Montag

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Sarah Wagenknecht in Aachen und die Arbeitslügen der deutschen Kultur.

Montag, 9.9.2013. Eifel. Ein fieser Tag - wie jeder Montag. Seltsam, dass der Montag so einen Ruf hat, oder? Immerhin leben wir in einem Land, in dem Arbeit heilig ist, heilig zu sein hat. Arbeit - in christlichen Zeiten ein Fluch des Gottes und auch in außerchristlichen Bereichen wegen Schmerzen, Langeweile und Stumpfsinnigkeit nicht sehr geschätzt - ist Lebenssinn geworden. "Frieden ist Krieg" - so tönen die Propagandatrompeten der Neuzeit, "Arbeit ist Lust".  Niemand würde es wagen, in der Öffentlichkeit zu behaupten, dass Arbeit Scheiße ist (äh, doch, ich. Aber das ist schon eine Weile her und ich bin dafür auch ordentlich geschimpft worden). Doch was sehe ich Montagmorgen? Oder schon den ganzen Sonntag? Lauter Leute, die jammern und klagen, dass die Tretmühle schon wieder losgeht - egal ob in Firma oder Behörde. Was für eine Beschisskultur - um es mal deutlich zu sagen. Feiern gigantische "thanks-god-it´s-friday-Partys", aber finden Arbeit natürlich supercool, können sich eine andere Existenz als die des "workoholic" gar nicht vorstellen - jedenfalls nicht offiziell. Wieso werden Arbeitslose eigentlich mit solchen hasserfüllten, niederträchtigen Schmähungen überzogen, wenn doch Arbeit ein so toller Wert ist? Mitleid müsste man mit ihnen haben, dürfen sie doch nicht teilhaben an einer solchen tollen hocherotischen Arbeitswelt! Die Realität ist: Neid ist das hauptsächliche Gefühl, das Arbeitslose erzeugen. Die haben Zeit, sitzen den ganzen Tag mit Bier vor der Plasmaglotze und fühlen sich pudelwohl! Na, da muss ja nach Hitler gerufen werden, der endlich mal richtig aufräumt. Dabei muss man viel eher mit den eigenen Lebenslügen aufräumen - doch dafür ist man zu feige, zu ängstlich, würde das doch bedeuten, sich gegen die offiziell von Kreisen der Politik und Wirtschaft gewünschten Ansichten zu stellen.

Montag, 9.9.2013. Eifel. Ein fieser Tag – wie jeder Montag. Seltsam, dass der Montag so einen Ruf hat, oder? Immerhin leben wir in einem Land, in dem Arbeit heilig ist, heilig zu sein hat. Arbeit – in christlichen Zeiten ein Fluch des Gottes und auch in außerchristlichen Bereichen wegen Schmerzen, Langeweile und Stumpfsinnigkeit nicht sehr geschätzt – ist Lebenssinn geworden. „Frieden ist Krieg“ – so tönen die Propagandatrompeten der Neuzeit, „Arbeit ist Lust“.  Niemand würde es wagen, in der Öffentlichkeit zu behaupten, dass Arbeit Scheiße ist (äh, doch, ich. Aber das ist schon eine Weile her und ich bin dafür auch ordentlich geschimpft worden). Doch was sehe ich Montagmorgen? Oder schon den ganzen Sonntag? Lauter Leute, die jammern und klagen, dass die Tretmühle schon wieder losgeht – egal ob in Firma oder Behörde. Was für eine Beschisskultur – um es mal deutlich zu sagen. Feiern gigantische „thanks-god-it´s-friday-Partys“, aber finden Arbeit natürlich supercool, können sich eine andere Existenz als die des „workoholic“ gar nicht vorstellen – jedenfalls nicht offiziell. Wieso werden Arbeitslose eigentlich mit solchen hasserfüllten, niederträchtigen Schmähungen überzogen, wenn doch Arbeit ein so toller Wert ist? Mitleid müsste man mit ihnen haben, dürfen sie doch nicht teilhaben an einer solch´ tollen hocherotischen Arbeitswelt! Die Realität ist: Neid ist das hauptsächliche Gefühl, das Arbeitslose erzeugen. Die haben Zeit, sitzen den ganzen Tag mit Bier vor der Plasmaglotze und fühlen sich pudelwohl! Na, da muss ja nach Hitler gerufen werden, der endlich mal richtig aufräumt. Dabei muss man viel eher mit den eigenen Lebenslügen aufräumen – doch dafür ist man zu feige, zu ängstlich, würde das doch bedeuten, sich gegen die offiziell von Kreisen der Politik und Wirtschaft gewünschten Ansichten zu stellen.

Woher ich diese Gedanken habe? Von Sarah Wagenknecht – also, von meinem Eindruck von ihrem Auftritt. Sie sprach am Samstag in Aachen – und ich war da. War ein Fehler, mein Rücken erlaubt solche Experimente nicht. Aber ich habe etwas dazugelernt: so was rechtfertigt jeden Schmerz. Ich habe eine tolle Rede gehört, habe Zahlen gehört, die auch die SPD und CDU vor sich hertragen. Das hat mich schon mal verblüfft – hatte ich doch selber Zahlen ausgegraben, die die offiziellen Propagandazahlen Lügen strafen. Rechne ich nach strengen Maßstäben durch, dann komme ich locker auf eine Arbeitslosigkeit von über sechzig Prozent. Das korrespondiert auch mit den Datensätzen der Jobcenter: 42 Millionen Menschen sind dort schon registriert: bei 40,5 Millionen Menschen, die überhaupt irgendeine Form von Arbeit haben, fand ich das erschreckend viel. Warum erwähnt man das nicht bei den Linken?

Noch weiter verwundert  hat mich der Gebrauch des Begriffes Arbeit. Was wurde da gejammert und geklagt über mangelnde Arbeit, über die vielen Menschen, die zu wenig an diesem kostbaren Gut teilhaben konnten. Ich schaute mich um, sah meine Mitmenschen an, sah ihre zerschlissenen Schuhe (da achten die wenigsten drauf – ist ja auch ziemlich weit unten und ziemlich weit weg vom Kopf), ihre selbst geschnittenen Frisuren (ja, das sieht man), ihre verfaulten Zähne (Praxisgebühr hatte halt doch Folgen – und den Eigenbeitrag für´s Porzellaninlay kann man von Billiggehältern nicht bezahlen) oder ihre Kleidung, die deutliche Zeichen des Verfalls trug: ich wusste sofort: die brauchen GELD, nicht ARBEIT. Arbeiten können die doch gar nicht mehr. Arbeit zu bekommen ist nicht Ergebnis intensiven Wunschdenkens, nicht Folge großer Gebete zum Universum oder Konsequenz eines ominösen „Secret“ (hierzu folgt an anderer Stelle mehr) sondern die Entscheidung eines Personalverantwortlichen! Erschreckend, oder? Ist bei den Jobcentern und Politikern kaum bekannt – aber für die Arbeitslosigkeit in Deutschland tragen Personalverantwortliche die Hauptverantwortung: NIEMAND ANDERS stellt in Deutschland Menschen ein. Ihre zumeist von der Fernsehwerbung verwöhnten Anschauungen, wie Mensch auszusehen hat, kann – dank Bundesregierung – KEIN ARBEITSLOSER GERECHT WERDEN!. Ist einfach viel zu teuer, dieser ganze Bluff.

„Ordentliche Kleidung“ kostet schon etwas. Ein guter Anzug, italienische Schuhe und Hemden, Socken aus Dänemark – da ist schnell ein gebrauchter Kleinwagen zusammen. Ja, ich war auch mal personalverantwortlich und weiß, worauf man achten muss. Habe ich mühsam gelernt. Da hat man Richtlinien zu erfüllen, sonst ist man selbst schnell draußen: Mitarbeiter sollten (und das wird gerne arbeitsvertraglich so festgehalten) so aussehen, dass sie ohne große Umkleidungsaktionen umgehend im Fernsehen auftreten können. An diesem Menschenbild arbeiten die Medien konzentriert mit (ja, auch Martin Sonneborn von der PARTEI).

Und wer hält sich alles daran?

Alle.

Einfach mal in die Einkaufszonen der Republik schauen – oder in den deutschen Bundestag. So uniformiert ist sonst nur die Bundeswehr oder andere Karnevalsvereine.  Vergeblich sucht man die langhaarigen Männer in Jesuslatschen oder die vollbärtigen Marxjünger, der Bundestag sieht aus wie ein großer Verein in Firmenkleidung, man fühlt sich wie bei einem Besuch bei McDonalds – und kriegt auch ähnliche Qualität serviert. Denen soll ich abnehmen, dass sie unterschiedlicher Meinung sind, für unterschiedliche politische Entwürfe stehen? Sie demonstrieren doch ihre politische Richtung jeden Tag! Ja – Kleidung ist auch Kommunikation, ist auch Botschaft – soll ein Zusammengehörigkeitsgefühl ausdrücken.

Man kann das auch noch präzisieren: welche Botschaft drückt denn ein feiner Anzug aus?

„Ich mache mir die Hände nicht mehr schmutzig. Ich habe es geschafft, ich bin was Besseres!“.

„Was Besseres“ stellt man dann auch gerne ein, man erhofft sich davon, damit ein Stück des repräsentierten Erfolgs kaufen zu können.

Aber wie steht „was Besseres“ zum Thema Arbeit? Nun – in so einem Anzug kann man nur wenig mehr tun als repräsentieren. Kranke oder Alte pflegen, mit Kindern spielen, den Acker bestellen oder Nudeln verkaufen geht damit nur schlecht, wäre auch schade um den guten Stoff. Noch nicht mal im Büro taugt er zur Tat – eigentlich ist er das Signal: „ich kann nur auf Kosten anderer gut leben – und habe Spass wie Bolle dabei“.

Nun – Sarah Wagenknecht hatte keinen Anzug. Sie war außerordentlich mutig und trug ein Kostüm, mit dem sie auf einem Sektempfang in einem Nobelgeschäft der Düsseldorfer Köngisallee oder einer Tagung der deutschen Pharmaindustrie nicht sonderlich aufgefallen wäre. Den Mut hat die deutsche Bundeskanzlerin nicht, sie traut sich nicht aus ihrem Hosenanzug.

Politiker haben ja auch generell nicht viel mit Arbeit zu tun, darum nennt man sie ja auch „Abgeordnete“. Sie sind aus der normalen Arbeitsordnung entfernt worden, um die politischen Geschäfte einer Gemeinschaft zu erledigen. Dass könnte man natürlich auch tun, ohne sich mit den Statussymbolen einer bis ins Mark dekadenten Oberschicht zu schmücken – aber dies ist ein freies Land, weshalb sich unsere Abgeordnete anders entschieden haben und beim Tanz ums Goldene Kalb ganz besonders schräge Figuren auf dem Parkett zeichnen.

Das gilt leider auch für die „Linken“. Wir sollten trotzdem froh sein, dass es sie gibt, denn nach sechzig Jahren Filz, Netzwerken und Korruption hat auch der allerletzte Depp begriffen, dass man im Prinzip nur die Wahl für einen Flügel der großen deutschen Einheitspartei SCFUDDP (Sozialchristlichfreie Union der deutschen demokratischen Parteien) hat: entweder für Angela Merkel (Kanzlerin der großen Koalition) oder Peer Steinbrück (Finanzminister der großen Koalition), deren Programme sich noch am deutlichsten durch die Wahl der Papierqualität unterscheiden, auf denen sie gedruckt sind. Inhalte sind ja auch – siehe Wahlplakate – kein Thema.

Mag man die große Koalition der SCFUDDP nicht, wohnt man definitiv im falschen Land.

Klar, man kann die Linke wählen … aber wer moderierte den Auftritt von Sarah Wagenknecht? Eine „lustige Frau“, eine Komödiantin, gekleidet in der Uniform der deutschen Hausfrau der sechziger Jahre. Sollte wohl lustig sein (war es auch – stellenweise), doch dem politisch interessierten Bürger störte das sehr, war es doch gleichzeitig eine deutliche Verunglimpfung des einfachen Bürgers, der schon allein in seinem (perfekt imitierten) Aussehen unglaublich lächerlich wirkt im Vergleich zu dieser Ikone der Linken.

Nun – diese lächerliche Gestalt aus dem einfachen Volk war auch äußerst devot und demütig der großen Ikone der Linken gegenüber: wie es sich gehört, wenn Herrenvolk sich unter Urnenpöbel mischt.

Als Nachdenkmagazin blickt man natürlich auch gerne hinter die Kulissen – auch wenn man selbst nicht besser aussieht als das Publikum und sich schon denken kann, dass man mit der Kluft nicht sonderlich gut ankommt bei den oberen Zehntausend.

Hinter der Bühne wartete – neben dem üblichen Sicherheitspersonal und der Polizei – eine riesige schwarze Limousine mit Berliner Kennzeichen, die hinteren Scheiben so getönt, dass der Pöbel den Fahrgast nicht weiter wahrnehmen konnte. Hier stieg Sarah Wagenknecht ein – und verschwand.

Mit „Arbeit“ kann man eine solche Limousine nicht bezahlen. Ein seltsames Bild – und angesichts der Rede und des Umfeldes eine seltsame Botschaft. Ich fühle mich ein wenig wie im Kabarett – obwohl diese Wirkung natürlich nicht beabsichtigt war. In Wirklichkeit hatte sich niemand Gedanken gemacht, wie ein solches Bild wohl beim Volk ankommt – woraus die direkte Botschaft kommt, dass der Eindruck, den man beim Urnenpöbel macht, sowieso keine Rolle mehr spielt.

Nicht, das wir uns falsch verstehen. Sarah Wagenknecht ist kein sonderlich herzlicher Mensch – aber sie hat sich große Mühe gegeben, in Kontakt mit dem Publikum zu kommen. Sie hatte neben der Bühne Zeit für ein paar enthusiastische Fans und verteilte auch hinter der Bühne noch Autogrammkarten. Das ist für einen Kopfmenschen eine große Leistung, die andere nicht in diesem Ausmaß geleistet hätten.

Was mir aber nicht aus dem Kopf gehen wird, ist das Bild mit der Limousine … und der Umgang mit dem Wort „Arbeit“.

Wir brauchen keine Arbeit. Alle finden Arbeit lästig und ungut, weshalb sie auch immer häufiger von Maschinen gemacht wird, die Wissenschaftler und Ingenieure direkt im Auftrag der Konzernleitung entwickeln, um die lästige Abhängigkeit von Arbeitern los zu werden.

Es ist eine Lüge, dass Arbeit gut, edel und schön ist: und das demonstrieren mir die Deutschen jeden Montagmorgen. Da gibt es keine Freudenschreie, keine großen Partys, die schon um fünf Uhr stattfinden, weil man es gar nicht erwarten kann, um neun Uhr endlich im Büro zu sein. Freitagnachmittag … ja, da wird schon mal gefeiert. Manchmal sogar ziemlich lange. Aber Montag?

Einfach mal am Sonntagabend durch Facobook stöbern und sich die Klagen der Bürger über den Wochenanfang anhören … da weiß man schon genug.

Was man aber auch weiß (und dies hat Frau Wagenknecht auch deutlich beschrieben): das Volk ist schon zu sehr eingeschüchtert, um sich selbst die Wahrheit einzugestehen.

Einfach mal direkt auf Menschen zugehen und sie nach ihrer Meinung zum Thema Arbeit fragen: was kommen da nur für seltsame Verrenkungen. Alle finden es supertoll, dass es so etwas wie Arbeit überhaupt gibt, etwas Schöneres kann man sich im Leben gar nicht vorstellen.

Warum spielen dann immer mehr Leute Lotto? Warum dieses Theater um den Montag? Wobei genau wird da eigentlich gelogen?

Warum gelogen wird, kann ich sagen: man hat Angst vor dem Jobcenter. Man stelle sich mal vor, man würde arbeitslos und der Sachbearbeiter hätte Aussagen zum eigenen Verhältnis von „Arbeit“ vor sich liegen. Sofort könnte man sich eine Sanktion einhandeln, weil die eigene Einstellung einer erfolgreichen Arbeitsaufnahme im Wege steht: sofort reagiert der Staat mit dem Entzug der Lebensgrundlagen und droht so mit Gewalt, die den Tod billigend in Kauf nimmt.

Deshalb jubeln alle über Arbeit: öffentliche Jubelverweigerung kann ganz schnell zum Tode führen.

Die Menschen wissen das. Sie wissen auch, welche Macht dieses System Arbeitgebern in die Hände gibt: sie werden auf einmal mittelbar Herren über Leben und Tod, die Nähe zur Leibeigenschaft ist unverkennbar.

Hätte man darüber nicht auch mal reden müssen – als „Linke“?

Immerhin: ich rede ja auch darüber.

Worüber ich mich noch ein wenig wundere, ist, dass es den Sonntag überhaupt noch gibt. So hocherotisch wir Arbeit nun mal ist, müssten doch alle seine Abschaffung fordern.

Na, das wird sicher noch kommen.

Ich warte dann auf die Partys, die dann stattfinden werden, weil endlich noch ein lästiger, langweiliger, unproduktiver Tag der unbegrenzten Arbeitslust zur Verfügung gestellt würde: das gibt sicher spontane Massendemos auf den Straßen zum Lob der Regierung, die sich an diesen Tag endlich herangewagt hat und die jahrhundertelange Dominanz der Kirchen endlich überwunden hat.

Ich suche derweil mal nach einer Partei, die so ehrlich ist wie Volker Pispers, der mal zugab, dass er keine Arbeit braucht – er bräuchte nur Geld, meinte er, beschäftigen könne er sich selber.

Der Besuch bei den Linken hat mir auf jeden Fall ein ungutes Bauchgefühl beschert – trotz schönem Wortgeklingels.

 

 

 

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