Peter Scholl-Latour

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Der Beginn des geplanten Zusammenbruchs der USA

eifelphilosoph_200

eifelphilosoph_200Sonntag, 17.8.2014. Eifel. Sonntag ist ja immer der Tag für besinnliche Kommentare – zum Beispiel heute über den Tod von Peter Scholl-Latour. Über den wurde allerdings schon genug geschrieben – und ich würde mir wünschen, wenn alle, die gestern über ihn geschrieben haben, stattdessen lieber seine Bücher gelesen hätten, die uns als „Westen“ eine problematische Zukunft vorhersagen. Besinnlich wären heute auch Gedanken über die Welle von Hass, die über die Welt in diesem Jahr hereinbricht. Fernab jeglicher ziviler Umgangsformen, die sich in Deeskalationstrategien und diplomatischen Offensiven zeigen könnten, in vertrauensbildende Maßnahmen, die im Kalten Krieg das verlorengegangene Vertrauen langsam wieder aufbauen sollten eiert die Welt auf einen katastrophalen Zustand zu. Aktuell sind es die Krisen im Gazastreifen, der scheinbar unaufhaltsame und äußerst brutale Aufmarsch einer Privatarmee im Norden des Irak (ja – so könnte man sie auch nennen: eine von saudischen Ölgeldern bezahlte Privatarmee – also letztlich mordet da auch das Geld deutscher Autofahrer) und eine drohende Weltkriegsgefahr im Osten des so lange friedlichen Europas, das momentan wie schon 1914 plötzlich am Rande eines fürchterlichen Abgrundes steht, sogar der Spiegel warnt aktuell vor einem Krieg, der aus einer allgemeinen Hysterie entstehen kann … aufgrund einer einzigen Falschmeldung über den Zusammenstoß ukrainischer und russischer Truppen.

Schon läuft die Dynamik weiter: die Ukraine bittet den Westen um militärische Unterstützung (siehe Welt), die zumindest von der Seite der USA kommt: unabhängig von jeder neutralen Untersuchung, unabhängig davon, ob die Meldungen wahr oder falsch sind, warnen die USA derzeit Russland, die (möglicherweise gar nicht existenten) „extrem gefährlichen“ Einmischungen zu unterlassen (siehe Spiegel). Währenddessen kommt eine andere Dynamik ins Spiel, wegen der wir einen Peter Scholl-Latour gut als Ratgeber, Warner und Mahner gebrauchen könnten: die USA statten kurdische Kämpfer mit Waffen aus (siehe Tagesschau), ohne Rücksicht darauf, dass sie damit den Natopartner Türkei extrem brüskieren: die nun „guten“ Rebellen im Nordirak sind Feinde der Regierung in Ankara, die es in Zukunft mit ihnen schwerer haben wird. Doch Ankara reagiert umgehend und stellt sich im laufenden Wirtschaftskrieg gegen die Nato, beliefert Russland mit Obst und Gemüse (siehe DWN), weltweit stellen sich Staaten an die Seite Russlands, das nur im Westen als böser Täter verunglimpft wird (siehe Nachrichtenspiegel). Schon allein wirtschaftlich gesehen breitet sich hier ein Weltkrieg vor, dessen Ende nicht abzusehen ist – nur kann man jetzt schon sehen, dass die Konstellationen der Welt sich ändern, so sprach Harald Schuhmann 2011 von neuen Konstellationen, die nun überraschend schnell aktuell werden:

Es ist durchaus denkbar, dass die sogenannten Schwellenstaaten Brasilien, Südafrika, Indien, China und Teile der ehemaligen Sowjetunion als politische Alliierte auftreten“ (aus: Dirk C. Fleck, Die Vierte Macht, Hoffmann und Campe, 1. Auflage 2012, Seite 35).

Drei Jahre später bahnt sich eine Gemüse- und Obstallianz zugunsten Russlands an, aus der schnell ganz andere Bündnisse werden können, wenn die EU – wie geschehen – die Schwellenländer weiter bedroht. Kritische Selbstreflexion westlicher Politik findet nur noch vereinzelt statt, man kann den Eindruck haben, eine satte gelangweilte Oberschicht stürzt sich begeistert in neue Konflikte, um der Ödnis ihres Alltages entfliehen zu können.

Was jedoch am Meisten beunruhigen sollte, ist der geplante Zusammenbruch der USA.

Ich weiß, dass hört sich jetzt wie eine Verschwörungstheorie an, weil eine kleine Oberschicht uns gerne verkaufen möchte, dass sich Politik und Wirtschaft grundsätzlich immer planlos und ohne jede Vernunft entwickeln, alles ist vom Zufall ausgewürfeltes unausweichliches alternativloses Schicksal, dem wir hoffnungslos ausgeliefert wären, wenn nicht unsere Konzernherren, Bundestagsabgeordneten, unser Diplomaten und Politiker nicht tagtäglich heroisch dagegen ankämpfen würden.

Leider ohne Erfolg, wenn man sich die augenblickliche politische Weltlage anschaut.

Nun – wenn ich über einen geplanten Zusammenbruch nachdenke, so hat das einen besonderen Grund – wie es aussieht, hat sich nämlich schon ziemlich früh jemand Gedanken über mögliche Unruhen gemacht und das Programm 1208 ins Leben gerufen, das später zum Programm 1033 wurde (siehe Justnet.org), ein Programm, das die amerikanische Polizei zu einer Armee umbaute (siehe Newsweek).

Dieser Umbau von Polizeieinheiten zu paramilitärischen Streitkräften tritt aktuell durch die Ereignisse in Fergusson/Missouri deutlich vor die Augen der Weltöffentlichkeit. Nach dem Polizisten einen unbewaffneten Teenager mit mehreren Schüssen niedergestreckt hatte, revoltierte das Volk (siehe Tagesschau) – und sah sich auf einmal einer gegen die eigenen Bürger perfekt ausgerüsteten Armee gegenüber, deren Umbau und Ausrüstung von langer Hand geplant wurde (siehe Tagesschau):

Die militärisch anmutende Ausstattung von Polizeieinheiten ist kein Zufall. Seit 1997 können Behörden durch das sogenannte 1033-Programm kostenlos Fahrzeuge und Waffen bekommen, die von der Armee nicht mehr benötigt werden. Darunter sind auch gepanzerte, minensichere Fahrzeuge sowie Sturmgewehre und Hubschrauber.

Ursprünglich sollte das Programm vor allem im Kampf gegen Drogenkartelle helfen. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 wurde es erheblich ausgeweitet. Allein im vergangenen Jahr wurden nach Angaben der zuständigen Behörde Waren im Wert von rund 450 Millionen Dollar zivile Stellen überschrieben.

Seit 1997! Wer wusste 1997 von den Unruhen in Fergusson? Wenn man eine solche Gefahr auf US-Boden vermutet – wo bleiben die Deeskalationsstrategien? Oder sind die etwa gar nicht gewollt? Eine gefährliche Frage, weil sie schon unterstellt, das – entgegen dem herrschenden Aberglauben – Wirtschaft und Politik IMMER  mit Plan und Ziel arbeiten, ja deshalb sogar ganze teure Planungsabteilungen beschäftigen.

Nun – Fergusson ist nur ein Brennpunkt in den USA, aber einer, der zeigt, welche Folgen die Militarisierung der Polizei haben kann. Erinnert sich hier noch jemand an den guten alten britischen „Bobby“ – jenen Polizisten, der ohne jegliche Schusswaffe für Ruhe und Ordnung sorgte? So sieht das Prinzip der Deeskalation aus. Kann sich noch jemand an die „Mounties“ erinnern, die berittenen kanadischen Polizeieinheiten im 19. Jahrhundert? Anders als die US-Kavallerie ritten sie allein ins Indianergebiet – und genossen bei ihren Kontrahenten aufgrund ihres Mutes einen hervorragenden Ruf – der sie weitgehend vor körperlichen Angriffen schützte. Lektionen, die scheinbar vergessen sind? Wie die Lektionen, die Gandhi der Welt lehrte?

„Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus“ – so ein deutsches Sprichwort, das auf die Eigenverantwortung des Handelnden hinweist. Ein Bobby hätte gar keinen erschießen können – und ein einzelner Mountie stellt für niemanden eine Gefahr da. Beide aber erinnern daran, dass „Polizei“ für „Recht und Ordnung“ steht – nicht für Bürgerkrieg und Aufstandsbekämpfung, ja, gerade um solche Exzesse im Keim zu ersticken, gibt es ja die „Gesetzeshüter“ – es wird nur oft vergessen.

In Fergusson hatte man sich für andere Wege entschieden, Wege, die letztlich dazu führten, dass der Gouverneur die Polizei der Stadt entmachten musste, die sich anmaßte, auch gegen unbequeme Reporter vorzugehen (siehe Spiegel). Doch wo der Hass einmal gesät worden ist, ist er nur noch schwer einzudämmen, weshalb aktuell die Ausschreitungen weiter laufen (siehe Tagesschau).

Fergusson ist eine Momentaufnahme, die zeigt, welche Folgen das Programm 1033 für das ganze Land, für die ganze Zivilgesellschaft haben kann. Kann es wirklich sein, dass niemand 1997 an diese Folgen gedacht hat?

Lenken wir den Blick auf andere Entwicklungen: die Staatsverschuldung der USA, für Planungsabteilungen in Wirtschaft und Politik eine wichtige Kennzahl.

Im Jahre 2004 lag sie noch bei 8 BILLIONEN Dollar – das sind 8 000 Milliarden. Aktuell – im August 2014 – liegt sie bei 18,5 Billionen Dollar: 10000 Milliarden in zehn Jahren, allein der Anstieg von 2013 (17,5 Billionen) zu heute beträgt eine Milliarde Dollar – und das Jahr ist noch lange nicht zu Ende (siehe Statista). Wer ein wenig was vom guten alten „Haushalten“ versteht, würde sich Sorgen machen – Sorgen darüber, dass der Staat in absehbarer Zeit völlig zahlungsunfähig wird und die Gesellschaft in Folge komplett zusammenbrechen würde: Hungersnöte im reichsten Land der Welt (allein im August 2014 überlebten über 47 Millionen Amerikaner im reichsten Land der Welt nur Dank Lebensmittelmarken – der letzten Form von Überlebenshilfe, die bald nicht mehr bezahlbar sein wird – siehe Food and Nutricion Service, 2009 waren es noch „nur“ 33 Millionen) werden immer denkbarer … und die Poliei wird seit 17 Jahren gegen die dann zu erwartenden Aufstände und Plünderungen gezielt ausgerüstet.

Zufall?

Oder ist es gerechtfertigt, von einem „geplanten“ Zusammenbruch zu sprechen? Nun – zumindest kann man sagen, dass der wirtschaftliche Zusammenbruch der USA von Entscheidungsträgern in Wirtschaft und Politk billigend in Kauf genommen wird, man nichts unternimmt, um gegen zu steuern – außer für die Sicherheit der eigenen Nobelvilla durch paramilitätische Einheiten zu sorgen, die von „Freunden und Helfern“ zu schwer bewaffneten Feinden der zivilen Gesellschaft mutieren … was in Fergusson wohl allen Beteiligten Polizisten viel Freude bereitet hat.

Kemal Dervis, türkischer Wirtschaftswissenschaftler und Politiker, sieht ein Anwachsen der Anzeichen für den großen, weltweiten Zusammenbruch (siehe Wirtschaftsblatt.at):

Große Katastrophen können schrittweise eintreten. Führende politische Entscheidungsträger können sich als „Schlafwandler“ erweisen, denen es nicht gelingt, die Risken zu bewältigen. Auch die finanzielle Kernschmelze des Jahres 2008 wurde durch schlafwandelnde Politiker verursacht. Die Folgen der Finanzkrise waren zwar nicht tödlich, aber die politischen Auswirkungen von Massenarbeitslosigkeit und die erhöhte Wahrnehmung wirtschaftlicher Unsicherheit begleiten uns noch immer.

Aus der Sicht eines Politiker mag es angehen, so zu tun, als seien sämtliche Kollegen weltweit nur „Schlafwandler“ – was aber für die Bürger dieser Welt bedeuten würde, dass man sie sofort des Amtes entheben müßte, weil Schlafwandler keinerlei Verantwortung tragen können. Es ist aber gerade das Prinzip der Verantwortung, dass uns als Weltbürger zu der Aussagen bringen sollte, dass der Zusammenbruch der Weltwirtschaft im Allgemeinen und der Zusammenbruch der USA im Besonderen wohl offensichtlich geplant war, den Begriff „Schlafwandler“ gibt es nämlich nicht im Vokabular der verantwortungsbewussten Ethik.

Und entscheidet man sich bewusst dagegen, notwendige Maßnahmen zur Rettung der Zivilbevölkerung vor dem Zusammenbruch sämtlicher sozialen Systeme zu treffen, so ist das zumindest ein passiver Plan für die Zukunft, ein Plan der Duldung der Gefahr des Zusammenbruchts, der deshalb bewusst zu nennen ist, weil die Aufrüstung der Polizei kein Akt von blinden Schlafwandlern ist, sondern eine konkrete Entscheidung für eine sehr düstere Zukunft – und das nennt man gemeinhein auch einen Plan.

Und so erleben wir in Fergusson gerade den Beginn des geplanten Zusammenbruchs der USA – und sollten daraus schnell Lehren für die europäische Werte- und Sozialgemeinschaft ziehen, bevor uns eine blinde und taube Allianz von Schafwandlern in Konfrontationen ziehen, vor denen ein Peter Scholl-Latour immer gewarnt hat, zuletzt in seinem 2013 erschienen Werk: „Die Welt aus den Fugen“.

2014 – erleben wir selbst Tag für Tag, wie sehr die Welt aus allen ihren Fugen fällt … und wie Peter Scholl Latours Werke vom „Weg in den neuen Kalten Krieg“ (erschienen 2008) längst bittere Realität geworden ist und „Die Angst des weißen Mannes“ (ebenfalls erschienen 2009) in Fergusson, mitten im Herzland der USA, ihre ersten Opfer fordert.

Man hätte wirklich mehr von ihm lesen sollen – als über ihn schreiben.

 

 

Die Angst des weißen Mannes … vor Hartz IV und Napoleon

Mit seinem neuen Buch „Die Angst des weißen Mannes“ ruft Peter Scholl-Latour derzeit viel Widerspruch auf den Plan. Viele weiße Männer empören sich und wissen nicht, wovor sie Angst haben sollten … weiße Männer kennen weder Schmerz noch Angst.  Scholl-Latour bleibt da nüchtern, wie hier im Tagesspiegel:

„Hier sind wir nicht nur in der ,Neuen Welt’ angekommen, hier begegnen wir einer neuen Menschheit, und die Vermutung stellt sich ein, dieses könnte die Menschheit der Zukunft sein. Mit seiner vielfältigen Harmonie der Rassen nimmt Brasilien eine ethnische Vermengung vorweg, die für den ganzen Globus Gültigkeit gewinnen könnte.“

Mit solchen Visionen vom Ende der herrschenden Kultur dieser Welt steht der weit gereiste Scholl-Latour nicht allein da. Schon vor ein paar Jahren wurde nüchtern der Untergang des weißen Mannes skizziert, hierzu was aus dem Deutschlandradio über den Autor Manfred Pohl:

Es sind ernüchternde Szenarien, die er beschreibt, etwa, wenn die heute geborenen Kinder in der Mitte ihres Lebens wesentliche Rohstoffe der Gegenwart nicht mehr zur Verfügung haben werden: Öl, Gas, Kupfer oder Uran. In 200 Jahren würden die weißen Deutschen lediglich eine ethnische Minderheit in ihrem Heimatland sein, als Fremdenführer für Touristen, die die Denkmäler der deutschen Hochkultur besichtigen.

Pohls Verdienst ist der Verweis auf Entwicklungen, die uns heute in ihrer Größe noch gar nicht bewusst sind: etwa, dass europäische und amerikanische Unternehmen den Wettbewerb mit asiatischen Konzernen verlieren werden. Die Übernahme des größten europäischen Stahlunternehmens Arcelor durch die indische Mittal Steel Company ist demnach erst der Anfang.

Pohl geht noch etwas weiter als Scholl-Latour, er sieht nicht nur das Verschwinden des weißen Mannes sondern auch eine besondere Gefahr für ihn:

Gleichzeitig verweist der Autor auf eine noch kaum beleuchtete Gefahr für den Weißen Mann: die seit den Zeiten der Sklaverei ihm aus bisher benachteiligten Regionen der Erde entgegengebrachte Distanz bis Antipathie. Pohl erwartet, dass die über Jahrhunderte ausgebeuteten Völker sich gegen ihn erheben werden.

Mitlerweile machen auch wir ehedem geliebten Deutschen uns wieder unbeliebt, zum Beispiel in Afghanistan oder auch mit der Aussicht, das ein Generalfeldmarschall Guttenberg mit seinen dann sechzigjährigen Soldaten deutsche Wirtschaftsinteressen im Ausland verteidigt.

Es ist eine Kultur, die ihre Zukunft in den letzten Jahren auf Fernreisen verheizt hat und nun noch droht, gewalttätig zu werden. Dabei hat der Rückzug der Sowjetarmee aus Afghanistan gezeigt, das unsere technische Überlegenheit gar nicht so viel wert ist, wie Hollywood uns immer beibringen will.  Der Mythos vom Cowboy, der mit seinem überlegenen Repetiergewehr Indianer mit Pfeil und Bogen reihenweise vom Pferd holt, ist ein Mythos von Gestern und nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hat man konkrete Vorstellungen und Vergleichsmöglichkeiten über eine Welt, in der Europa und die USA ebenfalls den Weg überschuldeter Konsumnationen gehen, die in einer globalisierten Welt keine Chance mehr haben, ihre Kultur zu leben.

Allerdings hat der weiße Mann – sofern ich den Medien wenigstens in dieser Hinsicht Vertrauen kann – noch gar keine Ahnung von seinem Ende, mal abgesehen davon, das ihm die Konjunktur in den USA relativ egal geworden ist und er genauestens auf die kleinsten Zuckungen aus China achtet. Möglicherweise wird auch deshalb soviel in seine Verblödung investiert, damit er nicht sieht, warum es keine tragfähigen Utopien mehr für die Zukunft Europas gibt: ganz einfach deshalb, weil die momentanen Parameter überhaupt nicht die Vorstellung erlauben, dieser kleine rohstofflose Räuberkontinent hätte überhaupt noch eine Zukunft.

So ist man überrascht, wenn man nach Uganda schaut und dort politische Utopien vernimmt, die für uns völlig fremd sind, angesichts der herrschenden Oligarchie der Parteien aber möglicherweise sehr erfrischend wären, hätte man sie bei uns entwickelt und gebe es ein Klima, das die Veränderung der Gesellschaft überhaupt als notwendig erachtet: so lehnt der ugandische Präsident Museveni Parteien ab, weil alle Parteien uni-ideologisch sind, er will aber multi-ideologische Parteien. Nun, als Autokrat darf er das fordern … aber es würde auch unseren Parteien nicht schlecht zu Gesicht stehen, sich von dem ideologischen Erbe des 19. und 20. Jahrhunderts zu verabschieden, da wir mehr und mehr vor einem Scherbenhaufen stehen, der nur nicht auffällt, weil die Aufschwungpropagande so laut tönt – und alles übertönt, was unter anderem aus  Brüssel, Washington, Peking und Kabul an schrägen Zwischentönen zu vernehmen wäre.

Solche Forderungen nach multi-ideologischen Parteien würden im Land der Dichter und Denker (eher wohl: Richter und Henker) mitlerweile das Volk überfordern. Darf ich der aktuellen Ausgabe des Sterns glauben,  sind es allerdings wirklich eher die gebildeten, etablierten Mittelschichtler, die in Gorleben auf die Barrikaden gegangen sind – und das in voller Absicht als Protest gegen das System verstanden sehen wollten. Sie sehen, das ihr Wohlstand möglicherweise in einer Hartz IV-Rente endet, die einzige Utopie, die wir als Gesellschaft noch zustande bringen: Hartz IV für alle.

Darum ist es jetzt wohl ein kleiner Schock für viele, das die ersten Prominenten bei Hartz IV landen: Ingrid Steeger hat es laut Welt aktuell erwischt:

Fremde Männer wollen für Ingrid Steeger sorgen

Männer hätten sie in den finanziellen Ruin getrieben, sagte Ingrid Steeger über ihre Hartz-IV-Not. Andere Männer wollen ihr nun helfen.

Da stürzen Welten ein. Unsere Promis auf dem Haufen der asozialen Schmarotzer … das geht ja gar nicht, da sind die Hilfsangebote groß, da werden die Fans von Fußball, Porno und Alkohol (die tragenden Grundsäulen unserer Powerspaßkultur) auf einmal aktiv … und bekommen ein wenig Angst:

„Wenn es  unsere  Promis schon erwischt … wann bin ich dann dran?“

Schon Arthur Schopenhauer sah in der Vermischung der Rassen eine große Chance, das all die einzelnen Qualitäten sich zu mehr als der Summe der einzelnen Fähigkeiten erheben und die Geschichte der USA deutet darauf hin, das er damit nicht ganz falsch lag.

Vielleicht liegt Peter Scholl-Latour falsch mit seiner Vorstellung einer neuen Menschheit, andererseits … käme eine andere Menschheit ganz gelegen. Die momentane scheint die Grenzen ihrer Schaffenskraft erreicht zu haben und an die Grenzen ihrer Möglichkeiten zu stoßen.  Es wird eine spannende Zukunft, wenn endlich mal nicht mehr weiße Männer wie Luther, Kant, Marx, Freud (huch, alles Deutsche …) die geistige Welt des Planeten dominieren, sondern Menschen, die ganz anders zu denken gelernt haben und Wege finden, an die wir – mangels Kategorien – gar nicht denken konnten. Kant zumindest hätte das im Prinzip verstanden – aber auch erstmal keine Lösung gewußt.

Und  – mal ehrlich: brasilianischer Karneval ist doch was ganz anderes als das Kölner Besäufnis am Rosenmontag, das seine Wurzeln im Kampf gegen die französische Besetzung des Rheinlandes durch die republikanischen Armeen hat. Die haben doch bis heute nicht verstanden, das Napoleon sich nicht mehr über die Verballhornung französischer Militärkultur aufregen wird.

Vielleicht ist es aber auch die Angst des weißen Mannes vor der Tatsache, das er … zum Vermischen nicht gewählt werden würde und nicht mehr Teil der neuen Menschheit wird. Jenen Aspekt der Integrationsdebatte beleuchten wir selten … was denn an uns so integrationsbegeisternd sein soll.  Das wir eine Kultur haben, die nach den Alten, den Kranken und den Kindern nun auch die Arbeitslosen ausgesondert hat? Oder das wir uns besaufen können, bis uns schlecht wird? Komasaufen soll ja bald olympische Disziplin werden, damit wir wieder Medallienchancen haben.

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