Sonntag, 23.2.2014. Eifel. Wieder einmal Sonntag. Wieder einmal Zeit, sich von den Wirren des Alltages wenigstens gedanklich zu verabschieden und sich anderen Themen zuzuwenden, Themen, die die Machtmenschen der Gegenwart locker unter „Gedöns“ abheften. Heute dachte ich mal … reden wir mal über „Glück“. Das hat auch einen wichtigen Hintergrund – vor einigen Wochen hatte mir ein Sozialarbeiter in leitender Funktion, ein Mensch, der täglich mit vielen anderen Menschen aus unterschiedlichsten sozialen Verhältnissen zu tun hat, eine erstaunliche Frage gestellt … die mich erschrocken hatte:
„Kennen Sie auch nur einen Menschen, der glücklich ist?“
Ich hätte fast gesagt: ich … fand es jedoch unklug, ein neues Fass aufzumachen. Die Frage nach dem eigenen Glück kann ich einfach beantworten: ich habe meinen Schopenhauer gelernt.
Er hat – ich zitiere hier mal frei – den Zustand der Menschheit als beständiges Zittern zwischen zwei Polen beschrieben. Auf der einen Seite droht die Not: die Pest, der Krebs, die Armut, der Hunger, die Kälte, das Raubtier.
Auf der anderen Seite, dort, wo die Milliarden sicher verschlossen in luxuriösen Landhäusern auf gigantischen Ländereien ruhen, droht … die Langeweile.
Wer nun Not hat, träumt von den Milliarden als Glücksbringer, es ist ihm kaum verständlich, das reiche Menschen unglücklich sind.
Wer aber nun Langeweile hat, sehnt sich zurück nach jenen Zeiten, wo das Leben noch ein Abenteuer war, wo es aufregend war, prickelnd, voller Herausforderungen, die existentiell bedrohlicher waren als der primitive Kokskonsum während einer der zahlreichen, wöchtentlichen „Events“, die man in teurer Seide aufsucht, um der quälenden Langeweile der eigenen vier Wände zu entkommen … in der Hoffnung, irgendwo dort draußen Menschen zu begegnen, die die unerträglich quälende eigenen Leere füllen können.
Und so pilgern die Menschen seit Jahrtausenden von der Not zur ersten Million … und wieder zurück.
Ein Beispiel dazu habe ich aus meinem entfernteren Bekanntenkreis – ein Bergmann, der mit 48 Jahren und Luxusrente in den Ruhestand gehen konnte (das ist in der Branche normal – auch für Büroangestellte), dann auch noch viel Bargeld und ein Mietshaus mit sechs Parteien erbte: ein sorgenloses Leben für die nächsten fünfzig Jahren war in Aussicht. Dann kam die Langeweile, das riskante Manöver mit dem Motorboot, der Unfall und … tja, reden wir nicht weiter drüber. Würde unappetitlich werden. Aber: mit Stöcken kann er jetzt wieder kleine Schritte machen – die Langeweile wich der Not.
Das Glück – so hoffen wir nun – wird ja dann wohl irgendwo dazwischen liegen: ja, und: HURRA – wir gehören dazu. Glück kann man ja dann – logischerweise – nur im Mittelstand finden, und zum Mittelstand gehören wir alle.
Aber: warum umgeben uns dann so viele unglückliche Menschen?
Die Antwort ist ganz einfach: Maslow hatte gelogen. Wir leiden Not, wenn wir obdachlos, hungrig, durstig und frierend unter einer nassen, kalten, lärmumtosten Autobrücke wohnen. DAS ist Not – nicht die Tatsache, dass wir uns kein mit Brillianten besetztes Handy, keinen italienischen Sportwagen oder Maßanzüge aus der Kleiderschmiede der Waffen-SS leisten können … obwohl manchen dies als größtes Unglück erscheinen mag. Jeder Sozialhilfeempfänger in Deutschland ist reich, sogar schwer reich: immerhin hat er Zugriff auf unbegrenzt fließende Gelder, mit denen er kalkulieren und wirtschaften kann – man spricht ja hier auch deshalb von relativer Armut.
Die ist im Übrigen – nebenbei bemerkt – noch schmerzhafter als die echte Armut, weil sie ABSICHTLICH durch MITMENSCHEN verursacht ist – und nicht als Zorn oder Ignoranz oder Fehler Gottes oder der Natur definiert werden kann. Armut, die in einem superreichen Land bewusst zugeteilt wird, ist eine absichtlich hinzugefügte Kränkung, Schmähung, Entwürdigung und Demütigung die vor allem darin ihren tödlichten Stachel hat, dass man sich leicht vorstellen kann, wo es enden wird, wenn die gelebte Absicht logisch weiterverfolgt wird: das Vernichtungslager ist die letzte – strikt notwendige – Konsequenz, die lauert, wenn man durch Druck zur Arbeit motivieren will. Das ist das hohe Lied einer Kultur der Gewalt, die selbst schon Not genug erzeugt.
Wenden wir uns aber wieder dem Mittelstand zu, der uns fast zwingend logisch schon als wahrer Hort des Glücks erschien.
Das Gegenteil ist aber richtig: der Mittelstand ist am weitesten von jeder Form des Glücks entfernt. Ihm fehlt die Gestaltungskraft des Geldes, mit welcher man sich jedes kleinste Problemchen vom Hals schaffen kann (und so die Langeweile beständig füttert) noch kann er sich darin üben, erfolgreich mit der Not zu ringen – wie es hunderttausend Generationen vor ihm im Kampf gegen die Unbillen der Natur getan haben.
Schauen wir den Mittelstand der zivilisierten Industrienationen an, wird es noch schlimmer: sie werden durch die Anforderungen der Industrie in vorgefertigte Lebensschablonen gesteckt (die in unserer Zeit von Sendern wir RTL exzessiv vorgelebt werden), für sie ist schon lange vor ihrer Geburt entschieden worden, wie sie sich zu kleiden haben, welchen Handgriffe sie in ihrem Job wie zu erledigen und welche Gedanken sie in welcher Reihenfolge zur Bewältigung ihres Jobs denken dürfen, es ist entschieden worden, wie sie sich durch die Welt bewegen müssen (rollender Kasten), in welcher Höhlenform sie sich aufhalten müssen (Kasten) und welche Einrichtungsgegenstände dort unverzichtbar sind (Kästen) … jede Form von selbstbestimmter Lebendigkeit wird ihnen vom Kindergarten an gezielt abtrainiert, um sie zu Arbeitsdrohnen zu machen, die mit fünfzig Lebensjahren systematisch entsorgt werden – das ist die Existenzform von toten Robotern („Maschinenmenschen“ … kann man auch anders betonen, um eine erschreckende Wahrheit zu beschreiben), die weder die belebenden Impulse von Not erleben dürfen (obwohl sie sie in Form von „Urlaub“ gezielt suchen), noch die endlose Gestaltungsmacht von Geld erfahren dürfen (die sie sich mehr als alles andere herbeisehnen, weil es ihnen von klein auf durch die Industriekultur vorgebetet wurde – ohne darauf hinzuweisen, dass bedingt durch die abenteuerliche Natur des Menschen „Geld“ und „Glück“ nie zusammenpassen).
Das hat schreckliche Folgen für ihr Glücksempfinden – die Illusion von Reichtum (der in etwa dem Reichtum einer Legehenne oder eines Mastschweins entspricht) ist eingebettet in eine unwirkliche Lebenssituation, die jederzeit vom Arbeitgeber zerstört werden kann – jenem Arbeitgeber, der seine Schafherde gerne auf die lange Reise von hin zur ersten Million schickt, hinein ins Paradies der unbegrenzten Möglichkeiten, in dem alle Last der Mittelmäßigkeit von einem genommen wird – jene Sphäre, in der das echte, wirkliche Leben wartet … mit endlos quälender Langeweile.
Wo aber sollen wir das Glück suchen?
Bevor wir uns gedanklich selber quälen, bedenken wir, dass wir in einer Konsumgesellschaft leben – die selber schon Glück in großem Ausmaß vernichtet, weil sie einem die Freude des selber Denkens – und selber Findens – durch übergroßes Angebot zu Allem und Jedem fortnimmt. Für unsere Zwecke jedoch wollen wir uns diese Gesellschaftsform kurz dienlich machen, in dem wir auf frei zugängliche Zitate des Arthur Schopenhauer zugreifen … immerhin hat er uns auch das Dilemma eingebrockt, zu finden beim Arthur-Schopenhauer-Studienkreis:
Der normale Mensch ist, hinsichtlich des Genusses des Lebens, auf Dinge außer ihm angewiesen, auf Besitz, Rang, Familie; sein Schwerpunkt fällt außer ihm. Beim Geistreichen fällt derselbe schon zum Teil, beim Genialen ganz in ihn.
Genial zu werden … scheint ein sicherer Weg zum Glück zu sein.
Geistige Fähigkeiten sind die Hauptquelle des Glücks. Die geistigen Genüsse sind die anhaltend- sten, mannigfaltigsten und größten. Der Geistreiche bedarf zum Glück nichts weiter als freie Muße.
Die freie Muße … die sich nach Beendigung der Not fasst sicher einstellen würde, gäbe es nicht Menschen, die einen beständig „beschäftigt“ halten wollten … und sei es nur deshalb, um einem etwas zu verkaufen.
Das Glück gehört denen, die sich selber genügen. Alle äußeren Quellen desselben sind unsicher und vergänglich.
Der innere Reichtum ist die Hauptsache. Von andern hat man nicht viel zu erwarten; am Ende bleibt doch jeder auf sich selbst angewiesen.
Gedanken – gedacht, bevor die Industriekultur aus der menschlichen Gemeinschaft eine Legehennenbaterie machte, in der Muße der Feind des Konsums wurde.
Regen wir uns auf über jenen Schopenhauer, der es sich – als kluger und reicher Erbe seiner Verwandschaft – sehr einfach macht und unsere Probleme überhaupt nicht verstehen kann?
Halten wir kurz inne … und sinnieren über Quantenphysik.
Wie Sie wissen, bestehen Sie aus Atomen. Hat der Atomkern die Größe eines Fußballs, finden sie das nächste Elektron in zehn Kilometer Entfernung. Was ist dazwischen? Genau – Nichts. Auch wenn die Anzahl der Atome astronomisch hoch ist (ich hörte mal von Quadrillionen – was immer das auch sein mag) sind Sie als Mensch – konkret betrachtet – nichts weiter als wandelnde Leere, auch wenn die Biologie unsere Anschauung als höchstes Maß aller Dinge wertet und uns Legenden von „Materie“ erzählt, die in etwas so real sind wie die Tatsache, dass die Erde eine Scheibe ist.
Was hält dieses Nichts zusammen?
Na – Sie! Ihr Wille! Die ganze Religion des „positiven Denkens“, die die größte atomare Weltmacht dieses Planeten antreibt (USA), beruht auf dieser Erkenntnis – und Schopenhauer formuliert dies in seinen Werken „Die Welt als Wille und Vorstellung“ sehr detalliert durch … mit einem kleinen Verweis auf das Paradies.
Nun sehe ich allerdings schon den geplagten Mittelstandsvater vor mir, der noch 16 Jahre und acht Monate sein Haus abbezahlen muss, unter den Schulproblemen seiner Kinder ebenso leidet wie unter den Nörgelattacken seiner Ehefrau und fragt: was heißt das jetzt für mich praktisch – diesen ganzen Worte und das ganze Gerede helfen ja nicht weiter?
Nun – für erste hülfe die Erkenntnis, dass man selber in erster Linie Wort ist. „Ich“ besteht aus Gedanken, die wiederum aus Worten bestehen – mehr nicht. Angesichts der Tatsache, dass unsere Materie zum überwiegenden Teil aus NICHTS besteht, sind Worte für uns die einzigste erfahrbare Realität – und eine sichere Art, die Realität unserer Nebenmenschen erfahren zu können. Dies Erkenntnis muss man SELBER HABEN, die kann nicht vermittelt, gekauft oder in der Lotterie gewonnen werden.
Und wenn man sie hat – ist man durch den Prozess des Denkens schon reicher geworden. Je reicher man im Inneren ist, um so weniger braucht es äußerer Güter, je mehr man sich der Genialität nähert, umso lästiger werden die Glasperlen der Konsumgesellschaft – auch wenn sie mit Brillianten besetzt sind.
Jenem Vater würde ich dringend raten, sich auf die Suche nach sich selbst zu machen (oder auf die Suche nach jener Kraft, die seinen persönlichen atomaren Kosmos zusammenhält), anstatt nur ein Fähnchen zu sein, dass von allen Winden der Welt hin – und hergerissen wird. Auf dieser Reise wird man phantastische Welten besuchen können: 90 % unseres Seins liegen im Unterbewusstsein – wir tragen dort einen ganzen Kosmos mit uns herum, den es zu erforschen gibt … voller Wunder, die wir – gelenkt durch falsche Absichten – im Cluburlaub auf Cuba vergeblich suchen. Nicht die Kinder nerven, die Bank oder die Frau – die Tatsache, hilfloses Fähnchen zu sein, macht zornig, mutlos, wütend und schwach … und sehr sehr unglücklich.
Findet man aber seinen inneren Reichtum, so gleicht man einem König mit großem Palast auf einer eigenen, großen parkähnlich gestalteten Insel, der souverän über sein Land herrscht … und für den die Stürme der Außenwelt nur noch leise Winde sind, die auf den Weiten der Meere um sein Reich herum unbemerkt verwehen. Aus dieser Position der Stärke heraus vermag man sich auch mit den größten Gewalten der Welt zu messen, ohne an ihrer augenscheinlichen Macht zu verzweifeln.
Nun – beenden wir das Gespräch über Glück an dieser Stelle mit einem besonders delikaten Ausblick, den ich aus eigener Erfahrung beisteuern möchte: folgt man diesem Weg, den die Philosophie (und nicht nur Schopenhauer) vorgegeben hat, so wartet am Ende der Reise eine ganz besondere Erkenntnis auf den Abenteurer: das völlige Erlöschen jeglicher Todesangst aufgrund des Erlebnisses der eigenen ursprünglichen „Wirklichkeit“, die weit über die primitiven Anschauungsformen rein biologischer Kategorien hinausreicht, die Erfahrungen von Zuständen, Bedeutungen und Ausprägungen der fünften und sechsten Dimension und die Erfahrung der „Qualität“ Leben, die nicht das Ergebnis der Summe von Feuer, Erde, Wasser und Luft ist – sondern ihre prägende Gestaltungskraft darstellt.
Das alles mag nur Illusion sein … aber diese Art von Illusionen sind wesentlich beglückender als jene Illusionen, die wir vier Stunden täglich via TV über uns ergehen lassen … oder jene, die uns Geld beschehrt.
Noch ein Beispiel?
Der Rapper Bushido erzählt gerade in der Süddeutschen von seinem Leben:
SZ: Trotz all Ihres Gelds und Erfolgs haben Sie Depressionen.
Bushido: Das ist bei vielen Promis so. Robbie Williams ist immer wieder auf Entzug, Britney Spears schneidet sich ’ne Glatze, Lindsay Lohan ist ’ne Junkie-Tante geworden, und Amy Winehouse spritzt sich mit Pete Doherty Heroin. Leute, die alles haben, sind sehr verletzlich. Das gilt auch für mich.
Da nehmen wir doch lieber unsere eigenen Illusionen … denn Kreativität enthält schon selbst ein enormes Glückspotential.
Materielle Rahmenbedingungen für ein glückliches Leben?
Finden wir bei einem glücklichen Menschen – Anselm Grün, Mönch und Multimillionär. Das Geld gibt er der Gemeinschaft, für sein Glück braucht er weniger als 50 Euro im Monat (Miete, Kleidung, Heizung und Essen gehen extra) und 20 Qudratmeter Wohnraum (siehe ebenfalls: Süddeutsche).
Glück scheint also finanziell nicht ganz unerschwinglich zu sein.
Es ist geradzu billig – wenn nicht sogar umsonst.
Weil´s gerade so schön in die Reihe paßt, noch eine Diktatur: die Diktatur der Bedürfnisse.
Sie ist noch relativ neu in diese in die Welt gekommen, als die Konzerne vor allem eins brauchten:
zahlende Kunden.
Diesen Kunden mußte man einreden, das das ganz natürlich sei, wie sie dort durchs Leben gejagt wurden, sonst hätte man ihnen nicht soviel verkaufen können.
Obwohl der Philosoph Simmel schon früher die Folgen der „Urbanisierung des Bewußtseins“ erkannte und vor den notwendigen psychischen Folgen warnte, ignorierte Maslow dies erstmal vollkommen (eine übliche Vorgehensweise bei Psychologen, sich außerhalb der Philosophie zu bewegen, obwohl sie vollständig mit irgendeiner … meisten unreflektierten … Philosophie verbandelt sind) und baute seine allseits bekannte Bedürfnispyramide auf, mit deren Hilfe uns nun seit einigen jahrzehnten diktiert wird, was wir brauchen und was nicht.
Gut – es gibt ein paar Sachen, ohne die fällt man tot um. Essen, Trinken, Schlafen, Wärme. Sex nicht.
Auch wenn´s manch einem Mann so vorkommt – Sexabstinenz ist nicht tödlich. Für manche Lebensentwürfe ist es sogar notwendig, dieses Bedürfnis einfach auszulöschen. Und das geht.
Freiheit … ist ein schönes Schlagwort, doch wenn der „feste Arbeitsplatz“ schon in der nächsten Bedürfnisstufe unverzichtbar wird, ist es essig mit der Freiheit – es sei denn, „Arbeit macht frei“.
Tut sie aber meistens nicht.
Sicherheit, Recht und Ordnung, Absicherung, Schutz vor Gefahren folgen nach. Die polizeilich streng observierte Mietskaserne als menschliches Paradies? Wurde das schon mal mit einem Wikinger diskutiert, der sich in seiner Nußschale auf den endlosen Ozean gewagt hat? Oder mit einem Astronauten? Was würde Ganhi dazu sagen? Mutter Theresa? Albert Schweitzer? Wie gut, das die Maslow nicht kannten. Che Guevarra hätte wahrscheinlich sofort geschossen, wenn man ihm das um die Ohren gehauen hätte.
Soziale Beziehungen – die nächste Stufe. Wieder Werte, die in Käfighaltung prima verwirklicht werden können: Familie, Partner, Liebe, Freunde, Intimität, Kommunikation. Also … ich kenne Mönche, die werden ohne dies glücklich. Aber wieder ein Plädoyer für die Mietskaserne … Intimität und Kommunikation kann man dort kaum entkommen, fällt mal eine Flasche um, dann hört´s man´s gleich drei Wohnungen weiter.
Das folgende Gemecker der Nachbarn auch.
Soziale Wertschätzung – Anerkennung, Lob, Geld, Einfluß … all das, was andere als EGO-Problem minimieren wollen, weil es dem Wohlbefinden massiv entgegensteht. Das schon mal mit einem Einsiedler diskutiert? Mit jemandem, der sein Leben der Erforschung von Gorillas widmet, dem Studium gnostischer Mystik oder der Sammlung von UFO-Sichtungen? Ach ja, nach Wikipedia kommt jetzt auch mentale und körperliche Stärke ins Spiel … nur ein Stadtbewohner kann es sich erlauben, so lange darauf zu verzichten. Das blöde schwache Landei wäre jetzt schon längst tot. Verhungert.
Selbstverwirklichung – die letzte und höchste Stufe angewandter Egomanie. Individualität, Perfektion, Talententfaltung, Erleuchtung (???).
Ich weiß nicht, wie lang letztendlich die Liste der Kulturen werden würde, die mit diesen Bedürfnissen nichts anfangen könnten und trotzdem glücklich waren … zu lang auf jeden Fall für einen Blog.
Seltsamerweise findet man zur Urbanisierung des Bewußtseins (einen künstlich gezüchteten Zustand mit künstlich gezüchteten Bedürfnissen) so gut wir gar nichts im Netz … Maslow wird hingegen massiv gefördert. Nun … würde man sich künstlich gezüchteter Bedürfnisse bewußt werden, könnte man sie ihrer leicht entledigen. Das würde manchen Konzern auch ohne Bankenkrise bankrott gehen lassen.
Und dann gibt es einen Herrn Frankl (mitlerweile von den Psychologen auch mit Maslow zusammen zur humanistischen Psychologie gezählt), der im Konzentrationslager lebt und dort etwas findet, was ihn über die Maslow´schen Bedürfnisse weit hinaus hebt: Sinn.
Hat das Leben einen Sinn, wird der Rest nebensächlich.
Hat es keins … kann Maslow einen lebenslänglich beschäftigen, danach zu suchen. Und dazu motivieren, viel Unsinn anzustellen und zu erleben.
In Zeiten knapperer Ressourcen (Umwelt, Geld, Menschlichkeit) scheint es mir hilfreich, sich darauf zu besinnen, was für einen selbst wirklich wichtig ist.
Und einen Punkt zu finden, der mehr gibt, als Maslow zugestehen wollte (obwohl er sich ständig drumherum dreht): Geborgenheit. Und die kann nicht mit noch so großem Aufwand künstlich konstruiert werden.
Die findet der Einsiedler in der Natur, der Mönch in seiner Zelle, der sinnenfreudige Mensch bei dionysischen Festen, der Bauer auf dem Feld, der Idealist im Gedanken … hält über all da, wo man Liebe erfahren und erleben kann.
Aber „Liebe“ ist auch so ein Begriff, den man in unserer Zeit eigentlich gar nicht mehr verwenden darf, weil er mißbraucht, vergewaltigt, beschmutzt und entwertet worden ist.
Aber … so früh am Morgen fällt mir kein anderer ein.
Vielleicht … versteht man´s trotzdem.