Maschinenmenschen

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Der Tod von Phillip Mißfelder – ein Grund zur Freude?

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Mittwoch, 15.7.2015. Eifel. Nun gut – Gestern habe ich ja schon was zu dem Fall Mißfelder geschrieben. Eine Lungenembolie zu diagnostizieren ist nicht leicht (siehe Omneda). Sicher – seine Frau war Herzspezialistin und war bei seinem Tod anwesend (siehe Focus) – doch ohne Röntgenblick am nächsten Tag schon eine endgültige Diagnose zu stellen, ist auch für Spezialisten mutig. Überblick darüber kann eine Autopsie geben, doch die wird in Deutschland in den seltensten Fällen durchgeführt – weshalb viele Verbrechen unerkannt bleiben (siehe Stern). Mir geht es heute nicht darum, die Verschwörungstheorie auszuweiten – das können andere viel besser als ich. Ich wurde heute gefragt, ob der Tod von Phillip Mißfelder ein Grund zur Freude sei – angeblich kommen die Löscher in den öffentlich-rechtlichen Medien ihrer Aufgabe kaum noch nach, gehässige Kommentare zu entfernen, weil Phillip Mißfelder – als Bekämpfer des Sozialstaates – nicht sonderlich beliebt war.

Sicherlich müssen wir uns zur Beantwortung der Frage zuerst einmal dem Tod zuwenden. Wie sicher schon bemerkt, hat man als Philosoph keine Scheu, sich mit dem Thema nüchtern distanziert auseinanderzusetzen – jedenfalls sollte man da keine Scheu haben, da es sich um eine von drei zentralen Fragen der Philosophie handelt: wo gehen wir hin?

Wir als Kultur der Maschinenmenschen haben ein sehr gebrochenes Verhältnis zum Tod – wir haben ihn aus dem Leben desintregriert, er ist für uns kein Bestandteil eines gelungenen Lebens – weshalb unsere Lebensentwürfe grundsätzlich mißlingen: wir leben zwar als Maschinenmenschen (d.h. haben schon einen hohen Grad an Symbiose mit unseren Lebenskrücken: Autos, Radio, Fernsehen, Heizung, Herd, Lampen etc, ohne die wir gar nicht mehr überlebensfähig sind), sind aber doch grundsätzlich für immer und ewig natürliche Geschöpfe, die durch Geburt in eine Welt kommen, die man durch den Tod wieder verläßt.

Blendet man den Tod aus – wie es bei uns weitläufig aus Gründen der Konsummaximierung und der Widerstandsminimierung geschieht – so gibt es keine naturgemäßen Lebensphilosophien, denn der Tod gehört zu unserer Existenz unverbrüchlich dazu  – und es wäre schlimm … im Sinne von „unnatürlich“ … wenn dies nicht zu wäre. Stirbt also ein Mensch, so ist es nicht unbedingt ein Grund zur Trauer (außer für die Kultur der Maschinenmenschen, die den Vorgang gar nicht mehr verstehen) – einmal abgesehen davon, dass der Vorgang des Sterbens nicht angenehm ist und für uns selbst eine Quelle von Liebe, Freude und Kommunikation aus dem Leben entfernt wird – ein Vorgang, der „Todesangst“ mehr als erschöpfend erklären kann.

Todesangst nun – ist nicht unbedingt natürlich … was Maschinenmenschen schwer verstehen. Manche halten sie verrückterweise für die größte aller Ängste, auf die alle anderen zurückzuführen sind – und blenden dabei die Lebensphilosophien aller Krieger- und Abenteurerkulturen völlig aus – Kulturen, die älter und bislang langlebiger waren als unsere eigene. „Lever düd üs slav“ stand als Wappenspruch unserer Familie auf einem Wandteller – lieber tot als versklavt: Jahrtausendelang ein Wahlspruch von wahrhaft freien Menschen, die Wichtigeres kannten als Todesangst, Menschen, die lieber ihr Leben gaben als morgen wieder ihren Platz in der Kundenbetreuung der Allianz, im Riskmanagement der Deutschen Bank oder an der Kasse bei Aldi einzunehmen. Andere blickten dem Tod aus reiner Neugier kühl ins Auge – um Amerika zu entdecken oder Handelsrouten nach China zu erforschen … oder um der schnellste Rennfahrer der Welt zu werden.

Je länger man das Thema „Tod“ dreht und wendet, es aus anderen Kulturen und Lebensphilosophien betrachtet, je mehr verliert es seinen Schrecken, den er vor allem massiv im Reich der Maschinenmenschen hat. Natürlich darf es Trauer geben – aber ich gebe auch einen Satz zu bedenken, der dem Spartakus zugeschrieben wird: der Reiche muss den Tod fürchten, denn er verliert dort mit Sicherheit seinen Reichtum – der Arme aber verliert dort sein Leid, seine Schmerzen, seine Ohnmacht: im Prinzip ein Grund zur Freude. Doch auch dort darf es Trauer geben – weil ein Mensch aus dem eigenen Lebensbereich verschwindet. Je größer die Liebe ist, umso größer die Trauer, je länger der Geliebte fort geht, umso schlimmer der Schmerz – geht er für ewig, ist die Trauer deutlich größer als würde er nur für drei Jahre in die USA ziehen – doch das macht den Tod an sich nicht schlimm – sondern nur für die Hinterbliebenen, was eine recht subjektive Betrachtungsweise ist.

Natürlich kann man sich auch über den Tod freuen: „er hat es hinter sich“ – hört man in der eher armen Eifel häufiger. Erbschleicher freuen sich regelmäßig über den Tod – oder Menschen, die so viel Hass in sich tragen, soviel Zorn, soviel Wut, soviel gelebte und erlebte Ohnmacht, dass sie den Tod eines Tyrannen als Glückstag erleben – dort, wo der Liebende trauert, freut sich der Hassende.

Doch – das möchte ich zu bedenken geben – was braucht die Welt eher? Liebende – oder Hassende?

Was die Hassenden anrichten, erleben wir tagtäglich. Mord, Raub, Vergewaltigung, Kriege und Bürgerkriege, Betrug, Verrat, Erniedrigungen, Demütigungen – Zustände des Bösen (wie ich es jetzt mal nennen möchte), die als Agenda 2010 sogar Gesetz in diesem Land werden konnten – und Herr Mißfelder galt als einer der Hauptträger dieser Welle der Kälte und Unmenschlichkeit, eine Symbolfigur des Bösen für manche, die unter dem Joch einer erkaltenden und entmenschlichenden Gesellschaft leiden.

Aber … brauchen wir wirklich viel mehr Hassende? Menschen, die hämisch lachen, wenn Kindern ihr Papa brutal genommen wird und sie als Halbwaisen aufwachsen müssen – was nicht leichter wird, nur weil die Ehefrau Phillips aus der Kanzlerfamilie Brüning stammt.

Zu Zeiten, als es noch kein Internet gab, durfte ich kurz einem französischen Philosophen zuhören – er kommentierte im Fernsehen seine Abneigung gegen Linke. Damals dachte ich, dass ich selber einer wäre – doch damit war es schnell vorbei. „Linke“ – so sagte er – „sind in keiner Art und Weise besser als Rechte. Sie unterscheidet nur eins: die Linken wollen das haben, was die Rechten schon längst besitzen. Erreichen sie ihr Ziel, werden sie schnell zu Rechten – oder sind von ihnen nur noch durch die Art der Wortwahl zu unterscheiden“. Das hätte man den Grünen tausend mal vorspielen sollen, bevor sie zur Rechtspartei wurden.

Ich merkte: das konnte nicht mein politisches Ziel sein – Baron zu werden anstelle des Barons. Darum scheitern auch linke Bewegungen in Deutschland recht schnell – die schaffen es nicht, die pseudolinken Elemente zu erkennen und aus der Gemeinschaft zu entfernen. Es sind aber gerade diese Elemente, die jede im Herzen gut gemeinte Bewegung im Keim ersticken und vernichten bzw. in ihr Gegenteil verwandeln: sind sie erstmal „Kommissar“, sind sie vom handelsüblichen Feudalarsch kaum zu unterscheiden.

Doch kommen wir – nach der Betrachtung des Todes an sich zur Kernfrage: darf man sich über den Tod von Phillip Mißfelder freuen?

Nun – auch hier müssen wir erstmal sagen: dies ist ein freies Land – jeder darf sich darüber freuen, worüber er sich gerade mal nur irgendwie freuen kann … es sei denn, er schadet dadurch sich und anderen – womit die Frage eigentlich schon beantwortet wäre.

Woher stammt der Hass auf Phillip? Nun – er war vermeintlich ein Unterdrücker, ein Menschenhasser, ein asoziales Objekt.

Was aber macht es aus mir, wenn ich mich darüber freue, dass er vor der Zeit aus dem Leben entfernt wurde – wie auch immer? Werde ich nicht in dem Moment, in dem der Hass meinen Triumph über den Tod des Papas von Phillips Kindern hinausbrüllt, selber zu einer Hassfigur … die selber in dem Moment Menschen ins Gas schicken würde, wenn sie es nur „verdient“ hätten? Was unterscheidet „uns“ dann eigentlich noch von „denen“, die mit nüchterner Sachlichkeit und sadistischem Humor Millionen ins Gas schicken konnten? Eigentlich nur eins: wir haben NOCH nicht die Macht, unsererseits Millionen ins Gas zu schicken.

Unangenehm, oder? Ja – so leicht, verlockend und verführerisch ist die dunkle Seite der Macht (um mal einen modernen Mythos zu zitieren), so schnell stößt man seine eigene Seele in die Finsternis.

Natürlich darf man sich über den Tod von Phillip freuen – es gibt kein Gesetz (außer das „sozialromantische“ Gesetz des Anstandes), dass uns Freude verbieten kann – und sei sie auch noch so dunkel. Empfehlenswert jedoch – ist das nicht. Zum einen nicht für die Gesellschaft: Freude über den frühzeitigen Tod eines Menschen ist die Grundlage jeden Mordes – das sollte einem klar sein. Mag sein, dass der Mord sogar manchmal aus humanen Gründen geschieht, um einer leidvollen Existenz ein Ende zu bereiten: doch sind wir hier auf dem ersten Schritt zur Gaskammer, wo z.B. Menschen die von ihnen so verachteten oder mitleidig betrachteten Armen per Genickschuss von ihrem Elend erlösen – und sich noch freuen, eine gute Tat getan zu haben. Wir übertreten hier eine Grenze, die schon hunderte von Millionen Menschen das Leben gekostet hat – erst Recht im Reich der Maschinenmenschen, in dem das menschliche Leben so wenig Wert hat wie nie zuvor (auch wenn täglich anderes gepredigt wird – bevor man aus politischen Gründen wieder mal eine Million Iraker umbringt).

Zum anderen tut man sich selbst damit nichts Gutes – man füttert durch solche Freude genau jene dunkle Seite in sich, die man beim anderen zu Recht kritisierte – und man tötet im gleichen Moment den menschlichsten und heiligsten aller Wesenszüge in uns: das Mitleid.

Sicher freut man sich, wenn einer der Unterdrücker weniger unterdrücken kann – daran ist im Reich der Armen und Geknechteten erstmal nichts Übles … doch sich über seinen frühen Tod freuen, macht uns zu neuen Mißfeldern (wenn er denn wirklich je so übel gewesen ist, wie er – auch von mir – dargestellt wurde).

Brauchen wir davon wirklich mehr?

Nun – ein Nützliches hat es schon: man kann sofort erkennen, welchem Menschen man nie Macht geben sollte – auch wenn er noch so schön links tut. Anderen aber – möge dieser Text einmal zum Nachdenken anregen, ob wir eine bessere Welt wollen … oder nur eine andersrum schlechte.

Ich selbst … habe mich keine Sekunde gefreut. Aber auch nicht getrauert – weil er mir nicht fehlen wird.

 

 

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