Pharmazie

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Demenz im Dienste der Pharmaindustrie

Kürzlich erst beim surfen durch die Nachrichtenflut eine kleine Besonderheit auf: es gab da einen signifikanten Anstieg bei Erkrankungen psychischer Art. "Psychische und Verhaltensstörungen" stiegen von 9720 Fällen im Jahre 1998 auf 22592 Fälle im Jahre 2009 - ein Anstieg von über einhundert Prozent.  Das interessierte mich. Ich war beruflich mal eine Zeit lang in der Psychiatrie - zum Studium von Krankheitsbildern. Man hatte mir ärztlicherweise geraten, das ich bei diesen Studienaufenthalten immer erwähnen sollte, das ich "Kittel und Schlüssel" hatte.  Das nicht jeder in der geschlossenen Abteilung, der einen Kittel trägt, auch einen Schlüssel hat, gab mir zu denken - ich wollte das Thema als Gast aber nicht weiter vertiefen. Viele Beobachtungen, die ich dort gemacht haben, unterliegen der Schweigepflicht.  Andere nicht - es waren Beobachtungen, die mir zu denken gaben.

Kürzlich erst beim Surfen durch die Nachrichtenflut eine kleine Besonderheit auf: es gab da einen signifikanten Anstieg bei Erkrankungen psychischer Art. „Psychische und Verhaltensstörungen“ stiegen von 9720 Fällen im Jahre 1998 auf 22592 Fälle im Jahre 2009 – ein Anstieg von über einhundert Prozent.  Das interessierte mich. Ich war beruflich mal eine Zeit lang in der Psychiatrie – zum Studium von Krankheitsbildern. Man hatte mir ärztlicherweise geraten, das ich bei diesen Studienaufenthalten immer erwähnen sollte, das ich „Kittel und Schlüssel“ hatte.  Das nicht jeder in der geschlossenen Abteilung, der einen Kittel trägt, auch einen Schlüssel hat, gab mir zu denken – ich wollte das Thema als Gast aber nicht weiter vertiefen. Viele Beobachtungen, die ich dort gemacht haben, unterliegen der Schweigepflicht.  Andere nicht – es waren Beobachtungen, die mir zu denken gaben.

Es ist noch nicht lange her, da war bekannt, das Psychiatrie auch gerne als politische Waffe benutzt werden kann. Man kann sie missbrauchen, um politische Ideen als „grundsätzlich krank“ einzustufen – ein Gedanke, der einem im Prinzip gar nicht so unverständlich ist, wenn man die Verheerungen des Finanzsystems betrachtet. Die Sucht nach leistungslosem Reichtum vernichtet gerade ganze Volkswirtschaften – das muss doch einfach irgendwie krank sein. So weit sind wir allerdings noch nicht, krank sind jene Leute, die zum Beispiel überall eine dreifache Sechs sehen, wie sie auf jedem Apothekenrezept unten links zu erkennen ist. Auf jedem. Wir dürfen uns darüber aber keine Gedanken machen – erst recht nicht im Zusammenhang mit satanischen Riten im Bohemian Grove – weil das ganz schnell zu einem „Wahn“ führen kann. Die Rituale selbst gelten in medizinischen Fachkreisen als weitgehend unbedenklich, Gerüchten zufolge nimmt man selbst gerne an solchen „Events“ teil.

Auf diesem Hintergrund schaute ich mir die Zahlen weiter an – diesmal genauer. Im nächsten Schritt fand ich eine Untergruppe zu „Psychischen und Verhaltensstörungen“ – Demenz – mit ordentlichen Zuwächsen. 1379 Fälle im Jahre 1998, 16147 im Jahre 2009. Zwar nimmt Demenz insgesamt analog zum Alter in der Bevölkerung zu, aber ein Anstieg von einhundert Prozent schien mir etwas viel.

Also suchte ich weiter – und wurde fündig. Schlimmer noch als der Anstieg der verschiedenen Demenzformen war der Anstieg der Diagnose F03:  „Nicht näher bezeichnete Demenz“, hier die Zahlen im Detail:

1998: 891

1999: 1094

2005: 1112

2006: 4003

2007: 6618

2008: 7656

2009: 13681

Das ist ein Anstieg von ÜBER EINTAUSENDFÜNFHUNDERT PROZENT.

So etwas macht stutzig, kann aber schon mal passieren- zum Beispiel,  wenn sich Diagnosekriterien ändern. Allerdings ist F 03 eine Sammeldiagnose für ungeklärte Fälle, im Rahmen der sehr ausdifferenzierten Kriterien der Demenz führt sie ein ziemlich kümmerliches Dasein – eigentlich gedacht für jene Fälle, in denen sich der Patient einer eindeutigen Diagnose entzieht. Die klar diagnostizierbare vaskuläre Demenz steigt in diesem Zeitraum im Vergleich von 488 auf „nur“ 2466 Fälle an.

Die Demenz bei Alzheimer – wohl die bekanntest Form mit Steigerungen von  120000 Erkrankungen im Jahr und unsgesamt 1.3 Millionen Fällen ist in diesem Zusammenhang noch gar nicht erfasst, hält sich aber an Steigerungsraten von 10 %, bis 2050 sollen sich die Zahlen verdoppelt haben: recht brav im Verhältnis zu der Rekordentwicklung einer „Un-Diagnose“, die sich dadurch auszeichnet, das sie zur Krankheit selbst keine näheren Angaben macht, während andere Demenzarten klar zu differenzieren sind.

So etwas macht stutzig, erst recht, wenn die Diagnosekriterien für Demenz sich immer weiter fortentwickeln, die Diagnose mit den Rekorderkrankungen aber eher einer Restesammlung ist.

Es gibt aber nun auch noch eine andere – selten angewendete – Perspektive. Neben einer denkbaren politischen Entscheidung, alle Verschwörungstheoretiker ab morgen als „irgendwie dement“ zu diagnostizieren, damit die von der Straße kommen, gibt es auch noch einen völlig unmedizinischen Faktor, der Krankheiten gezielt erzeugt: den Pharmakonzern.

Und hier finden wir auf einmal eine plausible Erklärung für den Anstieg an Erkrankungen denn … seit 1997 ist Demenz gezielt im Fokus der Pharmaindustrie: eine neuer Absatzmarkt wurde geboren. Natürlich profitieren davon die Umsätze, sie steigen jährlich im Schnitt um 18,4 % , was bei Tagestherapiekosten von 4,40 Euro (1606 Euro im Jahr) ein gutes, solides Geschäft ist.

Nun sind die entsprechenden Medikamente nicht nur umstritten und teuer, sie sind auch so nutzlos, das englische Behörden den Einsatz massiv begrenzt haben.

Der clevere Arzt … kann hier ausweichen, um die Segnungen der Pharmaindustrie weiter zu erhalten. Einfach mal eine Diagnose stellen, die nicht so sehr in der Kritik steht – schon kann man die Ansprüche des Pharmareferenten befriedigen und seine Honorare empfangen. Der professionelle Pharmareferent hat solche „Tips“ auch schnell zur Hand, bei den Tagestherapiekosten schauen die Krankenkassen auch genau hin – was sich jedoch hinter der Diagnose „F 03“ versteckt, fällt nicht so schnell auf.

Und so … fördert die Pharmaindustrie die Entwicklung von Krankheiten zur Steigerung der Umsätze.

Probleme?

Schon 2004 gab es zu dem Thema eine Studie.

Gravierende   Mängel  stellte die Hamburger Forschergruppe  in 8 von 10        Donepecil-Studien fest,  wie ein  kommentarloses Unterschlagen der letzten 6 Wochen   eines  Untersuchungszeitraumes von insgesamt 54 Wochen:  „Da stellt sich die Frage, was in den letzten 6 Wochen geschehen ist, dass es den Lesern vorenthalten wird.“

Angesichts dieser Studienqualität ist es nicht verwunderlich, das das Medikament nicht hält, was es verspricht:

„Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Einsatz von Donepezil bei der vorhandenen Datenlage wissenschaftlich nicht begründet ist. Die Fixierung auf eine medikamentöse Behandlung der Alzheimer Demenz verstellt möglicherweise den Blick auf dringliche Probleme, wie die pflegerische Betreuung, die Sicherung der Lebensqualität der Patienten sowie die kontinuierliche Unterstützung der Angehörigen.“

Das war damals ziemlich viel Gegenwind, der nicht nur von Ärzten ausging:

An der Wirksamkeit von Cholinesterasehemmern, wie z.B. Aricept®, hegten   gewissenhafte Ärzte und wegen erheblicher Nebenwirkungen  besorgte Angehörige schon lange  Zweifel.   Zweifel, die bei  den Vertretern  führender Institutionen eher mitleidiges Kopfschütteln auslösen, als dass negative Fallberichte gesammelt und überprüft würden.

Warum trotzdem weiterverordnet wird, ist kein Geheimnis:

Der VFA (Verband forschender Arzneimittelhersteller, dazu zählen auch die Hersteller von Aricept®, Exelon®, Reminyl®) gibt bislang ebenso viel Geld für Werbung aus wie für seine Forschung. Werbegeld der Pharmafirmen erreicht auch Alzheimer-Organisationen und Alzheimer-Selbsthilfegruppen.

Dieses Geld fließt auch vielen Rednern zu, eine Liste davon findet man hier.

So steht der Arzt vor Ort – selbst wenn er nicht käuflich ist – auf einmal ziemlich verloren da. Die Angehörigen wollen es, die Experten empfehlen es, die Industrie bezahlt dafür … und mit einer einfachen kleinen Verordnung ist man den ganzen Ärger los.

Je größer der Druck, umso eher die Versuchung, bei der Diagnose der Krankheit nicht so genau hinzuschauen und sich mit „F 03“ gekonnt aus der Affäre zu ziehen, zumal ja auch die Wirkung bei „echter“ Demenz nicht ganz so ausgeprägt ist.

Für die Patienten ist es – wie schon erwähnt – nicht immer angenehm, das Zeug schlucken zu müssen. Häufige Nebenwirkungen sind:

Harnwegsinfektionen, Appetitlosigkeit, Kopfschmerzen, Synkope, Übelkeit, Erbrechen,Durchfall, Dyspepsie, Bauchschmerzen, Hautausschlag, Pruritus, Hautreaktionen an der Applikationsstelle, asthenischeErscheinungen, Fieber, Gewichtsabnahme

Synkope? Eine kleine Ohnmacht. Das schreibt man nicht gerne auf Deutsch in den Beipackzettel, das könnte der Patient verstehen. Die Nebenwirkungen bezüglich des Magen-Darm-Traktes werden als „erheblich“ beschrieben – bei gleichzeitig fragwürdiger Wirksamkeit.  Man verordnet es also am besten Patienten, die gar keine Demenz haben … oder eben eine „nicht näher bezeichnete Demenz“. Die haben dann auch eine Chance, Nebenwirkungen besser zu verarbeiten als wirklich kranke Patienten – bei häufiger Übelkeit und Erbrechen fällt die Tablette ja auch schnell wieder heraus.

Das gerade ältere Patienten schnell bei solchen Nebenwirkungen austrocknen – mit tödlichen Folgen – wird gerne billigend in Kauf genommen. Sie gehören dann auf jeden Fall nicht zu den 20000 Menschen, die jedes Jahr direkt  durch Nebenwirkungen sterben, sondern zu jenen, die durch Dehydration von dannen scheiden, neben Unterernährung und Lungenentzündung eine der drei häufigsten Ursachen für den Tod demenzkranker Menschen.

Wie viele Patienten jetzt aber direkt durch Cholesterinesterasehemmer zu Tode gebracht wurden … werden wir nicht erfahren. Solche Studien werden von der Pharmaindustrie nicht durchgeführt – und die anderen haben kein Geld dafür.

Ich jedoch verstehe langsam, warum die Zahl des Teufels auf jedem Rezept steht. Das moderne Vermarktungssystem von Medikamenten ist inzwischen so perfekt, das man es nur teuflisch nennen kann. Gut, das uns die Rezepte direkt davor warnen – das ist wenigstens fair.

Beruhigend ist jedoch, das sich der Verdacht einer politischen Diagnose nicht weiter erhärten lässt.

(Quelle für F03 -Diagnosen: Bundesamt für Statistik)

 


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