Um es gleich vorwegzunehmen: Nationalfeiertage waren mir immer suspekt. Zu viele Mythen, zu schlechter Gesang und zu banale Reden haben zu dieser meiner Einstellung geführt. Und die Gewissheit, dass wir Menschen durch eine Unzahl von «Rahmenbedingungen» definiert – und schubladisiert – werden können, aber die Zugehörigkeit zu einer Nation dafür heute schlicht nichts mehr taugt. – Eine feierliche, aber durchaus launische Betrachtung. (mehr …)
Wenn der Staat Geld ausgibt, dann ist er sehr freizügig. Das merkt man zum Beispiel an der EU (bei RP-Online)
Deutschland finanziert als größter Nettozahler der Europäischen Union einen Großteil der üppigen Saläre für EU-Kommissare und ihre Beamten. Allein ein Akademiker verdient ohne Berufserfahrung schon 4000 Euro monatlich. Ein Kommissar kommt auf 20 000 Euro – plus Spesen.
Doch damit nicht genug. Nicht das hier mit dem Füllhorn ausgeschüttet wird, während Millionen eigener Bürger von Obdachlosigkeit bedroht sind. Die Begründung für die üppigen Zahlungen sind es, die die häßliche Fratze hinter der Maske jovialer Freundlichkeit zeigen:
Ausgeschiedene Kommissare haben Anspruch auf 40 bis 65 Prozent des Grundgehaltes für die Dauer von drei Jahren. Offizielle Begründung: Das Geld soll ihnen „beim Übergang in den Arbeitsmarkt helfen“ und dafür sorgen, dass sie nicht „jeden Job annehmen müssen“.
Wo kämen wir denn da hin, wenn ein Herrenmensch, ein Kosmokrat (siehe Jean Ziegler) auf einmal die gleichen Bedingungen für sich vorfindet, die man dem einfachen Volk vorsetzt?
Es gibt sie wieder, die Herrenmenschen. Und – wo sie sind, findet man auch automatisch ihr Gegenteil: den Untermenschen. Den brauchen die Herrenmenschen immer, schützen sie doch den Normalmenschen vor ihm. Früher war es der Kaffer in Afrika, der Kommunist in Russland oder der Jude in Deutschland, heute ist es der Langzeitarbeitslose. Letztere sind zwar eine sehr heterogene Gruppe – aber das waren Kommunisten auch. Wichtig sind ja nicht Fairniss und Gerechtigkeit im Urteil, wichtig ist allein, das es Untermenschen gibt, die man quälen, entwürdigen, misshandeln kann. Kein Wunder, das die Gerichte laut ZDF alle Hände voll zu tun haben:
Die Zahl der Gerichtsverfahren bei ALG II steigt ständig, die Kosten für den Steuerzahler erreichen immer neue Höchststände. So räumte die Bundesagentur für Arbeit auf Nachfrage des ZDF-Magazins Frontal21 ein, allein die Gerichtskosten der „ARGE“ hätten sich in den vergangenen Jahren vervierfacht: von 7.432.970 Euro im Jahr 2006 auf 30.597.141 Euro im Jahr 2009.
Solche Entwicklungen kommen ja nicht von ungefähr, doch ist es zu spät, jetzt noch darüber zu klagen. Schon längst sind weitere Schritte unternommen worden, um die Situation massiv zu verschärfen und die Regelsätze mit einem Schlag um ein- bis zweihundert Euro im Monat zu senken. Gemerkt hat es die WELT
Die Wärmedämmung von Häusern wird teuer. Dass Vermieter entstehende Kosten an die Mieter weitergeben, findet die Kanzlerin „verständlich“.
Jetzt braucht man nur noch die geplante Mietkostenpauschale auf Vorkriegsniveau zu senken und die outgesourcten Bürger können sich ein neues Land suchen, das sie aufnimmt. Hier finden sie keinen Platz mehr:
Entscheidend sei jetzt, “dass wir wirklich vorankommen auf dem Weg ins Zeitalter der erneuerbaren Energien“.
So Bürgerin Merkel. Und auf diesem Weg in das Zeitalter erneuerbarer Energien können wir halt nicht jeden Krüppel mitnehmen, da machen wir es wie die Indianer: wir setzen unsere Oma im Winter zum Sterben in den Schnee. Hören wir dazu einen Kommentar aus der Süddeutschen:
Die Erhöhung von Hartz IV um fünf Euro enttäuscht die Erwartungen der Armen maßlos. Noch schlimmer ist die politische Pampigkeit, mit der sie abgefertigt werden.
Der Bundesregierung fehlt bei dieser Hilfe die notwendige Ernsthaftigkeit. Ihr fehlt der ernsthafte Wille, den Arbeitslosen in diesem Land die Achtung zu zeigen, die ein Mensch ohne Arbeit noch mehr braucht, als einer, der Arbeit hat.
Die Verkündung einer Minimalerhöhung des Hartz-IV-Satzes um fünf Euro war eine Kundgabe der Geringschätzung und Missachtung, also eine Beleidigung – nicht nur wegen dieses Minimalbetrages, sondern wegen der Art und Weise, wie er bekanntgemacht wurde. Eine Regierung, der etwas am sozialen Frieden liegt, hätte sogleich die Berechnungsgrundlagen auf den Tisch legen müssen. Auf dem Tisch liegen aber nur fünf Euro. Friss oder stirb. Mit der Atomindustrie hätte sich die Bundesregierung ein solches Gebaren nicht erlaubt.
Das ist die eigentliche schlimme Botschaft für die Bürger in diesem Land, die Botschaft, die Angst macht und das Land in Agonie erstarren läßt: ihr seid uns egal, ihr seid nur noch lästig und … zu teuer. Und am liebsten würden wir euch möglichst billig entsorgen. Das dürfen wir noch nicht … noch nicht … aber wir arbeiten daran.
Dabei sind es nicht nur die aktuell Hartz-Abhängigen, die hier zu berücksichtigen sind. Abgesehen von der Gruppe der über Fünzigjährigen (oder muß man schon sagen: der über Fünfundvierzigjährigen), die aus der Powerspaßpopkultur herausgeflogen sind, gibt es noch ein Millionenheer, das immer mal wieder in die Hartz-Abhängigkeit rutscht und sich ansonsten mit erbärmlichen Lohntüten über Wasser halten muß – wie die Süddeutsche berichtet:
Friseure in Brandenburg kommen demnach in der untersten Tarifgruppe auf einen Stundenlohn von knapp über drei Euro, im Monat macht das 515 Euro für einen Vollzeitjob. Wachleute in Thüringen oder Mecklenburg-Vorpommern steigen brutto bei etwa 750 Euro ein.
Hartz-IV-Abhängige mit ein-Euro-Job haben auch einen Vollzeitjob, aber das läuft nicht unter ARBEIT, die wieder mal zum Fetisch geworden ist. Das hatten wir schon mal.
Die Konzentrationslager im Dritten Reich wurden zum Zwecke der Umerziehung errichtet. Ursprünglich. Das findet man noch bei der „Jugendgeschichtswerkstatt“.
Die Identifizierung mit der „deutsche Arbeit“ war ein zentrales Moment für die breite Zustimmung der Bevölkerung zum Nationalsozialismus. Jüdinnen und Juden, Sinti, Roma und so genannte Asoziale, eigentlich Teil der Volksgemeinschaft, wurden jene negativen Eigenschaften zugesprochen, die – so das damalige Verständnis – ein „gesundes deutsches“ Verhältnis zu Arbeit vermissen ließen und dem „deutschen Volk“ schaden würden. Dies führte dazu, dass allein im Frühjahr 1938 im Rahmen der Kripo-Aktion „Arbeitsscheu Reich“ mehr als 10.000 Menschen verhaftet und zur „Arbeitserziehung“ in Konzentrationslager interniert wurden. Neben wirtschaftlichen Gründen, insbesondere dem Arbeitskräftemangel, war die ideologische Komponente maßgeblich: die „Disziplinierung durch Arbeit“. Auch zeigt die Verfolgung von so genannten Arbeitsscheuen die zentrale Bedeutung der Arbeit für das nationalsozialistische Weltbild. Über den Toren der Konzentrationslager befand sich auch die Losung „Arbeit macht frei“, die signifikant für den Arbeitsfetisch im nationalsozialistischen Weltbild ist.
Obwohl „arbeitsscheu“ und „undeutsch“ synonym verwendet wurden, wurden immer öfter „arische“ Menschen als arbeitsscheu bezeichnet.
„Arbeit“ als Fetisch. Haben wir wieder. Der Traum von der Freizeitgesellschaft, in der Maschinen die Arbeit erledigen, ist ausgeträumt.
Volksschädlinge, haben wir wieder, Wikipedia erinnert sich noch:
Im August 2005 brachte das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit die Broschüre „Vorrang für die Anständigen – Gegen Missbrauch, ‚Abzocke‘ und Selbstbedienung im Sozialstaat“ heraus. Für diese Broschüre aus seinem Haus schrieb Clement das Vorwort.[25] In der Broschüre wird unter anderem suggeriert, dass ein Großteil der ALG-II-Empfänger die staatlichen Unterstützungen nicht rechtmäßig erlange. Jedoch sind keine Untersuchungen oder Statistiken dazu in der Broschüre enthalten. Sie stützt sich auf Einzelaussagen, in denen unter anderem die Begriffe Schmarotzer, Trittbrettfahrer, Abzocker und Parasitenbenutzt wurden. Die oben genannte These der Broschüre und deren Begriffe „Schmarotzer“ und „Parasiten“ wurden in der Boulevardpresse bundesweit verbreitet.
Disziplinierung durch Arbeit. Mitlerweile eine alltägliche Erfahrung, hier mal ein Artikel einer polnischen Journalistin dazu.
Disziplinierung der Arbeitslosen durch den Zwang zur Arbeit
Inzwischen ist eine paradoxe Situation entstanden, in der es zwar kein Recht auf Arbeit gibt, dennoch darf man den Menschen unter Zwang setzen, jede Arbeit aufzunehmen. Der Zwang wird nicht nur institutionell, mit finanziellen Einschnitten, ausgeübt. Wer sich gegen eine Arbeit um jeden Preis ausspricht, läuft Gefahr, als Sozialschmarotzer abgestempelt zu werden. Unsolidarisches Verhalten und Anspruchsmentalität hängen dann solch einer Person Politiker aller Couleur an.
Eine Diskussion über die sozialen Standards wird dagegen geächtet und tabuisiert, genauso wie dies im Falle von Qualität, Normen und Entlohnung der Arbeit ist. Unterdessen entsteht eine Armee von billigen und willigen Arbeitskräften, die weder frei handeln dürfen noch dem Zwang etwas entgegensetzen können. Welche Bedeutung und Konsequenzen für eine demokratische Gesellschaft diese Art der modernen Sklaverei hat, wird nicht diskutiert.
Das Prinzip des „Förderns und Forderns“, das sich zumeist in „Fordern“ erschöpft weil an effektiver Förderung keiner je Interesse hatte, besagt ja im Prinizip nichts anderes, als das man die faulen Säcke endlich an die Arbeit kriegen will.
Und auch die offizielle Apologetik der Hartz IV-Gesetzgebung scheitert an den Fakten: das angeblich aus kostengründen alternativlose Hartz-System ist teurer als sein Vorgänger, schreibt jedenfalls das Handelsblatt
Und bei alledem ist das System für die öffentlichen Kassen sehr teuer. Insgesamt geben Bund und Kommunen seit dem Start der Reform vor fünf Jahren im Schnitt jedes Jahr mehr als 45 Mrd. Euro für Hartz-IV-Leistungen aus, das sind etwa 20 Prozent mehr als im alten System, als Sozial- und Arbeitslosenhilfe noch getrennt waren.
Daten und Fakten die eigentlich dafür sprächen, das System sofort abzuschaffen. Das würde neun Milliarden Euro zur besseren Versorgung der Arbeitslosen zur Verfügung stellen. 9000 Millionen für 7 Millionen Arbeitlose wären 1400 Euro im Jahr und 110 Euro im Monat. Gäbe man ihnen nur hundert Euro im Monat mehr (vor allem den Kindern) hätten alle einen Gewinn.
Aber es geht hier nicht um Geld, es geht hier um den Umbau der Gesellschaft, um das „Zeitalter der erneuerbaren Energien“ … hinter dem sich eine neues Deutschland verbirgt, das für Menschen ohne Hotel keinen Platz mehr hat – es sei denn, sie kommen aus dem Ausland.
Der Unterschied zur NS-Zeit? Die einen vernichteten öffentlich durch Arbeit, die anderen vernichten insgeheim durch Arbeitslosigkeit. Die Korporatokratie herrscht gerne diskret, man möchte auf dem Weg zum Bundespresseball nicht mit faulen Eiern beworfen werden. Das mag man nicht. Die einen lebten eine Aristokratie der Arier, die anderen leben eine Aristokratie der Finanzmafia – die wesentlich internationaler ausgerichtet ist.
Vernichtung durch Arbeitslosigkeit? Ist nicht zu weit hergeholt … ist einfach nur eine Beschreibung der Fakten, wie hier bei Curado
Arbeitslosigkeit verkürzt einer Studie zufolge das Leben. Die durchschnittliche Lebenserwartung von Langzeitarbeitslosen sei niedriger als die von Berufstätigen, berichtet das Magazin «Zeit Wissen» und beruft sich dabei auf Anghaben der Bundesregierung. Für Menschen im Alter zwischen 20 und 50 Jahren, die länger als zwei Jahre arbeitslos sind, sei die Gefahr zu sterben demnach 3,4 Mal höher als für Berufstätige.
Studien zufolge leiden Arbeitslose häufiger an Herz-Kreislauf- oder Muskelerkrankungen und Depressionen. In Deutschland verbringen Männer ohne Arbeit mehr als doppelt so viele Tage im Krankenhaus wie Berufstätige, heißt es in dem Bericht weiter.
Das geringere Einkommen sei dabei nicht der entscheidende Faktor: «Der Gesundheitszustand der Mehrheit der Arbeitslosen verschlechtert sich selbst dann, wenn sie keine massiven finanziellen Einschränkungen erleben», sagte Psychologe Thomas Kieselbach vom Institut für Psychologie der Universität Bremen dem Magazin.
Man braucht die Faschisten in der Maske der Demokraten, vor denen Adorno sich noch gefürchtet hatte, nicht mehr zu suchen. Sie sind schon längst da. Und wieder liefert Hugo Boss die Uniformen.
Die neuen Arier brauchen natürlich nicht jeden Job annehmen. Die neuen Juden schon. Das macht den erkennbaren Unterschied aus.
Vielleicht kriegen wir dann im nächsten Jahr auch wieder Konzentrationslager, wenn die Hartz-Abhängigen die Mieten nicht mehr zahlen können. Irgendwo müssen die ja zwischengelagert werden, bevor man zur Endlösung kommt. Die Niedriglohnempfänger werden dann doppelt so schnell rennen, um nicht ins Lager zu kommen – da bieten sich enorme Gewinnchancen für skrupellose Charaktere, die sich schon jetzt an der weltweiten Asozialität eine goldene Nase verdienen.
Dann haben die uns endlich soweit „downreguliert“ das wir für Brasilien Hemden nähen können.