Person des Jahres

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„Mensch des Jahres“ (Blinddarm-Durchbruch auf der Black Rock Party)

"Mensch des Jahres" (Blinddarm-Durchbruch auf der Black Rock Party)

Zeitgeist im Rampenlicht

Das „Time“-Magazin hat also wieder eine „Person des Jahres“ gekürt, beim Magazin „Profil“ ist die Wahl des „Menschen des Jahres“ ebenso eindeutig ausgefallen. Nachdem sie bereits den Alternativen Nobelpreis und vor wenigen Wochen als Spitzenkandidatin beinahe auch den Friedensnobelpreis erhalten hat, so ist sich nun auch die Medienwelt einig, wer DER MENSCH ist, der diesem Jahr die Signatur gegeben hat bzw. in unserer gegenwärtigen Zeit aufs Podest zu heben ist: Die Fridays-for-Future-Gründerin Greta Thunberg.

Um die Absurdität solcher Leitmedien-Ikonisierungen vors Auge zu führen, will ich gar nicht erst politisch unkorrekte Vergleiche mit anderen Führern wie Hitler und Stalin heranziehen, wie sie in der Geschichte ebenfalls schon als Time-Personen des Jahres gekürt wurden. Damals haben eben noch viele Menschen den Verheißungen von Fortschritt und volkswirtschaftlicher Effizienz Glauben geschenkt. Ich bin aber doch der Meinung, dass der allergrößte Teil der Menschen seine Lehren aus diesen Erfahrungen gezogen hat und solche Führer bzw. solche Ideologien keinesfalls wieder haben möchte. Viel interessanter finde ich hingegen die Frage, für welche spezielle Art von Ideologien bzw. für welche Art von Menschenbild die Massen heute empfänglich sind. Und zur Ergründung einer solchen Frage ist es ausgesprochen aufschlussreich, auf welche Art von Person die Wahl des „Time“-Magazine alljährlich fällt. Denn wie die etymologische Bedeutung des Wortes Person (von lat. personare – „widerhallen, hindurchtönen“) bereits andeutet, tönt durch solch eine als repräsentativ für eine jeweilige Zeitspanne angesehene Person etwas hindurch. Man könnte auch sagen: Der Zeitgeist tönt hier hindurch bzw. kondensiert sich in einer besonders charakteristischen Form.

Was kann man also von diesem aktuell waltenden Zeitgeist ablesen?

Nun, ich möchte natürlich niemandem gerne seine Illusionen und seine gerade erst wieder aufgeflammten Hoffnungen rauben, aber wer das Ganze nüchtern beobachtet, kann dabei eine ausgesprochen ambivalente und für unsere Zukunft leider alles andere als ungefährliche Motivlage erkennen:

Auf der einen Seite bekommt heute jeder Mensch, der es wagt, sein Denken zu betätigen und zum aktuellen Weltgeschehen Stellung zu nehmen, umgehend massive bis hin zu existenzbedrohliche Probleme. Er wird dann durch eine mittlerweile gut eingespielte Maschinerie aus Presse, Rundfunk und Social Media Netzwerken diffamiert, gebrandmarkt, kriminalisiert, oder wenn das nicht gelingt, dann zumindest ins Abseits gedrängt, in eine Art virtuelle Gummizelle, in welcher er nicht mehr wirksam am öffentlichen Diskurs teilnehmen kann. Während also jede kleine ernsthafte Bemühung (z.B. der Friedensbewegung, der Montagsmahnwachen, Assange etc.) sofort medial niedergeknüppelt und mit einem politisch correctiven Shitstorm überzogen wird, springt man im Gegenzug gut und gerne auf jeden infantilen Faschingszug von Greta, Rezo & Co. auf, wo in Wirklichkeit NULL gedankliche Substanz gegeben ist, auf der man aufbauen könnte, sondern wo lediglich Emotionen zum Besten gegeben werden, die verpfuffen, noch bevor man sich umgedreht hat.

Und leider nicht nur verpuffen – sie werden auch gleich als willkommenes Vehikel für eine Massenmanipulation genutzt, die sich womöglich verheerender auswirken wird, als so manches was wir aus der Geschichte bisher kennen.

Black Rock Party

Wer das für übertrieben hält, der hat die Sektkorken nicht gehört, die in den oberen Etagen von Black Rock & Co. gerade knallen. Bereits im September dieses Jahres haben 515 Finanzkonzerne vor dem UN-Klimagipfel in New York dem angeblich systemkritischen Anliegen der Fridays-for-Future-Bewegung maximalen Nachdruck verliehen: Indem diese Finanzkonzerne, die gemeinsam ca. das Zehnfache  des deutschen BIP verwalten, die rasche Einführung einer CO2-Steuer gefordert haben.

Die Gunst der Stunde blieb auch nicht ungenutzt, nachdem Greta und Rezo nicht nur einer ganzen Generation an Kindern und Jugendlichen, sondern ebenso einer großen Anzahl an „erwachsenen“ Leitmedienbürgern ebenso wie einer erstaunlich großen Anzahl an alternativen Journalisten und Intellektuellen weisgemacht hatte: „The science is settled.“ Alles, was Jung und Alt nun bloß tun müssten, sei: sich dieser Wissenschaft bzw. den „Experten“ anzuschließen. „UNITE BEHIND THE SCIENCE!“ lautet die Losung. Warum sind wir da nicht bloß schon früher draufgekommen?

Ja, also wenn ich mir diesen Bonbon so auf der Zunge zergehen lasse, dann muss ich zugeben: „UNITE BEHIND THE SCIENCE“ schmeckt zweifellos besser als „UNITE BEHIND THE ECONOMY“ oder „UNITE BEHIND THE POWER“. Nachdem ich die Schokoglasur des Drops abgelutscht habe, und das geht sehr schnell, komme ich allerdings auf genau diese Schnapsfüllungen.

Ich kann es dann plötzlich auch nachvollziehen, warum sich weite Teile des politischen Establishments und ihrer medialen Claqueure, die ansonsten jede Person, welche die herrschenden systemischen Strukturen infrage stellt, entweder eisern totschweigen oder umgehend niederknüppeln, dermaßen für Greta und die FFF-Bewegung begeistern.

(Blinddarm-) Durchbruch

Indes wurde heute der ersehnte Durchbruch bei den Verhandlungen zum Klimapaket vermeldet: Gemäß einer Einigung von Bund und Ländern soll also der CO2-Preis mehr als verdoppelt werden. Der br fasst die Reaktionen auf diesen Beschluss zusammen: „Von Politik und Wissenschaft kommt viel Lob.“ (siehe br.de/nachrichten). Die Erhöhung war eine zentrale Forderung der Grünen, die sich ja derzeit nicht zuletzt dank Greta und Rezo in einem ungeahnten Höhenflug befinden, bereits in mehreren Länderparlamenten maßgeblich mitregieren und sich dem Vernehmen nach schon anschicken, den nächsten Kanzler zu stellen. Doch nicht nur die Grünen jubeln, auch CSU-Chef Markus Söder ist ganz aus dem Häuschen: „Die drohende Klima-Blockade ist abgewendet. Jetzt kann der Klimaschutz in Deutschland durchstarten.“

Das Wirtschaftsforschungsinstitut IW Köln formuliert sehr charmant, was die kommende Klima-Steuer nach sich ziehen werde: „spürbare Verteilungswirkungen“ seien nun „unvermeidbar“. Dass derartige Verteilungswirkungen von bestimmter Klientel begrüßt werden, braucht uns ja in keiner Weise zu verwundern. Was dann doch erstaunlich war, ist allerdings, dass sogar viele unserer scharfsinnigsten und ansonsten kritischsten Intellektuellen emotionalen Massenphänomenen wie rund um Greta, Rezo, Porno-Katja & den 90 Supertoubern weitgehend unkritisch gegenübergetreten sind. Obwohl diese Superyoutuber bzw. Pornoyoutuber*Innen ganz offen fordern, dass wir uns nun bedingungslos hinter die Büttel und Lobbyisten desjenigen Establishments stellen sollen, gegen das besagte Intellektuelle zeitlebens immer gekämpft haben.

Wer genügend (Galgen-)Humor hat, der könnte ja wirklich herzlich lachen, wie sich hier die Katze nun in den Schwanz beißt und die neoliberale Polit-/Wirtschafts-/Medienmaschinerie nun sogar ihre bislang schärfsten Kritiker unter das Diktat der herrschenden Lehre bringt und für ihre Agenda dienstbar macht. Namhafte Intellektuelle finden Greta nicht nur „gut“, sondern sogar „nur gut“ und meinen, dass es „viele Gretas“ bräuchte.

Niemand wird Dich retten – Sei Dein eigener Held!

Wie auch immer. So wie immer, kann man aus der derzeitigen Situation, so trostlos sie einem auch erscheinen mag, dennoch eine wichtige Lehre ziehen: Jeder muss jetzt selbst mündig werden und eigenständig denken lernen. Die Hoffnung, dass das ein paar andere kluge Köpfe für uns regeln und der neoliberalen Misere ein Ende bereiten, müssen wir uns nun endgültig abschminken. Wir dürfen erkennen, dass es so ist, wie das Edward Snowden schon vor einiger Zeit festgestellt hat: „Niemand wird Dich retten – Sei Dein eigener Held!“

Insofern haben die Enttäuschungen, die gerade eine große Anzahl an systemkritischen Bürgern erleben, auch etwas Heilsames: Die Erwartung, dass irgendjemand anderes dasjenige für uns denkt und tut, was jeder nur auf individuelle Weise selbst bewerkstelligen kann, muss man nun notgedrungen aufgeben. Aber wenn jeder an seinem Platz eben das machte und gemäß dem, was er unabhängig von allen anerkannten oder alternativen Meinungsführern erkannt hat, mutig Position bezieht: Wäre dann nicht auch alles getan und die Merkapolypse abgesagt?

 

Titelfoto: Stencil Greta Thunberg/Flickr/Ersteller: Carsten Smithby (CC BY-NC-ND 2.0)

 

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