Marxismus

This tag is associated with 4 posts

RTL: eine terroristische Herrschaftsform des Kapitals?

RTL: eine terroristische Herrschaftsform des Kapitals?

Montag, 17.2.2014. Eifel. Reden wir mal über Faschismus. Kann einer erklären, was das ist? Ja – ungefähr 1000 Faschismustheorien streiten hier über die Deutungshoheit. Mal steht der Glaube an einen gottähnlichen Führer im Mittelpunkt, mal die absolute Einheit von Wirtschaft und Politik, mal mystisch-irrationale pseudoreligiöse Kulte, mal ein psychischer Massendefekt. Je nach Änderung der Perspektive kann man aus jeder x-beliebigen Gesellschaft eine faschistoide Gesellschaft machen – auch aus der bundesdeutschen Gesellschaft des 21. Jahrhunderts.

Die Deutschen sind nun immer ein interessantes Volk, wenn es um Faschismus geht: immerhin gehören wir zu den wenigen Völkern, wo er die Staatsmacht erobern konnte – was letztlich 50 Millionen Menschen das Leben gekostet hat. Kein Wunder, dass man hier aufmerksamer nach faschistoiden Züge schaut oder auf sie reagiert als in vergleichbaren Kulturen.  Z

Verdächtig ist zum Beispiel die wachsende Einheit von Wirtschaft und Politik, die für Bundestagsabgeordnete dazu geführt hat, dass sie zu den reichsten Menschen dieses Landes gehören … und jetzt noch 10% oben drauf bekommen, um auch in Zukunft auf die unantastbare Freiheit ihres Mandates zugunsten der Fraktionsdisziplin – ganz gegen den Geist der Verfassung – zu verzichten. Andererseits bekommen sie dafür die Chance, nahtlos im Anschluss an das fürstliche Mandat füstliche Posten in der Wirtschaft zu bekommen … auch ohne jede Ausbildung oder Berufserfahrung.

Die entscheidende Frage ist nun nicht: kann man auf Teufel komm ´raus den Deutschen wieder einmal Faschismus andichten, sondern die Frage, wann es wieder wie viele Tote gibt. Hören wir dazu ein paar Worte aus dem Artikel über Faschismustheorie bei Wikipedia:

Es besteht ein ausgeprägtes Denken in den sich ausschließenden Kategorien Freund/Feind, Wir/die anderen, Höherwertig/Minderwertig, besonders mit dem Blick auf das Innere der Gesellschaft. Der innere Feind spielt dabei mindestens eine ebenso bedeutende Rolle wie der äußere Feind. Er wird als „Volksschädling“, Bedrohung für das eigene „Blut“ etc ausgemacht. Dazu dient vor allem die eigene Fiktion vom “Juden“, “Semiten“, „Zionisten“ und der anderen „Rasse“. Von ihnen gelte es, den „Volkskörper“ zu reinigen.

Ja – das Reden von „Zionisten“ gehört auch dazu.

Ein Reinigungsprogramm für den Volkskörper durchlaufen wir gerade mit größter Intensität: der Parasit, der Sozialschmarotzer, der faule Drecksack wird mit der größten Behörde in Deutschland gejagt: 123000 Mitarbeiter verfolgen ihn bis in sein Haus, durchsuchen seine Räume, seine Konten, kontrollieren die Anzahl seiner Zahnbürsten und können ihn jederzeit von jeglicher Versorgung abschneiden, damit er die Wirkung von Hunger und Kälte am eigenen Leib erfahren kann … manchmal auch bis zum Eintritt des Todes.

Hört sich schon schlimm an, wenn man es so formuliert, oder? Würden wir das von einem anderen Land hören, wir wären voller Spott und Häme, doch die bundesdeutsche Leistungsgesellschaft mit ihrem ausgesprochenem Hass gegen „Minderleister“ (was eigentlich nur Menschen mit wenig Geld bezeichnet und keinerlei Bezug zur Art und Weise des Gelderwerbs hat: auch Zuhälter, Drogenbarone und Anlagebetrüger werden mit größtem Respekt behandelt – wenn der Kontostand stimmt) denkt sich nichts dabei: immerhin sind wir eine Leistungsgemeinschaft, ein einziger Volkskörper, der zusammenhält um die Weltmeisterschaft im Export zu erlangen. Wir sehen das halt alles nur sportlich – nicht politisch.

Bleiben wir bei dieser von Wikipedia angeregten Diskussion, stellen wir wirklich mal den „Herrenmenschen“ in den Mittelpunkt unserer Betrachtung – den Herrenmenschen, der sein Land sauber halten will. Wir haben ja keinen Herrenmenschen, oder? Das würde ungemein beruhigen, wenn es denn so wäre.

Oder ist unsere Kultur so voller Herrenmenschen, so voller Bäume, dass wir den Wald nicht sehen?

Ich denke da zum Beispiel an … Günter Jauch und „Wer wird Millionär“. Wo andere eine harmlose Show sehen, sehe ich pseudoreligiöse Kulte. Hohepriester Jauch verteilt die Gunst des „Goldenen Kalbs“, um das das Volk in völliger Abkehr seiner christlichen und demokratischen Grundwerte in wahnhaftem Rausche begeistert herumtanzt. Man muss nur eins können: völlig unnützes Sachwissen in richtiger Reihenfolge herunterbeten können – das Paradies für den Oberlehrer des deutschen Gymnasiums … das auch prompt auf diese Herausforderung reagiert. Harald Martenstein erwähnt dies in der Zeit – in einer Kolumne, wo es über die wundersame angestiegene Bedeutung der Schulnote für „sonstige Mitarbeit“ geht:

Man erzieht die Leute zu Dauerlaberern, zu Nervensägen und Ichdarstellern, die sollen alle ins Dschungelcamp.

Wir können zwar kein Mathe – aber wir können so lange darüber reden, bis jeder die Aufgabe vergessen hat.

Natürlich fällt das den Menschen nicht auf. Jauch bestätigt die Relevanz der Inhalte des Unterrichtes, in dem er den Menschen für die richtige Wiedergabe prinzipiell völlig unnützer Informationen eine Million Euro schenkt … eine von tausend Millionen zurückgibt, die zuvor von der Wirtschaft durch Arbeitsplatzabbau und Leiharbeit erbeutet wurden: genau dort wird der Gewinn generiert, der dann – über Werbegelder – „großzügig“ via Jauch zurückgegeben wird. Die deutsche Schule sollte Jauch eine Ehrenmedaille verleihen: ihr Vernichtungsfeldzug gegen Wissen, Kompetenz, Selbstbewusstsein und Kreativität erhält durch ihn einen tieferen Sinn.

Und natürlich ist da die Fähigkeit zur „sonstigen Mitarbeit“ wichtiger als … die Fähigkeit, Mathematik effektiv zu beherrschen.

Wir wollten aber über Faschismus reden … und über Herrenmenschen. Sind wir nicht weit vom Thema abgekommen?

Nein – wir sind mittendrin – mittendrin, ohne es zu merken. Wir haben schon längst unsere Herrenmenschen: wir nennen sie „Promis“ – und ganz Deutschland huldigt ihnen. Nur ihr Leben ist wertvoll, nur ihr Leben ist sinnvoll, nur ihr Leben ist erwähnenswert … und zwar jeden Tag. Während Arbeitslose unbemerkt verhungern, sich still das Leben nehmen, um nicht in die Hartz-Falle zu geraten, aus der es kein Entkommen gibt, wird jeder kleine Ski-Unfall der Promis sogar von ehemaligen Nachrichtenmagazinen wie dem Spiegel breitflächig  in Szene gesetzt … die ganze Nation bangt um die Gesundheit des Herrenmenschen, während Millionen andere elendig im staatlich verordneten Elend dahinvegetieren – vor und hinter den Schreibtischen.

Nehmen wir allein den heutigen Tag bei Spiegel-online: was glänzt einem da entgegen? Ein freudiger Jauch hat eine ergebnislose Talkshow hinter sich gebracht, die Dschungelcampmitglieder treffen sich bei Frauke Ludowig zur Nachbesprechung, wobei das Onlinemagazin viele Fotografien zur Nachbearbeitung der Nachbearbeitung einstellt und kommentiert.

Ja – das Dschungelcamp. Da lag Harald Martenstein leider falsch: ins Dschungelcamp kommt nicht jeder. Da kommen nur Menschen hinein, die sich angemaßt haben, Promis zu sein … aber keine waren. Die müssen dort Würmer schlucken und in Käfern baden (oder war es umgekehrt?), die werden im römischen Zirkus öffentlich zur Schau gestellt und – mangels Löwen – den Maden zum Fraß vorgeworfen, damit das auch jeder sehen kann, was einem geschieht, der zu hoch hinaus will.

Für uns Minderbürger ist anderes vorgesehen: wir – bzw. unsere Kinder – dürfen uns bei DSDS blamieren …. bzw. uns von ausgesuchten Herrenmenschen wie dem Herrn Bohlen auf unseren niederen Stand verweisen lassen. Für die Sieger werden ein paar Singels produziert, bevor man sie ins Prostituiertenmilleu abschiebt wie es den Teilnehmerinnen der „Wild Girls“ als Endstation ihrer TV-Karriere von einem Kommentator prophezeit wurde.

Nochmal zur Erinnerung:

Es besteht ein ausgeprägtes Denken in den sich ausschließenden Kategorien Freund/Feind, Wir/die anderen, Höherwertig/Minderwertig, besonders mit dem Blick auf das Innere der Gesellschaft.

„Wir“, „Freund“, „höherwertig“ – das ist der Promi. Er darf die Minderbürger vorführen – mit einem Auftritt, für den man früher einfach was aufs Maul bekommen hätte … auf die Art wehren sich Menschen gelegentlich, wenn ihre unantastbare Würde absichtlich öffentlich in den Schmutz getreten wird und sie sich nicht anders zu helfen wissen. Für ihn gelten auch andere Gesetze. Er darf Drogen nehmen, Steuern hinterziehen, seine Frau/seinen Mann öffentlich betrügen, jedes Jahr eine jüngere/einen jüngeren Partner heiraten, mit geliehendem Reichtum protzen … für ihn ist alles egal. Er steht über dem Gesetz – er IST das Gesetz.

Warum machen da alle mit?

Der Glaube an ein „Herrenmenschentum“ wird zur stärksten Triebfeder sowohl der Bindung der nationalsozialistischen Massen an den „Führer“ als auch zur psychologischen Grundlage der eigenen freiwilligen Einreihung in die Gefolgschaft. Daneben wirkt aber entscheidend eine intensive Identifizierung mit dem Führer, die die eigene Unterwerfung als geführtes Massenmitglied verschleiert. Jeder Nationalsozialist fühlt sich in seiner psychischen Abhängigkeit als „kleiner Hitler“.

Aus: Massenpsychologie des Faschismus, Willhelm Reich, gefunden bei antisemitismus.net.

Fühlt sich jeder RTL-Schauer nun als kleiner Führer … als „kleiner Promi“? Sicher dann, wenn er hämisch über die Dschungelcamp-Foltereien lacht, die die aussortieren Promis über sich ergehen lassen müssen.

Müssen wir uns aber jetzt Sorgen machen, dass es wieder 50 Millionen Tote gibt?

Schauen wir auf die marxistische Faschimustheorie, bevor wir die Frage beantworten (wieder Wikipedia).

Marxistische Theoretiker (so in Deutschland zuerst Clara Zetkin, 1923) bezeichneten Faschismus als eine terroristische Herrschaftsform des Kapitals. 

Schon mal überlegt, wie ein Promi im Deutschland des 21. Jahrhunderts zum Promi wird? Der Millionen verschenkende Günter Jauch ist ein Studienabbrecher – und ein  Zögling deutsche Jornalistenschulen, in denen das Kapital jahrelang hunderte von Bewerbern für diesen an sich „freien“ Beruf observiert, um jene kleine, auserlesene Hand voll nützlicher Individuen herauszufiltern, die ihm große Dienste leistet. Der Promi wird von der Wirtschaft ernannt, notfalls gezielt mit großem Werbeaufwand gezüchtet.

Währenddessen wird der Untermensch in vielen Formaten vorgeführt, um ihm seine Minderwertigkeit vor Augen zu führen: ob nun die Supernanny die Erziehung übernimmt, dem Bauer eine Frau oder dem Sohn eine Freundin gesucht wird – der „kleine Mann“ wird täglich als grenzdebiler, vereinsamter, in seiner Unfähigkeit allenfalls lächerlicher Sonderling dargestellt, der den Geissens dieser Welt .. den wahren, von Gott Mammon auserwählten Edelmenschen … nicht das Wassser reichen kann.

Unsere gebildete Umwelt weiß schon längst, was sich dort abspielt. Hören wir mal ein paar Worte zu dem „Bachelor“, einer RTL-Kuppelshow (wieder Wikipedia):

Bereits die erste Staffel von Der Bachelor wurde heftig kritisiert. So schrieb der Journalist Oliver Fuchs in der Süddeutschen Zeitung vom 2. Januar 2004, die Sendung wäre „menschenverachtend“ und „die verkommenste TV-Sendung seit Menschengedenken“. Die Kandidatinnen bezeichnete er als „ultra-devot“ und „großteils mäuschenhaft“.Die Politikerin Sabine Bätzing erklärte: „Das Frauenbild, das dem Publikum vermittelt wird, ist erschreckend und erinnert mich an den arabischen Kamelhandel.“ Udo Jürgens wurde mit den Worten zitiert: „Ich empfinde es als billig und nuttig, wenn 25 Frauen um einen Mann buhlen.“

Deutliche Worte.

Sie ändern nichts, weil hinter dem werbefinanzierten Sender RTL das „Kapital“ steht, das große Geld, das Kunden und Steuerzahlern in immer größerem Umfang aus der Tasche gezogen wird.

Und sie ändern nichts, weil sich jeder kleine Hitler vor dem Fernsehbildschirm in den Momenten, wo andere sich vor seinen Augen erniedrigen, prostituieren und selbst vergewaltigen sich selbst wie der größte Führer aller Zeiten fühlt … während er im Alltag nichts weiter ist als der unterworfene Massenmensch.

Kein Wunder, dass diese kleinen Führer immer mehr Zeit vor dem Fernseher und immer weniger Zeit in der Realität verbringen.

Am Ende unserer kleinen, gedanklichen Reise durch die bundesdeutsche Realität des 21. Jahrhundert wartet noch eine Frage auf uns: haben wir nun Faschismus  – und kriegen wir wieder Millionen Tote?

Nun – wie schon zu Anfang erwähnt, ist die Frage nach „Faschismus“ immer einer Frage der Definition, eine Frage danach, ob man nach dem Hakenkreuz auf der Armbinde oder nach dem Hakenkreuz im Herzen schaut.

Die Frage nach den Toten läßt sich leichter beantworten. Erstmal haben wir sie schon – dank „Sozialreform“.

Und die Frage, wann eine Kultur, die ständige neue Rekorde an menschenverachtenden und verkommenen Sendeformaten produziert, ihren Hass gegen die „anderen“, die „minderwertigen“, die „inneren Feinde der Gesellschaft“ offen auslebt, kann sich jeder mal selbst beantworten.

Auf den Bildschirmen tut sie es schon jetzt.

Welchen Stellenwert diese Unkultur inzwischen hat, sieht man daran, dass der Spiegel nahezu täglich über Sendeformate von RTL schreibt … RTL aber nicht über die Nachrichten des Spiegel berichtet.

Und wer das nun alles für Spinnerei und Unfug hält, der soll mir bitte erklären, was ein Günter Jauch (der privat ein außerordentlich netter und integrer Mensch zu sein scheint) in den „geheimen Machtzirkeln der Manager“ (siehe Manager Magazin) zu suchen hat, wieso es in einer aufgeklärten Demokratie derartige Geheimbünde überhaupt geben kann … und was die mit unserem Land noch so vorhaben.

 

 

 

 

 

Der Tod der Freiheit ist der Sieg des Porsche

Neulich fand ich einen Satz in der „Welt“:

„Und alle, die gläubig waren, bildeten eine Gemeinschaft und hatten alles gemeinsam. Es gab auch keinen unter ihnen, der Not litt. Denn alle, die Grundstücke oder Häuser besaßen, verkauften ihren Besitz, brachten den Erlös und legten ihn den Aposteln zu Füßen. Jedem, wurde davon so viel zugeteilt, wie er nötig hatte.“

Der Satz stammt aus der Apostelgeschichte. Der Sohn vom Chef hatte das angeordnet, Markus 10.21, siehe Bibeltext:

Und Jesus sah ihn an und liebte ihn und sprach zu ihm: Eines fehlet dir. Gehe hin, verkaufe alles, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm, folge mir nach und nimm das Kreuz auf dich.

Man findet in der Welt auch ein Zitat von Klaus Ernst, momentan Vorsitzender der LINKEN:

Klaus Ernst wird für seinen Lebensstil oft kritisiert. Doch der Linken-Vorsitzende steht dazu: „Es macht mir Spaß, Porsche zu fahren.“ Zur innerparteilichen Kritik an seiner Führungsrolle sagte er: „Wissen Sie, was mir Angst macht? Diese Hundertprozentigen, die festlegen, wie ein Linker zu sein hat: Er kommt mit dreckigen Fingernägeln zehn Minuten zu spät ins Theater, wo er nichts versteht.“

Nur drei Zitate, und schon versteht man, warum Religion Opium fürs Volk sein muß: die meinen das ernst, diese religiösen Spinner in ihren Klöstern und Kibbuzim, die wenden sich ab von der Welt des Mammons (der ja selbst in manchen Denkschulen der Teufel persönlich ist) und konzentrieren sich aufs Leben – das ist mit Linken nicht zu machen:

„Ein Entbehrungssozialismus ist mit mir nicht zu machen.“ – so Klaus Ernst weiter im Interview. Jetzt weiß man auch, warum die – wie gestern berichtet – Hartz IV-Abhängige aus Führungspositionen drängeln. Mit öffentlichen Nahverkehrsmitteln kommen die Hartzis nie zur Party auf der Almhütte des Vorsitzenden.

Man könnte diese ganze Geschichte nun als Anekdote am Rande fallen lassen, wenn sie nicht im Rahmen der Kommunismusdebatte die ganze Welt berühren würde.  Kommen wir nochmal zum ersten Artikel der Welt zurück:

In der „Deutschen Ideologie“ beschreibt Marx hingegen den Kommunismus wie das Leben eines heutigen Bahnvorstands, für den „die Gesellschaft die allgemeine Produktion regelt und mir eben dadurch möglich macht, heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe“

Der Marxist (wir wollen ihn mal mangels Alternativen so nennen) will Vorstand werden – und verspricht allen, die ihm folgen, das sie ebenfalls Vorstand werden, während andere („die Gesellschaft“) für ihren Unterhalt sorgt. Nehme ich das ernst, so muß ich sagen: wir leben überraschenderweise in einer marxistischen Gesellschaft, das Proletariat trägt „Hugo Boss“, kriegt fette Boni und diktiert der Welt seine Bedingungen.

Der Autor der Welt macht es sich sehr einfach:

Nichts ist also blöder als die übliche Marx-Apologie, er habe eine gute Idee gehabt, die leider in der Wirklichkeit nicht funktioniere. Marx hatte gar keine Idee vom Kommunismus. Er war stolz darauf, den Genossen die utopischen Flausen ausgetrieben zu haben. Dass der Kommunismus als Alternative zur Leistungs- und Eigentumsgesellschaft jederzeit – im Kloster, im Kibbuz oder in der Kommune – machbar ist, interessierte ihn so wenig wie Linkspartei-Chefin Gesine Lötzsch, die über „Wege zum Kommunismus“ sinniert, ohne daran zu denken, einen dieser Wege selbst auszuprobieren.

Die „utopischen Flausen“ des Kommunismus kann man privat leben, das ist keine Frage. Wenn man die Gesellschaft verändern will, dann muß man anders leben. Die Managerelite macht das vor. Tagtäglich machen sie in Film und Funk Werbung für ihren Lebensstil, machen ihre „Marken“ zum Maßstab von Gut und Böse.  Schlecht angezogen mit dreckigen Fingernägeln ins Theater – undenkbar für einen echten Managertyp. Man will ja „in  sein“, man will „dabei sein“, man will attraktiv sein und ernst genommen werden von den wirklich wichtigen Menschen – jenen mit Geld, mit soviel Geld, das sie sich ganze Regierungen kaufen können. Bei ihnen könnte man ja mit all seinen Bedürfnissen bequem unterschlüpfen und sich vielleicht noch ein paar neue erlauben … Oper, Golf oder Kunst sammeln soll ja auch schön sein.

Und hier kommen wir so langsam zum Kern des Problems: der politischen Alternativlosigkeit. Was wir wählen können, ist: wer von unserem Geld lebt. Gegen die Tatsache, das wir einen riesigen Alltagsterrorapparat zur Politmanagerrundumversorgung mitfinanzieren müssen, der uns langsam aber sicher in den Bankrott treibt, steht alternativlos im Raum. Über die Folgen informiert uns (schon wieder) die Welt:

Im fünften Jahr in Folge haben sich 2010 politische und bürgerliche Freiheiten weltweit verringert. Die Zahl der Demokratien sank von 116 auf 115. Im Jahr 2005 gab es noch 123. Zu diesem Ergebnis kommt der Jahresbericht 2011 von Freedom House, einer unabhängigen US-Forschungseinrichtung, der „Welt Online“ vorliegt.

Ein weiterer Artikel sieht die Freiheit selbst in Gefahr:

Als vor 20 Jahren der Kommunismus zu den blutgetränkten Akten der Geschichte gelegt wurde, ging die Hoffnung um, die Freiheit stehe vor ihrem unwiderruflichen Durchbruch. Das war ein schöner, ein verständlicher Traum, aber eben ein Traum. Gerade das Ende der Blockkonfrontation mit dem Zwang zum atomaren Patt setzte neue Kräfte der Unfreiheit, des Nationalismus, der partikularen Interessen frei und gab dem islamistischen Fundamentalismus den Ausdehnungsraum, den er zuvor nicht hatte. Nach 1989 wurde die Welt schon bald ein gefährlicherer Ort.

Die „Kräfte der Unfreiheit“, die dort freigesetzt worden sind, sind klar benennbar, allerdings verschweigt der Autor die treibende Hauptkraft. Das wissen wir doch aus der Physik: wenn zwei Kräfte gegeneinander im Gleichgewicht sind und man eine dann wegnimmt, dann … entfaltet sich die andere hemmungslos.  Einfach mal stark gegen eine Tür drücken die dann unvermutet geöffnet wird – dann sieht man, was ich meine. Was wir momentan erleben, ist der Siegeszug der Gegenkraft gegen den real existierenden Sozialismus … und diese Gegenkraft braucht jetzt auch ihr demokratisches Kleidchen nicht mehr: Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst (auch so eine philosophische Grundlage für Kommunismus) ist Megaout, die „In-Bewegung“ hat Porsche fahren macht Spaß auf ihren Fahnen stehen.

Man darf nicht in alte, sprachliche Muster verfallen und die Gegenkraft einfach nur „Kapitalismus“ nennen, das würde meines Erachtens nach zu kurz greifen. Es ist ganz präzise die Geburt einer neuen Gesellschaftsordnung: die Beherrschung der Welt, der Gesellschaft, der Politik durch die Macht der Konzerne, die in ihrer Gesamtheit eine so tiefe Durchdringung von menschlichen Werten, Überzeugungen und Verhaltensweisen anstrebt, die ansonsten nur im NS-Staat zu beobachten war.

Wie man wohnt, wie man sich einrichtet, was man anzieht, was man denkt, wie man liebt, Kinder erzieht, Zähne putzt, Fußnägel lackiert oder kocht: das Imperium hat mitlerweile Vorschriften für alles und jeden sowie viele  Sendeformate, in denen jene vorgeführt werden, die noch außerhalb der Konzerngesetze leben. Insofern ist das gesellschaftliche Experiment „NS-Staat“ Vorbild für eine optimale Konzerngesellschaft. Konzernphilosophien und Machtstrukturen in der Welt sind nie demokratisch – und das einzige, was sie noch aufhalten könnte, sind Gesetze. Bei Porschefahrern kann man sich drauf verlassen, das sie am System nichts ändern – kein System, kein Porsche, das ist nunmal die unangenehme Wahrheit. Porsche fallen nicht vom Himmel. Apropo Himmel:

Noch mal was Revolutionäres? Hier, Bibel-online.net:

Kein Knecht kann zwei Herren dienen: entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird dem einen anhangen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott samt dem Mammon dienen. (Matthäus 6.24)

Entbehrungssozialismus ist Opium fürs Volk. Wieder was dazugelernt. Wie aber jetzt die CDU und die Kirche mit dem kommunistischen Hintergrund ihres Gottessohnes klar kommen, weiß ich nicht. Ich kann mir nur vorstellen, das die es mit ihrem Christentum so ernst nehmen wie der Marxist mit dem Kommunismus.  „Porsche fahren macht Spaß“ – darauf können sich aber beide Seiten problemlos einigen.



Das alternativlose Ende des Kapitalismus … oder der Demokratie

Wirtschaftlich gesehen ist der momentane Zustand des Landes eigentlich erbärmlich – eigentlich, weil die Aufschwungjubelchöre alles überdecken. So berichtet heute die „Welt“:

Harte Arbeitswelt: Laut einer neuen Studie hat sich die Zahl der Erwerbstätigen mit einem Zweitjob vervierfacht – innerhalb von nur zwei Jahren.

Da merkt so langsam jeder, was es heißt, nur noch für die Rendite anderer zu arbeiten: es bleibt für einen selber nichts mehr übrig, laut Frankfurter Rundschau noch nicht mal für die Autowartung:

Immer mehr Autofahrer vernachlässigen die Wartung ihres Autos. Dahinter steckt laut Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer der Mangel an Geld: Die schlecht gewarteten Autos seien ein Spiegel der Einkommensverteilung.

Man merkt: viele arbeiten bald nur noch, um sich das Auto leisten zu können, das sie für die Fahrt zu Arbeit brauchen. Und der Traum vom endgültigen Ende der Qual – die Rente – rückt laut FAZ in weite Ferne:

Die Älteren haben Schulden von 1,8 Billionen Euro für Bund, Länder und Gemeinden aufgetürmt. Werden die Jüngeren irgendwann fragen, warum sie diese Schulden bedienen sollen? Vielleicht können die nach Köpfen halbierten Kohorten nachwachsender Jahrgänge später sogar für die Rente der Babyboomer nicht mehr aufkommen.

In anderen Ländern sieht es ebenfalls nicht besser aus: man friert laut News.at in Österreich:

Gerade in eisigen Zeiten wie diesen ist die Zahl wirklich schockierend: 330.000 Menschen in Österreich können sich eine beheizte Wohnung nicht leisten. Vier Prozent der heimischen Bevölkerung, davon 58.000 Kinder, müssen laut Armutskonferenz in den eigenen vier Wänden bitter frieren.

Und in den USA, der stärksten Volkswirtschaft der Welt, wandert laut Süddeutsche Zeitung eine ganze Generation in die Armut:

Besonders betroffen sind die Jüngsten: Über ein Fünftel aller Kinder lebt danach in Armut.

Kein Wunder, das  laut Karl Weiss bei der Berliner Umschau die Zustimmung  zum Kapitalismus langsam sinkt:

Nur 15% der Deutschen meinen, die Politiker würden ihren Aufgaben gerecht und bei den „Wirtschaftslenkern“ sind es 26%. Doch zu einem Desaster wurde das Ganze bei der Frage, ob sich das Wirtschaftssystem Kapitalismus (das natürlich nicht so genannt wird) bewährt habe. Vor 16 Jahren noch sagten da 73% „ja“, doch dann begann diese Zustimmung Jahr für Jahr zu bröckeln. Im April 2010 war die Zustimmung auf 54 % gesunken. Dann aber, in den letzten Monaten, brachen die Umfragewerte regelrecht weg: Nur 6 Monate später finden nur noch 48%, der Kapitalismus habe sich bewährt und damit spricht sich zum ersten Mal eine Mehrheit der Bevölkerung gegen das kapitalistische Wirtschaftssystem aus.

Als Lösung des Problems zieht nun Karl Weiss gleich ein besonderes Kaninchen aus der Tasche:

Wer jetzt noch nicht gemerkt hat, der Kapitalismus ist nicht „unser“ System, der sitzt immer noch der Gehirnwäsche von Fernsehen, Zeitungen und Magazinen auf. Und viele Menschen begnügen sich nicht mehr damit, das bestehende für schlecht zu erklären, sie suchen auch nach Alternativen. Und da kommt dann immer wieder der gute alte Karl Marx ins Blickfeld. Nicht umsonst hat er bei der großen Umfrage vor einiger Zeit nach dem „bedeutendsten Deutschen“ den zweiten Platz gemacht. Wer weiss, demnächst steht er auf dem ersten.

So ist es mit den Menschen: immer, wenn es nicht mehr weiter geht, suchen sie einen Despoten, der ihnen das heilige Utopia fertig gebacken vor die Füße legt, gerne sind es magische Gestalten, die im unaufhaltsamen mechanischen Lauf der Geschichte quasi von der Vorsehung ausgewählt worden sind, ihre historisch unabwendbare Rolle in der Weltgeschichte zu spielen. Das die Rhetorik von Feudalisten, Nationalisten und Kommunisten da sehr ähnlich ist, verwundert niemanden.  Die Diktatur der eigenen Bande ist immer „gut“, die anderen Banden sind immer böse. Dabei scheint Marx mit einfachen Worten laut Wikipedia zu überzeugen:

Klassenherrschaft ist demnach für Marx keine zufällige, sondern eine gesetzmäßige Folge von Ausbeutung. Diese sei aber kein böser Wille der Kapitalisten, sondern ein Zwang: Um auf dem vom Kapital beherrschten Markt konkurrieren zu können, müssen sie lebendige Arbeit, die den Mehrwert produziert, ausbeuten. Die Konkurrenz führe zu immer größerer Kapitalkonzentration (Monopol– und Kartellbildung) und damit zwangsläufig zu Absatzkrisen und Kriegen. Sie zwinge die Kapitaleigner dazu, die Arbeitskosten so gering wie möglich zu halten und den größtmöglichen Profit anzustreben, um diesen in technologische Neuerungen investieren zu können. Dies wiederum führe zu einer immer stärkeren Bewusstwerdung der Notwendigkeit eines Umsturzes. Die sozialistische Revolution ist also nach Marx in den kapitalistischen Strukturen selbst angelegt. Damit erscheint die bürgerliche Gesellschaftsform nicht als moralisch zu verurteilende, sondern als nüchtern zu durchschauende Klassenherrschaftsform. Deren Analyse will die realen Ansatzpunkte zur Umwälzung der Macht- und Besitzverhältnisse erkennbar machen.

Es ist schön und tröstlich, wenn man als Junghegelianer christliche Heilserwartungen als automatischen Mechanismus auf die Geschichte überträgt – was jedoch, wenn Hegel falsch lag, was, wenn Ökonomie nicht alles ist, was das Handeln des Menschen bestimmt und was, wenn der Mensch an sich nicht so edel, gut und gerecht ist, wie er sein müßte, damit Marxismus funktioniert? Dann erleben wir, was wir erleben durften: der real existierende Sozialismus muß seine Bürger einsperren, damit sie nicht weglaufen, die Diktatur des Proletariats erzeugt Elend für alle, damit das Elend des Einzelnen nicht mehr so auffällt. Hebt man die Diktatur des Proletariats auf, blüht … unter anderem der Islam, nach sechzig Jahren Sowjeterziehung ein Phänomen, das viele für unmöglich gehalten haben.

Für Anhänger der marxistischen Theorie ist Geschichte nicht lebendig, sondern ein toter Mechanismus, in dem es keine Freiheit gibt und sich alles mit der Gesetzmäßigkeit von Automaten vollzieht.  Aus dieser Perpektive heraus ist Marxismus eine Lehre, die die Leblosigkeit der Welt verabsolutiert und als Dogma tyrannisch in die Massen preßt – obwohl es dazu keine Notwendigkeit gibt. Kommunismus und Religion paßten Jahrtausende lang gut zusammen:

Die beherrschende Produktionsweise der europäisch-vorderasiatischen Antike war die Sklavenhaltergesellschaft, die meist religiös begründet wurde. Ausnahme war im Vorderen Orient nur das frühe, als loserZwölfstämmebund organisierte Israel. Dessen Tora verlangt die regelmäßige Umverteilung des Bodenbesitzes zugunsten der Besitzlosen als Konsequenz des Glaubens an JHWH, den Sklavenbefreier (Lev 25). An dieses Recht erinnerten sozialkritische Propheten Israels bis hin zu Jesus von Nazaret (Lk 4,16 ff.), so dass die Jerusalemer Urgemeinde in Anknüpfung an jüdische Armenfürsorge eine urchristliche Gütergemeinschaft für ihre Mitglieder praktizierte.

Aber was von „den Juden“ kommt ist hierzulande nie gut angekommen – siehe Wikipedia:

Micha Brumlik schreibt unter Verweis auf Marx’ Briefe: „Marx war zeit seines Lebens – zumindest persönlich – ein glühender Antisemit.“ Jedoch fänden sich auch in seinem theoretischen Werk, so vor allem in Zur Judenfrage, antisemitische Thesen.[21]

Nun wird Marx mitlerweile auch sehr von Neoliberalen geschätzt, was manche nicht hindert, ihn bei jeder Gelegenheit als „Erlöser“ aus dem Hut zu zaubern. Was man ganz vergißt ist: der Klassenkampf selber existiert nicht mehr. Seine ökonomische Analyse des 19. Jahrhunderts greift nicht mehr, wenn es Rentenkassen und Versicherungen sind, die Kapitalbildung an vorderster Front betreiben und der idealisierte Herrenmenschentypus des „Proletariers“ einem landesweiten Bettlertum gewichen ist – Menschen, die von Sozialleistungen der Gemeinschaft abhängig sind.  War der Arbeiter noch ein Machtfaktor im Wirtschaftsprozess, so gehört er heute als „Arbeitsplatzbesitzer“ auf die andere Seite – die Seite der asozialen Ausbeuter und Egomanen. Seine Diktatur – deren Folgen vielen noch in deutlicher Erinnerung ist – verheißt nicht mehr Glück und Leben als die Diktatur des Kapitals. Die TAZ formuliert dies wie folgt:

Jene am Rand der Gesellschaft sind also angewiesen auf das politisch-solidarische Handeln institutioneller Akteure. Doch auf die war 2010 kein Verlass. Gerade die Gewerkschaften, die anlässlich des Sparprogramms der Bundesregierung einen heißen Herbst angekündigt hatten, haben ihre gesellschaftliche Aufgabe nicht wahrgenommen. Sie sind die Handelsvertreter der von der Bundesregierung vermeintlich verschonten Arbeitsplatzbesitzer.

In der leblosen Welt des Materialismus ist die Mechanisierung der Gesellschaft logische Konsequenz gesellschaftlicher Entwicklung und der Mensch wird zum „Kostenfaktor auf zwei Beinen“. Es ist betrüblich zu sehen, das – liest man die Kommentare zu dem TAZ-Artikel – immer noch Dogmen und Tabus das Denken beherrschen und Gewerkschaftskritik als solche schon gleich einen Platz auf der nachrevolutionären schwarzen Liste besorgt.

Dabei gibt es kein revolutionäres Potential mehr, das der kleinen Elite pseudolinker Führer einen sicheren Posten an den Fleischtöpfen der Maschinenwelt sichert – da gibt es nur noch „Lumpenproletariat“, das sich irgendwie über Wasser halten muß (zitiert bei Wikipedia):

Zu diesem „Auswurf, Abfall, Abhub aller Klassen“ zählte Marx „Vagabunden, entlassene Soldaten, entlassene Zuchthaussträflinge, entlaufene Galeerensklaven, Gauner, Gaukler, Tagediebe, Taschendiebe, Taschenspieler, Spieler, Zuhälter, Bordellhalter, Lastträger, Literaten, Orgeldreher, Lumpensammler, Scherenschleifer, Kesselflicker, Bettler, kurz, die ganze unbestimmte, aufgelöste, hin- und hergeworfene Masse, die die Franzosen la bohème nennen“ (MEW 8, 160f). Im Kommunistischen Manifest beschrieben Marx/Engels die subproletarischen Gruppen als „passive Verfaulung der untersten Schichten der alten Gesellschaft“.

Es ist kaum zu glauben, mit welcher Abscheu hier über Menschen gesprochen wird. Dort, wo der heilige Vollzeitarbeitsplatz abgeschafft wird, werden wir aber alle zu „Lumpenproletariat“ – und man bekommt eine Ahnung davon, das damals schon die Grundlage für den „Prolet-Arier“ geschaffen wurde, der sich von dem National-Arier in seiner Verachtung für Schwächere kaum unterschied. Was Marx früher „Lumpenproletariat“ nannte, nennt man heute „Hartz IV“. Es wird mit der gleichen Verachtung überzogen … und da wundert es nicht mehr, das in Wirklichkeit niemand sich für diese „Schicht“ interessiert, einer Schicht, der man gerne Marx als Opium (oder Karotte) vor die Nase hält.  Dabei wartet da auch nur kostenminimierende Lagerhaltung für menschlichen Sondermüll.

Der Ausdruck „Asoziale“ war hauptsächlich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine politisch genutzte Sammelbezeichnung für als minderwertig eingeschätzte Menschen aus der sozialen Unterschicht. Als „Asoziale“ wurden und werden teilweise bis heute insbesondere BettlerLandstreicherObdachloseProstituierteZuhälterFürsorgeempfängerSuchtkranke (z. B. Alkoholiker), HomosexuelleZigeuner und andere Unangepasste bezeichnet. (siehe Wikipedia)

Das Ende des Kapitalismus ist alternativlos – in vielerlei Hinsicht. Einerseits ist er am Ende. Andererseits gibt es keine Alternative, solange man an den Grundparametern des Denkens nichts ändert: die Lagerhaltung von Menschen in Plattenbauten ist die Konsequenz des Materialismus ebenso wie die kostengünstige Herrschaftsform des Absolutismus, wobei es für uns Lumpen einerlei ist, ob dort oben ein König oder ein Generalsekretär diktiert, wie wir unseren Alltag zu gestalten haben.

Sicherlich kann Religion als Nebenwirkung die Eliminierung revolutionären Potentials innehaben. Aber „Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst“ ist eine ethisch wertvollere Maxime als die Formulierung präfaschistischer Formate wie „Lumpenproletariat“ … eine Sichtweise, die in den Lagern des Dritten Reiches sehr häßliche Nebenwirkungen hatte und im Prinzip bis heute rechte wie linke politische Systeme infiziert.

Politische Utopien, die „Herrenmenschen“ – in welcher Form auch immer – „Untermenschen“ gegenüberstellen, sind niemals mit Menschenrechten kompatibel, auch wenn sie dieselben noch so groß auf ihre Fahnen schreiben.  Und wenn es nicht gelingt, konstruktive Alternativen zum Materialismus zu formulieren … dann wird der militante Islam die Alternative sein, die weltweit den dogmatischen Materialismus überwindet.

Demokratie jedoch … bleibt ein Traum aus dem alten Griechenland. Aber die waren ja auch schwul und somit asozial.



Esoterik, Geisterspuk, Marx und die Gesundbeter

Kaum ein Feld betrete ich ungerner als das der Esoterik. Und kaum ein Feld ist nötiger zu betreten als gerade dies. Gerne würde ich dem Religionswissenschaftler Harmut Zinser folgen, hier bei Wikipedia zitiert:

So schreibt der Religionswissenschaftler Hartmut Zinser in einer Aufklärungs-Broschüre der Hamburger Innenbehörde: „Über ein Verborgenes können eigentlich keine Aussagen gemacht werden, dann wäre es kein Verborgenes mehr. Anhänger des Okkultismus und der Esoterik aber machen genau dies. Sie schreiben dem Unbekannten und Verborgenen bestimmte Eigenschaften zu, beispielsweise die Wirkung von Geistern, Toten, anderen Lebenden oder eines Weltbewusstseins usw. zu sein. Es ist dies der Grundfehler der Esoterik und des Okkultismus, dass er über ein tatsächliches oder angenommenes Unbekanntes Aussagen macht. Wenn immer es möglich ist, diese Aussagen zu überprüfen, stellt sich heraus, dass die esoterischen Aussagen über ein Unbekanntes und Verborgenes falsch, unnötig und irreführend sind. Esoteriker wie Okkultisten ertragen offensichtlich die Tatsache nicht, dass uns Menschen vieles unbekannt und verborgen ist und schreiben sich ein Wissen und auch Macht über das Unbekannte und Verborgene zu. Dies mag ihren Wünschen entsprechen, nicht aber der Wirklichkeit.“[70]

Genauso gut könnte er diese Zeilen aber den Naturwissenschaften ins Heft schreiben, die auch dem Unbekannten und Verborgenen bestimmte Eigenschaften zuschreiben, nämlich NICHT die Wirkung von Geistern, Toten, anderen Lebenden oder eines Weltbewußtseins zu sein. Wann immer es möglich ist, diese Aussagen zu überprüfen, stellt sich heraus, da die naturwissenschaftlichen Aussagen über ein Unbekanntes oder Verborgenes falsch, unnötig und irreführend sind. Naturwissenschaftler wie Materialisten ertragen offensichtlich die Tatsache nicht, das uns Menschen vieles unbekannt und verborgen ist und schreiben sich ein Wissen und auch Macht über das Unbekannte und Verborgene zu. Dies mag ihren Wünschen entsprechen, nicht aber der Wirklichkeit.

Wenn man in einer Kritik die Hauptworte austauschen und durch ihr Gegenteil ersetzen kann, ist die Kritik gegenstandslos. Das hätte auch die Hamburger Innenbehörde merken müssen, die mit dem Geld der Steuerzahler eine somit dogmatische und den Grundsätzen menschlicher Freiheit (und auch der staatliche garantierten Religionsfreiheit) zuwiderlaufende Schrift finanziert hat.  Dabei gäbe es eine Kritik, die fundiert wäre – und auch bei Wikipedia genannt wird – eine Kritik, die auch die Variationen und Dimensionen von Esoterik begiffen hat:

Viele Kritiker, aber auch manche Esoteriker selber beklagen einen „Supermarkt der Spiritualität“:[72] Verschiedene, teils widersprüchliche spirituelle Traditionen, die über Jahrhunderte in unterschiedlichen Kulturen der Welt entstanden, würden in der Konsumgesellschaft zur Ware, wobei sich verschiedene Trends und Moden schnell abwechselten („gestern Yoga, heute Reiki, morgen Kabbala) und als Produkt auf dem Marktihres eigentlichen Inhalts beraubt würden (Lifestyle). Dieser Umgang sei oberflächlich, reduziere Spiritualität auf Klischees und beraube sie ihres eigentlichen Sinnes.

Dabei ist aber wiederum auch verblüffend, was alles in einen Topf geworfen wird. Yoga empfiehlt auch mein Orthopäde, es ist die Königsdisziplin der Rückengymnastik. Das jetzt Staat und Kirche Yoga verbieten wollen, verwundert mich aber nicht: an Schmerzen verdienen beide. Reiki kenne ich nicht (und möchte es auch nicht kennenlernen), die Kabbala ist ein komplexe Farben- und Formenlehre, die den Ausfluß Gottes in die Welt beschreibt – ein elementarer Bestandteil jüdischer Mystik. Das zu verbieten lohnt sich auch, wer sich damit beschäftigt, konsumiert nicht mehr und zahlt vielleicht auch keine Kirchensteuer.

Kein Wunder, das auch die Kirche gegen Esoterik wettert (nach Wikipedia, gleicher Ort):

Gott kann seinen Propheten und anderen Heiligen die Zukunft offenbaren. Die christliche Haltung besteht jedoch darin, die Zukunft vertrauensvoll der Vorsehung anheimzustellen und sich jeglicher ungesunder Neugier zu enthalten. (…) Sämtliche Formen der Wahrsagerei sind zu verwerfen: Indienstnahme von Satan und Dämonen, Totenbeschwörung oder andere Handlungen, von denen man zu Unrecht annimmt, sie könnten die Zukunft „entschleiern“. Hinter Horoskopen, Astrologie, Handlesen, Deuten von Vorzeichen und Orakeln, Hellseherei und dem Befragen eines Mediums verbirgt sich der Wille zur Macht über die Zeit, die Geschichte und letztlich über die Menschen, sowie der Wunsch, sich die geheimen Mächte geneigt zu machen. Dies widerspricht der mit liebender Ehrfurcht erfüllten Hochachtung, die wir allein Gott schulden. Sämtliche Praktiken der Magie und Zauberei, mit denen man sich geheime Mächte untertan machen will, um sie in seinen Dienst zu stellen und eine übernatürliche Macht über andere zu gewinnen – sei es auch, um ihnen Gesundheit zu verschaffen –‚ verstoßen schwer gegen die Tugend der Gottesverehrung.[64]

Also die „guten“ Esoteriker gegen die „bösen“ Esoteriker. Der Wille zur Macht über die Zeit, über die Geschichte und letztlich über die Menschen ist doch auch Antrieb der Kichenpolitik der letzten zweitausen Jahre gewesen – warum sollte man sie anderen vorwerfen? Nun – aus einem einfachen Grund. Wer Macht will, braucht Menschen. Viele Menschen. Der Sucht nach Macht entspringt auch die Religionskritik von Marx, die in erster Linie Kritik gegen die „Tugend der Gottesverehrung“ ist:

Das religiöse Elend ist in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend. Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüth einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volks.

Die Aufhebung der Religion als des illusorischen Glücks des Volkes ist die Forderung seines wirklichen Glücks. Die Forderung, die Illusionen über seinen Zustand aufzugeben, ist die Forderung, einen Zustand aufzugeben, der der Illusionen bedarf. Die Kritik der Religion ist also im Keim die Kritik des Jammertales, dessen Heiligenschein die Religion ist. “

Quelle: Wikipedia

Dabei bedient sich Marx der gleichen Prinzipien, mit der auch die Kirche ihre Schäfchen im Stall hält: Folgt mir und ich werde Euch ins Paradies führen. Sein Paradies ist die klassenlose Gesellschaft, die im Detail der Paradiesvorstellung der Kirche entspricht – beide liegen im Jenseits, das marxistische Paradies in unerreichbarer Zukunft, das kirchliche Paradies im unerreichbaren Himmel hinter den Himmeln, beide gelten aber mit viel Arbeit auch auf Erden als erreichbar, wobei der christliche Weg der einfachere ist:

Gehe hin, verkaufe alles, was du hast, und gib’s den Armen,

Quelle: Bibeltext

Das darf man keinem Christen in diesem Land ernsthaft vorschlagen, weshalb das Christentum an der gleichen Krankheit leidet wie der revolutionäre Marxismus, hören wir dazu mal Trotzki, einen Revolutionär der ersten Stunde:

Die durch und durch philisterhafte, unwissende und einfach dumme Hetze gegen die Theorie der permanenten Revolution entsprang gerade diesen psychologischen Quellen. Bei einer Flasche Wein oder auf dem Heimweg vom Ballett sprach ein selbstzufriedener Bürokrat zu dem anderen: „Der hat immer nur die permanente Revolution im Kopfe.“ Eng damit verbunden sind die Anschuldigungen wegen meiner Ungeselligkeit, wegen meines Individualismus, Aristokratismus und so weiter. „Aber doch nicht immer und nicht alles nur für die Revolution, man muß auch an sich denken“ – diese Stimmung wurde übersetzt mit: „Nieder mit der permanenten Revolution“ Der Widerstand gegen die theoretischen Ansprüche des Marxismus und die politischen Ansprüche der Revolution nahm für diese Menschen allmählich die Form des Kampfes gegen den „Trotzkismus“ an. Unter dieser Flagge vollzog sich die Entfesselung des Kleinbürgers im Bolschewik. Darin eben bestand mein Verlust der Macht, und das ergab die Form, in der dieser Verlust erfolgte.

Quelle: marxists.org

Das hier Religion als Opium des Volkes empfunden wird, ist klar: wie bei der Esoterik geht es um Macht über Menschen. Aber da tun sich Christen, Esoteriker und Marxisten überhaupt nichts, in ihren Zielen sind sie sich da einig: alle wollen ins Ballett. Die einen sind schon drin, die anderen wollen auch hinein, weshalb das Proletariat die Diktatur ausrufen muß:

Das Proletariat (ursprünglich im nicht-marxistisch vom lat. proletarius „der untersten Volksschicht angehörend“) bezeichnet die mit der Entwicklung des Kapitalismus und der Industrialisierung entstandene neue Klasse von abhängig Beschäftigten in den aufkommendenManufakturen und Fabriken. Marx definiert den Proleten als doppelt freien Lohnarbeiter: Frei von Leibeigenschaft, also im Besitz seiner selbst und „frei“ von Produktionsmitteln, die ihm ein Überleben durch Arbeit sichern könnten.

Quelle: Wikipedia

Heute, mit der Erfahrung der Korporatokratie, der weltweiten Diktatur der Konzerninteressen im Hintergrund, sehen wir die Fronten noch deutlicher, die sich im 19.Jahrhundert schon abzeichnen: alle Revolution führte nur dazu (und sollte einzig diesem Zwecke dienen) dem Intellektuellen einen besseren Platz am Fleischtopf der Konzerne zu sichern. Hatte er den inne, baute er auch den Ford in Lizenz. War Religion Opium fürs Volk, so war es der Marxismus erst recht. Der Marxist braucht den Konzernarbeiter um einen Sitz im Vorstand zu bekommen – und nur darum geht es. Marxismus gegen Kapitalismus war eine Lüge – von Anfang an. Es ging nur um eins: die Ausbreitung der Konzernherrschaft und die Mobilisierung der Massen zu diesem Zweck, weil die Konzernherrschaft eine weltweite Ausbreitung des westlichen Feudalismus versprach, der sich „der Arbeiter“ gerne anschloß. Sein Engagement (und das der Gewerkschaften)  gegen die Agenda 2010 war dementsprechend … entlarvend.

Und doch hatten alle drei Großmächte und Fangarme der Korporatokratie einen gemeinsamen Feind, gegen den sie heute noch vorgehen: die Esoterik. Der friedliche meditierende Zen-Buddhist auf der Bergspitze läßt sich nicht in revolutionäre Masse umwandeln, noch in Produktivkapital, noch in Kirchensteuer, der Medizinmann der Sioux führt den Kampf gegen die Eisenbahn und die Fabriken des weißen Mannes nicht aus territorialen Ansprüchen heraus, sondern weil nach seiner Überzeugung die Kultur des weißen Mannes zur Vernichtung der Welt führt, die Indianer des Amazonasbeckens führen ihren Krieg, weil ihnen das Leben des Waldes heilig ist.  Darum brachte die US-Armee gezielt die Medizinmänner um – nicht die Kriegshäuptlinge, darum sterben auch heute noch weltweit die „heiligen“ Männer des Volkes – und darum führen in der Eifel die Gesundbeter und dörflichen Heiler ein Leben im Verborgenen.

Was können die Gesundbeter? Schmerzen nehmen – gerade die Schmerzen von Brandwunden. Sie können Blutungen stillen, gerade bei schweren Verletzungen. Ärzte schwören darauf, schicken ihre Patienten lieber zum Heiler als ins Krankenhaus. Überraschend für mich war, das ich die einige der Ärzte persönlich von früher kenne – und jetzt ihre andere Seite kennenlerne. Überraschend ist auch, das ich – nach zwanzig Jahren – ein Fremder bin, dem man mit Zurückhaltung begegnet. Die Angst ist groß – vor der Kirche, vor dem Staat, vor den Medien – kurz: vor den Herrschern der Welt.

Mitten in Deutschland (und dann noch in der Eifel) solcher Angst zu begegnen, betrübt. Man berichtet mir von Heilern, gibt mir sogar Daten zu Kontaktpersonen (wenn ich mal persönlich was brauchen sollte) … aber jene Plätze, die Migräne heilen, verrät man mir nicht.  Überraschend ist – in unserer ach so freien, ach so aufgeklärten Gesellschaft gibt es schon viel Literatur über diese Phänomene – doch keine Konsequenzen hinsichtlich ihrer Nutzbarmachung für die Menschen.

Stattdessen überschwemmt man den Markt mit US-amerikanischer Wischi-Waschi-Esoterik, die die Menschen immer weiter in die Fangarme der Korporatokratie führt.

Nun – ich halte mein Versprechen, erzähle nichts über Gesundbeter…. nur etwas über ihr Weltbild. Grob und unpersönlich.  Es ist das älteste Weltbild der Menschheit, dem man dort begegnet, es ist die Welt der Hindu, der Buddhisten, der alten Juden, der Urchristen. In ihr ist Gott keine durch die Bibel vermittelte Annahme, sondern eine lebendige, erfahrbare Realität – wie auch die Dämonen. Es ist das alte, schamanische Weltbild, das sich hier offenbart – weil es Wirklichkeit ist. Keine Wahrheit – nur Wirklichkeit. Es ist ein Weltbild, das der Realität von Menschen sehr gerecht wird, denn wir Menschen sind alle auf einer „esoterischen“ Reise. Sie beginnt mit der Geburt und endet mit dem Tod – wir kommen aus der Welt der Rästel und gegen in eine Welt der Rätsel, was uns eine gewissen Gelassenheit angesichts der aktuellen Politik verleihen kann, eine Gelassenheit, die man gut gebrauchen kann, um angesichts des Wahns nicht selbst zur Bestie zu werden. Es ist die Aufgabe des Heilers, den Menschen auf dieser Reise vor Schaden zu bewahren,  wie es die Aufgabe des Philosophen sein sollte, ihn vor der Manipulation zu schützen … und die Frage zu stellen: wo ist der Platz der Vegetarier beim Kampf um die Fleischtöpfe?

Wenn wir Fronten in dieser Welt ziehen wollen, wenn wir die Welt als Kampf von Ideen verstehen wollen, so verläuft die Front der Auseinandersetzung anders. Es ist der Kampf des Indianervolkes am Amazonasbecken gegen die Ölindustrie.

Auf der einen Seite Menschen, die glücklich und zufrieden mit drei Stunden Arbeit am Tag im Paradies leben, auf der anderen Seite eine gigantische Maschinerie, die das Paradies verspricht … in Zukunft, im Jenseits, im Himmel, in der Utopie, mit einem zehn-Stunden-Arbeitstag in der Betonwüste am Stadtrand von Bitterfeld.  Die einen leben nachhaltig, gesund, umweltverträglich und schützen sich erfolgreich vor bösen Geistern, die anderen schützen sich nicht … und werden selbst zu bösen Geistern, die die Welt ausplündern und vernichten.

Es ist letztendlich der Mythos des Kampfes des Zauberers gegen die seelenlosen Ungeheuer – und er erscheint aktueller denn je.

Dort, wo Esoterik Wirklichkeit wird, wird sie zur Gefahr für die herrschenden Kasten … von denen es halt nicht nur eine gibt.  Sie ist geeignet, den Mob zu demobilisieren, den Menschen zu sensibilisieren, seine Aufmerksamkeit zu schärfen, seinen Horizont flexibel zu erweitern und ihn unabhängig zu machen von den Heilsversprechen der Kosmokraten aller Art …. und das stört den Kirchenmann, den Revolutionär und den Kapitalisten – man braucht ja den Mob, um ins Ballett zu kommen.

Und was den Geisterspuk generell angeht: den Luxus, nicht an ihn zu glauben, kann man sich nur erlauben, wenn man noch keinem begegnet ist. Das unterscheidet Kant von Goethe, Darwin von Jung. Allerdings hatte Kant einen gewissen Respekt davor, er meinte nur: das geht uns nichts an. Auch das ist eine Grundüberzeugung der Medizinmänner und zauberkundigen Heiler.

Es gibt übrigens eine möglicherweise hilfreiche Richtschnur im Umgang mit Esoterik, falls man nun doch dem Rat von Kant (und Castaneda – doch das ist ein anderes Thema) nicht folgen möchte: Esoterik im ursprünglichen Sinne ist kostenlos und ideologiefrei. Wer Geld nimmt oder Führerschaft beansprucht, ist ein Heuchler. Todsicher. Wer Reklame für sich macht, auch. Darum darf man ruhigen Gewissens die Abteilung „Esoterik“ in der Buchhandlung meiden, alles, was relevant ist, findet sich bei Platon – und mehr braucht kein Mensch.

Die letzten 100 Artikel