Mercedes

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Dem Hipster hängt der Zwickel tief – Über Mercedes neue „Grow up“-Kampagne und Chomskys Dressur zu Habsucht, Passivität und Unterwerfung (Teil 3)


(Bilder: Jacques Prilleau, Citizen59/CC/BY/SA)

Ich weiß, es gäbe Wichtigeres zu berichten als über die neue Hipster-Kampagne von Mercedes, z.B. dass in den Kellern des Pentagon vor Kurzem ein Treffen der führenden Generäle von US Army, Marine und Air Force  stattgefunden hat. Das allen Ernstes behandelte Thema: die Siegeschancen in einem großen Krieg gegen China und Russland, also in einem Dritten Weltkrieg. Das im Anschluss dem US Senat dargelegte Ergebnis: Die USA werden gewinnen, aber es wird wohl etwas länger dauern und mehr kosten als erwartet (Quelle: New Eastern Outlook). Mit anderen Worten ist der Endsieg also nur eine Frage des Businessplans. Und wenn der Businessplan stimmt bzw. der Erfolg einer Unternehmung in Aussicht steht, hat man jenseits der Atlantikbrücke bekanntlich noch nie lange gezögert, um ein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Da es, wie Noam Chomsky angemerkt hat, in den USA in Wirklichkeit nur eine einzige Partei gebe, nämlich die „Partei des Business“, dauert es in der Regel auch nicht allzu lange, bis man sich auf Geschäftsführerebene über Geschäftsfragen handelseins ist.

Aber lassen wir das Thema Armageddon wieder beiseite und widmen wir uns unterhaltsameren Dingen. Wer weiß, möglicherweise finden wir inmitten dieser Unter-Haltung auch die Masche, an der wir ziehen müssen, um die Zwangsjacke, die uns trotz überbordendem Wohlstand kaum noch Atemraum lässt, wieder aufzulösen. Trotz äußerlich unterschiedlicher Attitüde geht es in der Werbebranche ja im Kern ums Gleiche wie in der Rüstungsindustrie: ums Business. Und da Geschäft bekanntlich Geschäft ist, wird da wie dort nicht gekleckert, sondern geklotzt, und zwar auf höchst professionellem Niveau. Schauen wir uns gleich mal ein solches Klotzstück an, wie es jüngst über die Glotze rund um den Erdball geschickt wurde und nun bis in die hinterste afrikanische Buschhütte kulturprägend wirkt (siehe YouTube):

Man sieht, wie ein smarter Hipster am Smartphone mehrmals seine verflossene Freundin frägt, ob sie nicht doch wieder einmal Lust auf ein Treffen habe. Man erfährt nicht, warum die junge Dame alle Angebote des Freiers so unwirsch zurückschlägt, aber vermutlich hat sie keine Lust, sich nochmals auf einen Hedonisten einzulassen, der einfach nur seinen Spaß haben will und der sich auf Tinder sofort nach einer anderen Katze umsieht, sobald seine Partnerin einmal krank wird oder in eine Krise kommt (siehe feinschwarz: „Pizza-Sex“). Wenn man sich schon einen Mercedes-Roadster leistet, dann will man ihn ja nicht in der Garage stehen lassen, sondern schon ein paar Spritztouren machen. Wozu ackert man denn sonst hart in einer Wirtschaftskratzlei, deren Geschäftsmodell man eigentlich hasst, wenn man sich nach Feierabend sonst nichts gönnt?

Und obwohl die verflossene Dame sonst nichts mehr für ihren Ex-Lover übrig hat, so gibt sie ihm immerhin noch einen eindringlichen Rat mit auf den Weg: „Schau, dass du dein Leben voranbringst!“ – Womit wir wieder beim zentralen Imperativ „work hard“ sind (siehe dazu auch Carmen Loosmanns Doku „Work Hard,Play Hard“).

Sein Leben voranbringen … frägt sich nur, in welche Richtung? Helmut Qualtingers „Wilder auf seiner Maschin‘“ fällt mir ein, der auf die Frage, wohin er denn fahre, im Vorbeirasen antwortet: „Waaß i ned, aber dafür bin i g‘schwinder durt!“

Sein Leben voranbringen … wie auch Mercedes Vizepräsident den Inhalt der neuen Werbekampagne chrakterisierte: als „progressiv, dynamisch…“ – Ja, Hauptsache progressiv und dynamisch. Die Frage, wo uns diese Progression und Dynamik hinführt (siehe auch „Auf dem Weg zur digitalen Transformation und zum Final Handshake“), werden wir schon sehen und ist für trendige Nerds, die voll von der Gegenwart okkupiert sind, eher nebensächlich. Busy going nowhere, wie es der Vollzeitpartylöwe Hubertus von Hohenlohe schon formulierte, der inzwischen selbst meint, dass wir „in einer Welt von Schein, Rauch, Elektronik und Showbusiness leben“ und den Verlust des Kontakts zu den „Grundelementen der Natur und des Lebens“ beklagt (Quelle: kurier).

In besagtem Werbespot bekommt man schließlich unter melodramatischer Musikuntermalung zu sehen, wie der verschmähte Hipster während eines Radrennes  stürzt und sich am Asphalt blutig schrammt. Mit letzter Kraft kann er sich gerade noch zu seinem Mercedes schleppen, an dem er sich dann auf den Boden gesunken anlehnt. – Wie gut, dass es zumindest einen Blechfreund gibt, der in einem existenziell erschütterten und eigentlich bodenlosen Leben einen stabilen Faktor abgibt … wo der Hipster dann seine Wunden lecken und sich wieder sammeln kann. Abends soll er ja wieder fit for fun sein, und am nächsten Morgen will der Chef Leistung und neue Kaltaquisen sehen. Wie Microsoft jüngst verkündete, wird im neuen Microsoft Office eine künstliche Intelligenz namens „Workplace Analytics“ in Zukunft akribisch analysieren, mit welcher Effizienz ein Büroangestellter E-Mails schreibt und Verkäufe abschließt. Als Messlatte setzt die künstliche Intelligenz dabei eine Verhaltensanalyse der erfolgreichsten Verkäufer in der Vertriebsabteilung an (Quelle: Telepolis). Wenn der von seiner Wochenend-Spritztour heimgekehrte Mercedes-Hipster bei diesem Leistungsmaßstab nicht mithalten kann, dann wird er schnell auch die Leasingraten nicht mehr berappen können und die Bank zieht sein Luxusspielzeug wieder ein. Damit ihm also nicht auch noch die letzte Stütze genommen wird, an die er sich bisher anlehnen konnte, wird der Hipster im Hamsterrad vermutlich alles geben. Sonst stünde er ja buchstäblich vor dem Nichts …

Das wirft wieder einmal eine unverschämt ketzerische und naive Frage auf, die einem im mammonitischen Zeitalter auch umgehend den Kopf kosten kann, wenn man sie öffentlich stellt: Aber ist es ein solch lackiertes Blechhutschpferd überhaupt wert, dass man deswegen als junger Mensch „Alles“ dafür gibt und sein Leben verheizt? Wenn man am Ende seines Lebens zurückblicken muss, so wie der in Steve Cutts Video am Dach seiner Wirtschaftskratzlei auf einer Banane ausrutschende Bürohengst (siehe YouTube), dann wird einem womöglich angst und bange werden angesichts der verronnenen Lebenszeit. Denn Lebenszeit hat im Gegensatz zu Geld eine besonders vertrackte Eigenschaft: Einmal verloren, kehrt sie nie wieder zurück. Verlorenes Geld kann man wieder verdienen, verlorene Lebenszeit ist hingegen einfach futsch.

Aber lassen wir solche ketzerischen Gedanken wieder, sie zersetzen nur die Wehrmacht, die unsere Volkswirtschaft in Zeiten des marktradikalen Wettbewerbs dringend braucht. Kehren wir stattdessen zurück in die nackte Realität. Wie schnell jedenfalls Mercedes-Karossen sogar in betuchten Wohngegenden abbrennen können, durfte man ja am diesjährigen G20-Gipfel in Hamburg beobachten (auch wenn sich die Wut der schwarzvermummten Gestalten dort seltsamerweise eher auf mickrige Kleinwägen gerichtet hat, aber das ist ein anderes Thema … zumindest bei den Unruhen in Paris – siehe  Foto unten – hat sich die Demonstrantenwut noch auf die Luxuswägen der Upperclass gerichtet).


Mercedes E350 – abgebrannt  (Foto: CC/BY/SA/Citizen59)

Aber sind diese Tagesschaubilder überhaupt echt oder nur Fake? Das kann doch nicht sein, dass dermaßen glitzernde, titanisch unbesiegbar wirkende Stahlharnische samt ihren edlen, mokkafarbenen Kunstlederbezügen, den elektrischen Nackenstützen, der Klimatronic und dem WiFi-SubWoofer-System in wenigen Augenblicken zu einem übel stinkenden Gummiklumpen zusammenschmoren, den man dann als Sondermüll entsorgen muss. Stolze Besitzer, die da keine Vollkaskoversicherung samt Terrorismus-Paket abgeschlossen haben, werden also bis zum nächsten Workaholics Day noch härter arbeiten müssen.

Wenn dem Hipster, dem seine Freundin durchgebrannt ist, nun auch seine letzte Stütze abbrennt und er sich nicht einmal mehr an seinem vierrädrigen Freund anlehnen kann, dann frägt man sich schon, auf was denn ein junger Mensch heute überhaupt noch bauen kann.

Eigentlich kein Wunder, dass angesichts solcher Bodenlosigkeit immer mehr Hipster in eine Virtual Reality Cloud emigrieren …

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zum Weiterlesen:

„Grow up“- Teil 1: Jetzt weiß ich endlich, was ein Hipster ist

„Grow up“- Teil 2: MamaPapaBaby Hipster

Endzeit-Poesie 4.0: Die Entscheidung – Das Mingle-Dasein von Generation Tinder

Die Weltherrschaft der USA – Methoden, Ziele und Auswirkungen. Über „Amerikanismus“.

Freitag, 4.8.2017. Eifel. Wissen Sie eigentlich, wann die „herrschenden Kreise“ in den USA die Pläne für die Weltherrschaft geschmiedet haben? Wann jene Nation, die in unzähligen Werbefilmen als „Hort der Demokratie, der Freiheit und der Menschlichkeit“ gepriesen wird, beschlossen hat, dass die Welt nur noch einen Herren zu haben hat? Wann beschlossen wurde, dass man nach dem Fällen der Bäume und Indianer und der Eroberung des Westens den unaufhaltsamen Siegeszug des „american way of live“ weltweit ausweiten würde? Ich kann ihnen den genauen Tag auch nicht sagen, aber mir ist bekannt, dass es mit Kuba begann – und dem US-Präsidenten John Quincey Adams … und zwar 1820 (siehe Noam Chomsky, War against People, Piper, 2. Aufl. 2006, Seite 64). Eine Kultur wie eine Mongolenhorde, ausgestattet mit räuberischem Personal aller europäischer Nationen, die zuvor von ihren Herren gelernt hatten, dass die Ausplünderung der Welt, der Schwächeren, der Friedlichen enorme Rendite verspricht und aus jedem Hanswurst einen Millionär machen kann. Sie wissen worauf ich hinaus will? Nach den ersten – vielleicht noch harmlosen – Auswanderern, die in friedlicher Koexistenz mit den Indianern lebten, kamen die Räuber, Gauner, Halsabschneider, die eine schnelle Mark witterten: Land, Fälle, Skalps, Vieh, Gold, später Öl – da gab es reichlich Beute zu machen (siehe hierzu: 500 Nations, Alvin M. Josephy, Weltbild 2007 – am besten mal das ganze Buch über die Geschichte der Indianer und ihre fünfhundert Nationen lesen). Eine gigantische Räuberbande durchzog die Länder, gesteuert von den „reichen Familien“  – zuerst jenen, die noch in den Herrschaftshäusern Europas saßen, dann jenen, die schon mit Geld ins „Reich Gottes auf Erden“ kamen oder eben jene, deren Vorfahren schon reichlich zugegriffen hatten. Und als man die Grenzen des Kontinentes erreicht hatte – die Grenzen des räuberischen Wachstums – was es nur logisch, dass man Flotten baute, damit das Wachstum weiter fortschreiten konnte.

Harte Worte, oder?

Ich weiß, dass ich mir nun harsche Kritik zuziehen werde, höre jetzt schon die bezahlte Meute toben, hier würde Antiamerikanismus gepredigt. Antiamerikanismus – haben  Sie sich über dieses Wort schon mal Gedanken gemacht? Nein? Wieso nicht, Sie hören es doch einmal die Woche – mindestens. Sie wissen auch, was damit gemeint ist: aufrührerische Reden gegen den großen Bruder führen – das ist verpönt. Aber mal was anderes: Antikommunismus kennen Sie auch, ist die Bewegung, die gegen den Kommunismus organisiert. Was aber organisiert der Antiamerikanismus? Was ist – jetzt mal genauer gefragt – Amerikanismus?

Antiamerikanismus kennen wir genau (siehe Spiegel):

„In der Auseinandersetzung mit Russland zeigt sich bei Teilen der deutschen Bevölkerung antiamerikanisches Denken. Das mutet an wie ein pubertärer Komplex.“

Später in dem hämischen Artikel erfahren wir, dass dieser „Komplex“ noch andere Dimensionen hat: Paranoia. Wer die USA kritisiert, muss geisteskrank sein. Und das schreibt ein Mainstreamnobelblatt, ohne zu stammeln oder rot zu werden … da läuft einem ein kalter Schauer über den Rücken.

Ich halte mich nicht für antiamerikanisch. Ich war ein paar mal dort und fand, dass dort wunderbare Menschen leben – wie überall auf diesem Planeten. Gut – dass die die meisten Massenmörder der zivilisierten Menschheit ihr eigen nennen, hat mich immer etwas irritiert – doch von denen habe ich bewusst keinen kennengelernt. Ich habe viele tolle Erlebnisse mit den einfachen Menschen dort gehabt, die es mir unmöglich machen würden, blinden Amerikanismus zu predigen, auch heute habe ich noch Kontakte in diesem Land, auf die ich nichts kommen lassen möchte. Was haben jene Menschen auf mit ihren Führern zu tun? Sie machen das, was alle Lebewesen machen: erfüllen ihren Auftrag, in dem sie für ihr eigenes Überleben sorgen – und das Überleben der Art. Die Bühne jedoch für das Theaterstück – die Megastädte, die Auto- und Eisenbahnen, die ganze Infrastruktur … für die zeichnen andere verantwortlich. Gilt ja auch für Deutschland: wann hat Sie mal jemand gefragt, ob sie gerne eine Autobahn, eine Eisenbahnlinie oder einen Flughafen neben Ihrem Garten haben wollen? Oder Gift im Essen, Nanoplastik im Wasser, Feinstaub in der Luft? Das … organisieren andere – wie ich entsetzt erfuhr, werden inzwischen sogar Kinderleichen zu Nahrungsmittel verarbeitet … als Geschmacksverstärker (siehe liebeistleben). Gut, so darf man das nicht sehen: aktuell ist der Bürger, der Mensch, das Individuum – genau genommen also: NUR SIE! – für alle Übel der Welt höchstpersönlich selbst verantwortlich, obwohl er nie direkt zu einer der kritischen großen Entscheidungen befragt wurde.

Aber auch das gehört zu dem, was ich jetzt mal … Amerikanismus nenne. Politischen Amerikanismus, denn in der Sprachwissenschaft gibt es den Begriff schon, er bezeichnet die besondere Art des Englischen, die dort gesprochen wird, ebenso wurde der Begriff schon mal in der katholischen Kirche verwendet – um die besondere Situation der katholischen Gläubigen in den protestantisch geprägten USA zu beschreiben.

1898 wurde der weltweite Raubzug der USA fortgesetzt: Kuba, Puerto Rico, die Phillipinen wurden erobert, ebenso wurde Hawai annektiert und als strategisches Ziel China ausgewiesen – und die Oberherrschaft über die Weltmeere geplant (siehe Chomsky, a.a.O.). Ja, Sie lesen richtig: die USA wurden nicht zufällig Weltmacht Nr. 1, die führenden Kreise führten die ersten notwendigen Schritte dazu bereits 1898 – nach langer Planung – aus. Natürlich brauchte man auch Panama, damit die großen – gerade im Bau befindlichen – Flotten zwischen beiden Weltmeeren schnell hin- und hergeschoben werden konnten. Schauen Sie sich mal einfach den Panamakonflikt an – Roosevelts Räuberei an Kolumbien. Wikipedia hat zu ihm eine interessante Formulierung  veröffentlicht (siehe Wikipedia):

„Zwischen 1903 und 1968 galt Panama als eine konstitutionelle Demokratie, die von einer kommerziell orientierten Oligarchie beherrscht wurde“

Irre, oder? Wie kann man sich Demokratie nennen, wenn man von einer kommerziell orientierten Oligarchie beherrscht wird? Nun – das ist halt der american way of life, der große „american dream“ – kurz: Amerikanismus. Wer das Geld hat, hat die Macht – und daran soll nicht gerüttelt werden. Wenn die Schriftstellerin Birgit Vanderbecke gerne wüßte, von wem wir regiert werden (siehe hinter-den-schlagzeilen), so vermag ihr ein Blick auf den „Amerikanismus“ in Panama helfen, eine Antwort zu finden.

Verlassen wir das 19. und 20. Jahrhundert, wagen einen Sprung in die Gegenwart. Wir überspringen einfach mal die beiden Weltkriege, die – ehrlich gesagt – dem Vormarsch der USA sehr dienlich waren. Im 21. Jahrhundert können wir von einer Weltherrschaft des Amerikanismus sprechen, die einhundert Jahre zuvor eingefädelt wurde – während man uns immer beibringt, dass Politik nicht länger als vier Jahre denken und planen kann. Die Methoden der Herrschaft haben sich jedoch weitgehend verändert: es sind nicht mehr die US-Kanonenboote, die für die Öffnung der Häfen sorgen (wie dereinst in Japan), das Modell Panama hatte sich als so erfolgreich gezeigt, dass man es heutzutage weltweit anwendet. Hören wir Noam Chomsky zu – einem Amerikaner, den ich zum Beispiel sehr schätze, weil er die helle Seite der freiheitsliebenden Bevölkerung präsentiert, der sich zu der Schuldenkrise der Welt äußert (siehe Chomsky, a.a.O., Seite 71):

„Das Geld wurde nicht von Campesinos, Fabrikarbeitern oder Slumbewohnern geliehen. Die Bevölkerungsmehrheit hatte wenig von den Anleihen, sondern oftmals unter den Folgen zu leiden. Aber der herrschenden Ideologie gemäß muss sie die Last der Rückzahlungen tragen, während die Risiken durch Stützungskäufe des Weltwährungsfonds (die an Kreditgeber und Investoren, nicht an die Länder gehen) und andere Maßnahmen auf die Steuerzahler im Westen übertragen werden. Kürzlich vergebene Kredite des IWF halten sich an diese Norm, weil „private Kreditoren die IWF-Gelder in die eigenen Tasche steckten, während die Schuldnerländer die Schulden der Privatwirtschaft im Endeffekt nationalisiert haben“. Durch solche Maßnahmen werden die Banken, die faule Kredite gewähren, ebenso geschützt wie die Eliten in Wirtschaft und Militär, die sich selbst bereicherten, während sie den Reichtum außer Landes schafften und die Ressourcen ihres Heimatlandes in Besitz nahmen.“

Erkennen Sie sich schon wieder? Ja, Sie sind der Campesino, Fabrikarbeiter oder Slumbewohner – und ihre Kinder und Enkel werden deren Lebensumständen immer näher kommen. Das ist der geniale Trick der Welteroberer: wozu Blut riskieren, wenn man auch anders zum Ziel kommen kann? Einfach den Regierungen Geld schenken – wofür die dann US-Waffen kaufen, Konzerne beauftragen oder hemmungslos Waren konsumieren – und dann die Zinsen und Rückzahlungen von den Bürgern leisten lassen, also: Amerikanismus verbreiten. Raten Sie mal, wer die massiv gestiegenen Diäten bezahlt, während die Mittelschicht – allen Unkenrufen zum Trotz – immer weiter schrumpft (siehe Zeit)? 1995 lag das Durchschnittseinkommen bei 2470 Euro, 2016 sind es 3898 Euro (Männer, Vollzeit, siehe Statista), also 1428 Euro mehr. Die Diäten eines Bundestagsabgeordneten lagen – ohne die zusätzlichen Pauschalen – 1995 bei … irrsinnigen … 5300 Euro, 2016 bei 9327 Euro (siehe Flegel): das sind 4000 Euro mehr. Fast das dreifache der Steigerungen – und mehr als das dreifache, wenn man die Löhne aller Arbeitnehmer einbezieht, denn dann kommen wir 2014 auf einen Medianlohn von 2990 Euro …. während ein Abgeordneter zu dem bestbezahlten obersten Prozent des Landes gehört (siehe Spiegel).

Für wen macht der wohl noch Politik? Erst recht, wenn man überlegt, dass nach Erkenntnissen jede Form von Macht auch die Ehrlichsten dazu verführt, sich zu bereichern (siehe Standard).

Ein riesengroßer Raubzug, den Chomsky an mehreren Beispielen belegt, die besagen, dass die Summe der außer Landes geschafften Werte in aller Regel der kompletten Staatsverschuldung entspricht. Allein die Summe der aus Deutschland abgezogenen Gelder in der Schweiz beträgt 400 Milliarden Euro (siehe Tagesspiegel): verstehen Sie langsam, warum Sie immer mehr arbeiten müssen, immer weniger Kaufkraft zugestanden bekommen aber andere immer reicher werden – ohne große Anstrengungen? Ja: das ist Amerikanismus. Das ist „Amerikas Strategie der Vorherrschaft“ (siehe Zbigniew Brzezinski, Kopp Verlag, 4. Auflage 2017), der Kampf um die eurasische Weltinsel, der gerade mit den Konfliktfeldern Ukraine, Nordkorea und Irak/Syrien in eine neue Phase des heißen Krieges eintritt, um dem Amerikanismus neue Plündergebiete zu besorgen. Diese Plündergebiete brauchen auch wir Deutschen – ohne das Lithium aus Bolivien sind unsere Träume vom Elektroauto schnell ausgeträumt (siehe Welt).

Man kauft sich einfach mit Krediten bei dem oberen Prozent ein, Kredite, die dann die unteren 99 Prozent bezahlen können – und übt so quasi kostenfrei Weltherrschaft aus. Die Abgeordneten kriegen unanständig hohe Diäten, die Konzernmanager Traumgehälter der Großfürstenklasse, die Aktionäre Renditen, die kaum mit der realen Marktlage in Einklang zu bringen sind – und bezahlt wird das aus den Kürzungen in der Sozialgesetzgebung. Darum arbeiten wir mehr und mehr, während unsere Schulen, Straßen und Krankenhäuser zerfallen. Amerikanismus halt. Und wer den beschreibt … bekommt dicken Ärger. Ist paranoid.

Ob das auch wohl die Griechen so sehen, die nach der gleichen Methode „behandelt“ wurden, deren Oberschicht ebenfalls gigantische Geldmengen ins Ausland schaffte, was der Bürger mit Rentenkürzungen bezahlten musste – und jetzt mit der Verramschung seiner lebensnotwendigen Grundversorgung, des … Wassers (siehe taz). Wer übrigens an weiteren Details interessiert ist, wie Außendienstmitarbeiter des Amerikanismus Regierungen auf Kurs bringen, der sei an das Werk „Bekenntnisse eines economic hit man“ verwiesen, dem wir ein paar Innenansichten des Amerikanismus verdanken (siehe Spiegel):

„Sein erklärtes Ziel: „Mit viel Geld Regierungen von Dritte-Welt-Ländern in ein Netzwerk aus US-Interessen hineinzuziehen und sie in eine finanzielle Abhängigkeit zu befördern, die sie für die USA wirtschaftlich und politisch steuerbar macht.“ Kurz: Volkswirtschaften zu ruinieren.“

Studieren Sie die hier genannten Quellen ruhig sorgfältig, ich erarbeite sie mir nicht umsonst. Ist ja auch alles bekannt, schon seit Jahren, seit Jahrzehnten. Wir wissen auch, wo das enden wird: in einer neuen Orgie des globalen Rassismus, die wir schon in jetzt erkennen können: hochedle Leistungsträger gegen nichtsnutzige Schmarotzer und Parasiten – das ist seit 2005 die Parole im einst so demokratischen Deutschland. Der Staat bürgt mit gigantischen Beträgen (Beispiel: Bankenrettung – um nur eins zu nennen) dafür, dass sich die großen Konzerne den so hoch gepriesenen „Gesetzen des Marktes“ nicht mehr stellen müssen – sondern ganz sicher immer vom Staat gerettet werden, während der Arbeitslose eine besondere Verfolgung zu befürchten hat. Merkt man doch an der aktuellen Dieselaffäre … die nun mit einer „Software“ gelöst wird (siehe ntv). Warum nicht gleich mit einer neuen Wagenfarbe? Ist wahrscheinlich teurer als die Software.

Amerikanismus live. Mitten in Deutschland. Erkennen viele, nur nennen sie es nicht so (siehe Zeit):

„Man muss sich noch einmal an den Ausgang der Geschichte erinnern, um die ganze Ungeheuerlichkeit dieses Verhaltens zu begreifen: Da täuscht eine Industrie nicht nur ihre Kunden, indem sie ihnen Autos verkauft, die nicht leisten, was die Werbung verspricht. Sie mutet wider besseres Wissen vielen Millionen Menschen zu, gefährlich schlechte Luft zu atmen und macht damit Rekordgewinne. Und jetzt erlaubt ihr die Bundesregierung auch noch, den Schaden nicht mal ganz zu reparieren, sondern lässt sie mit völlig unzureichenden Maßnahmen davonkommen.“

Der kleine Gangster kriegt Gefängnis, der große einen Gipfel. Wieder einmal wurde uns gezeigt, wer hier das Sagen hat. Und wer zahlen darf (siehe Spiegel):

„Das deutsche Auto ist systemrelevant. Was anderswo die Banken waren, könnten hierzulande die PS-Konzerne werden – too big to fail. Sollten sie in existenzielle Schwierigkeiten geraten, dürfte ihnen der Staat zu Hilfe eilen, wie bereits das Gezerre um Opel 2009 angedeutet hat.“

Wie Chomsky schrieb, was der Panamakrieg lehrte: Amerikanismus ist eine Demokratie, die von einer wirtschaftlichen Oligarchie auf Kosten der Bevölkerungsmehrheit fürstlich durchgefüttert wird – und das gerne weltweit, auch in den letzten Flecken der Erde. Schauen Sie sich mal die Liste der Dienstwagen der Ministerien an (siehe Deutsche Umwelthilfe): der dreckigste Diesel Deutschland (siehe Duh) befördert die meisten Minister, in der Aufstellung der dreckigsten Diesel wird er noch nicht mal erwähnt (siehe Duh), toppt der doch den Spitzenreiter fast um das Dreifache.

Und: lassen die Minister ihre Autos jetzt stehen? Wahrscheinlich sind sie damit stolz zum Dieselgipfel gebraust – und brausen auch weiterhin damit herum.

Ach ja: Rassismus. für den brauchen wir auch ein neues Wort.

Der alte wurde wie folgt beschrieben:

„Die Art (gedeutet als durch Geburt erworbene und vom „Blut“ erhaltene Rasse) ist für den Wert des Menschen ausschlaggebend. „Hohe Art“ (Rasse) wird durch niedrige Art (Rasse) herabgezogen (verunreinigt, gemindert), was für die „höchste Art“ (Rasse) immer nur abträglich sein kann“ (siehe: Friedrich Wilhelm Haack, Europas neue Religionen, Sekten, Gurus, Satanskult, Bertelsmann 1991, Seite 108)

Ersetzen Sie Blut, Art, Rasse durch …. Kontostand (ja, das wird nicht einfach zu formulieren, aber: Sie schaffen das). Und nennen Sie diese Form von Rassismus Amerikanismus – dann können Sie sich selbst ausrechnen, wie die Zukunft ihrer Kinder aussieht und warum die Gegenwart immer unerträglicher wird – trotz Demokratie. Geplant seit 200 Jahren, organisiert von 200 Familien (siehe Berliner Zeitung):

„Die USA wird von 200 Familien regiert und zu denen wollen wir gute Kontakte haben“, sagt der Vorstands-Chef der Atlantik-Brücke, Arndt Oetker. Um Probleme effizient zu lösen, ist es eben hilfreicher, wenn sich die Entscheidungsträger persönlich kennen.“

Und wir Bürger selbst? Nun – beweisen eins ums andere Mal, dass wir ganz feine Menschen sind (siehe Herzsfelder Zeitung):

„Nach drei Tagen mit 11 000 zahlenden Besuchern plus deren Kindern, die freien Eintritt haben, sagt Polizeioberkommissar Oliver Vogt, der seit Dienstag die Einsatzleitung beim Burg Herzberg Festival hatte, am Samstagabend: „Wir hatten bisher nicht eine einzige Strafanzeige, keine Diebstähle, Schlägereien oder Hinweise auf Belästigungen“

Und auch die Polizei zeigt ihr Gesicht als … Freund und Helfer.

„Dieses Lob an die Besucher, die vom Schlamm-Fest bis zum Tanz im Sonnenschein alle Festival-Wetter im Zeitraffer erleben durften, bekam die Polizei aber auch zahlreich von den Hippies zurück. Überall ein Dankeschön fürs Mit-Anpacken, wenn mal ein Wagen im Schlamm steckenblieb (was hundertfach vorkam)“

Eine kurze Notiz zum größten Hippiefestival in Deutschland. In Wacken – wo heftig gehardrockt wird – soll es ähnlich gewesen sein, hörte ich.

Das sind wir, wenn wir außerhalb des Amerikanismus leben.

Während unsere reiche Regierung die Ausweitung des Amerikanismus plant – wie jüngst beim G 20 Gipfel (siehe Spiegel):

„Erklärtes Ziel demnach: „Die Rahmenbedingungen für nationale und internationale Investoren sollen verbessert und der Zugang zu Krediten (……) erleichtert werden.“ Die afrikanischen Partner sollen im Gegenzug erneuerbare Energien fördern und den Finanzsektor reformieren.“

Noch Fragen?

 

 

 

 

 

Jetzt weiß ich endlich, was ein Hipster ist – Über Mercedes neue „Grow up“-Kampagne und Chomskys Dressur zu Habsucht, Passivität und Unterwerfung (Teil 1)

dem hipster
hängt
der zwickel
tief
irgendwas
mit medien.
echt.
(j. l. prilleau)

Vor Kurzem hat mir ein Spenglermeister, eigentlich ein sehr beherrschter und gutmütiger Mann, erzählt, dass ihm gerade die Nerven gerissen seien und er einem seiner Lehrlinge eine heftige Ohrfeige gegeben habe. Der Grund dafür war, dass er es einfach nicht mehr fassen könne, wie die jungen Leute nur noch auf ihren Smartphones herumwischen, selbst die einfachsten Dinge quasi über Nacht vergessen und er ihnen die elementarsten Handgriffe jeden Tag aufs Neue erklären muss.

Wie soll man also in solcher Situation allgemeiner Gehirnerweichung jungen Leuten, die sich nichts mehr merken, trotzdem die Botschaft einprägen, dass sie „Dinge kaufen sollen, die sie nicht brauchen … um Geld, das sie nicht haben … um Menschen zu imponieren, die sie nicht mögen“ (R. D. Precht)?

Nun, ich versichere Ihnen – das geht! Selbst in Zeiten von Prekariat und Working Poor ist es möglich, eine ganze Generation auf Linie zu bringen, wenn man mit einem mehrstelligen Millionenbudget die hochkarätigsten Experten aus den Bereichen Marketing, Psychologie, Regie, Show, Product Placement, Sounddesign und Industrial Light&Magic zusammenspannt – dann schaffen wir das! Ein Musterbeispiel dafür ist die neue Mercedes-Kampagne „Grow up“, mit der aktuell alle Informationskanäle geflutet werden. Der Marketingchef von Mercedes-Benz spricht von einer „unkonventionellen Kampagne, die sich in ihrer digitalen Ausrichtung und ihrer Content-Mechanik nicht sofort wie Werbung anfühlt“. Mit mehr als 100 „Bewegtbildsequenzen“ und über 90 „Lifestyle- und Produktbildern“ soll bis Ende des Jahres „eine junge Generation im Spannungsfeld des Erwachsenwerdens“ dargestellt und damit „permanente Visibilität und Aufmerksamkeit“ generiert werden.

Werbeprofis sprechen von einem genialen Schachzug und evolutionären Schritt in der Profession des Product Placements: Luxusfahrzeuge werden nicht mehr plump direkt beworben, sondern „beiläufig eingeflochten“ und als „unverzichtbarer Luxus“ im Leben junger Hipster dargestellt, während sich der hauptsächliche Inhalt der Filmsequenzen eigentlich auf die hedonistischen Lebensgefühle einer konsumorientierten Generation Doof bezieht, wie sie der neoliberale Konzern gerne in seinem Bilderbuch stehen hätte. Marketing-Experte Matthias Meusel (Grey Berlin) zur neuen Kampagne: „Mercedes-Benz ist eben nicht nur der Begleiter in allen schönen und schwierigen Lebenslagen, sondern steht für den neuen Alltags-Luxus, für den mobilen Hedonismus der jungen Generation (…) daher ist die Kampagne aktuell eher nur als Hipster-Lifestyle-Content zu sehen.“ Auch sein Kollege Michael Reidel titelt: „Mercedes, jetzt auch für Hipster“.

Gehen wir aber gleich in medias res und tauchen wir für eine Minute in den Original-Trailer von „Grow up“ ein. Die Marketing-Experten der für die Kampagne verantwortlichen Agentur Antoni wissen, dass man in einer knappen Minute keine Zeit verlieren darf und kommen ohne Umschweife zur Sache. Die Lehranweisung beginnt mit der Erklärung: „Wenn du älter wirst, zählen im Leben ein paar einfache Regeln: …“

Dazu folgt eingangs gleich der kardinale Imperativ: „WORK HARD!“ – kombiniert mit Lifestyle-Aufnahmen aus dem Rotlicht-Milieu. Die Botschaft ist klar: Wenn du hart arbeitest, kannst du abends auch „Spaß“ haben. Die GoGo-Girl-Puff-Szenen gehen dann allerdings gleich über in die Aufforderungen „Achte auf deine Manieren!“ und „ZEIGE RESPEKT!“ (ein Chef wird eingeblendet) – der Hipster soll ja nicht auf die Idee kommen, „einfach nur“ Spaß zu haben und im rat race nichts zu leisten. Schließlich das unvermeidliche: „Get a job!“ und der beiläufige Ratschlag, sich richtig anzuziehen. Die Regisseure beweisen auch Sinn für Sarkasmus, indem sie beim Sujet „Get a real job“ ausgerechnet den ehemaligen Crack-Dealer und Rapper ASAP Rocky einblenden, wie sich dieser auf einer Mercedes-Motorhaube trollt und dabei müde die Augen darüber verdreht, wann denn diese tödlich langweiligen Dreharbeiten am Set endlich vorbei sind, bei denen er unter Scheinwerferlicht und Regieanweisungen stundenlang immerzu die gleichen nichtssagenden Posen wiederholen muss, nur damit die Filmproduktion Iconoclast unter Nachbearbeitung der Berliner nhb Studios und des digitalen Kampagenhubs der Pixelpark AG daraus dann die coolsten fünf Sekunden herausschneiden und für ihre Zwecke verwerten können (siehe wuv). Der Rap-Rocky wurde von Mercedes gleich für mehrere Videos der „Grow up“-Kampagne unter Vertrag genommen – ist er doch der lebende Beweis dafür, dass man es selbst als Underdog aus der Bronx zum Millionär bringen kann, wenn man nur bereit ist, „ein paar einfache Regeln“ zu befolgen.

Zurück aber zum „Grow up“-Video: Neben einigen gänsehauterzeugenden Lifestyle-Sujets betreffend Familiengründung, Sport und Hedonismus im „beat of your own drum“, die dem jungen, leistungsbereiten Hipster flüssig die Gurgel runtergluckern wie ein aspartamgesüßter Energydrink, dann wiederum der Chef in Großaufnahme mit der finalen, akzentuiert gesprochenen Endbotschaft: „LISTEN TO ADIVCE“ („Hör auf das, was man dir sagt!“). Wer bereit ist, dieser Anweisung des dicken Chefs zu folgen und für sein Profitbordell … – pardon, ich meine natürlich: für seine renommierte Wirtschaftskanzlei im Hamsterrad zu laufen, dem werden in einer auf das „LISTEN TO ADIVCE“ folgenden Bildersequenz auch gleich diejenigen Genüsse gezeigt, an denen der karriereaffine Hipster dann lecken darf – vorausgesetzt natürlich, er arbeitet „hart genug“: hedonistische Strand-Surf-Luxus-Katzen-Headbang-Asphaltcowboy-Szenen, untermalt mit laszivem hyper-emotional Sound, rauschen wie überschäumender Sekt in die Augen und offenen Münder der Zuseher.

Wer während des Videoclips nicht alle paar Sekunden die Pause-Taste drückt, um die rauschende Bilderflut bewusst zu verarbeiten, der bemerkt wohl kaum die Kröten, die er mitsamt diesem sprudelnden Sekt schluckt. Die Chancen, dass ein junger Mensch, der sich diesen Spot reinzieht, die darin verpackten Botschaften auch angemessen verarbeiten kann, divergieren statistisch gesehen vermutlich gegen Null. Da wundert es einen nicht länger, dass heute bei Friedensdemonstrationen trotz eskalierender globaler Situation weitgehende Flaute herrscht und aufgeklärte GWUP-Skeptiker auf ihren Science Blogs über den mickrigen Rest der Friedensbewegung, die sich zuletzt beim Pax Terra Festival neu formieren wollte (siehe Rubikon), nur höhnisch lachen können. Ihrer messerscharfen Analyse zufolge sind es nur „Querfrontler“ und Fortschrittsverweigerer, die sich dort herumtreiben – wer hingegen den Fortschritt auf seiner Seite hat, der surft heute lieber mit vollem Rückenwind der herrschenden „Wissenschaften“ auf der Welle des neoliberalen Sektstrahls und des technokratischen Szientismus Richtung Grand Canyon. Ja, wirklich: Warum sollte man sich denn bei Friedensdemonstrationen von Wasserwerfern der Exekutive nassspritzen lassen, wo man doch stattdessen mit einer gazellenbeinigen Katze in einem Cabrio-Roadster eine Spritztour machen und „einfach abhängen“ kann? Außerdem: Spätestens seit den G20-Randalen in Hamburg weiß man ja, dass nur schwarzvermummte Vandalen gegen Neoliberalismus und Ausbeutung protestieren, anständige Bürger bleiben daheim und gucken Tagesschau, bevor am nächsten Morgen wieder der Wecker läutet und das Murmeltier grüßt.

Der Hipster 4.0 von heute hat indes anderes zu tun, als gegen eine von Jean Ziegler als „kannibalisch“ bezeichnete Weltordnung aufzubegehren: „hard worken“ eben – um sich die Leasingraten für die aufgepeppten Blechkäfer aus der „Grow up“ Werbung leisten zu können. Um in diesen flotten Käfern eine flotte Biene spazierenführen zu können, spart man sich schon mal das Brot vom Mund ab und futtert Budget-Frittes und Junkfood aus dem Lidl-Gefriersortiment. Für ein paarhundert Euro monatlich ist man per Leasingvertrag sogar als Friseur- oder Mechatroniklehrling mit dabei – vorausgesetzt, dass man „hard workt“ (und noch bei den Eltern wohnen darf). Vorige Woche wurde übrigens wieder der „Workaholics Day“ gefeiert – dieser vor vier Jahren neu inaugurierte Feiertag soll uns an jene Konzernrealität erinnern, welche die Filmemacherin Carmen Loosmann mit ihrer Doku „Work Hard,Play Hard“ recht anschaulich ins Bild gebracht hat (Warnung: Lt. Filmkritik der Frankfurter Rundschau erfasst einen beim Ansehen dieser Doku „zugleich Kälte und Angst“) oder die uns der aus der Branche ausgestiegene Ex-Werbeprofi Steve Cutts in einem kurzen Cartoon vor Augen führt:

Da ich mir vorgenommen habe, über toxische Sachverhalte nicht mehr zu schreiben, ohne nicht auch ein probates Gegengift anzubieten, hier also ein kleines Medicum, mit dem die Leber die aus dem Werbevideo aufgenommenen Schadstoffe wieder ausscheiden kann:

Die langjährige Sterbebegleiterin Bronnie Ware hat ein Buch geschrieben mit Titel „Die fünf Dinge, die Sterbende am meisten bereuen“ (siehe Kurzfassung in welt.de). Sie begleitete unzählige Menschen bei ihren letzten Atemzügen und hörte dabei  immer dasselbe Bedauern und dieselben Vorwürfe: „Das Bedauern darüber, nicht das Leben gelebt zu haben, das sie sich gewünscht hatten. Reue angesichts der Entscheidungen, die man getroffen oder nicht getroffen hat. Vorwürfe gegenüber sich selbst, weil diese Erkenntnis erst kam, als es bereits zu spät war.“

„Wenn sie sterben, kommt eine Menge Furcht und Ärger aus den Menschen heraus … und dieses ‚Ich wünschte, ich hätte …'“, sagt Bronnie Ware.

Auf Platz 1 der am meisten bereuten Dinge:

„Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, mein eigenes Leben zu leben“

folgt sogleich Platz 2:

„Ich wünschte, ich hätte nicht so viel gearbeitet“

„Alle Männer, die ich gepflegt habe, haben das gesagt“, erzählt Bronnie Ware. „Fast alle haben zu viel gearbeitet und zu wenig gelebt – weil sie Angst hatten, nicht genug Geld zu verdienen, oder ihrer Karriere wegen.“ Sie schildert weiters, dass viele Menschen ihre wahren Gefühle um des scheinbaren Friedens willen unterdrücken. „Das führt dazu, dass sich viele in einer mittelmäßigen Existenz einrichten und nie zu dem werden, was sie hätten sein können.“ Viele Krankheiten, die ihre Patienten über die Jahre entwickelten, rührten daher, glaubt sie. Für sich selbst hat Bronnie Ware entschieden, dass sie nur noch das macht, was sie in ihrem Leben von ihrem Innersten aus tun wolle. „Ich weiß ja, was ich sonst auf meinem Sterbebett bereue“, sagt sie.

Damit spricht die Sterbebegleiterin etwas an, was einem in unserer vermeintlich alternativ- und trostlosen Zeit am meisten abgesprochen wird: Das eigenverantwortliche Gestalten des Lebens auf Basis individuell formulierter Ideale – die, das wage ich aus voller Überzeugung zu sagen, bei ausnahmslos jedem Menschen in Wirklichkeit, d.h. im oftmals zugeschütteten Inneren, diametral entgegengesetzt sind zu dem marktradikalen (’neoliberalen‘) Wahn-Sinn, der uns heute von Kindesbeinen an in Schule, Uni und Medien als Normalität verkauft wird. Von Medien, die uns laut Noam Chomsky „ideologisch zum Gehorsam, zur Passivität, Konformität, Habsucht und Unterwerfung erziehen“, uns „mithilfe bedeutungsloser Slogans und des Fernsehens zu apathischen, autoritätsgläubigen, kaufsüchtigen wie desinteressierten Konsumidioten formieren“ und solcherart die Bevölkerung „sozial atomisieren, fragmentieren und dadurch politisch marginalisieren.“ (siehe „Die Wachhunde der Machtelite“)

Dass man den Gegenwind nicht zu scheuen braucht, der einem entgegenweht, sobald man von dieser Fähigkeit zum Schwimmen gegen den Strom Gebrauch macht, hat uns schon Dorothee Sölle gezeigt mit ihrem Lebensmotto:

„Grenzenlos glücklich,
absolut furchtlos,
immer in Schwierigkeiten.«

oder mit Goethes ermutigenden Worten:

„In dem Augenblick,
in dem man sich endgültig einer Aufgabe verschreibt,
bewegt sich die Vorsehung auch.

Alle möglichen Dinge,
die sonst nie geschehen wären, geschehen
um einem zu helfen.

Ein ganzer Strom von Ereignissen wird in Gang gesetzt
durch diese Entscheidung
und sie sorgt zu den eigenen Gunsten
für zahlreiche unvorhergesehene Zufälle,
Begegnungen und materielle Hilfen,
die sich kein Mensch vorher je erträumt haben könnte.

Was immer du kannst oder Dir vorstellst,
dass Du es kannst,
beginne es.

Kühnheit trägt Genie,
Macht und Magie in sich.

Beginne jetzt!“

___

zum Weiterlesen:

„Grow up“- Teil 2: MamaPapaBaby Hipster

„Grow up“- Teil 3: Dem Hipster hängt der Zwickel tief

Endzeit-Poesie 4.0: Die Entscheidung – Das Mingle-Dasein von Generation Tinder

 

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