militärische Planung

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Bundeswehr und Bundesregierung planen Militäraktion in der Ukraine

Bundeswehr und Bundesregierung planen Militäraktion in der Ukraine

Sonntag, 27.4.2014. Eifel. Gestern habe ich ja ordentlich auf den Putz gehauen, oder? „Kampftruppen in der Ukraine“. Tja – da bin ich halt wie die Bundesregierung. „OSZE-Beobachter“ war ja auch falsch. Ist natürlich meine Definition der Streitkräfte dort – also der deutschen Streitkräfte. Bin ja auch Pazifist mit ordentlich geprüften Gewissen – ich darf das strenger deuten. In erster Linie geht es aber um Deutschunterricht: was soll eine Überschrift machen? Neugierig. „Hach“ – werden sie jetzt sagen – „darf die denn dann LÜGEN“? Nein. Und deshalb werde ich Ihnen jetzt nachweisen, um welche Art von Truppen es sich dort handelt – und aufzeigen, dass die Bezeichnung „Kampftruppen“ gerechtfertigt ist.

Hören wir uns zuerst an, wie die Tagesschau die Regierungsmeinung unter das Volk bringt, hier aus der Sendung vom 26.4.2014:

Nach wie vor ist eine Gruppe von OSZE-Militärbeobachtern in der Hand prorussischer Separatisten in der ostukrainischen Stadt Slawjansk.

Bei den festgehaltenen OSZE-Beobachtern handelt es sich um ein sogenanntes Military Verification Team. Es ist nicht offiziell von der OSZE entsandt, aber offenbar auf Einladung der Regierung in Kiew im Land. Laut OSZE ist ihr Aufenthalt durch das „Wiener Dokument 2011 der Verhandlungen über Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen“ gedeckt. Diese Übereinkunft wurde von allen 57 OSZE-Staaten akzeptiert. Zentraler Bestandteil ist ein Austausch von Informationen über ihre Streitkräfte und Hauptwaffensysteme. Diese dürfen durch Inspektionen überprüft werden. Eine solche wird nun in Slawjansk festgehalten.

Das ist die offizielle Version, die in allen Leitmedien der Republik gepredigt wird.

Diese Version ist eine Lüge.

Aber – begleiten Sie mich doch einfach mal ins Auswärtige Amt, wo wir das Wiener Dokument über vertrauensbildende Maßnahmen finden, auf das sich die Bundeswehreinheit jetzt beruft.

Zentrale Bestandteile des WD 11 sind Bestimmungen über den Austausch von Informationen unter den Teilnehmerstaaten  über ihre Streitkräfte und Hauptwaffensysteme (Kap. I), die Verteidigungsplanung einschließlich der Haushaltsplanung (Kap. II) sowie Maßnahmen zur Verminderung von Risiken durch Konsultations- und andere Mechanismen der Zusammenarbeit (Kap. III). Es enthält ferner ausführliche Bestimmungen über die Gestaltung militärischer Kontaktmaßnahmen und der Zusammenarbeit (Kap. IV), schafft Transparenz durch Bestimmungen zur vorherigen Ankündigung bestimmter militärischer Aktivitäten und deren Beobachtung (Kap. V bzw. VI) sowie weitere vertrauensbildende Maßnahmen und Mechanismen zur friedlichen Konfliktbewältigung.

Im Rahmen des sog. WD-Informationsaustauschs übermitteln sich die Teilnehmerstaaten des WD gegenseitig jährlich einmal ausführliche Daten über die Gliederung, Stationierung, Personal und Hauptwaffensysteme der Truppenformationen und Kampftruppenteile ihrer Land- und Luftstreitkräfte (einschließlich der permanent landgestützten Marinefliegerkräfte) sowie Informationen über ihre Verteidigungspolitik, Streitkräfteplanung und ihren Militärhaushalt.

Sie sehen unschwer- worum es geht: man informiert sich gegenseitig über die jeweiligen Streitkräfte. Das geht auch gut per Post.

Nur eine Ausnahme gibt es.

Die übermittelten Informationen und die Einhaltung der Bestimmungen des Wiener Dokuments können von den Teilnehmerstaaten vor Ort verifiziert werden durch:

  • 1. Inspektionen von „Bezeichneten Gebieten“ um festzustellen, ob in einem bestimmten Gebiet militärische Aktivitäten stattfinden. Die Inspektionsgruppe darf das bezeichnete Gebiet zu Lande und aus der Luft inspizieren. Sie wird durch Vertreter des Empfangsstaats begleitet.
  • 2. Überprüfungen von Truppenteilen/ -formationen an ihren normalen Friedensstandorten.

Auf diesen Punkt beruft sich die Bundeswehr bzw. die Bundesregierung hinsichtlich der Legitimation des Einsatzes. Immerhin: die eingesetzten Soldaten vor Ort gehören zum „Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr„.

Ihr Auftrag?

Das Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr (ZVBw) in Geilenkirchen hat einen einzigartigen Auftrag. Es stellt nach den Vorgaben des Auswärtigen Amtes und unter Führung des Bundesministeriums der Verteidigung die Umsetzung der Rüstungskontrollverträge sicher, die die Bundesrepublik Deutschland mit anderen Staaten abgeschlossen hat. Rund 200 Soldaten des ZVBw inspizieren Militäranlagen der Vertragspartner und begleiten ausländische Delegationen, die zur Inspektion nach Deutschland kommen

Nun – die Ukraine gehört zu den Unterzeichnern des OSZE – Abkommens. Und das Zentrum für Verifikationsaufgaben arbeitet … unter Führung des Bundesminister der Verteidigung und nach den Vorgaben des Auswärtigen Amtes, d.h. – es handelt sich nicht um eine Routineinspektion. Sieht man den Auftrag im Kontext des oben zitierten Abkommens, bildet sich ein Schwerpunkt: vertrauensbildende, friedenssichernde Maßnahmen zwischen Staaten.

Hat Deutschland Konflikte irgendwelcher Art mit der Ukraine, die eine solche Mission derzeit erfordern? Warum schickt das Auswärtige Amt denn dann Soldaten in die Krisenregion der Ukraine, tarnt sie als OSZE-Mission?

Getarnt? Nun – ja. Wie soll ich das sonst nennen. Sie benutzten „Ausweise“ bzw. „Kennkarten“ der OSZE, die man hier – samt dem Truppenausweis des Oberst Axel Schneider – einsehen kann. Andererseits distanzierte sich der Vizechef des OECD-Kriseninterventionszentrums Claus Neukirch von dieser Mission – siehe ORF. Es ist – das sagt er ganz deutlich – KEINE OSZE-Mission, sondern eine „bilaterale“ Aktion der Ukraine … und Deutschlands. „Bilateral“ – hat politisch eine eindeutige Definition:

In der Politik verwendet man das Adjektiv bilateral für Verhandlungen und Abkommen, die ausschließlich zwischen zwei verschiedenen Beteiligten stattfinden.

Ich übersetze die politsche Sprache mal in normales Deutsch: das ist ein Ding, das nur Deutschland und die Ukraine angeht. Die Ukraine fordert deutsche Soldaten an, Verteidigungsministerium und Auswärtiges Amt schicken welche. Die kleben sich OSZE-Plastikschilder ans Auto und versuchen damit, in eine von der ukrainischen Armee belagerte Stadt einzudringen … nach Angaben der prorussischen Ukrainer mit speziellem Kartenmaterial, Sprengfallen und Waffen. OSZE-Beobachter – darauf weist Claus Neukirch explizit hin – sind unbewaffnet. Nur – das waren ja gar keine OSZE-Beobachter. Das waren Militärs, die sich im Nachhinein auf das Dokument WD 11 beziehen. „Antiterrorkampf“ gehört nicht zu den Gebieten, die von WD 11 abgedeckt werden, ebenso wie private Besichtigungstouren, in deren Zusammenhang man sich mit seinem Truppenausweis ausweist.

Die Leitung der Operation wird – laut Claus Neukrich – vom oben zitierten Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr durchgeführt. Das führt gleich zu den nächsten Fragen: in welchem Zusammenhang stehen der Pole Krzysztof Kobielski (Dienstrang: Escort?) und der dänische Oberstabsfeldwebel John Christensen (siehe nochmal: Ausweise) sowie der noch ungenannte Tscheche und Schwede mit dem deutschen Zentrum? Wer hat diese niederen Dienstränge dem deutschen Oberst unterstellt – und warum?

Fragen, die unbeantwortet im Raum stehen müssten, gäbe es nicht den bayrischen Rundfunk.

Oberst Axel Schneider gab dem bayrischen Rundfunk ein Interview – am 23.4.2014. Hier spricht er ein wenig über seinen Auftrag … und die „überraschenden Erkenntnisse“, die er dort gewonnen hat:

Das offizielle Ziel der Mission ist: „Vertrauensbildende Maßnahmen in der Ukraine“.  Warum wir der Ukraine gerade misstrauen, wird nicht näher erläutert. Aber – er hat einen noch weitergehenden Auftrag, der wohl auch für andere Nationen interessant ist.

Er „schaut auf reguläre Kräfte“ „in welchen Zustand sie sind, was sie leisten können“, ob sie „offensiv oder defensiv ausgerichtet“ sind, sein Trupp  „geht in die Einheiten,“ eruiert „Selbstbewusstein“ und „Schlagkraft“ der Truppen und beantwortet vor allem die Frage:

Wie dieser Beitrag im politischen großen Bild eingesetzt werden kann 

Hierzu beantwortet er Fragen zum „Ausbildungsstand“, zur „Identifikation mit dem Land“ kurzum zur

 „Bereitschaft, für das Land in den Einsatz zu gehen“

Obwohl er sich in einem Gebiet aufhält, in dem ein Antiterroreinsatz der ukrainischen Armee stattfindet, der die Bevölkerung aufgrund willkürlicher Erschießungen in „Todesangst“ versetzt (siehe FAZ) hat er „kein offensives Auftreten der Ukraine“ gesehen.  Russische Spezialeinheiten? Hat er nicht gesehen, „wir konzentrieren uns auf die Sicherheitskräfte der Ukraine“. Schade, dass solche Erkenntnisse nicht in der Tagesschau verbreitet werden – sie könnten dem Frieden und der Entspannung sehr dienen.

Natürlich stellt sich die Frage, warum man eigentlich Soldaten in die Ukraine schickt – und keine zivilen Beobachter der OSZE, von der ja schon 140 vor Ort aktiv sind.

Die Entstehungsgeschichte und den entscheidenen Punkt an welcher Stelle man das in die Hände der Bundeswehr gegeben hat den kann ich jetzt so schnell nicht herzitieren.

Was schade ist: die Frage, was deutsche Soldaten mit ukrainischen Kameraden in der Ukraine an „bilateralen“ Geschäften zu erledigen haben, hätte den deutschen Steuerzahler sicher interessiert. Wieso das Auswärtige Amt Soldaten in fremde Länder schickt, ist eh´ schon fraglich genug. Aber: Oberst Schneider erläutert uns noch ein wenig über den Sinn der Kooperation von Auswärtigem Amt und seiner kleinen Truppe:

Es ist aber so das wir alles sehr eng mit unserem Auswärtigen Amt koordniniern, und dann lernen wir voneinander, wie Diplomatie und militärische Planung gut zusammenlaufen können.

Und – gemerkt? MILITÄRISCHE PLANUNG … das ist sein Job in der Ukraine. Bewertung der Kampf- und Einsatzbereitschaft der urkrainischen Armee auf Einladung der ukrainischen Regierung und MILITÄRISCHE PLANUNG.

Welche militärischen Pläne hat eigentlich das Auswärtige Amt in der Ukraine? Zu welchem Zweck verschafft man sich einen Überblick über die Kampfbereitschaft der ukrainischen Armee – bilateral, jenseits aller OSZE-Mandate?

Die Frage nach der Möglichkeit von militärischen Auseinandersetzungen stellt auch die Journalistin des bayrischen Rundfunks. Die Antwort darauf ist sehr interessant – und gruselig.

„Glauben Sie, dass es militärische Auseinandersetzungen geben wird“?

Oberst Schneider: „Das könnte ich jetzt so weder mit ja noch mit nein beantworten. Wir überwachen, wir bewerten, immer in kleinem Rahmen, aber ich glaube, ein bewaffneter Konflikt gehört ganz ganz ganz ans Ende von Optionen“.

Merken Sie den kleinen Unterschied?

Frieden – ist nicht mehr alternativlos.

Krieg – ist eine mögliche Option der Bundesrepublik Deutschland. Und da wird es plausibel, dass man überprüft,in wie fern man sich bei der militärischen Planung auf ukrainische Streitkräfte verlassen kann. Seit Stalingrad weiß die deutsche oberste Heeresleitung, dass unzuverlässige, schwache Verbündete eine ganze Armee der Vernichtung preisgeben können.

Das möchte man nicht wiederholen.

Verstehen Sie jetzt, dass ich zurecht von „Kampftruppen“ geredet habe? Oder … irre ich hier?

Dann erklären Sie mir bitte, welche militärischen Planungen diese seltsame Truppe dort vornehmen hilft. Und erklären Sie mir bitte,welche bilateralen Rüstungskontrollverträge wir mit der Ukraine haben, die dort überprüft werden müssen. Und bitte: ich habe Kinder im wehrpflichtigen Alter. Wäre schön, wenn Sie mir versichern könnten, dass sich der Kosovo nicht wiederholt – mit Russland in der Rolle Serbiens.

 

 

 

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