Ökologie

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Die Vernunft – ein Werkzeug der Vernichtung und … der Garten Findhorns

Massenmörder sind unter Umständen extrem vernünftige Menschen. Natürlich stellt sich in uns erstmal alle quer wenn wir so etwas hören. Vernunft hat uns die Demokratie gebracht, Vernunft hat uns die Wissenschaft gebracht, die Aufklärung – und das stimmt ja auch alles. Vernunft hat uns auch Auschwitz gebracht, die Atombombe, die Umweltzerstörung und die Innenweltzerstörung. Vernunft bringt RTL dazu, den Nachmittag mit folterartigen Sendeformaten zuzustopfen, Vernunft gebietet die Kürzung des Regelsatzes auf 121 Euro sowie die Begrenzung seiner Bezugsdauer auf fünf Jahre.  Vernunft führt dazu, das wir Rentner als „Soylent Green“ vermarkten und unser Heil im Weltall suchen werden – dabei haben wir schon ein sehr komfortables Raumschiff namens „Erde“, wir fühlen uns hier nur – vernünftigerweise – nicht mehr so wohl.

Vernunft gebietet die Aufstellung von Atomwaffen und die Planung eines Präventivschlages, Vernunft gebietet Völkermord bei Raummangel und die Erfindung immer perfiederer Massenvernichtungswaffen. Letztlich … empfiehlt Vernunft sogar die Eleminierung des Menschen selbst, der wie eine Krankheit die Erde befallen hat.  Bilderbergerführer Prinz Bernhard von den Niederlanden wollte ja bekanntermaßen als ein solcher wiedergeboren werden. Strikt vernünftig.

„Handele vernünftig“ … sollte als Aufruf  eigentlich schon wegen Verdachts auf Vorbereitung einer Straftat verboten werden.

Somit ist es auch nicht „Gier“ oder „Dummheit“, die uns die Wirtschaftskrise eingebrockt hat, sondern die reine Vernunft. Mal ehrlich: ohne Vernunft fünfundzwanzig Prozent Rendite – das klappt nicht.  Dafür muß man sich schon was einfallen lassen.

Dabei waren wir mal so stolz auf unsere Vernunft, bei Wikipedia findet man was, was die allerdings selbst noch für verbesserungswürdig halten:

Mit Vernunft als philosophischem Fachbegriff wird die Fähigkeit des menschlichen Geistes bezeichnet, von einzelnen Beobachtungen und Erfahrungen auf universelle Zusammenhänge in der Welt zu schließen, deren Bedeutung zu erkennen und danach zu handeln – insbesondere auch im Hinblick auf die eigene Lebenssituation (vgl. Nous). Die Vernunft ist das oberste Erkenntnisvermögen, das den Verstand kontrolliert und diesem Grenzen setzt bzw. dessen Beschränkungen erkennt. Sie ist damit das wichtigste Mittel der geistigen Reflexion und das wichtigste Werkzeug der Philosophie. Dieses als Diskussionsgrundlage immer noch maßgebliche Verständnis von Vernunft steht in der Tradition der Philosophie Immanuel Kants.

Natürlich gibt es Vernunft auch als „Weltgeist“ und „Lieben Gott“ … doch das paßt nun überhaupt nicht in unsere Zeit.

Noch schlimmer wird es, wenn wir uns in das Gebiet der Kleingeisterei begeben und Verstand von Vernunft trennen, nachher noch den „gesunden Menschenverstand“ hinterherschieben – nur um die Heiligkeit der Vernunft zu retten.  Wir brauchen aber im Jahre 2010 die Heiligkeit der Vernunft nicht mehr zu retten, dreihundert Jahre Vernunft haben genug Ergebnisse gezeitigt, das sogar der gesunde Menschenverstand versteht, das es mit der Vernunft nicht weit her sein kann.

Die Theorie, das uns reine Vernunft ins irdische Paradies führen wird, ist leider an den Verhältnissen gescheitert und an etwas, was Kant selber schon erkannt hatte: Vernunft hat in sich keine Moral. Sie kann Grundlage einer Ethik sein, die aber in sich sehr unstabil ist. Nur hat sich Kant keine großen Sorgen um diesen Tatbestand gemacht, da es ja einen Sicherungemechanismus gab: die Religion bzw. die Gewissheit der Existenz Gottes und die Ewigkeit der menschlichen Seele. Mit diesen Sicherheitsmechanismen ausgestattet konnte sich Kant selbst dann nach getaner Arbeit ruhig zur Ruhe betten.

Je mehr dieser Sicherheitsmechanismus verschwindet, umso unmoralischer werden wir.  Auch das ist aber sehr vernünftig. Wenn ich mein Leben mit der Überzeugung lebe, das es mit dem Tod endgültig aus und vorbei ist, dann brauche ich ganz viel Geld, um zwischen Geburt und Tod so viel wie möglich erleben zu können, damit es sich auch gelohnt hat.  Rücksicht auf meine Mitmenschen sollte ich da nicht nehmen, dafür gibt es keinen vernünftigen strategischen Grund, nur einige taktische – sie könnten sich wehren. Somit ist es auch hier geboten, für eine Zeit lang ein halbwegs befriedigendes Sozialsystem zu schaffen … jedenfalls solange, wie man die Rache der Verlierer noch zu fürchten hat.

Kant konnte sich das nicht vorstellen, das Menschen mal derart entwickeln, sonst hätte er sicher seine Betrachtungen revidiert und seine „Schrift zum Ewigen Frieden“ wäre nicht so optimistisch ausgefallen, denn der sollte nach dem Zusammenbruch der letzten Kontrahenten des kalten Krieges eigentlich unaufhaltsam vor der Tür stehen – nur merken wir gerade: das Gegenteil ist der Fall.

Vernunft ist ein Werkzeug – aber nicht nur ein Werkzeug der Philosophie. Sie ist generell nur ein Werkzeug.  Sie zeigt mir an, wie ich von A nach B komme. Besonders drollig wird es, wenn das Erkenntnisinstrument sich selbst mit aller Strenge selbst beurteilt: das führt automatisch zu dem Philosophen der sitzenbleibt wo er gerade saß und vernünftigerweise verdurstet und verhungert. Die Kritikfähigkeit des Werkzeuges Vernunft ist größer als ihre Fähigkeit, Wahrheiten zu schaffen.  So kann sie – vernünftigerweise – noch nicht einmal die Existenz der sinnlichen Wahrnehmung oder des sinnlich Wahrgenommenen beweisen – Generationen von Philosophen haben sich an dem Tisch, der vor ihnen stand, gedanklich die Zähne ausgebissen. Da es Sinnestäuschungen gibt, können wir vernünftigerweise nicht sagen, wann diese Sinne getäuscht werden und wann nicht.

Das hätte zu viel Weisheit, Bescheidenheit und Ruhe im Leben führen können. Stattdessen haben wir (oder sagen wir besser: gewisse Kreise) die Vernunft entfesselt, sie von einem Erkenntnisinstrument zu einem Herrschaftsinstrument gemacht: mit bekannten Folgen.

Für die Vernunft gibt es kein „gut“ und „böse“, deshalb urteilt sie milder – auch wenn Israelis Menschen auf Hilfskonvois erschiessen. Anders als der Hass (der angesichts dieser Aktion mal wieder rundherum ausbrach), fragt die Vernunft: wie kann es dazu gekommen sein. Ihr Ziel ist es, die Funktionsweise von Gewalt zu verstehen, damit solche Ereignisse verhindert werden können … und das dauert, wie unsere Gerichtsprozesse zeigen, zuweilen ziemlich lange. Auch wenn nicht jedes Gerichtsurteil vernünftig ist – die Methodik ist es schon.

Im Rahmen der Erkenntnis funktioniert Vernunft immer noch sehr gut und könnte ich Werk tun, wenn nicht … deutlich erkennbar andere Kräfte am Werk sind, die jeder kennt aber über die nicht gesprochen werden darf, da sie mit einem Tabu belegt worden sind.

Einfach mal morgen auf die Hauptstraße stellen und laut davon predigen, das man a) Gott gesehen hat, b) mit kleinen grünen Männchen einen Rundflug zum Mars gemacht oder c) regelmäßig mit Naturgeistern tanzt – man wird sehen, aus welcher Ecke vehemente Kritik kommt. Seltsamerweise aus der Ecke jener Menschen, die Vernunft für sich gepachtet haben – die Naturwissenschaftler, die Juristen, die Wirtschaftswissenschaftler, die Politiker …. und wir merken schnell: hier geht es gar nicht um Vernunft, hier geht es um Macht – wie bei der Entfesselung der Atomkraft.

Vernunft als Erkenntnisinstrument aus seinen natürlichen Verankerungen gerissen, kann ähnliche Folgen haben wie ein gespaltenes Atom. Sie erlaubt uns, die Grundfesten einer Natur auseinanderzunehmen, die wir überhaupt nicht verstehen. Und immer … müssen wir dazu die Natur zerstören. Wir müssen die Leichen zerschneiden – das war der Beginn der Medizin. Und wenn gerade keine frischen Leichen da sind, dann … triffts eben einen Obdachlosen, der schnell zur frischen Leiche wird. Im Dienste der Wissenschaft spielt das keine Rolle, ist nur vernünftig, so zu handeln.

Bin ich als Arier im Kampf mit dem weltweiten allmächtigen Judentum, so muß ich die Juden vernünftigerweise isolieren so wie es die US-Amerikaner mit den Japanern getan haben. Gehen mir dann Kugeln und Essen aus, so zeigt mit die Vernunft Wege auf, wie ich eine Endlösung erzielen kann.  Bin ich als Moslem mit einer sündigen Frau konfrontiert, so greife ich vernünftigerweise zum Stein. Kommt eine fremde Flotte in meine Hoheitsgewässer und ich will sie dort nicht haben, dann versenke ich sie mit Mann und Maus. Arbeiten mir die Bürger zu langsam und zu unfolgsam, so bastel ich mir eben eine Peitsche in Form der Agenda 2010.

Alles strikt vernünftig.

Das haben auch die Väter der Allgemeinen Menschenrechte gesehen. Angesichts der verheerenden Folgen des Zweiten Weltkrieges haben sie etwas sehr Unvernünftiges getan: sie haben Wahrheiten gesetzt.  Sie haben erkannt, das Vernunft keine Werte schafft und selbst schrecklich mißbraucht werden kann, wenn die Ziele politischer, wirtschaftlicher oder technischer Natur sind. Darum haben sie Regeln geschaffen, die anstelle göttlicher Gebote gestellt worden sind und als absolut unhinterfragbar gelten: die Allgemeinen Menschenrechte. Darüber sollte nie wieder diskutiert werden – was recht unvernünftig ist, aber trotzdem heilsam und erlaubt.

Die Vernunft nun …. ficht die Menschenrechte seit ihrem Bestehen an. Es ist reinweg nur der Glaube der Menschen, der ihnen Kraft und Macht gibt, der Vernunft stehen sie oft genug im Wege herum.

Das läßt mich persönlich mit Erscheinungen wie der Agenda 2010 hadern – und auch die Verdoppelung des Regelsatzes würde mich als Kritiker nicht beruhigen: die Agenda 2010 stellt die Menschenrechte … aus ganz vernünftigen Gründen … in Frage und schränkt sie ein. Die Allgemeinen Menschrechte stehen aber auf einer sehr wackeligen Basis, sie sind nicht seit Millionen von Jahren in Stein gemeißelt noch verkündete sie eine intergalaktische Supermacht mit Waffengewalt vom Himmel herab: sie stellen die unter Schock geborenen Notregeln da, die niemals verletzt werden dürfen, da jede ihrer Verletzungen nach Überzeugung (und Erfahrung) der Unterzeichner der Erklärung der Menschenrechte letztendlich direkt in die Hölle  Ausschwitz führt – vernünftigerweise … früher oder später.

Darum war ihnen die Freiheit des Glaubens so wichtig. Jeder muß glauben dürfen, was ihm gefällt. Und darum sind Menschen, die „alle Ufo-Gläubigen für Spinner“ halten, Feinde der Menschenrechte, obwohl sie sich selber wahrscheinlich für große Verfechter der Vernunft und der Aufklärung halten.

Die Vernunft selbst als Erkenntnisinstrument interessiert sich nicht für Ufos, Geister, Götter, Naturgeister wie jene in Findhorn, die die Kohlköpfe so riesig werden ließen, das sie damit weltweit Aufsehen erregt haben, ohne das das naturwissenschaftlich jemals geklärt worden wäre.  Vernunft hat kein Vorurteil und ist emotionslos wie ein Hammer. Mit dem kann ich auch Häuser bauen oder Köpfe einschlagen.  Ein Beispiel? Nehmen wir dieses Findhorn:

Bald ein halbes Jahrhundert ist es her, dass auf einem windigen Campingplatz an einem schottischen Meeresarm ein botanisches Wunder registriert wurde: Riesige Kohlköpfe und Gurken gediehen auf dem unfruchtbaren Boden, Blumen blühten auf das üppigste. Die Gärtner schrieben den Erfolg ihrer spirituellen Beziehung zur Natur und den Pflanzengeistern zu. Auch Wissenschaftler fanden keine bessere Erklärung. Heute ist Findhorn die größte alternative Gemeinschaft Schottlands – mit Gästen aus aller Welt. Auf dem Programm des Findhorn-Colleges stehen – neben der Kommunikation mit der inneren Stimme – Themen wie ein klima-neutrales Leben und die globale Umweltkrise. Ganzheitliches Leben im Findhorn-Stil ist auf einmal hochaktuell geworden.:

Quelle: SWR.de

Wie oft werden wir angesichts dieser Geschichten (die in diesem Fall auch wissenschaftlich nur als „Wunder von Findhorn“ bezeichnet wurde) die Klage hören, es würde sich hierbei um unvernünftigen Unsinn handeln?

Dabei … ist das kein Feld für Vernunft, das ist ein Feld für Glauben. Vernunft sagt lediglich: wenn Naturgeister bei der Landwirtschaft helfen können, dann ist es in Ordnung, sie einzusetzen. Sie fällt aber kein Urteil über Existenz oder Nichtexistenz von Naturgeistern und der Möglichkeit der Kommunikation mit ihnen.  Wer hier Urteile fällt ist (und hier wiederum vernünftigerweise) jener, der konkrete politische oder wirtschaftliche Interessen an einem ganz speziellen Weltbild hat.

Fragt man sich jetzt, welches Weltbild maximalen Konsum fördert … so finden wir hier vernünftigerweise wieder eine Lösung und erhält eine eindeutige Antwort. Setzen wir anstatt der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte nun Maximierung des  Pro-Kopf-Verbrauches (sprich Aufschwung und Wachstum) ein, so wissen wir, warum alles gerade so läuft wie es läuft.  Lange Zeit können übrigens beide gesetzte Werte problemlos nebeneinander herlaufen, erst, wenn die Ressourcen knapper werden, frisst der Aufschwung die Menschenrechte. Das erleben wir gerade.

So etwas sollte man schon bedenken, wenn Politiker, Wirtschaftler und Techniker wieder mit ihren „vernünftigen Argumenten“ kommen. Vernunft ist … sehr sehr relativ und macht vor Massenmorden nicht halt.

Und der technische Fortschritt, den sie uns gebracht hat … sollen wir den auch verurteilen?

Das fällt schwer. Wenn wir die Kräfte, die wir durch unzweckmäßigen Gebrauch der Vernunft entfesselt haben, beherrschen, dann ist das alles ganz in Ordnung. Vernichten wir dadurch irgendwann die Lebensgrundlagen der Menschheit komplett, dann war das nicht in Ordnung.  So einfach ist das. Wie es momentan ausschaut, haben wir Probleme, die entfesselten Gewalten wieder in den Griff zu bekommen.  Das wäre dann … Pech für uns.


Weg mit der Mittelschicht!

Zugegeben … die Idee zu diesem Artikel stammt nicht von mir. Ich persönlich finde Mittelschicht eigentlich ganz in Ordnung, weil ich selbst dazu gehöre. Merke aber jetzt: ich muß da ganz schnell ´raus. Die Mittelschicht, so bin ich inzwischen überzeugt worden, gehört ausgerottet.  Noch nicht einmal der Zweite Weltkrieg hat soviel Schaden angerichtet wie sie….nur bei der Anzahl der Toten ist man sich noch nicht ganz sicher.

Aber … fangen wir ganz von vorne an. Die Mittelschicht ist ja Leistungsorientiert, das heißt: sie leistet sich gerne was. Das Problem ist: sie kann sich das, was sie sich leisten möchte, in der Regel gar nicht leisten. So ein kleines bischen Oberschichtfeeling ist eben ganz schön teuer.  So nutzt man das Baukindergeld und ähnliche Steuergeschenke schon mal, um „nach draußen“ zu ziehen – nicht, weil es da schön ist oder weil man naturverbunden leben möchte, sondern weil man sich das Eigenheim, die Bonsaiprotzvilla in der Stadt nicht leisten kann. Dank Eigenheimzulage verschandelt man also die letzten in Deutschland verbliebenen schönen Fleckchen mit seinen immer gleich aussehenden Egotempeln. Doch dann das Problem: man muß ja zur Arbeit.

Also: Zweitwagen muß her. Kann man sich auch nicht leisten, aber Papa muß ja zur Arbeit. Weil er ja jetzt ein Landlord ist, braucht er einen Geländewagen, damit alle sehen: er hat es geschafft. Da die  normalen Landstraßen für dieses Verkehrsaufkommen nicht geeignet sind, müssen auch diese vergrößert werden … auf Kosten des Steuerzahlers. Da beide jetzt arbeiten gehen müssen, um den Zweitwagen zu bezahlen, geraten die Kinder in die Wohlstandsverwahrlosung, was letztlich dem Beitragszahler der Krankenkassen ebenfalls viel kostet – und dem Steuerzahler auch, wenn ich dran denke, was die in ihren Anfällen von Langeweile alles tun.

Für die schreckliche Last des weiten Arbeitsweges will die Mittelschicht natürlich die Pendlerpauschale. Klar, denn sonst bricht der Traum vom Rieseneigenheim schnell in sich zusammen – und außerdem hat man auf dem Land Fahrstrecken wie ein Außendienstler zu bewältigen. Arzt, Einkauf, Kindergarten, Schule, Tennis, Freunde besuchen … alles mit durschnittlich 12km hin und zurück.

Das Land verwandelt sich mehr und mehr in einen häßlichen zersiedelten Vorgarten übersäht mit kunterbunten Bausünden.

Potthäßlich – das findet letztendlich auch die Mittelschicht. Er wollte aber auch nie hauptsächlich wohnen, sondern hauptsächlich angeben, deshalb wird er da nicht glücklich, denn die Kollegen aus der Stadt kommen nur höchst selten bei einem vorbei um ehrfurchtsvoll vor dem Gebäude zu verharren.  Und weil das Land so häßlich geworden ist, muß die Mittelschicht unbedingt in Urlaub fahren – drei mal im Jahr – um Kraft zu tanken. Der Landbewohner wundert sich, wohnt doch der Mittelschichtler mitlerweile da, wo andere früher Urlaub gemacht haben.  Er könnte doch prima Urlaub in seinem eigenen Haus machen. Das … findet der Mittelschichtler aber auch wieder nichtssagend und doof und eilt in die Welt hinaus um noch mehr Landschaften zu versauen.

Die Klimabilanz eines durchschnittlichen Vorstadtmittelschichtlers ist somit … unter aller Sau. Trotz Sonnenkollektoren auf dem Dach und Carport für den SUV.  Natürlich verseucht er mit seinen wahnhaften Neurosen auch das psychische Klima in Verein und Gemeinde, denn seine oft aufgeblasene Art erheitert jetzt nicht gerade das Gemüt. Auf der anderen Seite ist er zutiefst von Ängsten besetzt, denn für dieses fitzelchen Luxus, das er sich erlaubt, zahlt er mit seinem ganzen Leben und seiner ganzen Freiheit. Das macht ihn zu einem nicht gerade lockeren Zeitgenossen.

Insofern muß ich sagen, fand ich die Kritik eines Mittelschichtlers an der Mittelschicht heute recht überzeugend.

Man traut sich ja heute kaum, etwas Schlechtes über die Mittelschicht zu sagen, weil ja alle politischen Wichtigtuer um ihn herumtanzen wie um das goldene Kalb. Er ist ja auch wichtig. Ohne den Mittelstand würden weite Zweige sinnloser Industrien einfach nicht existieren, es gäbe keine Burgerbuden, keine zubetonierten und zersiedelten Landschaften, deutlich weniger Umweltverschmutzung, kaum  Staus am Morgen und überhaupt wäre das Leben angenehmer, weil weniger Neurotiker unterwegs wären, die ihre schlechte Laune über ihr verpfuschtes Leben an anderen auslassen müssen.

Was den Mittelschichtler auszeichnet ist die Tatsache, das er gerne ein Oberschichtler wäre.  Darum sind Lohnverzicht, Gratisarbeit und Gewerkschaftsabstinenz für ihn selbstverständlich, er sieht sich selbst ja in seiner Lebenslüge als Unternehmer und zukünftigen Chef von Daimler Benz und spielt deshalb gerne jetzt schon Strategiespiele wie „die Siedler“, um sein strategisches Talent schon mal im Kleinen zu Beweisen.  Solchen Leuten kann man auch bedenkenlos nichtssagende schottische Adelstitel verkaufen. Sowas geht da immer gut weg.

Die Selbstverständlichkeit einer solidarischen Grundstruktur, die Minimum einer jeden menschlichen Gemeinschaft ist, wird ganz schnell über Bord geworfen, an seine Stelle tritt der „Conan der Barbar“-Mythos: der harte einsame Kämpfer gegen eine übermächtige feindliche Umwelt.  Deshalb auch der Fußball-Hype. Diese ganze „harter-einsamer-Kämpfer-Nummer“, die spätestens mit dem ersten Bandscheibenvorfall nur noch lächerlich wirkt, erlaubt einem kein Gemeinschaftsgefühl mehr … der Mensch an sich wird zum Ausgestoßenen – trotz seiner Träume und Phantasien von Reichtum und Wohlstand, seinem scheinbaren Fleiß und seiner ständig überdurchschnittlichen Ordentlichkeit, die manchmal so wirkt, als erwarte man stündlich den Besuch des Reichswohnraumministers zur Inspektion.

Revolutionen kann man mit solchen Menschen nicht machen, Demokratie auch nicht. Prinzipiell sind es erbärmliche Feudalbüttel, erbärmlich deshalb, weil sie aufgrund ihrer devoten Struktur niemals jene Führungsqualitäten entwickeln werden, die Adel auszeichnen sollte.

So gesehen ist die Mittelschicht ein überflüssiger Kropf der Gesellschaft. Eine dicke Speckschwarte, die man nutzlos im Leben mit sich herumschleppt.

Ökologisch, wirtschaftlich, politisch – eine Katastrophe. Keine Gesellschaft, kein Land kann das ewig mitmachen, was die Mittelschicht für sich beansprucht, deren Ansprüche gehen weit über die natürlichen Ressourcen hinaus.

Der Hartz IV-Abhängige kann sich da bequem zurücklehnen. Er hat mehr Zeit für seine Familie, schadet der Umwelt weniger und bildet sich politisch mehr, auch wenn letzteres aus der Not geboren wurde.

Insofern sollte man der Politik dankbar sein, das sie die Mittelschicht jetzt ganz gezielt abbaut. Manche erreichen ihr Oberschichtziel, die Masse kommt ins Prekariat – und dann fangen wir wieder ganz von vorne an, eine menschliche Gesellschaft aufzubauen. Einige Jahrhunderte wird das wohl noch dauern.

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