jagt) hin zu der Bedeutung, die die Behandlung dieses Phänomens für die Widerstandskraft der menschlichen Gesellschaft hat.

Umerziehung und gesteuerte Wirklichkeiten machen es möglich, das mit dem heutigen Urteil der Karlsruher Richter zum ESM (siehe Spiegel) die Schleusen für grenzenlose Transaktion europäischer Steuergelder in Goldman-Sachs-Regionen geöffnet werden (bei gleichzeitigen üppigen Gehalterhöhungen für Beamte in Europa und Deutschland – siehe Welt) …. und die deutschen Bürger trotzdem nicht die Goldman-Sachs-Niederlassungen stürmen – obwohl ARTE die Verschwörung gegen den europäischen Wirtschaftsraum detalliert aufgezeigt hat.

So erklärt sich, warum deutsche Bürger seit Jahren Unverschämtheiten von Politik und Wirtschaft schlucken, ohne auf die Barrikaden zu gehen … und man merkt, warum ein vergleichsweise harmloses Phänomen die Wurzeln des Systems angreift – eines Systems, was via Goldman-Sachs die Vermögenswerte des europäischen Kontinents abgreift.

Beschäftigen wir uns nämlich zu sehr mit alternativen Realitäten, könnten wir womöglich auf die Idee kommen, das die Goldman-Sachs-Realität gar nicht so alternativlos ist, wie Kanzlerin und Wirtschaftswissenschaft uns glauben machen wollen.

Insofern … sind die Kornkreismacher echte Widerstandskämpfer, die sehr zum Denken anregen.

Eigentlich seltsam, das die nicht von Europol gesucht werden … allein schon wegen der systematisch hervorgerufenen Ernteschäden in Zeiten knapper werdender Nahrung.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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