postfaktisch

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Deutsche Medien fordern Weltkrieg gegen Trump

Montag, 6.2.2017. Eifel. Na, Bürger? Steht´s gut informiert? Ich will es hoffen, Sie zahlen genug Geld dafür. Nicht nur die 50 Prozent, die Sie jedes Jahr für den Staat arbeiten, auch an der Ladenkasse zahlen Sie für Ihre Informationen. Das bekommen Sie auch zurück: nur deshalb können die großen Medien Sie im Internet mit Gratisinformationen versorgen, weil sie von der Großindustrie mit massiven Zahlungen für Werbung belegt werden. Deshalb können sich Chefredakteure Pferdegestüte leisten … was ihre Treue und Loyalität zum herrschenden Wirtschaftssystem maßgeblich beeinflussen dürfte. Früher – zu Zeiten, als Zeitungsmacher noch selber druckten, selber für die Artikel hinausfuhren und persönlich erschossen wurden, wenn sie der Wahrheit zu nahe kamen, hätte man das Korruption genannt. Heute gibt es wohl noch nicht mal einen Praktikanten, der diese Praktiken als „korrupt“ definieren kann: sie werden „business“ genannt und sind somit überall akzeptiert und legitimiert.

Aktuell dürften Sie etwas durcheinander sein, vermute ich. Noch letztes Jahr konnte man gut belegen, dass wir uns täglich einem natoinitiierten Krieg gegen Russland nähern: wieder siegt die Gier der westlichen Industriellen nach den russischen Weiten und den wirtschaftlichen Möglichkeiten, die diese bieten, über jegliche Vernunft; schätze mal, es gibt Geheimpapiere, die einen solchen Krieg als „gewinnbar“ für die Investoren beschreiben – mit langfristig guten Chancen auf endlose Kapitalgewinne. Gesteuert werden solche Kriege immer nach dem gleichen Muster, seit Ewigkeiten schon: man nennt es das Dramadreieck, das jeden Mörder, Zuhälter, Vergewaltiger, jeden Lügner, Betrüger und Räuber zum Helden werden läßt, der sich unendlich „gut“ fühlen kann – im moralischen Sinne. Für die gelungene Konstruktion eines Menschenmorde initiierenden Dramadreiecks braucht man nur zwei Elemente: zum Einen gibt es da das „Opfer“. Es ist hilflos, arm, läßt einen zu Tränen gerührt sein. Und dann gibt es den edlen Retter: hilfreich, kühn, listig im Krieg, stark, mutig und entschlossen tritt er dem Drachen entgegen. Beide – Retter und Opfer – müssen eine aktive Rolle einnehmen, damit das Dreieck funktioniert: das Opfer muss herzzerreißend klagen (z.B. über Babys, die aus Brutkästen gestohlen und getötet werden) und der Täter entschlossen handeln, mit Krieg, natürlich, was sonst: wir wollen ja ein Drama erleben und keine Gerichtsverhandlung.

Der Dritte im Bunde muss gar nichts machen, obwohl wir ihn den Täter nennen. Verblüffend, oder? Wenn der Retter beschlossen hat, das ein Opfer Not hat, dann ergibt sich der Täter von selber. Wir kennen das aus Deutschland, wo alle Menschen, die Arbeitslosenhilfe bezogen, per Gesetz und Mediengeschrei von heute auf morgen zu bösen Tätern wurden, die den Sozialstaat ruinierten. Es waren Menschen, die zuvor mit Sicherheit hart gearbeitet hatten – sonst wären sie gar nicht zur Arbeitslosenhilfe berechtigt gewesen. Eigentlich waren sie das Opfer, doch die Konstrukteure des Dramadreiecks waren raffinierter als sie – und viel mächtiger. Die Widerstand gegen die Massenenteignung von legal zustehenden Leistungen wird deshalb ja aktuell nur noch von einer Hand von Idealisten getragen, der „Mainstream“ legt sich mit der Dramamaschine nicht an. „Deutschland geht es gut wie nie“ – weil wir die bösen Sozialschmarotzer per Bürgerkrieg in die Schranken gewiesen haben.

Auch so ein Täter, der von nichts eine Ahnung hatte, war Saddam Hussein. Das kam jetzt gerade heraus, sogar in den so oft verfluchten Mainstream-Medien (siehe Stern). Ja: lesen Sie gerade mal die Endfassung dieses Dramas: Saddam Hussein war ein alter Mann ohne reale Staatsmacht, er wollte nur noch an seinem Roman schreiben – doch gegen die Dramamaschine, die eine Million Menschen das Leben gekostet hat, war er völlig machtlos: wenn das Dramadreieck erstmal installiert ist, entfesselt es alle düsteren Emotionen auf Seiten des „Retters“, die nur mit der Vernichtung des Täters enden kann, um das arme Opfer zu befreien. Sicher, es gibt auch reale Dramen, die Position des Retters ist uns Menschen durch die Emotion „Mitleid“ sogar auf ewig in den Schoß gelegt – doch das ist gerade unsere Schwachstelle: und gerade jene, die auf Teufel komm ´raus „gut“ sein wollen (was ja immer von den jeweils als „gut“ definierten Werten abhängt und ein rein subjektiver Maßstab ist) können sich beim „retten“ zu wahren Bestien entwickeln – wie jener Österreicher, die die Welt vor Juden retten wollte.

Ebenso lief die Dramamaschine gegen Wladimir Putin – und sie läuft heute noch. Er hatte die Krim besetzt, ja. Und annektiert. Nach einem von außen inszenierten Putsch gegen einen legal gewählten Präsidenten, einem Putsch, an dem auch politische Organisationen aus Deutschland beteiligt waren. Ich habe täglich auf die Babys gewartet, die aus Brutkästen gestohlen werden. Nun – womöglich wird an dem Drama gerade gearbeitet, denn die westlichen Intellektuellen haben einen neuen Täter gefunden – einen Mann, der schon böse war, bevor er überhaupt irgendetwas gemacht hatte: Donald Trump.

Ach ja: die Intellektuellen. Wir müssen uns denen mal kurz zuwenden, denn: dass sind ja die Leute, die Sie mit ihren Steuergelden bezahlen, damit die Zeit haben, den ganzen Tag nachzudenken. Und ja, das muss man gestehen: als Intellektueller brauchen Sie in der Tat den ganzen Tag, um die komplizierte Welt auch nur halbwegs beschreiben zu können, ohne auf die vielen Dramafallen hereinzufallen. Ist halt wie beim Maurer, auch der sollte den ganzen Tag mauern, damit das Haus fertig wird, sowie der Bäcker den ganzen Tag backen muss, damit wir was zu essen haben. Was sind aber nun die Intellektuellen in der heutigen Zeit? Die Antwort kommt aus den USA (siehe Nachdenkseiten):

„Für Noam Chomsky haben die Intellektuellen die Verantwortung, die Wahrheit zu sagen und Lügen aufzudecken. Diese Verantwortung der Intellektuellen leitet sich aus der politischen Freiheit, dem Zugang zu Informationen und der Redefreiheit her. Aber nach Chomsky zeigt die historische Erfahrung, dass Intellektuelle diesen privilegierten Status nicht für das Sagen der Wahrheit nutzen, sondern vielmehr ihre Fähigkeiten in den Dienst für die Interessen und Privilegien der Machtelite stellen. Diese Machtelite entscheidet darüber, was in der Gesellschaft passiert, weil sie über den dafür notwendigen Reichtum besitzt.
Intellektuelle bilden für Chomsky eine „Art säkulare Priesterschaft“ für die Machtelite, weil sie Ideen, Pläne, Strategien, Werte, Theorien, Rechtfertigungen und Doktrinen für die ökonomischen und politischen Entscheidungsträger des Herrschaftssystems entwickeln und dem Rest der Bevölkerung „verkünden, was sie glauben sollen““

Falls Sie selbst gerade noch kein Akademiker sein sollten: lesen Sie den Artikel ruhig ganz, nicht nur dieses Zitat. Sie werden überrascht sein, mit welch´ billigen Methoden Intellektuelle ihre Macht verteidigen – zugunsten ihres Pferdegestüts, wie sie vor allem Sprache manipulieren, um Menschen in die Dramafalle zu locken, oder wie sie religöse Kulte um einzelne Gestalten bilden (z.B. Marx oder Freud), um von denen – die nicht mehr widersprechen können – ihre Machtansprüche abzuleiten. Wirklich: es wird Ihr Leben erleichtern, wenn sie den Experten-Bluff durchschauen. Allerdings wird ihr Leben auch schwieriger, weil sie nicht mehr Medien-Fast-Food-Infos konsumieren können, sondern sich Ihr gesundes Informationsmenü selbst zusammenstellen müssen. Wie beim echten Kochen ist das anstrengender, belohnt einen aber mit einem interessanten und aufreizendem Erkenntniserlebnis.

Zurück zu Trump, dem Hauptfeind des deutschen Intellektuellen … wobei wir ja schon jetzt schließen können, dass es die „Machtelite“ ist, die Trump zum Feind erkoren hat , während die Lohnschreiber nur ihren Job machen und deren Wünsche befriedigen.

Nehmen wir einen der führenden deutschen Intellektuellen: Jakob Augstein, selber ein Stück auch Teil der Machtelite (siehe Spiegel):

„Nach zwei Wochen im Amt ist klar: Donald Trump hat damit begonnen, die amerikanische Demokratie in eine Diktatur zu verwandeln. Wann ist der Punkt ohne Wiederkehr erreicht?“

Welche Dramatik. War Ihnen zuvor klar, dass Trump die USA in eine Diktatur verwandelt … oder das sie vorher eine Demokratie war? Schafft er die Gerichte ab? Besetzt er Nachrichtenstationen, Redaktionen, Rathäuser und Parlamente mit militärischer Gewalt? Nein, die Demokratie funtioniert immer noch normal, Trump hat durch ein Gericht die erste Abfuhr erteilt bekommen. Nachdem die intellektuellen Büttel der Machtelite uns darüber aufgeklärt haben, was „Fakenews“ sind, was „postfaktisch“ in Zukunft bedeuten soll (auch eine übliche Manipulationsmaßnahme von Intellektuellen, die durch neue, negativ definierte Kunstbegriffe Meinungsbildung steuern wollen, wir könnten auch alternativ – aber klar verständlich … in jeder Hinsicht … von „bösen“ oder „unerwünschten“ Wahrheiten sprechen), wenden sie umgehend diese Machtmittel selber an, arbeiten mit der Manipulation von Gefühlen, installieren ein Dramadreieck, wobei die „Demokratie“ das Opfer ist.

Wir werden auch über die moderne Form von Diktatur informiert – ein wichtiger Punkt, wie ich finde:

„Die Wahlen sind frei. Es wird niemand auf offener Straße erschossen. Und wer unzufrieden ist, darf jederzeit das Land verlassen. Aber die Justiz urteilt nicht mehr unabhängig. Die Medien berichten immer seltener aufrichtig. Öffentliche Aufträge werden nach politischer Freundschaft vergeben. Die Steuerbehörden prüfen gehäuft die Kritiker des Systems. Korruption wird zur Normalität. Die Regeln werden gebeugt, die Nachrichten werden manipuliert, und ein Teil der Elite wird in Mittäterschaft verstrickt.“

Hört sich an wie unser politischer Alltag, oder? Dort, wo Wahrheiten beliebig manipuliert werden können, wo man die absolute Herrschaft über die Information hat, können Wahlen natürlich frei sein: niemand käme auch nur auf die leise Idee, mal versuchsweise die MLPD zu wählen, um mal für kurze Zeit eine Alternative zum herrschenden Wirtschaftsmodell auszuprobieren. Und was die Medien angeht, so gibt es Themen, wo die „unaufrichtige Information“ inzwischen kaum noch zu verschleiern ist: Ukraine, Irak oder Hartz IV sind hier in diesem Medium schon hinreichend bearbeitet worden.

Seltsame Allianzen werden von den Bütteln der Machtelite angeboten (siehe Spiegel):

„Die US-Geheimdienste sind in der Ära Trump die letzte Hoffnung für die Freiheit – so paradox das klingt. Nur sie können seine Regierung davon abhalten, ein globales Unterdrückungsregime zu errichten.“

Dass gerade diese Geheimdienste in den letzten Jahren durch massive Eingriffe in die bürgerlichen Freiheiten geglänzt haben: schon vergessen. Belege für ein „globale Unterdrückungsregime“ durch Donald Trump? Fehlanzeige. Mehr Fakten ließen sich dafür sammeln, dass zuvor seit Jahrzehnten mit Hilfe der NSA oder dem US-Militär ein globales Unterdrückungssystem installiert wurde, in dem das Morden per Drohne zum internationalen Alltag gehörte – oder illegale Angriffskriege gegen ganze Nationen. Dafür jetzt Trump verantwortlich zu machen, scheint auf den Grad des Irrsinns schließen zu lassen, der hier in Redaktionsbüros (und somit bei der Machtelite) Norm geworden ist.

Von einem „schleichenden Staatsstreich“ ist die Rede, sogar „Sanktionen gegen die USA“ „stehen im Raum“, wie unsere Intellektuellenrunde bei „Anne Will“ demonstriert (siehe Spiegel): eine jener modernen Propagandasendungen, die uns sagen sollen, wie wir zu denken haben.

Und natürlich gehört zu einem ordentlichen Drama auch die Drohung mit dem Weltuntergang, der völligen atomaren Vernichtung durch einen „bösartigen Narzissten“ (hier verlassen wir mal die deutsche Presse schauen kurz in der Schweiz nach, die uns über ein Manifest von „tausenden“ von „Experten“ in Kenntnis setzt – siehe Tagesanzeiger), eine Situation, die sogar führenden „Nuklarexperten“ „Angst macht“ (siehe Spiegel).

Soviel Panikmache hatten wir zuletzt beim Thema „Kommunismus“.

Und es wird täglich schlimmer. So schlimm, dass unsere Intellektuellen eigentlich aufschreien müssen, denn: das führende deutsche Meinungsmachmagazin, die „Bildzeitung für Abiturienten“ (Volker Pispers) … mit reichen Eltern, wie ich hinzufügen möchte … ruft inzwischen offen zum Krieg gegen die USA auf, träumt deutschnationale Großreichträume, wie wir sie seit 80 Jahre nicht mehr kannten (siehe Spiegel):

„Donald Trump regiert die USA wie ein Autokrat. Auch international will er uneingeschränkt herrschen, Verträge und Abkommen aufkündigen. Der US-Präsident wird zur Gefahr – und Deutschland muss den Widerstand vorbereiten.“

Deutschland: der letzte Hort der Demokratie, der „Retter“ der Welt! Unsere Rolle wird ganz klar definiert:

„Deutschland wird sich gegen den 45. Präsidenten der USA und dessen Regierung stellen müssen. Das ist schon aus zwei Gründen schwierig genug: weil wir unsere liberale Demokratie von den Amerikanern erhalten haben; und weil unklar ist, wie der brachiale Choleriker auf der Gegenseite auf diplomatischen Druck reagiert. Es wird dadurch noch schwieriger, dass der Widerstand gegen Amerikas Regierung wohl nur gemeinsam mit asiatischen und afrikanischen Partnern gelingen kann und gewiss nur zusammen mit Partnern in Europa, mit der EU.“

Es ist ein Leitartikel, der – per Definition – die Meinung der gesamten Redaktion widerspiegelt. Eine große, internationale Koalition wird beschworen: gegen die legal gewählte Regierung der USA, mit Deutschland an der Spitze: welcher Wahn bricht sich da wohl seine Bahn? Ist es nur die egozentrische Arroganz von Werbegeldhuren, die sich in ihren kleinen Wohlstandblasen als „Herren des Universums“ dünken – oder sollen wir doch mal lieber über die Intention der sie steuerenden „Machtelite“ nachdenken, die gerade den großen Krieg zwischen Asien, Afrika und der EU mit dem „vierten deutschen Reich“ an der Spitze herbeifantasieren? Gründe dafür gäbe es genug: man kann – wenn man weit genug von allen Fronten weg wohnt – wunderbar an Kriegen mitverdienen. Außerdem helfen Kriege immer noch gut bei dem Abbau von „Ballastexistenzen“ aller Nationen, von denen man sich ja zurecht auch immer bedroht sieht – als Reicher.

Damit ist das ganz große Dramadreieck in Stellung gebracht: die Welt – unter der Führung Deutschlands – als Retter der „Demokratie“ … die, wie Herr Augstein schön ausführte, auch eine moderne Form alter Diktaturen sein kann … Donald Trump und seine Regierung als böse, kranke, abartige, ja: unmenschliche Täter. Wie solch ein Artikel bei den amerikanischen Wählern wohl ankommt, die in ihrer Demokratie ihren Präsidenten demokratisch gewählt haben … und deutsche Großmachtsphantasien in jedem dritten Hollywoodthriller vorgekaut bekommen? In dem Zusammenhang: eine Kriegserklärung an die Bevölkerung der USA, nicht mehr und nicht weniger.

Muss man Trump deshalb mögen? Nein. Lesen Sie mal die Analyse von Attac-Köln (siehe hier) aufmerksam durch: sie werden sehen, dass es nur neuer Wein in alten Schläuchen ist, den man nüchtern und unaufgeregt beschreiben kann. Die Hoffnung darauf, dass er jene „Demokratie“ rettet – also nicht jene moderne Form von Diktatur, die oben so schön beschrieben wurde – sind denkbar gering, weil er auch ein Teil der Machtelite ist. Wie Obama wird er Berge von zerstörten Träumen hinter sich lassen.

Aber die Chance, dass die „Machtelite“ Bürger in einen neuen Krieg treibt, steigt beständig. Das große Dramadreieck wird in Stellung gebracht – jetzt kommt es nur noch darauf an, ob Sie – wie bei der Brutkastenlüge – darauf hereinfallen.

Mal wieder.

 

Schnell zugreifen: Die letzten Fake News kurz vor Ladenschluss …!!!

Parkwaechter / CC BY SA 2016

Fake news. Postfaktisch. – Ich finde die zunehmende Digitalisierung unserer  Gehirne einfach großartig. Was habe ich aufgeatmet, als es endlich das Navi gab. Sogar dusselige Autofahrer wie ich, die sich in Großstädten jedesmal hoffnungslos verirrt und dabei Strafmandate gesammelt haben, brauchen jetzt nur einer sonoren Frauenstimme folgen, die Rechts-Links-Kommandos gibt, und gelangen unbeirrbar ans Ziel. Außer man vertippt sich – so wie jene  Männer aus Schweden, die eigentlich zur Insel Capri wollten, aber vom Navi ins 850 Kilometer entfernte Carpi geführt wurden (siehe huffingtonpost). Da uns jedoch die nächste Navi-Generation bereits aktiv Ziele vorschlagen wird, zu denen wir „wahrscheinlich hinwollen“ (siehe chip.de), werden potentielle Fehler bei der Zielwahl schon demnächst der Vergangenheit angehören. Und da BMW ebenso wie VW derzeit Milliardensummen in die Entwicklung autonomer Leitsysteme und fahrerlose Autos stecken, können wir uns bald vollends zurücklehnen, die Realität ausblenden und ganz in die verpixelte Realität unseres Smartphones vertiefen. Während künstliche Intelligenz das Auto fährt, können wir auf einem Display mittels unermüdlicher Onanierbewegungen im Kreis surfen. Führerscheine werden obsolet sein, sogar hemmungslos besaufen kann man sich, wenn man mit der Karre unterwegs ist. Notorische Schwarzseher, die der wohlstandsverwahrlosten Generation Doof ein böses Erwachen prophezeit haben, wenn sie erst einmal mit der echten Realität konfrontiert wird, haben sich getäuscht: Das „Abhängen“ kann endlos weitergehen.

Bis das große Abhängen wirklich serienreif ist, brauchen wir allerdings schon noch ein paar Krücken, um uns in einer kompliziert gewordenen Welt zurechtzufinden. Schließlich wäre es ja für den fernsehenden Kleinbürger eine Zumutung, wenn er in einer Welt voller apokalyptischer Hiobsbotschaften nicht mehr in Ruhe sein Dosenbier trinken und im virtuellen Warenkatalog blättern könnte. Sonst vergeht ihm womöglich der Appetit auf das Kaufen von noch mehr unnützen Sachen und das Bruttoinlandsprodukt kommt ins Stottern – und das wäre ja nach einhelliger Expertenmeinung das Ende unserer Wohlschandsgesellschaft.

Fiakerpferde, die bekanntlich größere Köpfe haben als wir, wissen bereits um die Wohltat gediegener Scheukklappen, die ihnen ihr wohlmeinender Herr anlegt. Ohne diese optischen Behelfe würde die guten Tiere im hektischen Straßenverkehr womöglich panisch werden und scheuen. So aber trotten sie in Seelenruhe geradeaus vor sich hin, immer der Zügelspannung des Herrn gehorchend.

Ehrlich gesagt finde ich die aktuelle Aufregung um das angekündigte Fakenews-Verbot von SPD und Union nicht ganz ehrlich. Denn in Wirklichkeit wissen wir doch alle um die handfesten Vorteile einer Symbiose zwischen Pferden bzw. Tretmühleneseln und ihren Herren. Der ehemalige ZDF-Journalist Wolfgang Herles macht sich über diese Tatsache keine Illusionen. In seiner Publikation „Die Gefallsüchtigen“ legt er dar, wie nicht nur den Mächtigen nichts ferner liege als Kritik, Provokation und Aufklärung, sondern ebenso dem gemeinen Bürger. Denn wirkliche Aufklärung würde das Weltbild derer, die die jeweiligen politischen Eliten als Führung akzeptiert haben, schlichtweg zerstören. Laut These von Wolfgang Herles wollen die meisten Menschen daher systematisch belogen werden. Diese von ihm als chronische Ignoranz bezeichnete Form der Stabilität basiere auf einem unsichtbaren Deal beider Ebenen – Herrscher und Beherrschte – die entsprechenden Tabu-Themen zu erkennen und im täglichen Leben zu umschiffen (siehe auch Interview Wolfgang Herles/KenFM auf YouTube):

„Politische Journalisten stören den Seelenfrieden. Vor allem den all jener Personen, deren Zurechtkommen mit der Wirklichkeit ausschließlich auf Selbstbetrug und Selbsttäuschung beruht.“

Lassen wir also unsere Herren getrost walten, sie werden uns schon den Weg weisen und störrische Pferde unseres automatisierten 4.0 Reitstalls gegebenenfalls befrieden. Laut Spiegel solle der  „Kampf gegen erfundene Nachrichten und Verschwörungstheorien“ gleich nach der Weihnachtspause angegangen werden. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann und sein CDU-Kollegen Volker Kauder sind sich bereits einig, dass man diesbezüglich „den rechtlichen Rahmen konsequent ausschöpfen und bei Defiziten nachschärfen werde“ (Quelle: n-tv). Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel stößt ins gleiche Horn: In einer Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag sieht sie Gefahr durch Medien, „die weniger kontrolliert sind“ und „auf ganz anderen Grundlagen basieren“, womit man sich „auseinandersetzen“ müsse (Quelle: bundeskanzlerin.de).

Facebook hat auf die politische Steilvorlage bereits reagiert und harte Maßnahmen angekündigt. Externe Stellen sollen Artikel künftig auf ihre Richtigkeit hin überprüfen, so Facebook. Zur Beurteilung, was richtig ist, werden unzweifelhafte Experten hinzugezogen: Unter anderem der US-Medienkonzern ABC, die US-Nachrichtenagentur Associated Press (AP) und der Webdienst Snopes, der „auf Faktenkontrolle spezialisiert“ sei (Quelle: orf). Als unrichtig beurteilte Artikel sollen als „umstritten“ gekennzeichnet werden und im Nachrichtenangebot nach unten rutschten. Überhaupt sollen Algorithmen dafür sorgen, Nachrichten anhand ihrer „Relevanz“ zu gewichten. Eines der hierzu angewandten Kriterien verrät Facebook: Wird ein Beitrag nach dem Lesen nicht geteilt, dann wird er als weniger relevant gewertet und versinkt damit in der Bedeutungslosigkeit. Eine sehr effektive Maßnahme, über die Marketingexperten ja bereits von Google Bescheid wissen: Alle Treffer, die zu einem Suchbegriff nicht auf der ersten Seite aufscheinen, sind de facto irrelevant.

Wer meint, dass der Kampf gegen unendliche Müllmassen der Medien und Millionen an Postern eine Mission impossible ist, der irrt. Schon 1933 konnte das Fakenewsproblem vom „Reichsministerium für Volksaufklärung“ unter Leitung von Joseph Goebbels in kürzester Zeit gelöst werden. Aus der „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze des Deutschen Volkes“ vom 4. Februar 1933, A b s c h n i t t  II, § 9 (1):  „Periodische Druckschriften können verboten werden … wenn in ihnen offensichtlich unrichtige Nachrichten enthalten sind, deren Verbreitung geeignet ist, lebenswichtige Interessen des Staates zu gefährden. (…) Zuständig für das Verbot einer periodischen Druckschrift sind die obersten Landesbehörden oder die von ihnen bestimmten Stellen.“ (siehe Originaltext in Dokumentarchiv.de). Die Zuständigkeit des Volksaufklärungs-Ministeriums ist in der RMVP-Verordnung vom 30. Juni 1933 definiert: „…zuständig für alle Aufgaben der geistigen Einwirkung auf die Nation, der Werbung für Staat, Kultur und Wirtschaft, der Unterrichtung der in- und ausländischen Öffentlichkeit über sie“. Sein Versprechen, dass die Bürger, die nichts zu verbergen haben, von der umfassenden Hoheitsgewalt seines Volksaufklärungsministeriums auch nichts zu befürchten haben, hat Goebbels ja bekanntlich gehalten. Ins Gras gebissen haben nur diejenigen Querfrontköpfe, die ihr Inneres dem Staat nicht preisgeben wollten und sich eine eigenständige Sicht der Geschehnisse gemacht haben.

Wenn also die Wahrheitshüter den notwendigen Administrationsaufwand zur Trockenlegung von Verschwörungstheorien seinerzeit sogar mit Kugelkopfschreibmaschinen, Blaupauspapier und Aktenordnern hingekriegt haben, dann „schaffen wir das“ mit den heutigen Tools von Digitalisierung, Big Data und Pig Brother zweifellos mit links.

Im Neuen Jahr wird also endlich eine Bürde von unseren Schultern genommen werden. Wir werden gar nicht erst in Versuchung kommen, über Dinge nachzudenken, die womöglich verderblich sind. Experten werden diese Drecksarbeit für uns übernehmen. Wir dürfen stattdessen abhängen und uns an Dieter Bohlens und Heidi Klums Grinsekatzenshow erfreuen, die garantiert nicht gefakt ist, auch wenn sie auf viele inzwischen ziemlich abgefuckt wirkt.

Mein Gott, was bin ich froh, in postfaktischen Zeiten leben zu dürfen. Wo ich nicht selbst nachdenken muss, sondern wo von vornherein feststeht, was  wahr ist und was falsch. Würden im Web geleakte Nacktscannerfotos erscheinen, auf denen ersichtlich ist, dass die Bundeskanzlerin in Wirklichkeit ein Mannsweib in Mogelpackung ist und würde ein Whistleblower-Chirurg dazu posten, dass der Penis der Kanzlerin von einem transatlantischen Organspender stammt – in praefaktischen Zeiten hätte ich womöglich geglaubt, dass da ein Körnchen Wahrheit dran ist.

So aber werden es Fakenews wie das schändliche u.a. Bild des mittlerweile untergetauchten, mutmaßlichen Verschwörungstheoretikers Steve Geshwister in Zukunft gar nicht erst ans Sonnenlicht schaffen. Auch vor offenen Briefen, in denen die Konstrukteure der CIA-/NSA-Bürgerüberwachungsmaschinerie davor warnen, dass wir gerade schlüsselfertige Tyranneien / „turnkey tyrannies“ errichten (siehe The Guardian), werden wir in Zukunft verschont bleiben.

Frei nach Christian Morgenstern: „Es kann nicht sein, was nicht sein darf.“

In diesem Sinne: Gute Nacht …

Postfaktisch

Montag, 12.12.2016. Eifel. Ja, die Sprache. Und ihre Wörter. Wissen Sie eigentlich, was Wörter sind? Schallwellen, rein naturwissenschaftlich betrachtet. Mehr nicht. Also: Krach. Vielleicht nur aus ursprünglich lautem Bellen entstanden. Zwei Neandertaler treffen sich mit Keule im Wald, vor ihnen liegt ein totes Mammut: und bevor sie sich die Köpfe einschlagen, bellen sie sich ein wenig an, beide in der Hoffnung aus der Situation mit Gewinn ohne Beule herauszukommen. Im Laufe der Jahrtausende wurde das Gebelle rhytmischer, differenzierter und zeugte irgendwann einen Goethe. Es ist eine alte philosophische Frage, was zuerst da war: die Sprache oder der Gedanke. Nein – mir stellt sich die Frage nicht, hat sich nie gestellt: um das Bellen (zu dem wir schnell wieder zurückkehre, wenn wir aufgeregt und sauer sind) als Kommunikationsmittel zu benutzen, brauche ich einen Entschluss – also einen Gedanken; und viele weitere Gedanken müssen den Prozess aufbauend begleiten, wobei auch andere Körperteile in den Tanz der Harmonie eingeflochten werden; erst dann wächst langsam eine Sprache, die dann jedoch das Denken wieder beeinflussen kann – so jedenfalls meine Meinung dazu.

Diese Geschichte mit der Keule begleitet uns bis heute. Der einzige Sinn von Sprache und Geisteswissenschaften generell, ist: Krieg vermeiden. Sonst bräuchten wir sie kaum. Krieg vermeiden – durch Verhandlungen, damit beide Seiten aus der Situation als Gewinner herausgehen können – wir können sagen: hier zeigen sich Grundprinzipien jedweder Zivilisation, die begriffen hat, dass man zusammen mehr erreichen kann – erst recht beim Kampf gegen das Mammut. Wohlstand, Wachstum, Zivilisation entstammen der Sprache, ebenso die Demokratie. Ohne sie würden wir immer noch als Horden durch den Wald ziehen … und ohne jene Träumer und Phantasten unter den Menschen, die mit ihren Gedanken weit über die beobachtbare Realität hinausgreifen, würden wir immer noch auf den Bäumen hocken, weil unsere Naturwissenschaftler zweifelsfrei bewiesen hätten, dass ein Leben auf dem Boden für uns undenkbar wäre, wir biologisch dafür gar nicht geeignet sind und dort unten sowieso nur lebloser Matsch auf uns wartet.

Schon verrückt, oder? Hätten „Skeptikerbewegungen“ in der Menschheit je dominante Positionen inne gehabt: wir würden wirklich noch auf den Bäumen leben. Nun ja: als die Kirchen noch mächtig waren, da waren die Skeptiker ja in einer dominanten Position, die Wahrheit wurde per Beschluss gesetzt (was korrekt ist – wenn es jeder einzelne Mensch für sich allein tut) und die Inquisitoren zogen aus, um sie mit Feuer und Folter zu verbreiten. Und um Wahrheit … geht es mir heute.

Wir haben ja ein neues Wort: postfaktisch. Schon mal gehört? In Deutschland hat es zuerst Angela Merkel gebraucht: die Großmeisterin der Sprachneuschöpfung. Quatsch, war ein Scherz: das Wort kam ursprünglich aus den USA, sie hat es nur einfach mal gedankenlos nachgeplappert.

Was machen Sie eigentlich, wenn Ihnen so ein Fremdwort das erste Mal begegnet? Wenn es neu ist, dann hilft es nicht, im Duden nachzuschlagen – da steht dann noch nichts. Und Sprache ist lebendig, frei, sich selbst ständig anpassend und neu erfindend, gerade in einer immer komplexer werdenden Welt – oft finden wir in anderen Sprachen Wörter, die Zustände viel besser beschreiben als unsere eigenen. Manchmal … sind diese Wörter tiefgreifend verstörend, wie das amerikanische „fuck“, dass so oft Verwendung findet und etwas bezeichnet, das absolut Scheiße ist. Völliges Unsinnwort, oder? Stellen Sie sich mal vor, sie liefen durchs Büro oder den Betrieb und würden bei jedem Missgeschick „Geschlechtsverkehr“ rufen. Und bleiben Sie ruhig bei dem Wort: was meinen Sie wohl, halten die Menschen, die es gebrauchen, von dem intimsten, vertraulichsten Akt zwischen zwei geschlechtlichen Wesen? Also: mir wird sehr unheimlich dabei, je länger ich darüber nachdenke – doch jener oft gebrauchte Alltagsbegriff hat es leider nie soweit gebracht, dass er „Wort des Jahres“ wurde wie dieser Begriff „postfaktisch“.

Wenn mir so ein Kunstprodukt um die Ohren gehauen wird, werde ich immer stutzig: manchmal werden Begriffe ja benutzt, um politisch Wahrheiten zu verschleiern, die Geschichte des Dritten Reiches ist voll davon. Ich schaue mir das Produkt also an – und zerlege es in seine Teile. „Post“ – kennt jeder, heißt soviel wie hinter, danach, zuletzt, hinten, später … meint der Lateiner. Faktisch: kennt auch jeder, ein Wort, dass für die Definition von Wahrheit steht, in den Theoriekomplexen der Naturwissenschaft steht es für aktuell anerkannte Vereinbarungswahrheiten im Sprachgebrauch bezüglich natürlicher Phänomene (komplizierter Satz, ich weiß: aber „Naturwissenschaft“ ist halt genau das – ein Glaubenssystem), in den Geisteswissenschaften für die Anschauungen einer gewissen Subgruppe, die mit der Lebendigkeit frei fließender Wahrheiten nicht zurecht kommt. Gelegentlich können wir uns noch an das „Fakten schaffen“ erinnern: wenn mit Gewalt meist unangenehme Ereignisse in Gang gesetzt werden, ohne auf die jeweiligen Gegenseiten Rücksicht zu nehmen.

Sagt mir das Wort erstmal nichts – weil es durch „falsch“ oder „unwahr“ jederzeit ersetzt werden könnte, ohne dass man sich die Zunge dabei verbiegen muss – spiele ich mit ihm herum, suche zum Beispiel das Gegenteil: „präfaktisch“ kommt mir da in den Sinn. Wäre auch logisch: „postfaktisch“ wäre jener Zustand, nachdem etwas wahr war (gilt für viele naturwissenschatliche und historische Theorien), „faktisch“ beschriebe jenen Moment, wo es mal kurz „wahr“ ist – und „präfaktisch“ sozusagen jenen Zustand, bevor die Theorie formuliert wurde.

Das wäre jedenfalls logisch.

Ein Beispiel. Der Satz „Deutschland geht es gut“ wäre 1944 präfaktisch gewesen, 1968 faktisch, 2016 postfaktisch. Oder Sie selbst: ein Jahr vor Ihrer Geburt wären Sie präfaktisch, jetzt sind Sie Fakt, bald sind sie postfaktisch. Einfach zu verstehen, oder? Nur: das Wort präfaktisch kennt der Duden nicht, postfaktisch schon. Warum eigentlich?

Es geht nicht um Logik, es geht hier um Macht. Es geht um eine Verschmutzung der Sprache, um ihre Vergewaltigung: sie wird nicht mehr als Mittel der Kommunikation gebraucht, sondern durch Begriffsverwirrung zu einem Instrument des Betruges. Niemand kam auf die Idee, die Anleihephantasien deutscher Börsenmakler seit 2008 postfaktisch zu nennen – was im Sinne des Wortes korrekt gewesen wäre – aber für andere Zustände wurde es auf einmal eingeführt, von Dr. Angela Merkel -und zwar erst im Herbst diesen Jahres, im Bundestag (1).

Wissen Sie, wann Sie vorsichtig werden sollten? Wenn Gruppen von Menschen innerhalb ihrer Gesellschaft eine eigene Sprache entwickeln. Es hat immer nur einen Sinn, wenn so etwas geschieht: Abgrenzung gegenüber „die da draußen“. Mediziner sind da sehr gut drin, ihre primitiv lateinsisierten Diagnosen sichern ihnen Herrschaft und Macht und kosten uns 300 Milliarden Euro im Jahr. Das gleiche gilt für die moderne Kaste der Naturwissenschaftler, die mit der Mathematik eine neue Sprache eingeführt haben, wohl wissend, dass diese Sprache nur Quantitäten ausdrücken kann – nie Qualitäten. Dieser sprachlichen Perversion haben wir die Atombombe zu verdanken, Ausschwitz und Hartz IV, Giftgas und alle Umweltzerstörung: alles mathematisch klar erfassbar – nur in seiner Qualität für die Menschheit nicht begreifbar. Das gilt auch für die Philosophie – in der Universität meistens nur noch als Philosophiegeschichte anzutreffen, weil „Liebe“ zur „Weisheit“ eben die Beschäftigung mit Qualitäten voraussetzt, man aber viel sicherer ist, wenn man nur beschreibt, wer wann was gedacht hat: auch hier wird sich gern hinter immer komplexeren Satzungetümen verschanzt, die nur noch für Eingeweihte der „esoterischen“ Kunst verständlich sind – obwohl ein Sokrates alles noch mit einfachen Worten beschrieb und wir seitdem im Gebiet der Erkenntnis (von Kant mal abgesehen) nicht wirklich weiter gekommen sind.

Der IT-Bereich mit seiner Flut von Anglizismen ist ein weiteres Beispiel für künstlich konstruiertes „Herrschaftswissen“ – der deshalb auch sehr teuer wird, weil nur noch die Hohepriester der Macht die Sprache verstehen, die dort zur Anwendung kommt. Würde man Deutsch sprechen: alles wäre billiger und schneller selbst zu lösen.

Bleiben wir bei „postfaktisch“, jenem Wort, dass sich durch seine bloße Übersetzung nicht als sinnhaft erschließt – wie vieles, was unsere Bundeskanzlerin so von sich gibt. Fragen wir doch mal jene Gesellschaft, die dieses Wort jetzt – ohne die wahren Herren der Sprache … die Sprachgemeinschaft der deutsch sprechenden Menschen, die diese Sprache durch die Jahrtausende formten und weiter reichten … nach Rat und Erlaubnis zu fragen. Nach ihrer Definition (2) bezeichnet der Begriff unter Bezugnahme auf die Sprachdirektive der Bundeskanzlerin einen historischen Zeitpunkt, in dem „gefühlte Wahrheiten“ über die Wahrheit triumphieren: als jenen Moment, wo das Volk gegen den Satz „Deutschland geht es gut“ rebelliert … um mal ein Beispiel zu formulieren.

Man nimmt Bezug auf den Brexit, die Trumpwahl und unterstellt den Wählern, sie würden nur noch nach gefühlten Wahrheiten agieren, bzw. sogar absurde Lügen der Wahrheit vorziehen. Die „Wahrheit“ – in der Philosophie als nie zu ergründendes Mysterium verstanden, weil unser Erkenntnisinstrumente zu ihrer vollständigen Erfassung einfach nicht ausreichen – bekommt einen neuen Zusatzbegriff: Fakt. Und wer bestimmt, was „Fakt“ ist? Nun – über das Wort des Jahres wurde ja zurecht nicht mit den Schöpfern der deutschen Sprache gesprochen … den Bundesbürgern … sondern nur hinter verschlossenen Türen von einer selbsternannten Kaste von Hohepriestern verhandelt. Man hätte ja auch per Internet abstimmen können – das geht heute ja preiswert und schnell – doch das Demokratieverständnis der Sprachfürsten war noch nie sehr ausgeprägt, wie selbstverständlich betrachten sie Sprache als ihren eigenen Besitz, über den sie nach Belieben verfügen können. Der Bürger hätte  ja schnell – ausgestattet mit wenigstens rudimentären Lateinkenntnissen – erkennen können, dass es sich hierbei um ein Unsinnswort handelt – ein Unwort im eigentlichen Sinne. Das hätte die Macht der Höflinge des Kapitals über die Sprache aber schnell ins Wanken gebracht – und jene Macht ist und bleibt halt unerzichtbar für die hohe Kunst der Manipulation.

Gut – bleiben wir bei der Definition, die sie verwendet haben. War es denn der Brexit oder Donald Trump, der das „Postfaktische“ in unser Leben gebracht hat? Waren sie die ersten – ich übersetze das jetzt mal – die mit Lügen Politik gemacht haben?

Ich kann jetzt schon fühlen, wie es in Ihnen rebelliert. „Lüge“ ist in der Politik schon quasi Alltag geworden – weshalb die Menschen ja inzwischen lieber hilflos ihrem Gefühl (oder: realistischer gesagt: ihrem Instinkt) vertrauen als der Manipulationswut der Chefstrategen in Medien und Politik. Erkannte ja auch Merkel selbst (3):

„Man kann sich nicht darauf verlassen, dass das, was vor den Wahlen gesagt wird, nach den Wahlen auch gilt“

Damit bezog sie sich zwar auf die SPD, aber ihr eigener politischer Kurs (Themen: Hauptschule, Bundeswehr, Atomkraft – den Eiertanz bitte selber recherchieren) zeigt, dass dies auch für andere Parteien gilt (zum Beispiel: FDP, Grüne, Linke, AfD – um nur einige zu nennen) zeigt doch deutlich, dass sie selbst nicht außerhalb dieser Aussage steht.

Lügen in der Politik? „Massenvernichtungswaffen im Irak“ – kostete vor Trump und Brexit eine Million Menschen das Leben. Schlagen Sie einfach heute die Tageszeitungen auf: sie finden genug Fakten, die morgen postfaktisch – also: gelogen – sind. Ein Beispiel? Gut – schlage auf, finde Putins Einmischung in die US-Wahl, forsche nach, finde nur … Spekulationen ohne Quellenangaben bei großen seriösen Zeitungen. Postfaktizismus im Sinne der Kanzlerin in höchstem Grade … aber in der deutschen Presse als Fakt gehandelt. Dabei … ist es nur eine Verschwörungstheorie, zudem nicht belegt, ergo: keine Wahrheit. Aber brandgefährlich, sowas kann schnell zu Bürgerkriegen führen – wenn man Trump mit Lügen aufhalten will, könnten seine Wähler Gefühle bekommen, die nicht angenehm sind.

Und was ist eigentlich so schlecht daran, „Gefühl“ bei der Bewertung politischer „Fakten“ einfließen zu lassen? Mitleid, Empathie, Gerechtigkeitsempfinden, Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit – all´ das sind in erster Linie Gefühle, die sich jedweder mathematischen Beschreibung entziehen … und deshalb von vielen „Wissenschaftlern“ schon gar nicht mehr als „wahr“ oder überhaupt nur als irgendwie bedeutsam anerkannt werden können. Gefühle … unterscheiden uns von Robotern (sprachlich schon interessant: das Wort robaten beschreibt ursprünglich Frondienstleistungen in Form gröbster körperlicher Arbeit – davon wollen wir uns doch gerne durch Gefühl abgrenzen, oder?) … und auch von nicht belebter Materie. „Fühlen“ … ist eine Qualität von Lebewesen, die mathematisch nicht erfassbar ist – und deshalb an sich in unserem Zeitalter „postfaktisch“.

Da wird der Gedanke an Ausschwitz wieder wach: das galt mal als alternativlos und strikt vernünftig, „Gefühl“ war damals nicht gerne gesehen.

Wenn wir den Bereich der Naturwissenschaft verlassen – wo enge aber umfassende Theorienbildung die Illusion von „Fakt“ erlaubt … wenn man nicht zuviel nachdenkt – und in den Bereich des Politischen gehen: wo finden wir denn dort „gesicherte Fakten“? Nirgends. Ist der Kapitalismus wirklich alternativlos? Ist der Krieg mit Putin wirklich unausweichlich? Können wir den Islam wirklich nur durch seine Auslöschung bewältigen? Sind Arbeitslose wirklich sofort alle faule Schmarotzer, sobald VW sie entlassen hat und sie beim Jobcenter aufschlagen? Ist die Vernichtung der Menschheit durch atomare Kriege, chemische Verseuchung, therapieresistente Bakterien, biologische Vergiftung, Massensterben bei Pflanzen und Tieren oder völligem Verbrauch einzelner Ressourcen wirklich nicht mehr aufzuhalten?

Sie merken –  „postfaktisch“ hat einen Partner: „alternativlos“.

Wie nennt man eigentlich politische Systeme, die ihren Bürgern diktieren, was Fakt ist – und was nicht? Systeme, in denen ein König bestimmt, was „Fakt“ ist, ein Papst über die Wahrheit gebietet oder ein Führer das Weltbild befiehlt? Ein Tip: die Lösung des Rätsels steckt im Verb „diktieren“. In der Zeit fand ich dazu einen interessanten Satz (4):

Nun geht es in der Politik nicht erst seit gestern um die Kunst der Überzeugung, das gab es schon bei Ciceros Reden gegen Catilina. Dass es keine absolute gesellschaftliche Wahrheit gibt, sondern dass sie erstritten und ausgehandelt werden muss, ist gerade das Kennzeichen freier Gesellschaften, in denen weder die Kirche noch der Herrscher die Richtung vorgibt, sondern mündige Bürger darüber entscheiden, wie sie gern zusammenleben möchten. 

Gut – der Autor dieses Zitates marschiert danach in eine ganz andere Richtung, baut dann an einer neuen absoluten gesellschaftlichen Wahrheit (der Vernunft – wobei übersehen wird, dass Hitler entlang seines Weltbildes sehr vernünftig gehandelt hat), aber dieses Zitat trifft sehr schön den Kern von Demokratie und freien Gesellschaften: uns diktiert keiner irgendetwas (jetzt schauen Sie bitte nicht so genau in Ihren von Vorschriften zerdrückten Alltag – es geht hier ums Prinzip einer Demokratie, die selbst postfaktisch geworden ist – doch so wird dieses Wort leider nicht gebraucht, obwohl die Menschen es in der absoluten Mehrheit verstehen würden).

„Postfaktisch“ – so ein kleines Wort. Kaum da, schon Wort das Jahres geworden – wie „Lichtgrenze“ kaum bekannt. Aber es kommt ja bei der Wahl des Wortes nicht darauf an, dass es gebraucht wird, noch, dass es viele kennen.

Warum wurde es eigentlich genommen? Schauen wir uns mal die Erklärung an(1):

Nach einer Erklärung der GfdS ist für die Auswahl des Wortes, die in diesem Jahr zum 41. Mal vorgenommen wurde, nicht die Häufigkeit entscheidend, sondern seine Signifikanz, Popularität und sprachliche Qualität.

Merken Sie, was ich gerade mit der Subgruppensprache meinte? Man setzt einem deutschen Wort drei Fremdwörter entgegen und tut so, als sei damit alles erklärt. Postfaktisches Verhalten also – dabei kann ein Wort nur populär sein, wenn es häufig gebraucht wird, die sprachliche Qualität des Wortes liegt völlig daneben (ist sogar eindeutig falsch, also: bewusst irreführend gewählt) und signifikant (also: bedeutsam) kann es  mangels Gebrauch doch wohl auch nicht sein.

Aber in totalitär verstandenen Systemen reicht es, wenn der Herr oder die Herrin ein Wort in die Welt setzt: dann ist es sofort signifikant.

Drücken wir es doch mal anders aus, dieses „postfaktisch“, so, dass es jeder versteht – genauso, wie es gemeint (also, nicht sprachlich korrekt, sondern der Bedeutung angemessen) ist:

„Alles Lügner außer ICH!“.

Und das wird Wort des Jahres? Nun: „Bundeskanzlerin“ war es 2005.

Man merke: der Merkelkult trägt immer unheimlichere Früchte.

Und ja: unheimlich ist ein Gefühl; es warnt einen vor Bedrohungen. Meist zurecht. Deshalb …. sind Gefühle ja auch Fakten. Springen Sie mal in einen Käfig voller hungriger Löwen: Sie werden schnell verstehen, was ich meine.

 

 

1: http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/postfaktisch-ist-das-wort-des-jahres-2016-14566525.html

2. http://gfds.de/wort-des-jahres-2016/

3. http://www.focus.de/politik/deutschland/linksrutsch_aid_262773.html

4. http://www.zeit.de/kultur/2016-12/postfaktisch-wort-des-jahres-post-truth-demokratie-jill-lepore

 

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