Montag, 27.6.2016. Eifel. Die Online-Zeitschrift „Der Spiegel“ – Deutschlands führendes Nachrichtenmagazin – wirbt gerne mit einer Rubrik: „Thema xy, endlich verständlich“. Selten hat mich etwas so amüsiert, gibt dieses Blatt doch durch diese Kategorie zu, dass sie eigentlich in der Regel völlig unverständliche Artikel schreiben. Es lohnt sich auch nicht, diese „endlich verständlich“ Artikel zu lesen: der Inhalt ist oft äußerst dürftig und klingt nach Pressemitteilung aus dem Kanzleramt. Was will man auch erwarten, wenn die Redaktion voll mit jüngen Bürschlein ist, die womöglich noch bei Mama wohnen, aber in der Anschaffung und im Unterhalt äußerst renditefreundlich sind und ihr Essen noch selber mitbringen. Es ist vielleicht aber gerade diesem Umstand zu verdanken, dass manchmal Informationen durchsickern, die wirklich wichtig sind – nur in den Artikeln halt untergehen, die überwiegend regierungskonformen Einheitsbrei servieren.
Worum es geht? Den Brexit. Sie haben vielleicht schon davon gehört. Die Geschichte, die dazu erzählt wird, ist hahnebüchen: es geht um die Rivalität von zwei kleinen Jungs, Mitglieder im selben Club, dem Bullingdonclub in Oxford, wo die alte Elite ihre neue Elite heranzüchtet (siehe Spiegel):
„Diese Episode erzählt alles über die dünne Schicht Auserwählter, die einmal das Land regieren werden. Sie sind Mitglieder des Bullingdon Club von Oxford, in dem sich die Nachwuchselite versammelt, sie wissen, dass sie ganz nach oben kommen. Einer der vier im Gras heißt Boris Johnson, später Bürgermeister von London, ein Zweiter ist David Cameron, derzeit No. 10 Downing Street. Die beiden anderen sind Söhne von Finanzleuten und inzwischen selbst Teil des Londoner Geldadels.“
Sie sollten diese Zeilen mehrfach lesen: mehr brauchen Sie nicht, um zu verstehen, was unsere „repräsentative europäische Demokratie“ wirklich bedeutet: politsche Macht und Finanzmacht werden schon in jungen Jahren eng verbandelt, damit später auch ja nichts schief geht. Und gewählt kann werden, was in den Bullingdonclub gesetzt wurde – so funktioniert Herrschaft in Zeiten der gelenkten Massenmedien. Nennen Sie das aber bloß nicht Verschwörung: das würde Ihnen nicht gut tun – in der Familie, im Verein, in der Nachbarschaft oder auf der Arbeit. Dafür wurde schon gesorgt: wir leben in im „Liebesherzen-Heidi-Land“ (so meine Übersetzung der geheimen Parole), wo die Wiesen grün, der Himmel blau, die Berge weiß sind – hier gibt es keine Verbrechen, keine Not, kein Ungemach und keine egoistischen Menschen mit egozentrischen Absichten, die sich untereinander absprechen, um ganz viel Geld zu machen.
Garantiert nicht.
Ganz Europa ist ein Paradies ehrlich, aufrichtiger Friedensfreunde, denen nur gelegentlich – als kleines Maleur – ein Krieg mit neutralen Ländern aus der Tasche fällt. Nur manchmal kommt ein Feind daher und bringt die Ordnung durcheinander: ein „Populist“ – also jemand, der in der Tat wenigstens die Sprache des Volkes spricht, die alle anderen schon längst hinter sich gelassen haben, um sich den Humor der plutonomischen Oberschicht anzugewöhnen. Einer dieser Populisten hat jetzt etwas ganz schlimmes getan, was er sofort bitter bereut hat (siehe Manager-Magazin):
„Boris Johnson ist Britanniens begnadetster Populist. Er verführte das Volk zum Brexit – und könnte dafür Premier werden. Darben werden diejenigen am meisten, die ihn unterstützten.“
Ja – er „verführte“ das Volk. Aus alter Rivalität zu seinem Freund David Cameron – so jedenfalls soll es (wie mir zugetragen wurde) im öffentlich-rechtlichen Rundfunk dargestellt worden sein. Auch das Managermagazin erweckt den Eindruck, dass die „Leave“-Kampagne ein Produkt von gelangweilten Bullingdon-Club-Mitgliedern am Ende ihrer persönlichen Karriere war, zu dem auch der Justizminister gehört – denken Sie jetzt aber bitte nicht an eine verschworene, von Geburt an privilegierte Elite, die den Pöbel nur zum Machtgewinn missbraucht – denken Sie nur an die Folgen für sich selbst, wenn Sie sich erlauben würden, so zu denken, wie Sie es nicht sollen – Sie kämen sonst schnell zu dem Schluss, zu dem auch die Modeschöpferin Vivienne Westwood gekommen ist: „Politiker sind Kriminelle“ (siehe Epochtimes).
Es kann natürlich nicht sein, dass es an dem Konstrukt der „EU“ – einem Projekt der priviligierten Elite – etwas zu kritisieren gäbe, etwas, das den Zorn der wahlberechtigten Bürger erregt und sie nach Gerechtigkeit dürsten läßt. Es sei denn … man schaut genauer hin. Es gibt hierzu eine Grafik in einem Spiegel-Artikel, die sehr aufschlussreich ist – aber untergeht in dem „unverständlichen“ Wörterwust – das schließe ich jedenfalls aus der Tatsache, dass dieser Artikel nicht zu den „endlich verständlich“ Artikeln für den Pöbel gehört, sondern zu den unendlich unverständlichen Artikeln für den Rest. Der Artikel selbst ist jedoch schon Erwähnung wert: es geht um die „Bestrafung“ der Briten im Falle des Brexits, da wird mit harter Hand durchgegriffen („Wie die Europäische Union die Briten für den Brexit bestrafen würde“ , siehe Spiegel am 2.6.2016.)
Der Satz allein reicht schon, um den demokratischen Status der EU zu beschreiben: „Strafen“ werden bei „Straftaten“ verhängt – hier geht es jedoch um die demokratische Entscheidung eines Volkes, die möglicherweise den Granden der EU nicht gefällt. So etwas gibt es aber nur in autoritären Staaten, wo die Opposition dafür erschossen wird, dass sie Opposition ist (wie zum Beispiel der kurdische Anwalt Tarhi Elci, der sich zuvor den „Unmut der Behörden zugezogen hatte“ – siehe Spiegel). In der Türkei regt uns so etwas vielleicht ein klein wenig auf – wobei wir etwas unsicher sind, weil wir nicht wissen, welche Gebote gerade in der Meinungsbildung über die Türkei zu beachten sind, weshalb die aktuelle Verhaftung eines deutschen Bundestagsabgeordneten dort nur ganz kleine Wellen schlägt (siehe Spiegel).
Niemand echauffiert sich darüber, dass die „EU“ als hoheitliche Macht eins ihrer Gründungsmitglieder bestrafen möchte – so als wäre sie Kaiser der Europäer, dem Gehorsam geschuldet wird, niemand scheint auf die Idee zu kommen, dass allein schon diese Einschätzung Grund genug ist, dieses größenwahnsinnige Gebilde schnellstmöglichst zu verlassen (oder aufzulösen), wenn man die aussterbenden Restdemokratien noch schützen will vor Kräften wie in Polen, die sich nicht scheuen, ihre eigenen Verfassungsgerichte mit politischer Gewalt auf Parteikurs zu zwingen (siehe Spiegel).
Doch lesen wir weiter in jenem Artikel, wo es um die Strafen ging. Wir finden dort ein sehr interessantes Schaubild (das Dritte von oben), das uns Aufschluss über die Meinung der Menschen in Europa über ihre kaiserlicher Verwaltung gibt. „Mit welchen Begriffen assoziieren Sie die EU“ wird da gefragt – und die Ergebnisse ähneln sich in ALLEN LÄNDERN.
VERSCHWENDERISCH, ARROGANT, UNNAHBAR, UNEHRLICH – das sind die Begriffe, mit denen europäische Bürger die EU beschreiben. Nur eine kleine Minderheit hält sie für demokratisch (11 Prozent maximal, Ergebnis aus Deutschland), verantwortungsvoll (Maxium 13 Prozent aus Norwegen, die sind gar nicht in der EU), effizient (13 Prozent Maximum, wieder Norwegen, in Deutschland sind es nur drei Prozent) oder ehrlich (Bestergebnis: wieder Norwegen mit 6 Prozent, Deutschland: 2!). Da es es sich um absolute, überwältigende Mehrheiten handelt, möchte ich das Gegenteil nochmal deutlich herausstellen: die absolute Mehrheit der Europäer (vor allem jener, die wirklich in der EU sind) hält die EU für
UNDEMOKRATISCH (89 Prozent, Frankreich, Großbritannien, Schweden 92 Prozent)
VERANTWORTUNGSLOS (87 Prozent)
UNEFFIZIENT (87 Prozent, in Deutschland: 97 Prozent)
VERLOGEN (94 Prozent, in Deutschland: 98 Prozent)
Diese Ergebnisse einer Umfrage von Handelsblatt und Guardian erklären, wo es wirklich stinkt – und kommen Sie mir jetzt nicht mit dem üblichen Politikgewäsch, es handele sich nur um ein Marketingproblem in der Außendarstellung der EU! Das ist die Meinung der Bürger über ein Konstrukt, das ein idiotischer, psychopathischer, tyrannischer verlogener Moloch geworden ist – wenn ich die Urteile der Bürger einmal in konkreten Beschreibungen zusammenfassen darf. Da bedarf es keines „Populisten“, der Menschen „verführt“, da sprechen Bürger aus Erfahrung – und je älter sie sind, umso deutlicher ist die Erfahrung. So einfach erklärt sich die Tatsache, dass die ältere Generation die EU so negativ sieht, während Generation Praktikum die Fördertöpfe in der EU vermissen würde.
Wie bitte? Stimmt nicht? Lesen Sie mal die Artikel zum Thema „Verschwendung in der EU“ (siehe Wiwo 2015, Wiwo 2014 oder Spiegel für das Jahr 2007), zu verantworten von fürstlich bezahlten Systemdienern, die das doppelte des bulgarischen Präsidenten verdienen (siehe Handelsblatt): da kommt Freude auf – beim Steuerzahler, der die luxuriöse Prasserei bezahlen darf – und bei den großen Parteien, die dadurch eine Extraportion Zuckerchen für verdiente Veteranen zu verteilen haben.
Und das „Demokratiedefizit“ der EU? Das ist schon ein Fachbegriff – und die Bundeszentrale für politische Bildung erklärt uns, was wir darunter zu verstehen haben (siehe bpb):
„Der Begriff D. beschreibt die mangelnde Legitimation des politischen Systems der EU aufgrund zu geringer Partizipationsmöglichkeiten der Parlamente und Bürger. Seit dem Vertrag von Maastricht (1992) nimmt die Zahl europ. Gesetze und Verordnungen beständig zu. Betrachtet man die EU als ein den Nationalstaaten vergleichbares politisches System, dann stellt sich die Frage, wie die EU politisch legitimiert ist: Das D. in der EU resultiert v. a. aus der mangelnden Anbindung der Kommission an das Europäische Parlament (EP) sowie aus der starken Stellung des Ministerrats, der nur indirekt legitimiert ist (die nationalen Minister sind durch nationale Wahlen legitimiert). Die Entscheidungen sind oft intransparent. Das EP besitzt (noch) nicht die gleichen demokratischen Rechte wie die nationalen Parlamente, und die Europawahlen sind mehr an nationalen und innenpolitischen als europ. Themen orientiert.“
Muss ich die anderen Vorwürfe auch noch belegen? Ich denke nicht: sie sind hinreichend lange genug bekannt – ohne das etwas dagegen unternommen wurde. Die Arroganz der Macht in Brüssel wird täglich demonstriert – sei es allein durch den Eindruck, es gäbe hier eine Instanz, die das Recht (ja, das RECHT – nicht nur die Macht) besitzt, demokratische Entscheidungen bestrafen zu dürfen.
Das ganze Drama Brexit zeigt allerdings noch mehr. Nicht nur, dass „Politik“ inzwischen von einer kleinen, verantwortungslosen Kaste gemacht wird (ja – nicht nur in Großbritannien), nicht nur, dass die EU in Europa ein Ansehen genießt wie die deutsche Wehrmacht ehedem in besetzten Ländern, sondern auch, dass unsere Regierung und die gesamte Wirtschaftsintelligenz an Dämlichkeit kaum zu übertreffen sind. Ja, harte Worte – aber wie soll ich die Tatsache kommentieren, dass am Tag des Brexits alle – quer durch die Bank – völlig ratlos da standen? Die Meinung der Europäer zur EU ist eindeutig, die Zustimmung zum Brexit (so unvernünftig sie auch scheint) war klar auszurechnen – doch die ignorante Arroganz der selbstverliebten „Entscheider“ ließ sie die Möglichkeit des Brexits völlig aus den Augen verlieren, ganz nach dem Motto, dass nicht sein kann was nicht sein darf. Nach diesem Motto könnte man keine Pommesbude erfolgreich führen – geschweige denn Megakonzerne oder Industriestaaten.
Diese Haltung zeigt sich auch in den Medien – niemand weiß genau, ob der Austritt der zweitgrößten Wirtschaftsmacht wirklich Geld kostet oder vielleicht sogar Gewinn bringt (aus Platzgründen erspare ich mir hier mal die Ausführlichkeit – recherchieren Sie selbst, ich habe aufgegeben … bin zu entsetzt über die Orientierungslosigkeit). Wahrscheinlich ist aber, dass Weingummi, Orangenmarmelade und schottischer Whisky billiger werden (siehe Tagesschau).
Dies ist wohl die wichtigste Folge des Brexits: die Erkenntnis, wie inkompetent unsere „Elite“ ist – gerade in den Themenbereichen, für die sie sich viel Kompetenz anmaßen und sich fürstlich entlohnen lassen. Aber sie würden sich auch fürs erfolgreiche „Bäuerchen machen“ fürstlich entlohnen lassen – daran habe ich keine Zweifel mehr.
Natürlich werden jetzt mehr „Exits“ folgen. Es werden sich genug Gimpel finden lassen, die das organisieren. Schon jetzt stehen genug Bullingdon-Promis der B- und C-Klasse (nun: die „Clubs“ heißen in jedem Land anders, das ist klar) in den Startlöchern, um Europa in seine Einzelteile zu zerlegen. Und sie werden Recht haben – wonach kaum noch einer fragt. 14000 reiche Lobbyisten aus der Konzernwirtschaft (siehe Lobbykontrol) haben dafür gesorgt, dass die EU ein blinder, idiotischer Tyrann wird – aber halt auch einer, dem man sich leicht durch Flucht entziehen kann. Jedenfalls – für eine Weile. In Zeiten, in denen Konzerne mehr Finanzmittel haben als europäische Staaten wird die Aufsplitterung der EU in viele kleine Einzelstaaten eine Katastrophe für die schwächeren Länder sein. Die Abspaltung Großbritanniens von der EU wird zu einem engeren Schulterschluss der „Five Eyes“ (zu diesem „Geheimbund“ siehe Tagesspiegel) führen, die Kluft zwischen den „Angelsachsen“ und „Europäern“ unter „deutscher Führung“ wird größer werden – und ein Krieg zwischen Europa und Russland beständig risikoärmer für die Insel, die sich auf dem gleichen Wege auch schnell aus der Nato verabschieden könnte – wenn die Saat der letzten Jahre aufgeht.
Wie bitte? Das geht Ihnen zu weit? Bitte informieren Sie sich – diese Bewegung läuft schon, angeregt von der EU (siehe Spiegel):
„Die EU will ihre Zusammenarbeit in der Außen- und Sicherheitspolitik massiv ausbauen. „Die Zusammenarbeit in Verteidigungsangelegenheiten muss die Norm werden“, heißt in der sogenannten Globalen Strategie von EU-Chefdiplomatin Federica Mogherini. „Wir Europäer müssen für unsere Sicherheit mehr Verantwortung übernehmen. Wir müssen bereit und in der Lage sein, abzuschrecken, auf Gefahren zu antworten und uns vor ihnen zu schützen.““
Weise von den Briten, sich dieser Entwicklung zu entziehen. Lauschen Sie mal, was unsere Intellektuellen gerade formulieren (hier Georg Diez im Spiegel):
„Auch das wurde hier schon mehrfach gesagt, vor allem in Zusammenhang mit der fatalen Griechenland-Politik der vergangenen Jahre: Der Zweite Weltkrieg hat einen überraschenden Sieger, und der heißt Deutschland.“
Wir wachsen in ein neues großdeutsches Reich hinein – ohne England, dass unser Anker in der angelsächsischen Welt war. Und wie zufällig sind gerade wieder deutsche Truppen in großer Zahl an der russischen Grenze aufmarschiert, an der Grenze zu jenem Volk, das fast dreimal soviel Tote im Zweiten Weltkrieg zu beklagen hatte wie die Deutschen – die meisten durch Deutsche Besatzungspolitik des gezielten Verhungerns (siehe hierzu: Götz Aly, Hitlers Volksstaat, Fischer Verlag, 2. Auflage 2011, Seite 201 – 205) Da – kommt Freude auf.
Und was gerade noch eingeht wie eine Primel: der Traum der kleinen Leute von Europa, einem konstruktiven Europa, kräftig genug, um sich gegen die Supermächte zu behaupten, menschlich genug, um ein sicherer Hort der Demokratie zu sein, eine kunterbunte Mischung vielfältiger Qualitäten, die – konstruktiv geführt und nicht nur dämlich verwaltet – großes hätten erreichen können, ein Leuchtturm der planetaren Zivilgesellschaft, die die Menschheit in den Zustand ewigen Friedens führen sollte.
Stattdessen … führen uns nun Nationalisten in den nächsten Krieg – infolge unserer Bequemlichkeitsverblödung ist sogar wieder ein Krieg Deutschland gegen Frankreich denkbar (siehe Focus) … Ende dieses Jahrhunderts.
Die wirklichen Folgen des Brexits – sind viel düsterer als das, was die Medien uns zu denken gestatten.
Ach ja – die Medien. Konzentriert in den Händen weniger reicher Mogule (siehe z.B. TAZ) waren sie im Endeffekt große Fürsprecher für den Brexit (siehe Deutschlandfunk) wobei der sich der Murdochkonzern auch erlaubte, in manchen seiner Zeitungen die gegenteilige Meinung zu vertreten – um im unwahrscheinlichen Falle des Scheiterns auf auf der Seite der Sieger zu sein. So – bleibt man auf jeden Fall „oben“.
Und „Bregret“ – das Bedauern? Wohl auch nur eine Ente – wobei ich schon glaube, dass viele, die nur einen „Denkzettel“ verteilen wollten, nun blöd dreinschauen, wenn sie die Rechnung für diesen Zettel präsentiert bekommen.
Das Rad der Geschichte dreht sich unwiderruflich weiter. Wir dachten mal, die Geschichte wäre zu Ende. Erst wurden die bösen Monarchien beseitigt, der grauslige Feudalstaat eleminiert, die Terrorherrschaft der Kirche neutralisiert. Dann wurden im nächsten Schritt den Industriebaronen Grenzen aufgezeigt, um nicht die Diktatur des Schwertes durch die des Geldes zu ersetzen. Letztlich scheiterten in Form von Nationalsozialismus und Kommunismus (wobei ich jetzt beide nicht gleich setzen möchte – ausser vielleicht bezüglich der Ethik ihrer Funktionäre) die Diktaturen der Parteien. Es schein weise zu sein, ein System zu haben, wo sich die gesellschaftlichen Gegensätze im Parlament treffen anstatt mit der Waffe in der Hand auf der Straße. Es schien weise zu sein, jeder politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Strömung im Lande eine Stimme im Parlament zu geben, damit Frieden, Wohlstand und Sicherheit lebenslänglich gewahrt bleiben und wir uns in Ruhe um unsere Rosenzucht kümmern können. Nichts sprach dagegen, ein System zu erhalten, das allen Gewinn bringt – trotzdem wird es gerade zerstört, das Rad der Geschichte zerstampft die alten Strukturen und wird etwas Neues bringen, etwas, das gewalttätig sein wird.
„Die Lawine ist ins Rollen gekommen“, sagte ein Börsianer. „Resignation und Perspektivlosigkeit prägen die Stimmung.“
So hören sich die Katastrophennachrichten im Handelsblatt an.
Und das, wo doch noch vor kurzem niemand wusste, warum denn die Börse eigentlich zur Talfahrt neigt – dabei ist der Grund einfach: die größten Anleger … vor allem Banken, wie man hört … verkaufen ihre Aktien. Es ist ja nicht mehr eine Horde von kopflosen Kleinanlegern – die haben sich doch schon längst vom Markt verabschiedet. Es sind die großen, institutionellen Anleger, die ihre Firmenpapiere auf den Markt werfen, weil sie wissen, das der künstlich durch Staatsgeld angekurbelte Aufschwung mit dem Ende des Staatsgeldes auch ein Ende findet. Obama will zwar nochmal eine neue Runde auflegen – nochmal Straßen, Brücken, vielleicht sogar Kreisverkehre bauen bis auch der letzte Quadratzentimeter Ackerboden asphaltiert ist – doch der Erfolg bleibt ungewiss.
„Aber wir haben schon früher harte Zeiten durchgemacht“, sagte Obama. Und ergänzte: „Ich weiß nicht wie es Ihnen geht, aber ich habe keine Angst vor harten Zeiten.“
So wird Obama im Spiegel zitiert. Als Präsident der USA hätte ich auch keine Angst vor harten Zeiten, die Marines und der CIA werden schon dafür sorgen, das ich Brötchen mit Butter und italienischer Salami zum Frühstück bekomme, während andere im Müll nach Essensresten suchen. Was aber klar zu erkennen ist: die harten Zeiten scheinen sicher zu sein. Wenn DER von kommenden harten Zeiten spricht, dann weiß er Bescheid. Immerhin haben es seine Finanziers in der Hand, wie hart die Zeiten werden müssen.
Die Experten machen sich so ihre Gedanken – wie hier in der Welt:
Ein Sturz des Dax unter das Schicksals-Niveau von 4500 Stellen ist alles andere als unmöglich. In der zurückliegenden Finanzkrise sank das Börsenbarometer von 8106 auf 3666 Zähler, also um 55 Prozent. Im dem vorangegangenen Salami-Crash von 2000 bis 2003, der auf den New-Economy-Hype der Neunzigerjahre folgte, betrug das Minus sogar 73 Prozent.
Muss man hier überhaupt noch Experte sein, um zu erkennen, das das Ende nahe ist? In den letzten zwanzig Jahren hat uns unsere Wirtschaft locker dreimal vor die Wand gefahren. Wenn ich eine Automarke fahre, die dreimal hintereinander ohne Fremdeinwirkung Totalschaden erleidet, dann weiß ich, das die Konstruktion Murks und es nur eine Frage der Zeit ist, bis ich bei einem Unfall mit drauf gehe.
Die Welt redet klar und deutlich davon, das dieser neue Totalschaden möglicherweise der letzte ist: Autohändler und Werkstatt haben geschlossen.
Das Bedrückende an der aktuellen Krise sind nicht die Parallelen zur Lehman-Pleite. Vielmehr gibt es einen großen Unterschied: Es ist kein Retter in Sicht.
Klar, die Staaten, die uns bislang gerettet haben, stehen selbst am Abgrund. Nicht mehr lange und ihre Währungen werden nur noch nach dem aktuellen Altpapierwert gehandelt.
Die Täter sind klar erkennbar. Man muss nicht die sozialistische Internationale fragen, um sie zu entdecken. Der konservative Peter Gauweiler beschreibt in der Welt, wer sie sind:
Wir befinden uns in der Hand von ein paar Hundert Manhattan-Boys mit unterschiedlichen Pässen, denen die demokratischen Staatswächter nicht Herr werden und nicht Herr werden wollen. Für Deutschland bekommen diese Leute bis heute auch dann noch eine Banklizenz, wenn sie kein einziges Wort der staatlichen Banken-Aufsicht verstehen.
Liest man mehr, so sieht man, das CSU und DIE LINKE gar nicht weit voneinander entfernt stehen:
Wir stützen doch nicht Griechenland! Wir stützen 25 oder 30 weltweit tätige Investment-Banken und ihre wahnwitzigen Geschäfte, hinter deren Derivaten ja immer weniger Sachwerte stehen.
Eigentlich weiß jeder, was los ist. Eigentlich könnten wir jetzt schon mit dem Wideraufbau beginnen – bevor die Ruinen kommen. Doch jetzt … wird es kompliziert.
Das kommt mir vor wie Andersens Märchen von des Kaisers neuen Kleidern. Der steht bekanntlich nackt da, und keiner will es merken. Als ein Kind das endlich ausspricht, herrschte Erleichterung.
Gauweilers einfache Wahrheiten wirken erleichternd und erfrischend….aber er hat die Rechnung ohne die Schneider gemacht, die dem Kaiser die Kleider verkauft haben, ohne die kaiserlichen Berater, die ihm gerade zu diesem Stoff geraten haben, ohne die Kaisergarde, die mit dem Bayonett jeden niedermacht, der die Wahrheit aussprechen will und ohne all jene Majestätsgläubigen, die sich einen nackten Kaiser noch nicht mal im Traum vorstellen wollen – weshalb er zweifellos und unwiederruflich irgendetwas anhaben muss: alles andere wäre undenkbar.
Er hat die Rechnung ohne all jene gemacht, die an dem großen Betrug mitverdienen … oder zumindest davon träumen. Das Handelsblatt hat aktuell mal einen Fall skizziert:
Die Dame hatte auf alles Mögliche gewettet: auf Rentenpapiere, Aktien, Immobilien, den Dividendenindex Div-Dax versus den Dax und auf Rohstoffe. Risiken ist die Anlegerin dabei nur in Maßen eingegangen, denn fast jedes Produkt verspricht am Ende der Laufzeit den Einsatz zurück.
Verdient hat die Dame ein halbes Prozent in sieben Jahren …. aber gezahlt hat sie deutlich mehr: 23000 Euro hat sie das Vergnügen letztlich gekostet, bei dem Run nach dem leistungslosen Einkommen dabei gewesen zu sein.
Sie ist kein Einzelfall – auch Kommunen und Gemeinden haben sich an dem Run beteiligt, siehe Handelsblatt:
Wegen umstrittener Zinsgeschäfte deutscher Banken mit den Kommunen droht dem Steuerzahler ein Milliardenrisiko. Die Finanzinstitute haben auf Drängen des Bundestags erstmals Zahlen zum Umfang ihrer Geschäfte mit den Städten vorgelegt, die nichts Gutes ahnen lassen: Laut einem Schreiben, das der Zentrale Kreditausschuss (ZKA), das Sprachrohr der deutschen Banken, Ende Juli an den Finanzausschuss des Bundestags gesandt hat und das dem Handelsblatt vorliegt, bestanden Ende 2010 Wetten zwischen Banken und Kommunen mit einem Gesamtwert von 63,7 Milliarden Euro.
Ein neues Risiko für das Staatssäckel, das aktuell sowieso schon zur Rettung des Euros komplett nach Brüssel verfrachtet wird … und damit rechnen muss, auch von anderer Seite noch deutlich gerupft zu werden, denn die „Manhatten-Boys“ drohen unvermindert mit Geiselnahme und Erpressung, wie aktuell auf einer vom Handelsblatt veranstalteten Tagung:
Besonders hart treffe die Branche die neuen Anforderungen der Finanzaufsicht, insbesondere die neuen Eigenkapitalregeln nach Basel III. Dies werde sich aber nicht nur auf die Banken auswirken, sondern auch negativ auf die Gesamtwirtschaft in Europa.
„Liebes kleines Mädchen … sagst Du dem Kaiser, das er nackt ist, nehmen wir deinem Papa die Arbeit weg!“.
Andersens Märchen wiederholt sich, aber die kaiserlichen Einkleider haben gelernt. Darf ich nochmal ausholen, um zu zeigen, welcher Art die Leute sind, die … das Rad der Geschichte drehen? Nur ein Beispiel soll reichen, um das Prinzip zu verdeutlichen, mit dem die „Manhatten-Boys“ das System infiltriert haben (nein, jetzt kommen nicht wieder die Maschmeyer/Wulff/Schröder-Gang-Geschichte).
Ich spreche von Tony Blair … einem jener Menschen, die – wie Gerhard Schröder in Deutschland – international den „aktivierenden Sozialstaat“ eingeführt hatten, jenes Instrument, mit denen man jene stillhält, die behauptet hatten, der Kaiser sei nackt. Wie Gerhard Schröder darf sich Tony Blair für seine Arbeit auf viel Geld freuen … und wurde sogar Patenonkel des Zeitungszars Murdoch, der in England dafür sorgte, das man nicht die Manhatten-Boys öffentlich für ihre Taten anprangerte, sondern jene Leute, die aufgrund ihrer Aktivitäten ihre Arbeit verloren haben. Jener Blair, der eine seltsam aktive Rolle beim Irakkrieg gespielt hatte (in dessen Folge der Biowaffenexperte David Kelly einen fragwürdigen Selbstmord begann), der Gaddafi freundlich die Hände schüttelt und – womöglich Terrorverdächtige zum Foltern übersandte hängt familiär und persönlich ganz eng zusammen mit jenem Rupert Murdoch, dessen Zeitungsimperium den Finanziers der Manhatten-Boys direkt in die Hände arbeitet. Wundert es da, das der andere „aktivierende“ Sozialstaatler – Gerhard Schröder – die Bundesrepublik Deutschland ebenfalls sinnlos in einen Krieg geführt hat, wie aktuell der Spiegel enthüllt?
Man kann Peter Gauweilers Panik verstehen – und ebenso die Panik der Börsenexperten. Wir dachten die Geschichte sei zu Ende – und es wäre ein Happy End gewesen, das wir erlebten.
Doch man hatte uns belogen. Hinter der kunterbunten Medienwelt, in der die Lichtgestalten des Finanzmanagements gegen die Finsterlinge aus den Kreisen der Arbeitslosen antreten, lauern andere Wahrheiten, über die man nicht mehr reden darf – die man aber trotzdem erahnen kann. Das Rad der Geschichte wird zurückgedreht, neue Fürsten haben mit Gewalt neue Führungspositionen besetzt, treten das internationale Recht mit Füssen und ordnen die Realität ganz frei nur nach ihrem eigenen Willen:
Vor dem Irak-Untersuchungsausschuss sagte Blairs seinerzeitiger außenpolitischer Berater Sir David Manning aus, dass Blair schon elf Monate vor dem Beginn des Irak-Krieges George W. Bush zugesichert hatte, einen Regimewechsel im Irak notfalls durch den Einsatz militärischer Mittel herbeizuführen. Rechtsberater hatten ihn jedoch schon damals darauf hingewiesen, dass ein Militäreinsatz mit diesem Ziel ungesetzlich sei und gegen die UN-Charta verstoße.[8] Danach räumt Tony Blair in einem Interview offen ein, dass er den Angriff auf den Irak auch ohne Beweise für den irakischen Besitz von Massenvernichtungswaffen für richtig halte.[9] Während die Befragung von Alastair Campbell aufgrund des Briefwechsels zwischen Blair und Bush die Entschlossenheit Blairs zum Krieg nochmals bestätigte, hat eine holländische Untersuchung ergeben, dass Holland sich allein aufgrund des von Großbritannien und den USA gelieferten irreführenden Materials zur Beteiligung am Krieg entschlossen hatte und dass dieser Krieg gegen internationales Recht verstoßen habe.[10]
Welche Folgen hat das für uns?
Nun – erstmal die Erkenntnis, das wir in einer neuen Zeit des Feudalismus leben, das die Zeit der Gesetze, des Rechts und der Sicherheit vorbei sind. Wer die Macht hat, setzt seinen Willen wieder mit brutaler militärischer Gewalt durch – oder mit eiserner Faust gegen Arbeitslose im Inland. Jederzeit können die Truppen der Finanzfeudalisten weltweit in jeder beliebigen Stärke zuschlagen, jederzeit können sei öffentliche Meinungen in jedem gewünschten Umfang in jede gewünschte Richtung lenken (und immer wieder kommt es in der Randzone dieser Machtausübung zu Selbstmorden, wenn Einzelne an der Aufdeckung der Lügen arbeiten), jederzeit mit Massenentlassungen oder Gesetzesänderungen Volksbewegungen den Boden unter den Füssen entziehen.
Und dann die Erkenntnis, das wir noch Zeiten erleben werden, in denen der Staat völlig zusammenbricht: der Spiegelartikel Hooligans in Krakau bietet uns einen Ausblick auf einen möglichen deutschen Alltag aus dem Jahre 2018, wo Banden wie wahre Macht auf den Straßen darstellen, weil die knapp bemessene Polizei nur noch Wohlstandsoasen schützt – in Zusammenarbeit mit privaten Wachdiensten.
Das das teuer ist, weiß ich selbst … und weiß deshalb auch, warum der ESM-Vertrag nun dafür sorgt, das das ganze staatliche Kapital zum Zwecke der Umverteilung unwiederbringlich nach Brüssel fliessen soll. Die Enkel, Neffen und Cousinen der Blair/Schröder/Bush-Förderer bereiten sich auf ein neues Kapitel der Geschichte vor, das sehr sehr finster werden wird – wie es aussieht, steuern wir auf das finsterste Kapitel der menschlichen Geschichte zu, ein Kapitel, das die Barbarei des NS-Staates in den Schatten stellen wird.