Pirschelbär

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Pirschelbär und Nazisau

Wie ich sehe, geht es ja derzeit nicht nur mir so: Eigentlich wollte man ja ein bisschen Ruhe geben dieser Tage. Doch kaum macht man den Bildschirm an, grinst einen schon wieder Pogo der Clown an und man kann das, was er pünktlich zur Jahreswende als Staatsräson verkünden will, dann doch nicht ganz unwidersprochen lassen. Generation Kevin macht gerade wieder von sich reden – Generation Kevin, also jene heute 20-30-Jährigen, deren Eltern dasjenige, was sie täglich via Flachbildschirm als „Programm“ zu sehen bekamen, so beeindruckt hat, dass sie ihren eigenen Kindern die in diesem Programm gehörten Namen gaben: Samantha, Mandy, Jade, Jack, Justin, Steven, Kevin oder eben: Danny.

Nomen est omen – der Name ist das Vorzeichen, meinten die Römer. Auch  John Steinbeck hat darauf hingewiesen, dass es mit dem persönlichen Namen eine geheimnisvolle Bewandtnis habe: „Ich bin mir nie ganz klar darüber geworden, ob der Name sich nach dem Kind formt oder ob sich das Kind verändert, um zu dem Namen zu passen.“

Jedenfalls sorgen die neuen Namen auch im ganz normalen Alltag mitunter für Turbulenzen. So erzählt uns etwa der Psychologe Götz Eisenberg von einer Episode aus der Kita, als ein dreijähriger Neuzugang von den Kinderdamen nach seinem Namen gefragt wurde: „Na, wie heißen wir denn?“ „Pirschelbär“, antwortete er. „Neeiiin, wie ist denn dein Naa-mee?“, versuchten es die Betreuerinnen weiter. Doch der Junge beharrte: „Pirschelbär.“ Die Damen, jetzt bereits etwas ungehalten: „Komm schon, jetzt sag‘ uns mal die Wahrheit: Wie heißt du?“ Mit Tränen in den Augen und der Schnuffeldecke vorm Mund nuschelte der Kleine noch einmal: „Pirschelbär“. Da reichte des den Kita-Mitarbeiterinnen und sie riefen Pirschelbärs Eltern an. „Wie heißt denn ihr Sohn nun, er will es uns nicht sagen?!“. „Pi-er Dschil-beer“, entgegnete die Mutter und buchstabierte: „P-i-e-r-r-e  G-i-l-b-e-r-t“. (aus: Eisenberg, G. 2015, „Zwischen Amok und Alzheimer – Zur Sozialpsychologie des entfesselten Kapitalismus“, Verlag Brandes & Apsel, S.165f.)

Dannytastischer Pirschelbär

Pirschelbär ist inzwischen raus aus der Kita, ein hipper Twen mit eigenem Twitter-Account geworden und darf selbst am Treiben der Erwachsenenwelt mitmischen. Jüngst hat er wieder für einen Eklat gesorgt. Das ganze Dorf war bereits in Aufruhr, da der Kinderchor des WDR den Omas dieses Landes zum diesjährigen Weihnachten eine Hommage der besonderen Art dargebracht und sie zu Umweltsäuen erklärt hat (siehe youtube). Die Wellen der Empörung waren noch nicht verebbt, da setzte der beim WDR als freier Mitarbeiter tätige Pirschelbär gleich einen obendrauf:

„Lass mal über die Großeltern reden, von denen, die jetzt sich über #Umweltsau aufregen. Eure Oma war keine #Umweltsau. Stimmt. Sondern eine #Nazisau.“
(Danny Hollek auf Twitter, 28.12.2019)

Bevor wir auf das Toppen von „Umweltsau-Oma“ durch „Nazisau-Oma“ eingehen, muss man zunächst eine nominale Würdigung vorausschicken: Auch den von seinen Eltern verliehenen Namen Danny muss man erst mal toppen können. Danny Hollek schafft das: Mit „@dannytastic“, wie Danny sich auf seinem Twitter-Account selbst nennt, lässt er ahnen, dass er in gleichen Liga wie „Fabulous Fab“ & Co. spielen möchte.

Um in diese Liga aufzusteigen, darf er jetzt nach einem Sturm bundesweiter Empörung nicht klein bei geben. Den Rücken gestärkt durch eine Tausendschaft an Likes und Retweets des gut vernetzten 24jährigen öffentlich-rechtlichen Jungjournalisten legt Dannytastic nach:

„Bin auch weiterhin der Meinung, dass alte Menschen noch nicht ausreichend beleidigt wurden. Mehr!“

Und lacht sich ins Fäustchen wie ein frisch von der Kinoleinwand gesprungener, gerade die Massen begeisternder Joker („Ich reiß euch jetzt gut und gerne den Arsch auf!“):

„Haha. Wie jetzt alle ausrasten.“

Schon vor einigen Monaten hat Dannytastic getwittert:

„Hä? Natürlich ist das fair und clever, dass meine schusselige Oma mit 95 Jahren und dem Gedächtnis einer Eintagsfliege noch wählen darf, doch politisierte 17-Jährige nicht.“

Viele Follower fragen sich gerade: Woher nimmt Dannytastic diesen Mut, so laut zu brüllen? In einer Zeit, in der laut statistischer Erhebungen der Großteil der Deutschen der Ansicht ist, dass man heute nicht mehr laut die eigene Meinung sagen darf? Und in der Tat wird bereits lautstark der Rausschmiss von Dannytastic aus dem WDR gefordert. Doch aus irgendeinem Grund lacht der sich darüber nur einen ab und bleibt vollkommen cool. Das „Friedhofsgemüse“ (Wolfgang Bittner) regt sich auf? Na, die sollen nur kommen, die angemorschten Opis und Omas mit ihren weißen Ärschen. Was wollen die mit ihren paar hundert Followern? Generation Rezo & die dannytastic Superyoutuber haben eine Millionenschaft an Followern! Und die wissen, wo’s jetzt lang geht und sind nicht bereit, sich noch länger von goethelesenden Oldies (Ja ey lol, mann: Fack ju!) ihr Recht auf Gutes und Gernes Leben gefährden zu lassen.

Es kommt: das transatlantische Puff für alle

Danny weiß, dass es ihm an Schützenhilfe von anderen Influencern und Opinion Leadern von Generation Kevin/Rezo nicht mangelt. Etwa von Johanna Roth, Jahrgang 1989, die als Absolventin der Deutschen Journalistenschule und Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundestag heute als taz-Redakteurin im Ressort Meinung+Diskussion in die gleiche Kerbe schlägt wie Dannytastic: „Auch was von diesem Wohlstand“ wolle sie und schlussfolgert: „Die Alten gefährden die Jungen. Was wir brauchen, ist eine Epistokratie der Jugend“. Ihre Ansage an die Omas und Opas dieses Landes ist klar:„Rentner gebt das Wahlrecht ab!“ (Quelle: taz)

Der 79jährige Jurist Wolfgang Bittner, der sich bereits in sein Schicksal als Alteisen dreingefunden hat, antwortet der epistokratischen taz-Redakteurin:

„Entsorgt die über Sechzigjährigen! Schläfert sie ein, selbstverständlich in humaner Weise, oder konzentriert sie in Lagern mit mäßiger Versorgung, so dass sich die Probleme mit ihnen auf ganz natürliche Weise von allein lösen.(…) Mit einem Schlag gäbe es Millionen Wohnungen für junge Menschen und Geflüchtete … Milliarden, die sonst in die Rentenkassen fließen, stünden für die von der US-Regierung geforderte Aufrüstung und gegebenenfalls für einen Krieg gegen Russland zur Verfügung.“ (Quelle:„Friedhofsgemüse – Rentner zugunsten der zukunftswürdigen Jungen entsorgen!“/ nachdenkseiten)

Ein Krieg gegen Russland, für den diejenige Partei, von der sich derzeit viele eine Klimawende erhoffen („Die Grünen“), gerade ideologisch mobilmacht. Und wenn es gegen Russland geht, dann zeigt man bei der regenbogenfarbenen Jugendpartei, die dank Rezo und Greta gerade einen gewaltigen Höhenflug erlebt, auch ganz unverhohlen, was für einen feuchten Kehricht man wirklich von Ökologie und Umweltschutz hält: Dann sabotiert man lieber eine kostensparende Leitung mit natürlich gewonnenem Gas aus dem benachbarten Festland von Russland und propagiert stattdessen den Zukauf von US-Frackinggas, zu dessen Gewinnung Erde und Grundwasser mit hochtoxischen Substanzen verseucht werden und welches CO2-intensiv quer über den Atlantik geschifft werden muss. Während man Omas im WDR-Kinderchor vorwirft, dass sie gefälligst nicht Kreuzfahrten machen sollen und ihnen dann noch mit drohendem Blick nachsetzt: „Damit werden wir euch nicht durchkommen lassen!“

In der Tat stehen die Chancen zum Durchkommen für die flaschensammelnden Rentner nicht gut. 33% der 18- bis 29-Jährigen und damit die große Mehrheit hat bei der letzten EU-Wahl Grün gewählt (Quelle: ZDF/Forschungsgruppe Wahlen). Nur knapp über 5% der Next Generation haben AfD gewählt. Das heißt: auch dieses Problem, an dem sich gerade alle abarbeiten, wird demnächst von selbst verschwinden. Genauso wie die letzten goethe- und schillerlesenden Senioren dann endgültig das Feld für evidenzbasierten Gangstarap von Bushido & Kollegah freigeben werden müssen. Man muss jetzt nur noch ein paar Jahre den Kampf gegen Vampire und untote Widergänger durchhalten, dann können endlich glorreiche Zeiten beginnen. Dann wird die Welt digital transformiert, gegendert und darf ins Tomorrowland abfeiern, in dem die Bitcoins niemals ausgehen und die Anzahl der Geschlechter exponentiell nach oben geht. Unter einem digitalen Astroturf-Regenbogen gibt’s dann ein geschlechts- und klimaneutrales „Puff für alle“, in dem Thomas Hobbes Vision des „homo homini lupus est“ Wirklichkeit wird und jeder Mensch grenzenlos Spaß haben und des anderen Menschen Wolf sein darf.

Die Menschen sollen sich hassen

„Die Menschen sollen sich hassen … und jeder nur seinen eigenen Vorteil suchen.“ Das hat Noam Chomsky in seinem Alterswerk „Requiem für den amerikanischen Traum“ als Agenda der herrschenden Eliten ausgemacht, um mit ihrer Plünderung des Planeten ungestört fortfahren zu können. Deswegen wird der Oma-Nazisau Sager, mit dem der WDR-Bube gerade von sich hören macht, auch keinen Rausschmiss bedeuten, sondern ganz im Gegenteil: Mit diesem Sager qualifiziert sich der dannytastische Pirschelbär für ein Amt als Staatssekretär oder Regierungssprecher. Oder falls in diesen Ressorts die Versorgungsposten schon vergeben sind: Dann eben als Nachwuchs-Comedian, denn die Masse will unterhalten und bei Laune gehalten werden. Die im Prekariat vor sich hindämmernde „Generation Chillstand“ (© Milosz Matuschek) will sich nicht dumm und verkauft vorkommen, sondern will ihrerseits lachen und sich schlau vorkommen, wenn sie Formate wie Neo Magazin Royal, Joko&Klaas, Jung&Naiv guckt. Jan Böhmermann hat soeben die letzte Folge von Neo Magazin Royal abgedreht, Sessel für Nachwuchstalente, die ebenfalls kecke-leckere Dünpfiffwürste braten können, werden also gerade frei.

Und ganz so dumm ist diejenige Generation, die der Spiegel als „Generation Doof“ bezeichnet, dann ja doch nicht. Die Sprosse aus Generation Kevin wissen eigentlich ganz genau, was sie in der derzeitigen Käseglockenatmosphäre sagen müssen, um nach oben gespült zu werden. Insofern kann man den Sager des Pirschelbären, über den sich gerade viele aufregen, als nichts anderes auffassen als eine Art „Bewerbungsbrief“ für eine Festanstellung. Der Bub möchte eben an trockenen Ufern sein, wenn demnächst für den Plebs die Schlammlawine losgeht. Schon derzeit gibt es außer den Sesseln im Bundestag und in den „kläglichen Sendemasttrümmern“ (©Wolf Reiser) des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kaum noch erhöhte Positionen, die trocken bleiben. Da muss man also schon etwas höher pokern und manch gewagte Joker-Karte ausspielen, wenn man einen solchen Sessel ergattern will. Doch angesichts des zweifellos steigenden Meeresspiegels braucht man hierbei nicht lange fackeln, sondern muss die Gunst der Stunde nutzen. So wie der C-Klasse Comedian Böhmermann mit seinem bloßen Varoufakis-Stinkefinger über Nacht plötzlich in den Olymp der Massenmedien aufgestiegen ist.

Die Personaler beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk können jedenfalls aufatmen, wenn sie den CV von Danny am Tisch haben. Da wissen sie zumindest, dass er aus einem unverdächtigen Elternhaus kommt. Denn wer sein Kind „Danny“ tauft, bei dem steht jedenfalls fest, dass er keine Scheu vor Anglizismen hat und nicht antiamerikanistisch gesinnt ist. Und das ist heute schon mal die halbe Miete, damit jemand auf dem ihm zugeteilten Platz politisch korrekte Leistung bringen kann. Während man als Personaler ja jedesmal die Stirn runzeln muss, wenn man eine Bewerbung auf den Tisch bekommt von einem Uwe … der womöglich einmal einen Steimle ins Rollen bringen könnte – oder von einem Hans-Georg, der womöglich einmal das Maaß für voll erklären könnte und nicht mehr gewillt ist, das Narrativ der Regierung zu bedienen.

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Nachwort:

Ich weiß, dieses dannytastische Trauerspiel und der Hinweis auf Chomskys „Requiem“ mögen jetzt nicht gerade hoffnungsvolle Vorstellungen für das kommende Jahr erwecken. Man findet ja heute die weit verbreitete Meinung, dass man sich mit dem Negativen besser nicht beschäftigen, sondern sich aufs „Positive“ konzentrieren solle. Das mag nicht einmal schlecht gemeint sein und natürlich brauchen wir positive Perspektiven (denn diese Welt kann sich nicht ändern, solange eine substanzielle Gedankengrundlage dazu fehlt, da nützt dann alles Warten auf Aufschwung, bessere Zeiten, Parteien etc. nichts). Entgegen der herrschenden Meinung bin ich jedoch der Überzeugung, dass es auch den Kontrast des Destruktiven braucht, mit dem man sich in aller Klarheit konfrontieren muss, damit man gerade auf diesem Hintergrund des drohenden Niedergangs umso brauchbarere Perspektiven und Ideale aufbauen kann. Gerade wenn man sich mit dem Dekadenten, Heuchlerischen, Arroganten und Niederträchtigen konfrontiert, wird man umso entschlosseneren Elan zur Entwicklung von mehr Authentizität, Rückgrat und wirklicher Mitmenschlichkeit bei gleichzeitiger Bescheidenheit entwickeln.

Aber den Lesern des Nachrichtenspiegel brauche ich das ja glaube ich nicht zu sagen. Gerade weil sie nicht wegschauen wollen, lesen sie ja hier und nicht bei bento oder im Relotius-Narrenspiegel. Auch dass die Entscheidung zwischen ersterem und zweiterem Weg in Wirklichkeit eine Frage von Gesundheit bzw. Gesundbleibenkönnen und Krankheit – und es ein tragischer Irrtum ist, zu meinen, dass es folgenlos möglich sei, täglich den leichteren Weg der politisch korrekten Heuchelei zu praktizieren, wäre eine eigene Betrachtung wert. In Twitterzeiten, da die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne des Menschen lt. Microsoft-Studie gerade mal acht Sekunden beträgt, würde das aber den Rahmen wieder einmal vollkommen sprengen. Daher: Respekt vor allen Stammlesern, die hier eine mehrminütige Konzentration für z.T. schwer verdauliche Sachverhalte aufbringen können und damit definitiv überdurchschnittlich veranlagt sind. Auch wenn die Lektüre manchmal harte Arbeit ist: Man kann dafür dann auch Bären von Pinguinen und Enten unterscheiden.

In diesem Sinne: Allen Lesern trotz aller äußerer Wolken und allen apokalyptischen Wetterleuchtens ein gutes Neues Jahr, Gesundheit und Zuversicht! Bewahren Sie sich Ihren klaren Sinn und bleiben Sie standhaft auf dem Terrain, in dem Sie immer moralischer Sieger bleiben können, auch wenn wir kollektiv einer großen Niederlage bzw. einem zivilisatorischen Niedergang entgegengegen: dem eigenen Inneren. Wer diese Stube sauber hält, um den werden auch keine Schmeißfliegen kreisen.

 

Foto: Pixabay/CC0

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