„So eine Woche habe ich noch nicht erlebt“, stammelt Bayerns Innenminister Herrmann auf einer Pressekonferenz in Hinblick auf die Anschlagserie der letzten Woche. Dass zusätzlich noch der Stolz Herrmanns gekränkt wurde, indem das Landgericht Karlsruhe einem deutsch-ghanaischen Anwalt zugebilligt hat, dass er den Bayerischen Innenminister ungestraft als „ganz wunderbares Inzuchtsprodukt“ bezeichnen darf (siehe taz), ist da inmitten der aktuellen Blutbadserie nur eine Randmeldung wert.
Wir wollen das Wort „Inzucht“ trotzdem als Ariadnefaden behalten, um uns durch das blutige Labyrinth des Minotaurus zu manövrieren. Denn wenn wir nicht an der Oberfläche bleiben wollen, müssen wir einige grundlegende Fragen stellen:
Welchen Elementen bietet das derzeitige marktradikale („neoliberale“) Treibhausklima optimale Wachstumsbedingungen? Welche Charaktere züchten wir in unserer Arbeits- und Ausbildungswelt heran? Warum werden die Gewächse bzw. die Absolventen unserer scheinbar so hochqualifizierten und hocheffizienten Schulen und Universitäten plötzlich von Schwarzschimmel befallen und überziehen ihre Umgebung mit einem tödlichen Pelz?
Wer sich mit Umweltmedizin beschäftigt, der weiß, dass Schwarzschimmel nur unter ganz bestimmten Luftfeuchtigkeits-, Temperatur- und Nährstoffbedingungen wächst. Sind diese Bedingungen gegeben, dann benötigt Schimmel weniger als eine Woche, bis er anfängt zu wachsen und das Haus unbewohnbar zu machen – Blitzradikalisierung par excellance also. Obwohl, und das wissen die wenigsten, Schimmel in den meisten Fällen für das Auge unsichtbar bleibt und oft erst nach Jahren oder gar nicht aufgedeckt wird. Viele Menschen werden daher in einer scheinbar blitzsauberen, aber unsichtbar verschimmelten Wohnung krank, ohne zu wissen warum. Nur wenn die Schimmelkultur bis in ihre Blüte bzw. Sporenbildung kommt, wird der Befall für das Auge sichtbar. Experten wissen daher, dass sichtbarer Schwarzschimmel nicht mehr ist als die Spitze des Eisbergs und ein viel tiefgehender Schaden an der Bausubstanz vorliegt, in den meisten Fällen ein unerkannter Wasserrohrbruch oder eine Wärme-/Kältebrücke.
Bevor wir uns den tieferen Ursachen des aktuellen Fiaskos widmen, zunächst noch einmal kurz zurück an die Oberfläche des Schwarzschimmelpelzes: Aktuell schlägt den Migranten eine Welle der pauschalen Empörung entgegen: Wie war es möglich, dass Flüchtlinge, die allen Grund zum Dank hätten, dass Deutschland ihnen Aufnahme, Ausbildung und Unterkunft gewährt hat, sich auf solch desaströse Art revanchieren?
Auch die Schäubles, Merkels und sonstigen Herrmänner sind ratlos. Sogar Konstantin Wecker, der stets eine Lanze für die Willkommenskultur gebrochen hat, schreibt, dass er bei den Nachrichten über Amok laufende Flüchtlinge für Momente das Gefühl gehabt habe, die Flüchtlinge fielen ihm nun in den Rücken bei seinen Versuchen, öffentlich für ihre Rechte einzutreten.
Wieso dieser Hass und Vernichtungswille? In einem Wohlstandsland, in dem allen Bürgern – zumindest solange sie gerade nicht malochen – das Frei- bzw. Billigbier fließt und es Unterhaltung nonstop bis zum Abwinken gibt?
Mangels anderer Erklärungsansätze verengt sich die aktuelle Diskussion derzeit meist auf zwei Erklärungsansätze bzw. Etiketten, die man den Amoktätern umhängt: geistesgestörter Einzeltäter oder islamistischer Terrorist. Wie der Gefängnispsychologe Götz Eisenberg ausführt, kann sich in beiden Fällen die Gesellschaft von Verantwortung freisprechen und sagen: Der Mann ist wahnsinnig oder er handelt im Auftrag des IS. Wenn alle Erklärungen versagen, da der Täter bisher ein biederes Musterleben in einer Musterfamilie in einem Musterreihenhaus geführt hat, dann ist das eben ein typischer Fall von Selbstradikalisierung, vorzugsweise Selbstradikalisierung im Blitztempo, so wie beim Attentäter von Nizza, der sich innerhalb von 14 Tagen selbstradikalisiert und zum Dschihadisten gewandelt haben soll.
In seinem jüngsten Essay (siehe Nachdenkseiten) nähert sich Götz Eisenberg in gleichermaßen ruhiger wie treffsicherer Weise an den Kern der derzeitigen Misere an. Man erspart sich durch das Lesen dieses bereits sehr tiefschürfenden Artikels das Lesen unzähliger anderer sogenannter Expertenmeinungen. Eisenberg führt darin aus, wie Attentäter oft nicht morden, weil sie sich dem Dschihad zugewandt haben, sondern dass sie sich dem Dschihad zugewandt haben, weil sie morden wollten. Wie eine neoliberal-nihilistisch-technokratisch konditionierte Gesellschaft immer mehr „radikale Verlierer“ produziert, die sich abgehängt und in permanenter Frustration fühlen. „Menschen, die vom heiligen Markt als überzählig ausgespuckt werden und wie Fische auf dem Trockenen liegen.“ Und schließlich, wie Amoktäter, die teilweise in imitiertem, gebrochenem Arabisch „Allahu akhbar“ rufen, sich der IS-Chiffre nur bedienen, um gewissermaßen als Teil einer „weltumspannenden Hass-Föderation“ erweiterten Suizid zu verüben. Es lohnt sich, diesen etwas längeren Artikel zu studieren, man sieht danach klarer.
Auch der französische Politologe Olivier Roy kommt zum Schluss, dass nicht die Radikalisierung des Islam heute das größte Problem sei, sondern dass sich Radikalität an sich immer öfter islamistisch kostümiere. Die Ideologie des IS, laut Roy zurzeit das „radikalste Produkt auf dem Markt“, komme diesen Menschen gerade recht, um ihre Wahnsinnstat zu etikettieren und in einer vermeintlich weltumspannenden Guerillagemeinschaft wider die westliche Welt in einen größeren Kontext zu stellen. In Wirklichkeit seien die Attentäter Produkte einer zutiefst gespaltenen und ausbeuterischen Gesellschaft, die an ihren Rand gedrängt, der Kriminalität und Destruktivität verfallen.
Indes kündigen unsere Politiker bereits Jugendschutz- und Entradikalisierungsmaßnahmen an. Was die Folge davon sein wird, ist jetzt schon klar: Ethnische und religiöse Minderheiten wie die Roma, Zeugen Jehovas etc. werden noch mehr an den Rand gedrängt und mit Projektionen und Repressionen behäuft als bisher. Die Wut und der Hass der Bevölkerung über die eigentlich ungreifbare Bedrohung wird sich an einigen Minderheiten entladen – während die eigentliche gesamtgesellschaftliche Radikalisierung bzw. der vorgenannte Schwarzschimmelbewuchs weiterhin ungehemmt voranschreiten kann. Die Strategie, Sündenböcke bereitzustellen, auf die der gemeine Bürger unter Duldung der Justiz weitgehend ungestraft einschlagen kann, hat sich schon seit jeher bewährt, wenn es darum ging, kollektive Wut – die schließlich zu einer Änderung der etablierten Machtverhältnisse hätte führen können – zu kanalisieren. Auch im Dritten Reich konnte auf diese Weise von dem eigentlich unhaltbaren wirtschaftlichen, sozialen und weltanschaulichen Bankrott eines Systems abgelenkt werden, indem man die Schuld für die gesamtgesellschaftliche Krise den Juden, den Roma und ein paar weiteren Randgruppen gab.
Aber wenn wir schon über Entradikaliserungsprogramme reden: Wer kümmert sich eigentlich um die Entradikalisierung unserer Politiker? Ist die weltanschauliche Gesinnung mancher Politiker heute nicht bereits ebensoweit ins Radikale abgeglitten, dass Verelendung und sogar Vernichtung von Menschenmengen größeren Ausmaßes zu befürchten ist?
Ist es nicht ebenso eine radikale Weltsicht, wenn z.B. Wolfgang Schäuble, also eine an der Spitze der Machtpyramide unserer Gesellschaft stehende Person, in einem ARD-Interview sich selbst beschreibt als jemanden, der „abgehärtet ist in einem langen bösen Leben“? (Quelle: ARD-Mediathek – dort nur noch bis 24.8.2016 verfügbar). Muss man angesichts der Verbitterung und womöglich sogar leisen Todessehnsucht, die man aus solchen Worte ahnen könnte, nicht Gänsehaut am Rücken bekommen?
Würde ein Flugzeugpilot solche Worte sprechen, man würde ihn wegen Verdachts auf akute Lebensmüdigkeit und implizite suizidale Tendenzen wohl umgehend aus dem Verkehr ziehen. Dass man von Schäuble trotzdem kein psychologisches Attest eingefordert hat, wird sich womöglich aus zukünftiger Perspektive bitter rächen. Nicht, dass so jemand bewusst eine Katastrophe herbeiführen würde wie z.B. der Germanwings-Pilot Andreas L., aber wie Sigmund Freud schon festgestellt hat, „ist das Unterbewusste immer schlauer“ – womit er meinte, dass sich immer die untergründige Motivlage eines Menschen als Resultat durchsetzt und nicht das, was er in seinem intellektuellen Oberstübchen bekundet. Wenn z.B. jemand bei einer Heirat vor dem Altar oder zu einem Vertrag „Ja“ sagt, aber untergründig ein „Nein“ in sich trägt, dann wird sich dieses Nein irgendwann durchsetzen und Früchte tragen.
Wie werden wohl die Früchte der Politik eines Menschen sein, der das Leben als „lang und böse“ ansieht? Die Griechen haben dies jedenfalls bereits am eigenen Leib zu spüren bekommen: Nach eiserner Durchsetzung der Troika-Weisungen ist dort die Säuglingssterblichkeit um 43% gestiegen, die Suizidrate um 27%, Krankenhäuser kollabieren, vier von zehn Kindern leben in Armut. Dessen unbekümmert wurde lt. ORF-Bericht unter Schäubles Ägide dafür gesorgt, dass von 100 Euro Griechenlandhilfe nur 1,80 Euro im echten Leben, also in Krankenhäusern, Infrastruktur und Schulen ankommen, während die übrigen 98,2 Euro mit Zinsen direkt zurück an die Großbanken gingen. – Eigentlich war das In-die-Mangel-Nehmen von Griechenland ein sinnloser und gemeinschädigender Akt, was laut dem ehem. Finanzminister Varoufakis für seine Verhandlungspartner auch vollkommen einsichtig war. „Und dann schauen dir sehr mächtige Personen in die Augen und sagen: »Sie haben recht mit dem, was Sie sagen, aber wir werden Sie trotzdem zerquetschen.“ (seltsamerweise wurde dieses geschichtsträchtige Zitat in keinem einzigen unserer Leitmedien abgedruckt, sondern findet sich nur in alternativen Medien oder kleinen sozialistischen Blättern).
Seitdem findet in Griechenland täglich ein stilles Gemetzel statt, zwar weniger blutig und spektakulär als die Attentate in München oder Nizza, aber mit noch ungleich mehr Todesopfern und Elend im Gefolge. Noch viel desaströser wirkt sich die transatlantisch verbrückte Politik der angeblichen Verteidiger der europäischen Demokratie – denen Varoufakis das „völlige Fehlen demokratischer Skrupel zugunsten kalter Machtpolitik“ bescheinigt – im Nahen Osten und Nordafrika aus, von wo aus letztes Jahr eine Millionenschaft an Flüchtlingen zu uns geströmt ist, um ein neues Leben anzufangen.
In euphorischer Erwartung „einer Grundlage für das nächste deutsche Wirtschaftswunder“ (Daimler-Chef Dieter Zetsche) ließ die deutsche Bundeskanzlerin, akkordiert mit einer Kampagne der BILD-Zeitung und sämtlichen anderen relevanten Leitmedien, eine Willkommenskultur und das Ende der Schengen-Grenzen ausrufen. Unter den neu einströmenden Humanressourcen sollte sich eine große Anzahl gut ausgebildeter Ärzte und Ingenieure befinden. Wie die Länder, die gerade um ihre qualifiziertesten Fachkräfte ausgeblutet werden, ohne Ärzte und Ingenieure ihre zerstörten Krankenhäuser, Wasserleitungen und Straßen wieder aufbauen sollen, fragte angesichts des in Aussicht sehenden neuen Wirtschaftswunders im Oktoberfestland kaum jemand. Unter einem Kraftakt von Bevölkerung und Administration wurden dann quasi über Nacht über 1,5 Millionen Flüchtlinge bei freier Kost, kassenärztlicher Versorgung und Schulbildung einquartiert. Die Chefs von Siemens, Porsche und Post überboten sich des Lobes für die neu ankommenden Humanressourcen und drängten die Politik, ihnen nach einer kurzen Einführung in „westliche Werte“ möglichst rasch Jobs geben zu dürfen. Und jetzt quasi als Dank ein von blutigem Terror erschüttertes Europa? – Am Stammtisch versteht man die Welt nicht mehr.
Viele der Amokläufer sind durchwegs jung, manche fast noch Kinder. So wie der 17jährige Axt-Attentäter von Würzburg Riaz A., der bis zu seiner Tat als Musterflüchtling galt, bei einer deutschen Pflegefamilie scheinbar beste Start- und Ausbildungsbedingungen genoss und dennoch in seinem Bekennervideo diese verstörenden Sätze voller Hass sprach (Auszug aus Video/SPIEGEL TV: „Ihr könnt sehen, dass ich in eurem Land gelebt habe und in eurem Haus … und in eurem eigenen Haus werde ich euch abschlachten.“) Im vorgenannten Spiegel-Video zeigt sich auch der Bürgermeister, der den Täter kurz vor der Tat noch auf dem Pfarrfest begrüßt hatte, vollkommen verdutzt, wie mit Riaz K. eine solche Wandlung geschehen konnte.
Auch der 18jährige David S., der vor dem Münchner Olympia-Einkaufszentrum neun Menschen erschossen hat, ging eine rätselhafte Metamorphose durch. In einem weiteren SPIEGEL TV-Bericht kann man seine Wandlung von Superhelden zum Amokläufer bildhaft mitverfolgen. In der Online-Community figurierte er zunächst unter dem Namen „Neo“, gepaart mit einem Bild von Kenau Reeves. Er hatte also ursprünglich jenen Menscheitshelden vor Augen, der im Film „Die Matrix“, eine von Maschinen geknechtete Menschheit wieder aus dem Abgrund befreit. Zuletzt hatte er jedoch die Identität des Neo verworfen und figurierte im Netz nur noch unter dem Pseudonym „Hass“. Auch das Profilbild hatte er verändert: Statt dem Heroengesicht des „Neo“ gab er der Community nun eine schwarze, in sich zusammengekauerte Gestalt ohne Gesichtszüge zu sehen.
Eine Vielzahl von ähnlichen Fällen an Radikalisierung, in denen unscheinbare, äußerlich bestangepasste Schüler plötzlich ein Massaker an Lehrern und Mitschülern anrichten, finden sich in Götz Eisenbergs Buch mit dem bezeichnenden Namen „Gewalt, die aus der Kälte kommt“ – dort auch vollkommen ohne Migrationshintergrund. Denn bei unserer Betrachtung sollten wir nicht den Fehler begehen, unsere Wut nun in die falsche Richtung bzw. auf die Migranten zu lenken. Das würde uns von der berechtigten Wut auf die wirklichen Krankheitswurzeln unseres politisch-ökonomischen Systems ablenken und uns menschlich spalten. Denn in Wirklichkeit sind die Migranten genauso Spielbälle ökonomisch-politischer Interessen wie wir Inländer. Insofern hätten wir also allen Grund, um zusammenzuhalten. Während jedoch durch das Anzünden von Asylheimen und das Bilden von Bürgerwehren geradewegs verhindert wird, dass die Menschen dieser Welt in einer entscheidenden historischen Zeit gemeinsam an einem Strang ziehen und gegen den Marktradikalismus („Neoliberalismus“) protestieren.
Man stelle sich vor, jemand flüchtet aus einer elenden, zerbombten und vergifteten Heimat auf einen neuen Kontinent, der ihm bisher in Büchern bzw. Flachbildschirmen als reines Paradies erschienen ist. Er hat dann alles auf eine Karte gesetzt, sein Haus verkauft und die erhaltenen Jetons in eine Schlepperbande investiert, sein Leben auf einer gefährlichen Fahrt über das Mittelmeer oder die Balkanroute riskiert (hier ein lesenswerter Erlebnisbericht eines auf hoher See gekenterten Überlebenden), und während dieser Überfahrt womöglich auch einige Familienmitglieder oder Freunde verloren. Der letzte Strohhalm seiner Hoffnung war das gelobte Deutschland, von dem Merkel suggerierte, dass man es dort bloß über die Grenze schaffen müsse, dann wäre alles gut.
Nun hat er es über ebendiese Grenze geschafft, aber siehe da: Gar nichts ist gut, der Glanz der über das Smartphone vermittelten Werbewelt des westlichen Mekkas ist dahin – das einzige, was in diesem Kommerzmekka glänzt, sind die SUVs und die omnipräsente Unterhaltungselektronik. Eine Zeitlang legt er sich voll ins Zeug und versucht, auch unsere Sprache zu lernen, auf LED-Flachbildschirmen herumzuwischen und Anschluss zu finden, aber irgendwie wird es nichts so richtig, er bleibt ein Underdog, muss eine missachtete Randexistenz führen, wird sogar gemobbt, so wie es der Amokläufer David S. kurz vor seinem Gestelltwerden durch die Polizei mit seinen letzten Worten lauthals beklagt hat (siehe SPIEGEL TV).
Der Neuankömmling im gelobten Land muss erleben, dass in einer Gesellschaft, unter deren Jugend laut soziologischer Studien „Du Opfer!“ neben „Du Wichser!“ das gängigste Schimpfwort geworden ist, es für Opfer wie ihn leidlich wenig Pardon gibt. Dass die von Medien wie BILD & Co. im Chor mit den Konzernen – in Erwartung eines nächsten, dank billiger Arbeitskräfte katalysierten Wirtschaftswunders – ausgerufene „Willkommenskultur“ nur gefakt war. Dass hier im Vergleich zu seiner Heimat im Großteil des Jahres nicht nur das Wetter arschkalt ist, sondern auch die soziale Atmosphäre unter den Gefrierpunkt gesunken ist und er sich durch eine eisige Gletscherlandschaft bewegen muss. Dass im einstigen Land der Dichter und Denker heute fast jeder Aspekt des Lebens dem Kommerz zum Fraß vorgeworfen wurde und wahre Humanität aus politisch-ökonomischer Sicht nur lästiger Sand im Getriebe einer gnadenlos auf höchste Effizienz getrimmten Technokratie darstellt. Eine Gesellschaft, in der man für Gutmenschen im besten Falle ein mitleidiges Lächeln, meist jedoch schiere Aggression übrig hat (dass neben „Du Opfer!“ und „Du Wichser!“ heute laut laut Bericht im Focus auch „Du Goethe!“ zu einem der übelsten Schimpfwörter unter Jugendlichen avanciert ist, habe ich zuvor vergessen zu erwähnen. Man weiß dann, auf welchem Niveau das Kulturgut, das Deutschland einstmals von den USA und vom Kongo unterschieden hat, heute rangiert).
Der Migrant merkt mehr oder weniger schnell, dass seine Zukunftsaussichten in solch vergletscherter marktradikaler („neoliberaler“) Landschaft in Wirklichkeit die gleichen sind wie daheim: Dass er sich als unterbezahlter Tagelöhner verdingen wird müssen, der trotz rückhaltlosen Verschleißes seiner Gesundheit zuwenig zum Leben und zuviel zum Sterben besitzt, während sich einzelne Warlords (hierzulande nicht mit Patronengürteln und Granaten gewappnet, sondern fein herausgemausert in Nadelstreif und bestückt mit bloßer Hugo Boss-Titankugelschreibermine und Smartphone) dick und dämlich verdienen.
Dass hier im vermeintlich gelobten Land Bullshitjobs warten, an denen sogar die gut situierten und von ihrer Kindheit an an das marktradikale („neoliberale“) Klima getrimmten Eingeborenen mittlerweile zermürben und ins Burnout abzudriften drohen – wobei Burnout nichts Flammendes oder Heldenhaftes ist (von einem Betriebsarzt weiß ich, dass es in vielen Firmen immer noch als „Verwundetenabzeichen der Leistungsgesellschaft“ angesehen wird und man zumindest ein „kleines Burnout“ vorweisen sollte, um zu beweisen, dass man im Job alles gegeben hat), sondern man es, wie mir eine Psychotherapeutin erklärt hat, lieber ganz unpathetisch als „Erschöpfungsdepression“ bezeichnen sollte.
An gleichermaßen naiven wie brandgefährlichen Maßnahmenforderungen aus dem pragmatischen Eck der Herrmänner mangelt es natürlich nicht. Reflexartig wird z.B. der Einsatz der Bundeswehr im Inneren gefordert (als ob man mit der Feuerkraft von Panzern und Kampfjets einen Rucksackbomber daran hindern könnte, auf einen Knopf zu drücken) oder der weitere Abbau der Grundrechte und Ausbau der Totalüberwachung (wir kommen gleich noch darauf zurück). Aber lassen wir das, wir werden schon wieder oberflächlich und haben Tiefgang versprochen.
Halten wir uns also nicht mit Oberflächlichkeiten auf, diese bekommen wir über die Leitmedien gerade im Überfluss serviert. Eisenberg schreibt dazu in seinem Buch „Gewalt, die aus der Kälte kommt“:
„Die unter die „Diktatur der Einschaltquote“ geratenen Medien leben von Sensationen wie dem Massaker von Erfurt. Es scheinen die giftigen Sekrete der Medien zu sein, die den „Amok-Virus“ auf Empfänger übertragen, deren Immunsystem geschwächt ist und die infolgedessen für Ansteckung anfällig sind.“
Lassen wir die Boulevardmedien, die Herrmänner und eitle „Inzucht“-Kontroversen also einmal hinter uns und gehen wir in medias res.
Sigmund Freud, der Vater der Psychoanalyse, hat neben der Erforschung seines Hauptthemas, dem als „Libido“ bezeichneten Lebenstrieb, in seinem Alter zunehmend auch das Gegenteil dieses Lebenstriebs thematisiert: „Thanatos“, den Todestrieb. Laut Freud schlummert „Thanatos“ als destruktives Gegenprinzip in jedem Menschen, kommt jedoch erst dann zum Ausbruch, wenn der natürliche Lebenstrieb frustriert wird.
So ähnlich also wie ein Herpes-Virus, der im Nervensystem fast aller Menschen schlummert, jedoch vom gesunden Immunsystem normalerweise in Schach gehalten wird. Erst wenn das Immunsystem durch Stress geschwächt ist, nützt der in den Nervenkanälen verschanzte Herpes-Virus seine Chance und kommt in Form unappetitlicher Eitergeschwüre an die Oberfläche.
Dass auch ein aktuell geforderter Ausbau der Bürgerüberwachung keineswegs zur Lösung des Terror- bzw. Amokproblems führen wird, sondern ganz im Gegenteil, das gesunde Immunsystem des Menschen bzw. seine psychische Kondition noch mehr schwächen und damit die Affinität für den Ausbruch entzündlicher Symptome erhöhen würde, wird im aktuellen politischen Diskurs leider wenig bedacht. Denn Überwachung ist eigentlich etwas dem gesunden Menschsein diametral Entgegengesetztes: Jeder Mensch, der in Beruf oder im Privatleben überwacht wird, weiß, dass er sich unter diesem Misstrauensvorschuss nicht wirklich entfalten kann. Er hasst dies bzw. seinen Vorgesetzten dafür und wünscht sich sogar unbewusst den Untergang derjenigen Institution, die ihn überwacht. Ist der Staat diejenige Institution, die den Menschen in Stasi-Manier überwacht, dann steht es um den Zusammenhalt und die Zukunft dieses Staates nicht gut.
Da der Mensch auf Freiheit und Verantwortung hin ausgelegt ist, bewirkt der Aufbau einer diese spezifisch-humanen Eigenschaften immer mehr bedrückenden Überwachungsmaschinerie selbst eine höchst ungesunde Atmosphäre, in welcher Ängste und Depressionen induziert werden und in welcher sich schwache Charaktere leichter zu irrationalen Handlungen hinreißen lassen.
Doch zurück zu Freuds Todestrieb „Thanatos“. Halten wir nochmals die These fest: Wenn der natürliche Lebenstrieb des Menschen frustriert wird, dann ergreift „Thanatos“, der Todestrieb, die Regie mit dem unheimlichen Drang, sich und möglichst die gesamte – als unwert, da sinnlos erlebte – Existenz um sich herum in den Abgrund zu reißen.
Und genau diese Dramatik ist aktuell bei vielen jungen Menschen zu beobachten. Sie bringen von ihrer inneren Anlage eigentlich eine geballte Ladung an Kraft und neuem Potential mit, mit dem sie die Welt in individueller Weise ein Stück weit verändern und in positiver Hinsicht bereichern wollen – Viktor Frankl nennt diesen zentralen menschlichen Impuls den „Willen zum Sinn“. Nun wird aber unter den gegenwärtigen, ganz auf Technokratie und Kommerz ausgerichteten gesellschaftlichen Bedingungen dieser Wille zum Sinn laut Frankl permanent frustriert.
„Aber der ‚Mensch auf der Suche nach Sinn‘ wird unter den gesellschaftlichen Bedingungen von heute eigentlich nur frustriert! Und das rührt daher, dass die Wohlstandsgesellschaft bzw. der Wohlfahrtsstaat praktisch alle Bedürfnisse des Menschen zu befriedigen imstande ist, ja, einzelne Bedürfnisse werden von der Konsumgesellschaft überhaupt erst erzeugt. Nur ein Bedürfnis geht leer aus, und das ist das Sinnbedürfnis des Menschen – das ist sein „Wille zum Sinn“, wie ich ihn nenne, das heißt, das dem Menschen zutiefst innewohnende Bedürfnis, in seinem Leben oder vielleicht besser gesagt in jeder einzelnen Lebenssituation einen Sinn zu finden – und hinzugehen und ihn zu erfüllen.
(…)
„Jede Zeit hat ihre Neurose und jede Zeit braucht ihre Therapie. Tatsächlich sind wir heute nicht mehr wie zur Zeit von Freud mit einer sexuellen, sondern mit einer existenziellen Frustration konfrontiert. Und der typische Patient von heute leidet nicht mehr so sehr wie zur Zeit von Adler an einem Minderwertigkeitsgefühl, sondern an einem abgründigen Sinnlosigkeitsgefühl, das mit einem Leeregefühl vergesellschaftet ist – weshalb ich von einem existenziellen Vakuum spreche.“ (V.E. Frankl)
Wird allerdings der Sinn des Lebens und des Menschseins frustriert oder von vornherein geleugnet, so wie dies derzeit in unseren Schulen und Universitäten de facto gelehrt wird (lt. unbestrittener herrschender Lehrmeinung sind Mensch und Welt nur geistlose, somit der reinen Effizienz und ökonomischen Verwertbarkeit unterworfene Kohlenstoffagglomerate – eine heute achselzuckend hingenommene Weltanschauung, die ihrem Wesen und auch ihren ganz realen Folgewirkungen nach in Wirklichkeit nicht minder radikal und zerstörerisch ist als diejenige der islamistischen Fundamentalisten ), dann gerät der Mensch in innere Verzweiflung. Mittlerweile konstatiert Regisseur David Schalko „Perversion als letzten Ausdruck der inneren Verzweiflung“ – eine optimale Kondition also, in der der Schimmelpilz des „Thanatos“ gedeihen und zur Blüte gelangen kann.
Dass eine Kondition geschaffen wurde, in der „Thanatos“ mit seinen Amok-/Terrorgeschwüren wie in einem Treibhaus gedeihen kann (so wie plakativ anhand der vorgenannten Mutation des Profilbildes des Attentäters David S. vom Helden „Neo“ zur Schattenfigur „Hass“ ersichtlich), sollte bei uns eigentlich alle Alarmglocken läuten lassen. Es ist insbesondere deshalb eine Schande, da wir in unserem europäischen Kulturgut alle notwendigen Requisiten hätten, um ein wirksames Gegengift gegen den technokratisch-nihilistischen Wahnsinn, der alle Grundlagen unserer Zukunft zu verschlingen droht, zu brauen.
Wir tun es jedoch nicht, sondern huldigen weiterhin bedingungslos dem neoliberalen Mammon, obwohl wir mittlerweile schon erkannt haben, dass er uns wie einen Lemmingzug in den Grand Canyon führt. Im Gegenteil, den herrschenden Polit- und Wirtschaftsmächten kommt die Terrorangst in Wirklichkeit sehr gelegen, denn so lässt sich jede Diskussion über eine Neuordnung der gesellschaftlichen und ökonomischen Verhältnisse verdrängen. Denn nach der 2008er-Krise waren wir kurz davor, einige grundsätzliche Fragen zu diskutieren. Das geht nun im allgemeinen Chaos und Rauch unter. Man hat jetzt wieder ein Feindbild, das ein in Wirklichkeit zerrissenes und jeder Nachhaltigkeit spottendes System vordergründig wieder eint: Den Terror bzw. den IS.
Derzeit werden wir alle mobilisiert und eingeschworen auf den „Krieg gegen den Terror“. Der Eifelphilosoph hat bereits darauf hingewiesen, was die Ausrufung dieses Krieges für unsere nähere Zukunft bedeutet (siehe Nachrichtenspiegel). Auch Götz Eisenberg resümiert in seinem vorgenannten Artikel, dass der Kollateralschaden dieses Krieges darin bestehen wird, dass ihm Rechtsstaat und Demokratie zum Opfer fallen. Roland Rottenfußer, Redakteur des Webmagazins „Hinter den Schlagzeilen“, warnt ebenfalls: „Bestimmte Kräfte warten doch nur darauf, den Umbau zuvor freier Gesellschaften in Polizei-, Überwachungs- und Angstgesellschaften bei jedem gegebenen Anlass voranzutreiben. Wir dürfen ihnen das nicht durchgehen lassen.“
—
Nachsatz:
Innerhalb der vorgenannten Sinnkrise und der Flut an täglichen Schreckensnachrichten, von Marcuse als „Normalisierung des Grauens“ bezeichnet, stellt sich natürlich die Frage, was der einzelne Mensch im derzeitigen Teufelskreis tun kann.
Zunächst ist eine bewusste Dosierung im Nachrichtenkonsum anzuraten. Wie auch Götz Eisenberg anmahnt, „verschlingen wir unentwegt eine derart hohe Dosis an Dramatik, dass wir jede Fähigkeit zur Verarbeitung und Wahrnehmung einzubüßen drohen. (…) Die Fülle der Nachrichten wird zum Widersacher der Wahrheit, unsere Aufnahmefähigkeit und Verarbeitungskapazität kollabiert unter dem Ansturm schrecklicher Bilder.“
Auf der anderen Seite gilt es heute umso mehr, dasjenige aufzubauen, was Viktor Frankl als das „Spezifisch-Humane“ bezeichnet hat. Das ist derjenige menschliche Faktor, der zwar unwägbar ist, aber uns schlichtweg ausmacht. Jeder kann in seinem privaten oder beruflichen Umfeld zigtausenden Menschen etwas von dieser Qualität vermitteln, auch wenn er äußerlich keinen augenscheinlichen Handlungsradius oder Entscheidungskompetenz hat. Bereits durch die Art und Weise, wie er im Supermarkt in der Schlange steht (ungeduldig oder humorvoll, ruhig) und wie er andere Menschen auf der Straße anblickt, übt er eine soziale Wirkung auf den Gesamtorganismus der Gesellschaft aus. Joseph Beuys hat dies als „soziale Plastik“ (von ‚plastisch‘ = formbar) bezeichnet. Es gibt zahlreiche Berichte, dass Menschen, die einen Suizid vorhatten, diesen destruktiven Gedanken wieder verworfen haben, nachdem ihnen am Gehsteig nur für Sekundenbruchteile ein Mensch in die Augen geblickt hat, der etwas Ehrliches, Mitfühlendes oder Hoffnungsvolles ausgestrahlt hat.
Vielleicht ist es also auch nicht vermessen, sich vorzustellen, dass ein frustrierter junger Mensch, der innerlich mit einer Gewalttat liebäugelt, diesen Gedanken des Thanatos wieder verwirft, nachdem er einem Menschen begegnet, der von seiner Wesensart her etwas Spezifisch-Humanes ausstrahlt oder ein freundliches Wort zu ihm spricht.
Auch wenn uns das nicht beigebracht wurde, aber die Möglichkeiten jedes Einzelnen sind hierbei groß und man darf auch auf diese dem Menschen eigenen Fähigkeiten vertrauen. Sie sind in Wirklichkeit das einzige, was uns in den auf uns zukommenden Zeiten einen Anker geben kann.
Ebenso, wie die Entfaltung der spezifisch-humanen Qualität in seinem individuellen Leben – diese Qualität ist bei jedem Menschen anders gefärbt und daher niemals ersetzbar und auch niemals langweilig– in Wirklichkeit die größte Revolution und der tiefste Dolchstoß ist, den man dem morschen Baum des retardierenden Wahnsinns, den man uns heute zur Normalität erklären möchte, verpassen kann.
Am Bösen also nicht bitter werden, sondern reif. Obwohl die Zukunftsaussichten wenig rosig sind, kann uns die eskalierende Krise die Augen öffnen, um dem Wahnsinn die Stirn zu bieten und ihm wieder eine Wendung zu geben. Dazu braucht es natürlich auch Galgenhumor. Ganz im Sinne von Yamaoka Tesshu, einem japanischen Samurai:
„Wenn sich zwei Schwerter treffen, gibt es kein Entrinnen.
Schreite gelassen voran,
wie eine Blüte im tosenden Flammenmeer erblüht
und durchstoße energisch die Himmel!“
(c) Parkwaechter 2015
Nachdem wir Fasching, Valentinstag und Oktoberfest hinter uns gebracht haben und nur wenige Atemzüge nach dem bedeutendsten Fest unseres mammonistischen Jahresfestkreises – Helloween, ist es nun so weit: auch „Weihnachten“ steht am Kalender.
Jene Zeit also, in welcher die Gewerkschaften darum kämpfen müssen, dass in den großen Shopping Malls nicht öfter als 30 mal pro Tag „Jingle Bells“ oder das unsägliche „Last Christmas“ von Wham durch die Lautsprecher geschickt wird, um so die Verkäufer vor abendlichem Drehschwindel und Schlaflosigkeit zu bewahren.
Jene Zeit, in der wir uns auf unsere „westlichen Werte“ besinnen, die wir sogar am Kunduz in Afghanistan und im Syrischen Hinterland verteidigen müssen.
Vor einiger Zeit habe ich mich mit einer Frau unterhalten, die in der DDR unter dem strengen Auge der Blockwarte und der Stasi aufgewachsen ist und dort von einem alternativlosen Schulsystem indoktriniert wurde. – Nein, nicht mit Angela Merkel, unter der die Alternativlosigkeit und die schnöde Blockwart-Mentalität heute wieder eine ungeahnte Renaissance erfahren hat und uns auch lückenlose Bürgerüberwachung wieder achselzuckend als das Normalste auf der Welt verkauft wird. Meine Gesprächspartnerin war keine Frau, die sich mit diesem alternativlosen System arrangiert und dort als Physikerin Karriere gemacht hat, sondern eine Künstlerin, die den technokratischen Wahnsinn schon als junge Frau durchschaut und daher unter Lebensgefahr die Seiten gewechselt hat. Niemals hätte sie sich träumen lassen, dass sie im „freien Westen“ nun wieder von ihrer dunklen Vergangenheit eingeholt werde.
Eine besonders groteske Episode weiß sie über die Weihnachtszeit zu erzählen. Kurz vor Zusammenbruch der DDR, als Überwachung, Willkür und Absolutheitsanspruch gegenüber dem „Pack“ bereits fast unerträglich geworden waren und die Systemfunktionäre und Blockwarte schon das ungute Gefühl in der Magengrube hatten, dass dieses „Pack“ sie demnächst abservieren wird, zog man nochmals alle Register, um das gemeine Volk im Zaum zu halten.
Bemerkenswert war, dass kurz vor besagtem Zusammenbruch des Systems mit regelrecht hysterischer Akribie versucht wurde, den Bürgern alles auszulöschen, was irgendwie eine Ahnung von einer Dimension hervorgerufen hätte, die über dem unseligen materialistisch-technokratischen Planwirtschafts-Alltag wartete. Worte wie Weih-Nachten waren daher an den Schulen, an denen meine Bekannte arbeitete, verboten – man musste sagen: Jahresendzeitfest. Auch durften keine Geschichten über das Christkind, nicht einmal über den Weihnachtsmann erzählt werden, sondern nur über den Jahresendzeitmann.
Vom Schuldirektor streng verboten war insbesondere das Wort Weihnachts-Engel. Da sich die Tradition, zu Weihnachten Engel zu basteln, trotzdem nicht ausrotten ließ, so galt die Vorschrift, dass man diese Bastelwaren jedenfalls unter keiner anderen Bezeichnung handeln durfte als unter „Endflügelpuppen“.
Meine Bekannte, die dies erzählte, kann heute keineswegs über diese grotesken Auswüchse der DDR Politik lachen. Sie erzählt, wenn sie heute so den politischen Diskurs beobachte, dann fühle sie sich frappant an die damalige Zeit erinnert, in der das alte System kurz vorm Zusammenbrechen war und daher nochmals alle Verbocktheit aufbot und alle retardierenden Kräfte aus dem Keller holte, um kritisches und alternatives Denken zu verhindern.
Diese retardierende Funktion übernehmen heute allerdings nicht mehr Stasi-Agenten im grauen Mantel wie damals, nein, die Drecksarbeit zur Sabotage zivilgesellschaftlichen und basisdemokratischen Engagements übernehmen heute Personen, die vom Förderband eines alternativlosen Schul- und Universitätssystems gelaufen sind, nachdem sie dort ethisch-moralisch kahlgeschoren und intellektuell zugespitzt, geteert, gefedert, geformt, genormt, verschweißt und elektronisch verkabelt wurden. Was sie nun tun, entspringt scheinbar ihrem eigenen Willen zum „Fortschritt“, ihnen bewusste „Verschwörung“ anlasten zu wollen, ginge daneben – was sie jedoch nicht minder gefährlich macht. Der Auftrag der vom Förderband gelaufenen Terminatoren: Endlich Schluss machen mit allem, was der reinen technokratisch-mechanistischen Effizienz, also dem Ideal des Borg-Kubus (siehe Wiki-Eintrag) widerspricht.
Denn ein solches technokratisches Ideal kann unmöglich verwirklich werden, solange die Menschen noch an diejenige tiefere Ebene des Daseins glauben, die Hermann Hesse als „Welt Mozarts“, Platon als „Reich der Ideen und lebendigen Urbilder“ oder Viktor Frankl als „noetische Ebene (von gr. nous=Sinn)“ angedeutet hatten und die auch von ausnahmslos allen anderen großen Poeten und Weisen aller bisherigen Zeitalter als Wurzel, Sinn und Ziel des Menschseins beschrieben wurde. Nur so nebenbei, jener Mann, der im heutigen X-Mas nur noch als „X“ vorkommt, aber dessen kompromisslose und wahrheitsfordernde Worte die Welt seinerzeit so erschüttert haben, dass man die Zeitrechnung seinetwegen auf Null gestellt hat, redete auch immer davon, dass „sein Reich nicht von dieser Welt“ sei. Was ihn auch dazu veranlasste, dass er die Geldwechsler mit der Peitsche aus dem Tempel jagte und die damaligen Blockwarte und etablierten Funktionäre der Macht, die Schriftgelehrten und Pharisäer, bei jeder Gelegenheit als Heuchler und als Schlangenzungen bezeichnete.
Von besagten Terminatoren, die vom Förderband des Szientismus gelaufen und ins Rennen um die Zukunft der Menschheit geschickt wurden, wird dazu nun eine radikale Antithese aufgestellt:
„Mensch und Welt sind nur geistlose Kohlenstoffzusammenballungen, ergo ist alles Wurst, ergo können Mensch und Umwelt nach reinen Effizienzkriterien ausgeschlachtet werden.“
Wer sich diesem Glaubensbekenntnis des nihilistischen Szientismus und Sachzwanges nicht beugt, wird mit Bulldozergewalt niedergewalzt, an den digitalen Pranger gestellt und medial verbrannt (siehe dazu einen der letzten Artikel des Eifelphilosophen: „Deutschland 2015: Das Ende der offenen Gesellschaft und der Bürgerkrieg gegen die Vernunft“).
Zurück aber zu Weihnachten. Eines der genialsten Weihnachtsgedichte, das mir in den letzten Jahren untergekommen ist, stammt von Steve Geshwister und heißt „Heilige Abende“
Kurz zur Rahmenhandlung:
Bei Schmidts gibts Heiligabend Gans
Bei Müllers Würstchen mit Püree
Frau Ott kocht Brüh‘ aus Ochsenschwanz
Die Mayer brät ein Rindsfilet (…)
Ein iPad für den kleinen Mayer
Ein Kindle für das Müllerkind
Für Oma Ott ein Nudelseiher
Wie schön, dass wir beisammen sind!
Man ist befriedigt, satt, so voll
Dass langsam Geist und Klarheit schwinden
Wär dieser Jesus nicht schon toll
Man müsste ihn erfinden!
Einzig Herr Müller verquert diese Endzeitfest-Idylle. Dreimal stößt er aus den Fluch: „Der Blitz beim Scheißen in euch fahre!“ – Aber lesen Sie selbst… (siehe Heilige Abende).
© Parkwaechter 2015
Dem Versprechen der Schlepper und dem Lockruf der Physikerin Angela Merkel folgend, hat sich vor Kurzem eine Millionenschaft an Migranten auf den Weg gemacht, um das gelobte Land Europa zu erreichen. Die Gründe für die Ausreise sind vielfältig: Krieg, Armut, Hunger (derzeit hungern weltweit fast 800 Millionen Menschen, hätten also einen guten Grund, um auszuwandern – siehe wfp) oder eben einfach die Aussicht auf ein besseres Leben in Glück und Wohlstand, das ihnen in ihrem Heimatland unerreichbar erscheint. Laut Asylrichter Peter Vonnahme (siehe Essay in Telepolis) war die Migrationswelle, die wir diesen Herbst erlebt haben, nur die Vorhut, viele Millionen Menschen stünden bereit, um dieser Vorhut zu folgen.
Nach dem ungebrochenen Andrang an syrischen, afghanischen und irakischen Flüchtlingen wird nun ein Ansturm afrikanischer Migranten erwartet. So wie ein afrikanischer Bürgermeister im Doku-Klassiker „Let’s make money“ sagt: „Wenn ihr weiter fortfährt, uns auszubeuten, dann könnt ihr ruhig 10 Meter hohe Zäune bauen, wir werden trotzdem nach Europa kommen.“ Der renommierte Historiker Hugo Portisch appelliert daher: „Wer Europa retten will, muss Afrika retten“ (siehe DerStandard).
Grund genug für den Parkwaechter, um sich persönlich ein Bild von der Lage zu machen. Entgegen den Reisewarnungen des Außenministeriums bin ich also letzte Woche nach Afrika gereist. Neben vielen Menschen, die es beim besten Willen nicht glauben konnten, als ich ihnen von den Problemen erzählte, mit denen ein Europäer heute zu tun hat (bei meinen Gesprächspartnern herrschte dank Medienberieslung und Werbung die felsenfeste Überzeugung, dass Europa und insbesondere Deutschland ein reines Schlaraffenland sei), so traf ich auch einen Migranten, der das Alltagsleben in diesem Schlaraffenland bereits am eigenen Leibe erfahren hat und den daher nach eigener Bekundung keine vier Stiere wieder zurück nach Europa bringen.
Seine Lebensgeschichte ist alles andere als gewöhnlich: Als barfüßiger Fährmann auf dem Nil gelang es ihm, sich eine französische Touristin anzulachen. Ohne lange nachzudenken, packte er diese einmalige Gelegenheit beim Schopf und ritt mit der Französin auf einem geflügelten Blechschwan in ein neues Leben direkt im Herzen Europas.
Dass die Französin beim Anblick des äußerlich armen Fährmanns schwach wurde, wundert mich überhaupt nicht. Hadid ist ein unglaublich herzlicher, charmanter und charakterstarker Mann. Während er seine Lebensgeschichte erzählt, blitzt auf seinem sonnengegerbten Gesicht immer wieder ein ehrliches, strahlendes Lächeln auf, wie man es unter der männlichen Spezies in unseren europäischen Wohlschandsmetropolen, in denen laut WHO-Prognose Depression/Burnout in den nächsten 15 Jahren zur Volkskrankheit Nr.1 aufsteigen wird (siehe Ärztezeitung), selten sieht. Dass eine europäische Frau einen solch unverdorbenen, echten Mann attraktiver findet als die gewohnten nerdigen Smartphone-Workaholics, die sich über ihr Aftershave, ihren SUV und ihr Bankkonto definieren, war für mich durchaus nachvollziehbar.
Als ich Hadids Erzählung lauschte, war ich jedoch zwischendurch verwirrt. Denn immer wieder erzählte er in seinem gebrochenen Englisch, wie unglaublich „strong“ das Leben in Frankreich gewesen sei. Mit langgezogenem „o“ erklärte er, dass er sich niemals hätte vorstellen können „that life in Europe is sooo strong“. – Zunächst übersetzte ich dieses „sooo strong“ mit „affengeil“ oder „voll super“. Da Hadid jedoch jedes Mal, wenn er diese Phrase gebrauchte, die Hand zur Faust ballte und das zuvor noch heitere Gesicht grimmig verzerrte, fragte ich dann doch nach, was er denn mit „so strong“ meinte.
So stellte es sich heraus, dass er eigentlich „so hard“ meinte. Und er schilderte kopfschüttelnd, wie stressig, unsozial, sinnentleert und daher menschenunwürdig er das Alltagsleben in Europa erlebt hat. Da er ein hochintelligenter Mensch ist (weniger intelligente Menschen kommen da oft erst nach Jahrzehnten oder am Sterbebett drauf) , durchschaute er das Wohlschandsleben, nach dem er sich bisher so gesehnt hatte, sehr schnell als ein Leben des äußeren Scheins, das außer zu geistigem Tod letztlich zu gar nichts führt.
Unseren durchspaßten, aber eigentlich vollkommen unlustigen Lifestyle, der in Wirklichkeit kaum noch ein europäischer, sondern weitgehend ein amerikanischer ist, wollte er jedenfalls nicht bis zum bitteren Ende zelebrieren, obwohl er als Hahn im Korb alle Möglichkeiten des Luxus gehabt hätte. Während ihn also seine daheimgebliebenen Freunde um sein neues Leben in Europa beneideten, wurde er selbst von Tag zu Tag unglücklicher, seine sonnenhafte Heiterkeit verblasste. Dass er es trotzdem ganze fünf Jahre lang in Europa ausgehalten hat, war nur dem Umstand geschuldet, dass er mit seiner französischen Frau zwei Kinder zur Welt brachte, die er sehr liebte.
Nachdem der vormals vollsonnige Hadid schließlich kurz vor dem inneren Erfrierungstod stand, zog er die Notbremse. Er zog sich das Sakko und die glänzenden Lackschuhe wieder aus und kehrte zurück zu seinen Brüdern an den Nil, wo er nun wieder barfuß und im braunen Kaftankittel eine Holzlanze in den Schlamm drückt, um mit seinem Faluka-Segelboot Touristen ans andere Ufer zu bringen.
Wenn man ihn so betrachtet, merkt man ihm durchaus an, dass er nicht ganz ungeschoren vom gelobten Land Europa zurückgekommen ist. Sein an sich heiterer Blick kann ernst werden, auch sein zuvor schwarzes Haar ist seit seinem Europa-Aufenthalt angegraut. Und trotzdem fühlt er sich wieder pudelwohl, seit er die Last von Kommerz, Technokratie und Wohlschand abgelegt hat und wieder barfuß am Nil arbeitet. Er liebe sein Heimatland, den Nil, erzählt er -die ihm vertrauten Brüder und Schwestern, die Ibis-Vögel und Kühe, die am Ufer nach Futter stöbern, die Sonne, die ihm Kraft gebe (im Nildelta gibt es maximal einen Regentag pro Jahr), vor allem aber die menschliche Wärme bzw. das herzliche soziale Miteinander bei Tee und Fladenbrot und die Muße, mit der diese Alltagskultur hier zelebriert wird.
Er wolle nicht mehr tauschen, obwohl das Fährmannsgeschäft derzeit schlecht ist. In den letzten sieben Monaten hatte er an dem Hotelkai, an dem er ankert, ganze zwei Aufträge – er erzählt, dass zwar eine Menge europäischer Touristen vorbeikämen, aber diese neuerdings Angst hätten, mit einem dunkelhäutigen Moslem in ein Boot zu steigen. Er nähme das allerdings nicht persönlich und auch nicht tragisch, denn er und seine Brüder hielten zusammen und helfen sich gegenseitig. Wenn bei einem das Geschäft schlechter geht, wird er trotzdem von den anderen Mitgliedern der Familie miterhalten, sodass niemand Hunger leiden muss oder obdachlos ist. Hadid hatte Glück, er wurde nach seiner Rückkehr aus Europa von einem intakten Familiennetzwerk aufgefangen und reintegriert.
Millionen andere Migranten, die nach Europa gezogen sind oder sich gerade auf den Weg machen, haben diese Möglichkeit nicht, obwohl sie demnächst vermutlich ähnliche Erfahrungen mit unserer Kultur machen werden wie Hadid – wie ich aus meinem eigenen Bekanntenkreis von Migranten erzählt bekomme, haben die meisten von ihnen alles Hab und Gut verkauft, um die für die Schleppung nach Europa notwendigen ca. 10.000 Dollar zu lukrieren. Eine Rückkehr in ihr Heimatland kommt für sie nicht in Frage, da sie dort buchstäblich vor dem Nichts stünden.
Nach meiner Afrika-Reise bin ich jedenfalls zur Überzeugung gekommen, dass die neuen Menschen, die derzeit zu uns strömen, auch eine große Chance für uns sind. Wir brauchen Menschen vom Format eines Hadid, denn wie es scheint, schaffen wir selbst es nicht mehr, uns aus eigener Kraft aus der tödlichen Umklammerung des Kommerz-/Technik-/Unterhaltungswahns zu befreien, der uns in den Grand Canyon zu ziehen droht. So wie ein Frosch es nicht mehr aus dem heiß gewordenen Wasser eines Kochtopfes herausschafft, nachdem die Temperatur des Wassers, in dem er sitzt, stufenweise, also unmerkbar angehoben wurde und nun kurz vorm Siedepunkt steht. Ein neuer Frosch, den man in diesen heißen Topf hineinwirft, wird sofort „Au!“ schreien und wieder hochspringen. Wenn viele Frösche gemeinsam gegen den Deckel springen, können sie diesen Deckel wegreißen und eventuell auch die anderen, fast schon matsch gekochten Frösche befreien.
In den nächsten Jahren werden also viele Migranten das Hadid-Erlebnis haben und unseren PolitikerInnnen und Denkpanzer-Generälen entgegenschreien: „Seid ihr komplett wahnsinnig?! Wenn ihr so weitermacht, bringt ihr uns alle und die Umwelt um!“
Damit das stattfindet, wäre es wichtig, dass wir den Migranten nicht nur eine AusBildung, sondern vor allem echte Bildung geben. Also ihnen nicht bloß Excel und Powerpoint füttern, sondern sie auf profunde Weise mit der europäischen Kultur und Philosophie, die wir in Politik und Pädagogik bei Nacht über Bord geworfen haben, vertraut machen.
Nachdem heute auf deutschen Schulhöfen das Wort „Goethe“ laut Bericht im Focus zu einem der übelsten Schimpfwörter unter Jugendlichen geworden ist, diese aber im Gegenzug die Texte von Bushido und den Pornorappern im Schlaf aufsagen können, braucht es eben eine neue Generation, die uns aus unserem Dussel reißt und den Goethe neu aus der Taufe hebt. Gibt man herzhaften und natürlichen Menschen vom Format eines Hadid auch nur eine Prise Goethe mit auf den Weg, dann werden diese den hierzulande bereits unerträglichen Neoliberalismus/Technokratismus/Mammonismus aus den Angeln heben und uns damit vor einer drohenden Katastrophe bewahren.
Allerdings ist das Ganze ein Wettlauf mit der Zeit. Wir haben nämlich nur die erste Generation der Migranten zur Verfügung, um das zu schaffen. Diese sind menschlich noch weitgehend intakt, da sie zumeist einfachen, archaischen Verhältnissen entstammen, wo ihnen nicht sogleich nach der Geburt ein Tablet-PC vor den Kopf geschnallt und ein Smartphone zwischen die Beine geschoben wurde. Das gnadenlose Stakatto der UNTERhaltungselektronik hatte also nicht die Möglichkeit, sie menschlich kahlzuscheren. Zwar sind ihre Häuser vielfach durch US Bombenhagel zerstört worden, aber der mediale Bombenhagel auf ihr Inneres ist ihnen zumindest in ihrer frühen Kindheit erspart geblieben. Sie besitzen also noch kein dissoziiertes, sondern ein weitgehend intaktes vegetatives und Zentral-Nervensystem. Wenn es jedoch nicht gelingt, dieser ersten Generation die entsprechende Bildung bzw. die notwendige Prise an „Goethe“ beizubringen, sondern man sie nur zu technokratiegläubigen Tretmühleneseln des Kommerz erzieht, dann wäre der Zug abgefahren. Denn das erste, was die zum Wohlstand gekommenen Migranten tun würden (müssen), wäre es, ihren Kindern im Gitterbett ein Tablet-PC vor den Kopf zu schnallen und ein Smartphone zwischen die Beine zu schieben. Mit dieser zweiten Generation stünden wir dann vor der gleichen Situation wie jetzt, allerdings mit zusätzlichem Sprengpotential.
Denn aus der Migrationsforschung weiß man, dass von der ersten Generation an Einwanderern noch praktisch keine extremistischen Taten zu befürchten sind, selbst wenn diese große Vorbehalte zur Kultur des Gastgeberlandes verspüren. Die mitgebrachte kulturelle Substanz reicht scheinbar noch aus, um Enttäuschung und Wut zu kompensieren. Gelingt es allerdings nicht, deren Kindern zu vermitteln, dass das Leben in der Gesellschaft, in der sie aufwachsen, sinnvoll sei, dann würden sie lt. empirischer Studien zerstörerische Tendenzen entwickeln und sich radikalisieren.
Aber lassen wir dieses Negativ-Szenario (und auch die Gangsta-Rapper, die im Migrantenstrom natürlich ebenfalls mit von der Partie sind) wieder beiseite und konzentrieren wir uns auf die große Chance, die wir nun haben. Denn wie viele schon gemerkt haben, können wir uns gegen die gegenwärtige Europapolitik unserer Murkselpolitiker sowieso nicht wehren, egal wie wahnwitzig diese ist. Man kann für oder gegen Migration sein, aber in Wirklichkeit ist es vollkommen egal, Merkel und ihre transatlantischen Berater von Boston-Consulting & Co. ziehen sowieso ihr Ding durch. Der Zuzug von Millionen Migranten (laut ifo-Präsidenten Hans-Werner Sinn 32 Millionen – siehe Zeit), die Deutschland aufgrund streng-wissenschaftlicher und daher unwiderlegbarer demografischer Berechnungen benötige, ist beschlossene Sache. Ebenso wie die Absenkung bzw. Abschaffung des Mindestlohns beschlossene Sache ist (siehe WirtschaftsWoche) sowie eine weitere Anhebung bzw. Abschaffung des Rentenantrittsalters (H.W. Sinn: „Wir müssen länger arbeiten und nicht weniger lange. Die Rente mit 67 ist ein Schritt in die richtige Richtung gewesen. Ich würde aber noch weitergehen und das gesetzliche Rentenalter ganz abschaffen“ – siehe FAZ).
Diese Machenschaften sind auf Schiene und rollen. Indem wir aber jetzt den neu ankommenden Migranten und ihren Kindern die richtige (Charakter-)Bildung bzw. besagte Prise „Goethe“ geben, können wir die mit ökonomischen und machtpolitischen Hintergedanken akkordierte Migration zu einem Bumerang für Merkel & Co. machen. Die neue Generation würde dann den Murkselpolitikern so richtig einheizen. Sie würde den neoliberalen/mammonistischen Wahnsinn, der uns zur Normalität erklärt wurde, nicht mehr tolerieren sondern wieder zum Teufel zurückschicken.
In diesem Sinne möchte ich an alle appellieren, die durchaus verständliche Wut über die derzeitigen Verhältnisse nicht an den Migranten auszulassen (leider hat ja die Anzahl an Übergriffen auf Asylheime wieder zugenommen), sondern den Migranten in philosophisch-humanistischer Weise unter die Arme zu greifen, sie mit guten Büchern und Internet-Links zu versorgen, die in Schule und Uni nicht am Lehrplan stehen usw. Denn diese Menschen brauchen nicht nur Essen und Teddybären, sie brauchen auch geistige Nahrung, philosophische Gespräche und Schulungen, persönlichen Zuspruch etc. Dann werden sie uns Hand in Hand einen großen Dienst erweisen.
(P.S.: Ich hätte gerne ein Foto von Hadid mit seinem milden, strahlenden Lächeln in der Abendsonne am Nil veröffentlicht, aber er möchte nicht, dass womöglich seine Kinder in Frankreich Probleme bekommen, indem er etwas Kritisches über Europa sagt. So kann ich es nur mit freien Worten beschreiben: Würden bei uns mehr solche wachen, sonnigen Gesichter aufrechter Menschen ins Land strahlen, dann müssten die dicken Schneemänner und Schneefrauen, die derzeit an den Schalthebeln der Macht sind, bald schmelzen.)
Als Jugendlicher bin ich in der Nähe einer renommierten Waffenfabrik aufgewachsen. In deren Werkhallen wurden DIN-ISO-zertifizierte Jenseitstickets allererster Güte hergestellt: Bomben, Granaten, Raketen und Kanonengeschütze, je nach Kundenwunsch in glänzend lackierten Hülsen oder auch in klassischer, sandgestrahlter Edelstahloptik.
Dass die Produkte, die bei uns vom Förderband liefen, um heimische Abbeizbläzze zu sichern, anderen Menschen Tod und Verderben brachten, interessierte uns damals nicht, ganz einfach deshalb, weil diese anderen Menschen, die die Zielkunden unserer glänzenden Industrieprodukte waren, sich eben auch auf der anderen Seite unseres Globus befanden.
„Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut“, war ein geflügelter Werbeslogan der regionalen Wirtschaftslobby und der Parteien, die sich christlich und demokratisch nannten. Und in der Tat, die Granaten waren ein Bombengeschäft. Die Bombenfabrik sorgte im weitesten Landkreis für Wohlschand. – Wobei da jetzt nicht nur diejenigen Angestellten in moralisch schlechtem Licht dastehen sollen, die reale Bomben mit Sprengstoff und tödlichem Zünder bauten. Viele andere Menschen arbeiteten derweil in scheinbar ganz biederen Berufen, in Banken und Wirtschaftskratzleien, in denen sie mit ihren Spekulationen und technischen Innovationen aber oft noch sehr viel umfassenderen menschlichen und ökologischen Kollateralschaden anrichteten als ein gemeiner Arbeiter am Bombenförderband – wenn auch nur mit einem Mausklick im weißen Hemd und nicht im Blaumann und mit ölverschmierten Händen wie der Arbeiter am Bombenförderband. Der Großindustrielle Warren Buffet zum Beispiel ist sich dessen voll bewusst, er nennt die in seinen eigenen Wirtschaftskratzleien mitgeschaffenen Finanzprodukte „Massenvernichtungswaffen“.
Aber während der Arbeiter am Bombenförderband im Blaumann sich zumindest ab und zu schief anschauen lassen musste, wenn dem ein oder anderen Mitbürger während einer alkohol- und fernsehfreien Phase kurz dämmerte, dass die wohlschandsfördernden Bomben wohl nicht nur im Museum landen werden, so genossen die nadelgestreiften Saubermänner aus den Banken und Wirtschaftskratzleien doch immer höchstes Prestige.
Und der Wohlschand wuchs wirklich rasant an. Die Zeiten, wo man sich abends vor dem Hauptfamilienaltar im Wohnzimmer darüber streiten musste, ob „Derrick“ oder „Wetten Dass“ geschaut wurde, waren schnell vorbei. Bald schon waren der Zweitfernseher in der Küche, der Drittfernseher im Kinderzimmer und der Viertfernseher im Gästezimmer etwas ganz Normales. In Wohlschandszeiten muss schließlich jeder sein individuelles Programm haben.
Auch die Motorisierung ließ nicht zu wünschen übrig. Ganz normale Werkhallenmänner konnten sich plötzlich einen dicken Audi oder einen BMW leisten. Der Zweitwagen in der Familie – vormals noch obszöner Luxus – wurde schnell etwas Normales. Zwar fuhren die Hausfrauen damals noch nicht mit Panzern (SUVs) durch die Gegend wie es heute etwas Normales ist, sondern in der Regel mit einem Opel Corsa oder einem Nissan Micra Mouse, aber egal, wer zwei Wägen vorm Gartenzaun stehen hatte und am Wochenende Spanferkelgrill veranstalten konnte, von dem wusste man, dass er „es geschafft“ hatte.
Auch der Urlaubsradius wurde immer weiter ausgedehnt. War früher der Hausmeisterstrand im italienischen Bibione und Caorle Grund genug, um bei der Heimkehr einen Foto- oder Lichtbild-Diaabend zu veranstalten, bei dem man seine Nachbarn und Verwandten damit beglückte, ihnen zu zeigen, was man in seinem Urlaub alles gesehen und gegessen hatte, so waren bald Fernstreisen angesagt. Ägypten im Winter, Safari in Senegal, zwischendurch mal schnell nach Griechenland, Thailand oder in die Karibik, war alles bald Normal – selbst jemand, der gar nichts Anständiges gelernt hatte und in der benachbarten Waffenfabrik nur Bomben lackierte, konnte es sich leisten und Wohlschandstourismus betreiben. Wohlschandstourismus, der zwar in den von den Wohlschandsbürgern bereisten Ländern innerhalb weniger Jahrzehnte zu einer unglaublichen Zerstörung von Ökologie und traditioneller Kultur geführt hat, aber wen störte das schon, wenn man selbst mit gebräunter Haut und mit Meeresfrüchten gut gemästetem Bauch wieder vom Urlaub heimkommen und sich wieder an seinem Arbeitsplatz ins Neonlicht der Werkhalle stellen konnte, auf dem Bomben, Granaten und Elektronikzubehör vom Förderband liefen.
Da diese in die Safari-Länder exportierten Waren ja wieder die dortige Konjunktur belebten, profitierten auch die Entwicklungsländer von unserer Wirtschaftskraft. Eine Hand wäscht die andere, und alle zusammen wuschen wir die „invisible hand of the market“, die mit ihrer sklerotischen Krallenhand den Segen in Form von Technik, Kommerz und Wohlschand über uns ausgoss.
Bei so viel Segen, der über uns hereinprasselte, haben wir es uns in den 80ern auch innerhalb kürzester Zeit abgewöhnt, in die Kirche zu gehen. War die Kirchhalle zu meiner Zeit als Ministrant an Sonntagen noch immer pumpvoll, so drückten bald nur noch ein paar alte Mütterchen die Kirchenbank. Wozu auch einen Gott anbeten, wo man doch mit dem in der Bombenfabrik erwirtschafteten Sold nach Thailand fahren konnte und dort selbst wie ein Gott angebetet wurde, sobald man den Geldbeutel zückte? Warum vor einen Altar pilgern, wo man doch allabendlich vorm Fernseher mit dem Dosenbier in der Hand die persönliche Erleuchtung erhielt?
Zurück aber zur Waffenfabrik. Als Student war es einer meiner ersten Ferialjobs, dort Bomben zu schlichten. Obwohl ich mich heute abgrundtief dafür schäme, diese Arbeit nicht verweigert zu haben, kann ich es leider nicht mehr rückgängig machen. Kennedys Büchlein „Zivilcourage“ bekam ich erst zwei Jahre später erstmals in die Hände. Es folgten weitere Bücher, nach denen es mir wie Schuppen von den Augen fiel und der Reihe nach Lichter um Lichter aufgingen. Komisch, dachte ich – es gibt Literatur von unglaublicher Geistesgröße und da kommt man erst als Zwanzigjähriger drauf? Während man, obwohl man eine angeblich erstklassige Gymnasialausbildung besucht und bereits die ersten Studiensemester auf einer Universität von Weltrang besucht hat, bisher nur mit technokratischem Schmonsens und eitlem „wissenschaftlichen“ Nihilismus abgefüllt wurde? Dass man in seiner gesamten Adoleszenz kein einziges Wort von Platons Höhlengleichnis und auch nicht von Senecas „de brevitate vitae“ gehört hatte, sondern man im Literatur- und Lateinunterricht nur sämtliche Kapitel von Cäsars „de bello Gallico“ durchkaute? Sollte das ein Einzelschicksal sein, eine unglückliche Verkettung an Begegnungen mit besonders unfähigen Professoren und verkorksten Lehrplänen? Es konnte doch nicht etwa eine ganze Generation sein, die dermaßen grausam betrogen wird, indem man ihr in raffiniertester Weise die gesamten Schätze europäischer Geisteskultur vorenthält wie den Bienen ihren eigenen Honig und ihnen stattdessen eine schale Industriezuckerlösung füttert, von der sie dann sukzessive degenerieren und schließlich anfällig werden für Varoa-Milbe & Co. Oder steckte da System dahinter und erfolgte etwa eine gezielte Züchtung von Axolotl-Bürgern? Nein, das konnte einfach nicht sein, wir hatten doch die Aufklärung hinter uns und befanden uns am Zenit wissenschaftlicher Intelligenz. Fragen über Fragen quälten mich also nächtens. Und Gewissensbisse.
Auch wenn es mich immer noch schaudert, dass die Bombenhülsen, die ich damals angegriffen habe, auf der anderen Seite unseres Globus womöglich Häuser, Familien und Menschenleiber entzweigerissen haben. Aber das Wort ziviler Ungehorsam hat damals in meinem Kopf leider noch nicht existiert, wir waren in der Geistesart Cäsars „de bello Gallico“ dressiert. Jeder von uns grünschnäbeligen Schulabsolventen, die wir intellektuell scharf gemacht waren wie überspitzte Graphitbleistifte, hatte also sein persönliches kleines Gallien im Visier, das er erobern, unterwerfen und sich seine Bodenschätze und Humanressourcen nutzbar machen wollte. Es galt, so wie das auch heute in unserer postmodernen Zeit wieder die Doktrin des Neoliberalismus ist, der Wirtschaft und dem technischen „Fortschritt“ zu dienen und um jeden Preis etwas zu leisten, auch wenn diese Leistung pure Destruktion und ein Verrat an allen menschlichen Grundwerten, sogar an den offiziell festgeschriebenen Verfassungsgrundsätzen war. Es war also eine Ehre, in der renommierten Waffenfabrik Bomben schlichten zu dürfen. Die Tätigkeit bzw. der Name der Firma machte sich auch gut in meinem Lebenslauf und öffnete bei meinen späteren Bewerbungen so manche Tür zur „Karriere“. Wenn die Personaler meinen Lebenslauf studierten und auf meine Bombenqualifikation zu sprechen kamen, erntete ich stets wohlwollendes, anerkennendes Nicken, dass ich als ausgebildeter Maschinenbauingenieur auch über handfeste Praxiserfahrung verfügte.
Jedenfalls durfte ich in besagter Waffenfabrik auch über ein bemerkenswertes Schicksal erfahren, das damals einige Dominosteine meines Cäsarisch-kleinbürgerlichen Weltbildes ins Umfallen gebracht hat.
In der Waffenfabrik gab es nämlich einen altgedienten Arbeiter, der kurz vorm Ziel seiner Sehnsüchte stand: der Rente. – Endlich das Leben leben, das man wirklich leben will, ohne Chef und ohne Hundeleine. Urlaub machen ohne Grauen vor dem erneuten Arbeitsantritt am Montag. Mit einem Wort: Jetzt war die Karotte, die einem ständig vor die Nase gehalten wurde, damit man als Esel in der neoliberalen Tretmühle weitertrottet, endlich in Bissweite, jetzt sollte dann wirklich der verdiente Feierabend beginnen.
Der Betriebsrat hatte den altgedienten Arbeiter sogar für den Rest der allerletzten Arbeitswoche freigestellt, aber Herr Meier (Name aus Datenschutzgründen verändert) nahm das Angebot nicht an – er wollte wie gewohnt, gehorsam seinen Dienst ableisten, damit er nicht womöglich von seinem Chef eine schlechte Nachrede hat. Wer weiß, womöglich würde er später einmal ein Wort für seinen Sohn einlegen müssen, wenn dieser mit seinem Studium fertig war und eine Festanstellung suchte. Die Fabrikchefs würden dann sagen: „Ah, das ist der Sohn vom Meier, der hat bestimmt tüchtige Gene im Blut, den nehmen wir.“
Meier hat also seinen Dienst am Bombenförderband bis zum bitteren Ende abgeleistet. Im wahrsten Sinne des Wortes. Sie ahnen wohl bereits, was dann passiert ist.
Ja, die Ironie des Schicksals wollte es tatsächlich so, dass Meier am allerletzten Tag seiner Arbeit, ca. 2 Stunden vor Antritt seiner Freiheit, eine seiner Bomben hochging und ihn in die ewigen Jagdgründe beförderte.
Meier hat einen ehrenvollen Nachruf in Schwarz-Weiß in der Lokalzeitung bekommen. Nicht nur die Kollegen haben ihn gewürdigt, der Stadtbürgermeister hätte ihn gerne posthum zum Ehrenbürger ernannt.
Hat er doch eiserne Disziplin und ideales Timing bewiesen: In den besten Jahren seines Lebens hat er nicht nur regelmäßig beim Roten Kreuz Blut gespendet, sondern auch all seine Kraft der Waffenfabrik und somit der Schaffung von gesellschaftlichem Wohlschand.
Unmittelbar nach dem Ende seiner ökonomischen Verwertbarkeit hat er absalutiert, er ist dem Staat somit nicht mehr finanziell zur Last gefallen. Das Budget für nicht konsumierte Rentenzahlungen, Krankheits- und Pflegekosten konnte der Staat daher gewinnbringend in die Ausbildung junger Fachkräfte und Ingenieure stecken, die uns heute am laufenden Band mit neuen technischen Innovationen beglücken und Wohlschand sichern wie Meier senior.
Von der Arbeit direkt in die Sargkiste. Frei nach Friedrich Nietzsche:
Arbeite!
Iss!
Stirb.
Den Zustand des menschlichen Geistes, in den wir momentan getrieben wurden, nennt Friedrich Nietzsche das „Kamelstadium“. Nietzsche stellte allerdings auch ein Löwenstadium in Aussicht – das Bild des mündigen, selbstbestimmten und dennoch empathischen Menschen, der nicht mehr lebt um zu arbeiten, sondern arbeitet um zu leben und dessen primäres Bestreben es ist, im Leben Sinn zu finden bzw. selbst Sinn zu schaffen (die Welt durch das eigene Zutun und Leben ein kleines Stückchen besser, wahrer und schöner zu machen). Findet er auf diesen Weg des „Löwen“, dann wären auch all die derzeit ausufernden Epidemien an Burnout und Depressionen in Schach gehalten – die lt. WHO Prognose innerhalb der nächsten 15 Jahre in den westlichen Industrienationen zur Volkskrankheit Nr. 1 avancieren werden (siehe Ärztezeitung). Dass es in der Nomenklatur Nietzsches nach dem „Löwenstadium“ auch noch ein metamorphosiertes „Kindstadium“ gibt, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt, würde aber hier in unserer Meier-Elegie den Rahmen sprengen.
Wie dem auch sei. Dank dem Existenzkampf, der nun durch die Millionenschaft an herandrängenden neuen Migranten auf uns zukommt, ist dieses Kamelstadium jedenfalls für die nächsten Jahrzehnte gesichert. Die Migranten – in deren Heimat nicht zuletzt aufgrund unserer Bomben mittlerweile fast alles kaputt ist – werden Tag und Nacht alles geben, um ebenfalls Wohlschand zu schaffen wie wir in der Nachkriegszeit. Sie werden sich meist bedenkenlos ausquetschen lassen, ihre Gesundheit schinden, auf Gewerkschaften, Umwelt- und Arbeitnehmerschutz willig verzichten. Schließlich wollen sie sich um jeden Preis möglichst schnell ebenfalls die ersehnte Wohnung mit Waschmaschine und Flachbildschirm erringen und wenn das errungen ist, eben die Zweitwägen, den SUV etc.
Nicht umsonst jubeln die Industrieverbände über den neuen Zustrom an Humanressourcen. Schließlich waren wir mitteleuropäischen Eingeborenen nach einer Zeitspanne von über 50 Jahren nach dem Wiederaufbau nun endlich soweit, dass wir es nicht mehr notwendig hätten, zu leben um zu arbeiten, sondern bloß zu arbeiten um zu leben und uns aber primär um ein sinnvolles und glückliches Dasein, also um das wirklich „gute Leben“ zu bemühen. In einer jüngsten sozialempirischen Umfrage äußerte bereits ein unerwartet großer Anteil der Arbeitnehmer den Wunsch, lieber weniger zu arbeiten und dafür sogar auf Lohn verzichten zu wollen – was für eine Häresie wider unsere Staatsreligion, den Mammonismus! Für einen großen Teil der gebildeten jungen Leute stellt es lt. Umfrage weiters ein sehr wichtiges Kriterium dar, ob ihre Arbeit sinnvoll und nachhaltig sei und sie recherchierten vor einer Bewerbung, ob ihr potentieller zukünftiger Arbeitgeber auch eine humane Unternehmenskultur und ökologische Verantwortung auf seine Fahnen schreibt oder ob er nur ein Profitbordell betreibt. Immer mehr Absolventen lehnen daher das (praktische oder virtuelle) Bombenbauen ab.
Auch bekam man im Vieraugengespräch mit Personalchefs schaurige Geschichten zu hören, bei denen einem gestandenen Industriellen Angst und Bang über die Zukunft werden konnte. Z.B. dass bei Bewerbungsgesprächen nach einer Stellenausschreibung nicht mehr wie üblich mindestens 70 Personen in gebückter Haltung vorsprechen kommen, um einen miesen unterbezahlten Job zu ergattern, sondern oft nur noch eine Handvoll, und die wären meist schlecht motiviert. – Was für eine Beleidigung für das Selbstverständnis von renommierten Bombenfabriken und Wirtschaftskratzleien, die es gewohnt waren, dass man bei ihnen um Arbeit bettelt!
Noch dazu der radikale Prestigeverlust. Galten Banker und Aktenschlepper im Nadelstreif noch vor kurzen als pharaoähnliche Respektspersonen höherer Ordnung, so schimpft man sie nun „Finanzgesindel“ und reckt die Faust gegen sie. Sogar in London und New York, denjenigen Finanzmetropolen, die sich als erste bedingungslos dem Mammon verschrieben hatten und alles, was dessen globalem Siegeszug im Weg war, gnadenlos deregulierten – sogar in diesen Herzen des Mammonismus wurde jüngst zu „Bankster hunting days“ aufgerufen. An solchen in den sozialen Medien ausgeschriebenen Tagen gaben die Wirtschaftskratzleien an ihre Mitarbeiter die schriftliche Warnung heraus, sich nicht im grauen Anzug ins Büro zu begeben, sondern möglichst im „casual look“ in Jeans und T-Shirt, andernfalls sie womöglich auf ihrem Weg zur Arbeit gelyncht werden könnten.
„We are the 99%“, dröhnte es vom Volk. Und obwohl sich die oberen 1% sicher sein konnten, dass die aufbegehrende Masse mangels wirklicher Ideale bald wieder im Sumpf von Konsum und Unterhaltungsanreizen versinken wird – ein Hauch von Gänsehaut blieb bei den Herren der Welt doch am Rücken zurück. Was, wenn ihr Kumpel vom Milliardärsklub rechtbehalten sollte, und schon demnächst am Horizont Mistgabeln auftauchen? (siehe deutsche Übersetzung) Im Schlusssatz seines Plädoyers für mehr Gerechtigkeit meint er: „Und dann werden wir keine Zeit mehr haben zum Flughafen zu fahren, in unsere Gulfstream V zu steigen und nach Neuseeland zu fliegen.“
Nein, so weit wollen die Habichte es natürlich gar nicht erst kommen lassen. Dazu schmecken ihnen der Kaviar, der Champagner und die Sportcoupè-Spritztouren zu gut. Das System, in dem andere Leistung bringen und dabei das eigene Konto ohne Zutun exponentiell wächst, sodass man zurückgelehnt mit über den Tisch geschlagenen Füßen genüsslich die neuesten Hochglanzbroschüren durchblättern und nach dem SUV seiner Wahl gustieren konnte – dieses System will der Pöbel nun etwa in Frage stellen? Na, dann Gnade diesem Pöbel Gott!
Höchste Zeit also, ein paar Hebel in Bewegung zu setzen und diesen Pöbel aufzumischen. Und wenn er nicht spuren will, dann tauschen wir ihn eben aus, den Pöbel – gegen neue Untertanen, die sich noch aufs willfährige Spuren verstehen.
In Zeiten, in denen man als Global Player mit einem Mausklick vierstellige Milliardenbeträge zwischen Chiemsee, China und den Cayman Inseln hin- und herschieben und durch virtuelle Spekulationen Staatsressourcen sprengen, gewählte Regierungen abservieren und ganze Völkerschaften in den Abgrund führen kann, ist da auch das Austauschen seines Volkes keineswegs utopisch, sondern in Wirklichkeit nur ein Klacks.
Wozu hat man denn Jahrzehntelang daran gearbeitet, ausnahmslos alle Fäden der Macht in die Hand zu bekommen, alle Polit- und Wirtschaftsressorts, alle Medien, meinungsbildenden Institute, Think Tanks, ein weltumspannendes Netz an Lobbyisten, aus im Dunklen operierenden Nachrichtendiensten und im Scheinwerferlicht operierenden akademischen Experten, die alle im eigenen Sold stehen und die dem gleichen Götzen huldigen? Etwa, um jetzt einfach klein beizugeben und vom Gipfel der Macht abzusalutieren? Außerdem, selbst wenn einzelne Machtfürsten einen solchen Gesinnungswandel dem Fortbestand der Welt, dem Überleben der Umwelt und dem Schicksal ihrer Kindern zuliebe heute durchaus erstmals erwägen – spätestens dann aber packt sie das große Zittern. Denn was soll jemand, der es bisher gewohnt war, ein leistungsfreies oder zumindest ein leistungsträges, von anderen erwirtschaftetes Einkommen zu beziehen und der eigentlich gar nichts Anständiges gelernt hat, denn dann tun, wenn er nicht mehr am Schmalztopf des Reichtums und der Macht hängt und wenn im neoliberalen Rattenrennen niemand mehr mitmachen will? Nein, da werden nun wirklich dem bulligsten Leistungsträgen die Knie weich und er huldigt lieber nostalgischen Zeiten…
Aber sei’s drum, die Herren der Welt werden ja jetzt wieder beruhigt schlafen und sich ihres Reichtums erfreuen können. Werden die derzeit neu in unserem System angekommenen Migranten befragt, was sie hier nun als Ziel haben, so erhält man immer die gleichen Antworten: „Arbeiten und ein Normales Leben leben wie ihr hier“ oder „Studieren und dann arbeiten.“
Wie’s scheint, wird nun also alles weitergehen wie zu besten Wohlschandszeiten. Das Rattenrennen bzw. Nietzsches Kameltreiben kann in die nächste Runde gehen. Und bald schon werden sich auf einen ausgeschriebenen Abbeizblatz in der Wirtschaftskratzlei bzw. Waffenfabrik wieder 500 scharf wettbewerbende Menschen bewerben, die zu einem aufschauen und für die man Herr über Sein oder Nichtsein ist.
– Außer wir machen einen Strich durch die neoliberale Rechnung und schwingen uns zu Nietzsches „Löwenstadium“ auf. Dann würden wir erkennen, dass es eigentlich unwürdig für einen Löwen ist, in einem Hamsterrad zu laufen.
Foto: PD
Vehikel gestern und heute (Fotorechte s.u.)
Nostalgiefreunde erinnern sich oft mit Wehmut an die Oldtimer-Zeit. Als die Designer der ersten Automobile sich noch bemühten, ihren Vehikeln ein Gesicht zu geben, das die Herzen der Menschen, die ihnen ins blecherne Visier sehen, trotz unvermeidlichem Lärm und Gestank ein wenig erfreut. – Drollige runde Augen als Scheinwerfer und gutmütige Kühlergrill-Stupsnasen blickten einem entgegen, auch sonst konnte man sich bei den gerade ihren Siegeszug über die Landschaft antretenden Vehikeln recht harmonischer Formgebungen erfreuen. Noch die Modelle der 80er Jahre hatten etwas von diesem Chic und klassischer Ästhetik.
In den 90er Jahren begann dann ein ganz anderer Wind zu wehen. Mazda brachte einen Werbespot, in dem das neue Modell „6“ an einer urbanen Betonlandschaft vorbeifuhr und dorthin einen haifischförmigen Schatten warf. Der Werbefritze, der damals den Mazda-Video gedreht hat, war wohl ein Goethe-Kenner – er wusste, dass man im Schattenwurf das Wesen der Dinge erkennen kann.
Spätestens mit der Milleniumswende war dann Schluss mit lustig, die jungfräuliche Phase des Automobildesigns ist heute ein für allemal vorbei. Unter einem Zeitgeist, dessen erklärtes Ziel es ist, jedwedes Gutmenschentum auf Teufel komm raus auszurotten, ist natürlich kein Platz für gutmütiges Autodesign.
Sonst vergisst der Bürger womöglich auf seine oberste Pflicht: der totalen Effizienz und dem Verdrängungswettbewerb zu dienen.
Das folgerichtige Autodesign trägt heute also die Signatur Marke „böser Wolf“. Nachdem BMW den Anfang mit richtig „tierischer“ Automobilimpressionistik gemacht hatte, überbieten sich inzwischen auch alle anderen Blechschmieden im stillen Wettbewerb, wer die gerissenste und aggressivste „böse Wolf“-Visage designen kann.
Die ehemals runden Frontscheinwerfer fast aller Marken sind mittlerweile von grimmig nach unten gezogenen Augenbrauen verengt, die Mundpartie der Autovisage erinnert an gebleckte und zu allem bereite Zähne eines Raubtiers. Das unausgesprochene Signal des hinterm Steuer sitzenden Herrl dieses Hundes: „Wer sich mir in den Weg stellt, den mach‘ ich platt!“ – frei nach dem Wahlspruch des Chefs der US Bank Lehman Brothers, dessen T-Shirt den Aufdruck „Get out of my way!“ trug.
Ja, die von Thomas Hobbes postulierte Gesellschaft, in der „jeder Mensch des anderen Menschen Wolf“ sei, ist scheinbar schon näher als uns bewusst ist.
Besonders detailverliebt wird das böse Wolf Design neuerdings vom Autobauer Audi zelebriert, wo die Aggressivität des Motortieres nicht bloß durch gnadenlose Blechgestik demonstriert wird, sondern diese selbst in der Formgebung seiner Pupillen ihren Ausdruck erhält: die Scheinwerferelemente sind in Form mehrerer nebeneinander angeordneter LED-Elemente gestaltet, deren Linienzug an wütend nach unten gezogene Augenbrauen erinnert.
Hat man einen Audifahrer auf der zweiten Autobahnspur im Nacken und er lässt mit einem lässigen Fingerschnipper diese „Böse Wolf“-Augen kurz aufleuchten bzw. verpasst einem einen visuellen „Get out of my way!“-Warnschuß in den Rückspiegel, dann ist leichte Gänsehaut die nicht unerwünschte Nebenwirkung – zumindest wenn man einen alten Fiat fährt und nicht mit einem kurzen Tipper auf die Bremse die eigenen, ebenfalls zur grimmigen Visage verzogenen Flugabwehrgeschütze in Form von „Böse Wolf“-Bremslichtern aufleuchten lassen und dem von hinten herannahenden Feind eine standesgemäße Antwort verpassen kann.
Insbesondere mit einem SUV hat man hier leicht lachen. Viele SUV-Heckteile wirken wie grimmig-schmerzvoll zusammengekniffene Hintern, aus denen per Pedaldruck jederzeit ein tödlicher Gärgas-Furz entweichen kann.
Hätte man in den 80ern hierzulande noch über das aufgeblasene Krapfen-Design der SUVs gelacht und auch die PKWs im Böse-Wolf-Look wieder zurück in die Faschings-Requisitenkammer geschickt, so sind sie heute state of the art.
Und auch wenn ihn manche Spötter als „Hausfrauenpanzer“ bezeichnen und sich sogar Automobilfreunde weitgehend einig darüber sind, dass SUVs außer für den, der drinnen sitzt schrecklich sind – der Erfolg gibt dem SUV Recht: Fast jeder zehnte gekaufte Neuwagen ist heute ein SUV. Dass ein SUV bei gleicher Fahrleistung wie ein PKW ungleich mehr Sprit verbraucht und ein Vielfaches an Schadstoffen ausstößt, stört unsere Politiker keineswegs. Politiker, die im Gegenzug durch mittlerweile absurde Energiespar-Verordnungen und Dämmvorschriften jedem ehrlich arbeitenden Menschen die Errichtung eines Eigenheimes fast verunmöglichen.
Warum die Politik in Zeiten verknappender Ressourcen und eskalierender Feinstaubbelastung kein Problem mit SUVs und auch nicht mit der visuellen Umweltverschmutzung durch die Böse-Wolf-PKWs hat? Nun, ich weiß mir als Techniker auch keine andere Antwort als die, dass der SUV und der Böse-Wolf-PKW womöglich einfach das beste und billigste Werbe-Sujet für das neoliberale Politdogma sind. Omnipräsent vermitteln sie die Botschaft, die man auf Werbeplakaten schwer transportieren könnte: „Der Stärkere setzt sich durch, also pass bloß auf, dass du nicht auf der Strecke bleibst.“
Manchmal ist das Schicksal jedoch gerecht und es bleibt nicht der Schwächere auf der Strecke sondern auch einer der wohlbeleibten SUVeranten. So geschehen dieser Tage bei der Frankfurter Automesse IAA, wo es den BMW Chef Harald Krüger höchstpersönlich umgelegt hat.
Bevor Sie sich das unten gezeigte Video des grausamen Ereignisses ansehen, mag sich mancher vorher kurz in bewegten Bildern auch die Atmosphäre vergegenwärtigen, in der sich die Tragödie abgespielt hat: http://iptv.orf.at/#/stories/2299504/
Die IAA-Messehalle, ein diesmal unter dem Thema „vernetzte Mobilität“ unter Strom gesetzter Hochglanztempel, vollgefüllt mit allem, worauf Deutschmänner stolz sein können: Technik, Elektronik, Autos, verschmolzen zu einer futuristischen Performance, gegen die Captain Kirk auf seiner Enterprise wie ein Waisenknabe wirkt. Smarte Businessmänner in grauem Zwirn, die mit ebenso smarten Funkarmbanduhren selbstfahrende Autos herbeikommandieren, die Luft durchschnitten von Laserstrahlen und in die Luft projizierten Beamer-Zauberbildern, auf denen für Presse und kaufstarke Kunden die neuesten Böse-Wolf-Modelle zu bewundern sind. Das alles in einer kühl-frostig technoblaugrau gehaltenen Kulisse. Menschen krabbeln vor der gigantomanischen Technikmaschinerie herum wie kleine Ameisen und kommen im bewundernden Staunen davor, wie weit wir es gebracht haben, gar nicht mehr heraus. Im Cockpit der neuen Fahrzeuggeneration laufen Kameras, die jede Bewegung der Insassen in Echtzeit auswerten: Mit einer Handbewegung in der Luft kann man eingehende Mobilanrufe annehmen oder zurückweisen. Genauso wird jedes im Cockpit gesprochene Wort per WLAN zu einer Cloud in den Himmel geleitet und von dort aus den Insassen jeder Wunsch von den Lippen abgelesen. „Siri, lad‘ mir die neueste Schwubbeldupp-App runter!“ – „Schon geschehen.“ Gegen die digitalen Dienste von Siri war der bezaubernde Jeannie-Flaschengeist von Larry Hagman noch eine richtiggehend lahme Ente. Gäbe es noch eine Fußball-Leinwand in der Halle – die Seligkeit wäre perfekt und alle Menschen wunschlos glücklich. Im obigen Video sieht man, wie natürlich auch Deutschlands „Frau ohne Eigenschaften“ Angela M. vorbeikommt und dem fortschrittlichen Treiben ihren Tribut zollt.
Mit einem Wort, der Schauplatz des tragischen Geschehens ist eine technokratische Markthalle, vollgefüllt mit Dingen, über die Sokrates achselzuckend gesagt hätte „Was es alles gibt, was ich nicht brauche“, während jeder Nichtsokratiker mit offenem Mund und gefalteten Händen vor ebendiesen Dingen steht und sagt: „Willhabähn!“
Mitten in diesem Treiben kommt nun der BMW Chef auf die Bühne und will der sehnsuchtsvoll wartenden Menge das neueste goldene – in diesem Fall metallic blau lackierte – Kalb aus seinem Münchner Stall präsentieren.
Er hat nur leider denselben Fehler gemacht, den auch die Las Vegas Showmaster Sigfried and Roy gemacht haben, als einer der beiden Löwendompteure von seinem Tier hinterrücks niedergerissen und übel zugerichtet wurde: Auch der Münchner Autobauer hat seiner Bestie den Rücken zugewendet. Und das ist ihm dann auch zum Verhängnis geworden.
Wer das folgende Video aufmerksam betrachtet, der kann wahrnehmen, wie das hinter ihm lauernde Tier langsam seine kalten, technokratischen Tentakeln nach dem Redner ausstreckt. Es legt sie ihm um Hals, Hüfte und Beine. Man merkt zwar, dass der gute Mann etwas blass bei dieser Umarmung wird, aber noch weiß er nicht, wie ihm geschieht und setzt deshalb seine Lobeshymne auf das goldene Kalb fort.
Schließlich der Schock: Die Bestie vollzieht ihren Würgegriff und legt ihren ehemaligen Meister um. Er taumelt, stürzt zu Boden und ringt röchelnd nach Luft, eine Anzahl grauer Männer befördert ihn schließlich von der Bühne.
Die Botschaft, die die eigenläufig gewordene Technik auf der unter dem Motto „Vernetzte Mobilität“ stehenden Automesse mit dem Abservieren des BMW Chefs an die Menschen gesendet hat, ist eindeutig: Wir werden nicht mehr gebraucht. Nicht nur die Autos werden demnächst selbst fahren, auch die derzeit auf Teufel komm raus entwickelte Künstliche Intelligenz wird uns ineffiziente Zweibeiner bald abservieren (siehe auch ARTE Doku „Welt ohne Menschen“).
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Copyright Fotos (Wikimedia Commons): VW (li.): Silar, CC BY-SA 4.0 – Link; BMW (re.): Navigator84, CC BY-SA 4.0 –Link
Foto: Hurrican Isabel, von Raumstation ISS, Earth Sciences & Image Analysis Laboratory , Johnson Space Center (PD)
In einem jüngsten Essay erzählt uns einer, der es wissen muss, was uns in Zukunft bevorsteht: Nichts anderes als eine epochale Völkerwanderung, welche die uns derzeit bekannte Welt aus den Fugen bringen wird.
Peter Vonnahme, emeritierter Asylrichter bzw. Richter am Bayerischen Verwaltungsgerichtshof räumt hierbei alle Illusionen und Emotionen, die derzeit zum Thema Flüchtlinge und Asyl hochkochen, beiseite und führt uns die nüchterne Realität vor Augen:
Was wir momentan an Zuwanderung erleben (die vom Innenministerium verlautbarte Jahresprognose allein für die in Deutschland ankommenden Asylbewerber wurde vor Kurzem auf 800.000 angehoben), sei nur die Vorhut. Viele weitere Millionen stünden bereit, dieser Vorhut nachzufolgen.
„Wir tun gut daran, uns mit dem Gedanken vertraut zu machen, dass diesen Zug nichts aufhalten wird, weder das Dampfgeplauder der Stammtische, noch die Militanz der Pegidaaktivisten und auch nicht die zum Ritual verkommenen Wir-haben-alles-im-Griff-Parolen der Politiker und deren Claqueure in dienstbeflissenen Medien.
Wenn der CSU-Vorsitzende Seehofer beim Politischen Aschermittwoch mit heiserer Stimme tönt, dass er sich „bis zur letzten Patrone … gegen eine Zuwanderung in die deutschen Sozialsysteme“ sträuben werde, klingt das unerschrocken und heldenhaft. Es hat jedoch die gleiche Verlässlichkeit wie die Ankündigung eines durch Alkoholgenuss enthemmten Sprücheklopfers auf dem Marktplatz, er könne den bevorstehenden Sonnenuntergang aufhalten. Tatsache ist nämlich, dass es nichts mehr zum Aufhalten gibt. Denn die Zuwanderung ist seit Längerem im Verlauf und wir sind ohnmächtige Zeugen derselben. Es wird kein Zurück in die Beschaulichkeit der letzten Jahrzehnte geben“
Vonnahme schildert, dass es den Afghanen, Irakern und Syrern vollkommen egal sei, ob sie hier etwa Abschreckungen in Form gekürzten Taschengeldes oder sogar rechtsradikale Anfeindungen erwarten, denn bei ihnen gehe es ums nackte Überleben. Kann es ihnen jemand verübeln? An ihrem derzeitigen Heimatort fliegen ihnen Kugeln, Granaten und Bomben um die Ohren. Es ist nicht sicher, ob ihre Kinder abends wieder vom Spielen auf dem Feld heimkommen oder ob sie von Warlords grausam niedergemetzelt oder, etwas humaner, von einer US Drohne erfasst und als Kollateralschaden im von George W. Bush ausgerufenen und von Friedensnobelpreisträger Obama geflissentlich fortgesetzten „War against Terror“, buchhalterisch abgeschrieben werden. – Drohnen, deren Surren die Menschen in manchen Krisengebieten ständig über sich haben und die wie aus dem Nichts zuschlagen und auch schon mal ganze Hochzeitsgesellschaften in Sekundenbruchteilen ausgelöscht und in den Himmel befördert haben.
Wobei nicht nur die Infrastruktur zerstört wurde und am Boden liegt, sogar normaler Ackerbau oder das Zeugen von Nachkommenschaft stellt in manchen Ex-Kriegsgebieten nun einen Hochrisikoakt dar. Warum? – Nun, eben nicht nur, weil man beim Kartoffelernten das Pech haben kann, in eine Landmine zu treten. Die Zerstörung geht sogar noch viel tiefer und betrifft weite Landstriche und Ökosysteme, obwohl das von den etablierten Medien beharrlich verschwiegen wird.
Bereits in Wikipedia erfährt man, dass z.B. der Irak das am stärksten durch Uranwaffen kontaminierte Land ist. Die USA und Großbritannien hätten dort in den Kriegen von 1991 und 2003 mindestens 400.000 Kilogramm Uranmunition verschossen. Die als erbgutschädigend und hochtoxisch eingestufte Uran-Munition wurde auch im Kosovo, in Afghanistan und an weiteren Kriegsschauplätzen eingesetzt.
Die Folgen des Einsatzes von Urangeschossen schildert der WDR-Filmemacher und Journalismus-Preisträger Frieder Wagner z.B. in diesem Interview: „Die Geburtsklinik von Basra war ein Blick in die Hölle“.
>> Der Besuch in der Uni-Geburtsklinik von Basra war für mich ein Blick in die Hölle. Ich haben Babys gesehen, die man nicht mehr als menschliche Wesen erkennen konnte. Mit monströsen Hinterköpfen, mit einem Hautsack am Rücken, der die inneren Organe enthielt. Sie hatten keine Arme, keine Beine, keine Nase oder nur ein Auge in der Mitte. Davon träume ich heute noch. Die Frauen von Falludschah, einer irakischen Stadt, die im Frühjahr 2004 hart umkämpft war, weigern sich heute, Kinder zu bekommen – aus Angst vor Missgeburten. Die Mütter fragen dort nach der Geburt nicht mehr danach, ob ihr Kind ein Junge oder ein Mädchen ist. Sie wollen wissen, ob ihr Baby Strahlenschäden hat oder nicht.
(…)
Den Menschen wird damit Angst gemacht, dass die Terroristen von Al Kaida mit radioaktivem Material eine „schmutzige Atombombe“ bauen könnten, die nicht explodiert, aber ganze Landstriche verseucht. Genau das ist aber schon massenhaft geschehen. <<
Hier übrigens die preisgekrönte, aber aus dem WDR-Archiv wieder „verschwundene“ Doku über die Uranverseuchung (nach deren Aufdeckung der Regisseur vom deutschen Fernsehen keinen einzigen Filmauftrag mehr bekam:)
Warum wollen die Menschen dort nicht einfach weiter Gemüse anbauen, im Bombenhagel, bei zerstörter Infrastruktur, auf drohnenüberkreisten, über weite Landstriche vergifteten und mit US Uranmunition radioaktiv verseuchten Feldern?
Wir brauchen es nur einmal kurz umgekehrt zu denken: Wenn wir hungrig und barfuß in einer zerbombten, vergifteten Hölle leben müssten, ohne Aussicht auf ein geregeltes Leben, gleichzeitig aber im Fernsehen die Bilder aus Ländern sehen, in denen alles in Luxus glänzt und sich die Tische mit fünfgängigen Menüs biegen (dass das bei uns auch nicht mehr unbedingt der Regelfall ist, wissen die dort drüben natürlich nicht, die stehen nur fassungslos vor dem Überfluss und obszönen Exzess, der da über die Flachbildschirme als „western way of life“ ausgestrahlt wird) – würden wir da nicht auch schleunigst das Weite suchen wollen?
Wie auch immer, der couragierte Asylrichter Vonnahme nennt in seinem jüngsten Essay jedenfalls auch die Ursachen des Elends und der vor der Tür stehenden Völkerwanderung ganz klar beim Namen:
„völkerrechtswidrige Militärinterventionen, zumeist der USA und ihrer Bündnispartner“.
Und er nennt auch einen der Lösungsschritte:
„Wer Massenflucht eingrenzen will, muss in einem ersten Schritt militärische Abenteuer unterbinden“ und „Militärbündnisse wie die NATO auf reine Verteidigungsaufgaben zurückführen“.
Wenn man bedenkt, dass unter Bundeskanzler Willy Brandt im SPD Grundsatzprogramm die Auflösung der NATO als Ziel festgeschrieben war, da den führenden Politikern damals sehr wohl bewusst war, dass nach Auflösung des Warschauer Pakts die Dinosaurierstrukturen des Kalten Krieges mit ihren machtpolitischen Globalstrategien selbst das allergrößte Sicherheitsrisiko für den Frieden und die Zukunft Europas bilden würden, dann muss man mit Schaudern beobachten, inwieweit sich unsere Spitzenpolitiker heute in US Machtpolitik haben verstricken lassen, die unseren eigenen Interessen in eminentester Weise schadet – und uns so wie in der derzeitigen Ukraine-Krise Kopf und Kragen kosten könnte.
Zitat aus dem Berliner Grundsatzprogramm der SPD vom 20. Dezember 1989:
„Unser Ziel ist es, die Militärbündnisse durch eine europäische Friedensordnung abzulösen. Bis dahin findet die Bundesrepublik Deutschland das ihr erreichbare Maß an Sicherheit im atlantischen Bündnis, vorausgesetzt, sie kann ihre eigenen Sicherheitsinteressen dort einbringen und durchsetzen, auch ihr Interesse an gemeinsamer Sicherheit. Der Umbruch in Osteuropa verringert die militärische und erhöht die politische Bedeutung der Bündnisse und weist ihnen eine neue Funktion zu: Sie müssen, bei Wahrung der Stabilität, ihre Auflösung und den Übergang zu einer europäischen Friedensordnung organisieren. Dies eröffnet auch die Perspektive für das Ende der Stationierung amerikanischer und sowjetischer Streitkräfte außerhalb ihrer Territorien in Europa.
Im Bündnis muss der Grundsatz gleicher Souveränität gelten. Das Bündnis muss verteidigungsfähig, defensiv und entspannungsbereit sein. Der politische Wille muss über Militärstrategie, Militärtechnik und wirtschaftliche Interessen der Rüstungsindustrie herrschen, nicht umgekehrt. Friede ist eine politische, keine waffentechnische Aufgabe. ..
Die Bundeswehr hat ihren Platz im Konzept gemeinsamer Sicherheit. Sie hat ausschließlich der Landesverteidigung zu dienen. Ihr Auftrag ist Kriegsverhütung durch Verteidigungsfähigkeit bei struktureller Angriffsunfähigkeit. …
Von deutschem Boden muss Frieden ausgehen.“
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Auf der Suche nach einer Lösung des schon eskalierenden Chaos kehren wir noch einmal kurz zurück zu Regisseur Frieder Wagner. Da ihm das Thema seiner Reportage im Nahen Osten selbst sehr an die Nieren gegangen war, suchte er das Gespräch mit hohen deutschen Regierungsbeamten – und bekam eine verblüffende Antwort:
>> Der Völkerrechtler Manfred Mohr und der Chemiker Albrecht Schott und ich waren 2008 und 2010 eingeladen ins Auswärtige Amt, jeweils zu eine Zwei-Stunden-Gespräch über Uranmunition. Unsere Gesprächspartner haben uns gesagt, dass wir sie sehr beeindruckt haben und auch der anwesende Spezialist vom Helmholtz-Institut für Strahlenschutz in Neuhersberg in München meinte, dass die DU-Munition verboten werden müsse – wenn auch nicht wegen der Radioaktivität, sondern wegen ihrer chemischen Giftigkeit. Der Moderator dieses zweiten Gespräches im Auswärtigen Amt hat zum Abschluss gesagt – und das bitte ich Sie wörtlich zu zitieren – unsere Faktensammlung sei beeindruckend bis beängstigend gewesen. Aber im Grunde genommen seien all unsere Argumente gegen diese Waffe doch nur humanitäre Argumente. Und mit humanitären Argumenten könnte man dem Pentagon nicht kommen. Was diese Äußerung bedeutet, kann sich jeder selbst überlegen… <<
Wie man sieht, weiß unsere Regierung also ganz genau, dass man unseren „verlässlichen Freunden“ nicht mit humanitären – also AUF DEN MENSCHEN BEZOGENEN Argumenten kommen könne.
Um das global eskalierende Chaos zu bewältigen, dürfen wir uns also finanztechnische, sachzwängliche, militärische, machtpolitische, technokratische, unterhaltungsindustrielle Argumente und dergleichen überlegen, die wir vorm Imperator eventuell vorbringen können. Es dürfen auch durchaus unmoralische und teuflische Argumente sein, kein Problem. Aber bei Gott keine humanitären! Denn Gott Mammon soll ja bekanntlich humanitäre Bekundungen scheuen wie der Teufel das Weihwasser.
Unsere verlässlichen Freunde und Mammon … in einem Topf … – Geht das jetzt nicht ein bisschen zu weit?
Nun, dann halten Sie sich mal kurz fest. Lassen wir einfach einmal einen der Architekten des derzeitigen Finanz-/Ökonomiesystems unserer „verlässlichen Freunde“ höchstpersönlich zu Wort kommen. In einer Antwort auf die Frage des US Kongresses, wie er einen drohenden wirtschaftlichen Niedergang der USA verhindern wolle, antwortete der FED-Chef Alan Greenspan am 7.6.1996 (zitiert aus „Proceedings US-Congress, Washington D.C., Bd.555, S.732f.):
„Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren, nicht monetäre Techniken und Details können uns sicher davor retten, sondern nur allein der immer feste, inbrünstige Glaube aller an die Kraft des Geldes, unserer Geld-Verfassung der Freiheit und Demokratie. Wenn wir nicht mehr an den US-Dollar glauben, an die wunderbare Stärke der USA und ihre Aufgabe für die Welt, … dann sind wir verloren. Und die Kräfte der Finsternis, die nur darauf warten, uns zu verderben, werden die Oberhand gewinnen. Wir werden immer wieder nur gerettet in der göttlichen Vorsehung und seinem uns gnädigen Willen, wenn wir an die rettende Kraft des Geldes immer wieder so fest glauben, wie an Gott und unsere Verfassung. Denn unsere unabhängige Notenbank in ihrer Weisheit, ist mit der Verfassung unter Gott, unsere alleinige Garantie von Freiheit, Recht und Demokratie.“
Nach diesem mammonistischen Offenbarungseid vor dem US Kongress war jedenfalls das Manadat Greenspans für seine weitere Tätigkeit als oberster FED-Chef gesichert. – Und er durfte den Weg ebnen für jene Finanzprodukte, die Warren Buffet später als „Massenvernichtungswaffen“ bezeichnet hat.
In seiner vor Kurzem erschienenen Biografie geizt Greenspan auch nicht weiteren klaren Aussagen. Z.B. erklärt er uns in einem Satz, was die Globalisierung, die uns derzeit ökonomisch, ökologisch und allgemeinmenschlich an den Rand des Abgrunds treibt, denn ihrem Wesen nach eigentlich ist:
„Globalisierung ist die Ausdehnung des Kapitalismus auf die Weltmärkte“
US-Außenminister Henry Kissinger, der seinerzeit an derselben George Washington High School die Schulbank gedrückt hatte wie Greenspan, gibt uns dazu eine noch griffigere Definition:
„Globalisierung ist nur ein anderes Wort für US-Herrschaft“ (Quelle: Wiki).
Noch Fragen?
Sonntag, 26.7.2015. Eifel. Manchmal schreibe ich Sonntags gerne Besinnliches – doch nicht heute. Viel zu schnell eilt die Zeit davon, die Zeit verrinnt, die Vernichtung der demokratischen Zivilgesellschaften durch „Mammonismus“ – die blinde, eifernde und geifernde Jagd nach möglichst viel unnützem Tand, der skupellose, die Gesellschaft zersetzende Griff nach der Million durch Millionen gieriger Hände – schreitet täglich weiter fort und fordert und fördert das Schlechteste im Menschen … den Gegensatz zu jedem humanistischem Ansatz. Wie merken es alle, jeder, überall: der Mensch am Arbeitsplatz durch ständig steigende Anforderungen, denen nur mäßige bis mangelhaft Entlohnung gegenübersteht, der Mensch auf dem Arbeitslosenplätzchen, von dem ungeheure Wirtschaftsleistungen verlangt werden (mit Geld für 20 Tage 30 Tage Versorgung zu garantieren: das schaffen nur auserlesene Experten der Hauswirtschaft), der junge Mensch, dem jede Perspektive fehlt, jede planbare Zukunft oder der alte Mensch, dem – sofern er nicht ordentlich konsumieren kann – nur noch leise Verachtung ob seines sinnlosen Ressourcenverbrauchs entgegenweht.
Es wird viel geschrieben über die Missstände, über Skandale, die wöchentlich neue Höhepunkte erreichen – wie zum Beispiel die von Griechenland geforderten Massenentlassungen, die noch mehr Menschen ins Elend stürzen, noch mehr Leichen auf den Straßen produzieren – zum Wohle des Mammons, damit noch mehr Deutsche ihre heiß geliebte Million bekommen (siehe Spiegel). Das ist das 21. Jahrhundert: wir brauchen überhaupt keine Kriege mehr, um andere Länder auszuplündern, in die Knie zu zwingen und in einzelne Teile zu zerbrechen – wir schaffen das inzwischen allein mit Geldmacht … dabei hat Geld nur den Wert, dem wir ihm beimessen. Zu blöd: wir haben Geld zu Gott erklärt – und sind jetzt alle seine Sklaven. Unglaublich, dass fremde Institutionen einem Land Massenentlassungen befehlen können, unglaublich, dass Deutschland diese Befehle für Fremde ausführt, unglaublich, dass die demokratischen Völker dies mit sich machen lassen … und wunderlich, dass noch keiner gefragt hat, wer denn Deutschland die Massenentlassungen und die Verarmung breiter Schichten der Bevölkerung befohlen hat.
Ich möchte Ihnen einen kurzen Text vorstellen, einen Text, der ursprünglich 1997 erschien – und eigentlich alles erklärte, was seitdem geschehen ist und weiterhin geschehen wird. Wer ihn versteht, wird keine weiteren Fragen haben, wird verstehen, dass wir uns in einem Weltwirtschaftskrieg befinden, in dem die Deutschen an vorderster Front für den Feind arbeiten – für den Feind der ganzen Menschheit.
„In vieler Hinischt markiert die weltweite Krise das Ende der Zentralbanken. Die nationale Souveränität über die Wirtschaft und das Vermögen der Nationalstaaten, die Geldschöpfung zum Wohle der Gesellschaft zu kontrollieren, sind geschwächt. Die privaten Devisenreserven in den Händen institutioneller Spekulanten übersteigen die beschränkten Fähigkeiten der Zentralbanken weltweit. Diese sind, ob sie einzeln handeln oder sich konzentriert zusammentun, nicht mehr in der Lage, sich gegen die Wellen spekulativer Angriffe zu stemmen. Die Geldpolitik liegt in den Händen privater Gläubiger, die in der Lage sind, staatliche Haushalt einzufrieren, die reguläre Auszahlung von Löhnen an Millionen Staatsbedienstete zu vereiteln (wie in der ehemaligen Sowjetunion geschehen) und den Zusammenbruch von Produktion und Sozialprogrammen herbeizuführen“. (aus: Michel Chossudovsky, Global Brutal, Zweitausendeins, 1.Auflage April 2002, Seite 325)
Ja – lesen Sie das ruhig zweimal. Fünf Jahre hat es gebraucht, bis dieses Werk ins Deutsche übersetzt wurde – dabei sollte es an jeder Schule und Universität Pflichtlektüre werden. Chossudovsky beschreibt einen weltweiten Wirtschaftskrieg, den wir Nichtmillionäre verlieren werden – und wir wissen das alle. Der Mammonismus vernichtet in einem ungeheuren Siegeszug sämtliche demokratischen Erungenschaften und Werte der letzten 3000 Jahre, nie hätten die Alarmglocken der Menschheit lauter läuten müssen … und nie waren die Gegenstimmen leiser. Selbst der Faschismus im Hitlerdeutschland hatte mehr Widerstand gegen sich als der Mammonismus – obwohl letztere viel mehr vernichtet – sogar den ganzen Planeten.
Mehr vernichtet?
Ja – 4 Millionen Muslime sind ihm bislang zum Opfer gefallen, 40 Millionen Tote in Kriegen seit dem zweiten Weltkrieg hat er mit zu verantworten, 18 Millionen Menschen sterben jedes Jahr an Hunger (siehe Jean Ziegler im Deutschlandradio), d.h. an den unvermeidbaren Nebenwirkungen der nach immer mehr Millionen gierenden Millionäre und Frontkämpfer des Mammonismus, der das Christenstum als Hauptreligion des Westens nahezu vollständig verdrängt hat. Das sind DIE WERTE des WESTENS, denen JEDES JAHR DREIMAL soviel Menschen zum Opfer fallen wie beim HOLOCAUST – ein neuer Holocaust, der bald eine Milliarde Menschen in den letzten siebzig Jahren vernichtet hat und weiter zu vernichten trachtet, ein Holocaust, den wir in Deutschland – eine der Speerspitzen an Gier und Müllproduktion (ja: die „sauberen Deutschen“ sind die Müllmeister Europas, siehe Spiegel) – nicht bemerken dürfen, weil einige selbsternannte, sektiererische Linke diesen Begriff als Eigentum gepachtet haben und lieber von ihnen selbst ernannte Pseudonazis jagen anstatt – wie die Weiße Rose – der aktuellen Vernichtungsorgie mutig entgegen zu treten.
1997 hatte Chossudovsky diese Entwicklung vorhergesehen – nicht durch Magie sondern durch Sammlung von Fakten. Schon in dem Jahr konnte man sehen, dass Hartz IV für Deutschland kommen würde, dass Armut auch bald in Europa Fuß fassen wird, weil der Weltkrieg des Mammonismus vor Europa nicht halt macht und massenhaft Agenten des Mammonismus in jedem Land aktiv sind – und fürstlich dafür belohnt werden, was ihren Eifer nochmal so heftig entfacht.
Es ist ein Kampf auf Leben und Tod, ein Kampf, der schon jetzt in und durch deutsche Ämter geführt wird, die wir nur noch hoch loben dürfen, weil uns implizit vor Augen geführt wird, dass jede Form von sozialer Hilfe für Opfer des Mammonismus auch sofort gestrichen werden könnte … wie in Griechenland: die eiskalte Tötungsabsicht auch hochrangiger Politiker des Westens haben wir schon oft erfahren dürfen.
Wie kommt es eigentlich, dass der Krieg schon seit zwanzig Jahren so vernichtend tobt, mehr Tote produziert als alle Weltkriege zusammen und wir darüber nicht reden?
Die Antwort ist einfach. Sie findet sich im Anschluss dieses Textes in Form eines Videos. Es dauert eine Stunde, enthält einen humorvollen Vortrag von Professor Rainer Mausfeld – einem Vortrag, dem ich manche Fakten in diesem Text entnommen habe, dem ich ansonsten aber nur wenig hinzu zu fügen habe – außer eins.
Das die Gesellschaft durch konzentrierte Fütterung mit fragmentierten Fakten komplett handlungsunfähig gemacht wird, ist eine Tatsache, die Sie verstehen werden, wenn Sie das Video angeschaut haben – das wichtigste Video Ihres ganzen Lebens – als jener Person, von der die Macht im Staate ausgehen sollte. Es erklärt Ihnen, warum es niemals mehr eine Revolution geben wird – ganz einfach weil die Fragmentierung der Wirklichkeit kontinuierlich verhindert, dass sich eine geschlossene Front gegen den Mammonismus bildet. Schauen Sie sich das Video einfach mal an – es enthält den Vortrag eines Wissenschaftlers, nicht irgendwelche Spekulationen alternativer Medien. Ich werde mir nach dem Vortrag noch erlauben, ein paar Worte hinzuzufügen:
So – fertig geschaut? Gut. Wenn nicht: bitte nochmal schauen – es ist möglicherweise die letzte Chance, den Weltkrieg des Mammonismus aufzuhalten, die letzte Chance, zu verhindern, dass die Armut weiter nach Deutschland importiert wird … vielleicht gelingt es uns wenigstens, die Republik zu retten, während wir den Kampf um Europa schon verloren haben (siehe Spanien, Griechenland, Irland, Portugal, Italien, Frankreich).
Es ist dem Film wirklich nichts hinzuzufügen – nur gilt es, auf ein weitere, logisch stringente Fakten hinzuweisen.
Um dieses Empörungsmanagement – für das wir täglich in der Tagesschau ein Dutzend Beispiele finden, in den privaten Medien noch umso mehr – zu betreiben, bedarf es einer fest zusammenhängenden Clique von Akteuren aus Politik, Wirtschaft und Medien, die wir nicht verschwörungstheoretisch vermuten müssen, sondern exemplarisch an „Events“ wie der sogenannten „Bertelsmannparty“ festmachen können – und sie ist nur ein Beispiel für viele andere „Events“, in denen der Schulterschluss der Akteure des Mammonismus geprobt und getestet wird – der Bundespresseball, private Partys und „Geburtstagsfeiern“ der „Mächtigen“, das Weltwirtschaftsforum in Davos, die Bilderbergertreffen, die Arbeit der Rotarier und Lionsclubs sowie hunderte noch nicht bekannter aber trotzdem stattfindender Treffen mit verschwörerischem Charakter zur Festigung der Allianz der „Reichen“ gegen die Demokratie (die bald nur noch von Armen getragen wird, auch wenn die ihr in Scharen den Rücken zukehren, weil sie zur Farce verkommt – siehe Handelsblatt) wären hier ebenfalls zu nennen.
An Revolution – ist hier gar nicht mehr zu denken. Sie wird im Keim erstickt – und viele Pseudolinke arbeiten mit ihrem eigenen Sektierertum mit Hochdruck an der weiteren Fragmentierung.
Was wir erstmal brauchen?
Medien, die Defragmentierung betreiben, Defragmentierung, wie wir es hier in unserem kleinen Nachdenkmagazin seit Jahren betreiben, obwohl diese Arbeit nur stümperhaft sein kann, weil wir gar nicht die notwendigen Ressoucen haben, um sie erfolgreich betreiben zu können. Um jene 60 Prozent der Deutschen, die den Braten schon gerochen haben ihn aber nicht benennen können zu erreichen, brauchen wir … Fernsehkanäle, Radiosender, Filmstudios – und ganz ganz viele Mitstreiter. Diese Zusammenzuführen übersteigt unsere Möglichkeiten bei Weitem. Sechs Stunden dauert die Suche nach Fakten zu einem Artikel, vier Stunden seine Niederschrift in möglichst nicht überfordernder Sprache – ohne die Unterstützung ehrenamtlicher Mitarbeiter kaum zu bewältigen … und auch kaum ewig durchzuhalten, um nicht in einem Burn-out zu landen.
Aber immerhin können wir einen Weg weisen … einen Weg, der angesichts eines weltweiten, nie dagewesenen, täglich fortschreitenden Massenmordens an Armen durch Hunger als alternativlos ansehen müssen, wenn wir uns nicht sklavisch den kommenden Rentenstreichungen in Deutschland (nein – nicht Kürzungen: STREICHUNGEN) hingeben wollen wie es die Griechen gerade erleben müssen.
Als ich Chossudovsky 2002 das erste Mal im Internet vorgestellt hatte – in einem ganz anderen, inzwischen erloschenen Forum – bin ich noch massiv angefeindet worden wegen der dunklen Sicht der Welt. 2015 hat diese Dunkelheit Europa erreicht und Millionen Menschen in Armut gestürzt, während die Armut per Staatsgewalt in Deutschland entsetzliche Folgen produziert und ein Prekariat künstlich in die Welt befahl, dass Millionen von Deutschen aus der Gemeinschaft herausgeschmissen hat – darunter auch Millionen „unschuldiger“ Kinder.
2015 sind die Agenten das Mammonismus so frech geworden, dass sie zu Ministern eine erstaunlich offene Sprache sprechen (siehe Neues Deutschland):
„[Und dann] schauen dir sehr mächtige Personen in die Augen und sagen: »Sie haben recht mit dem, was Sie sagen, aber wir werden Sie trotzdem zerquetschen.«“
Das ist, was uns geschehen wird, wenn wir der Fragmentierung des Wissens nichts entgegensetzen: wir werden zerquetscht. Na – vielleicht unterschätze ich auch den Hang zum Masochismus im Volk … und alle haben Spaß daran, wie eine Laus zu enden, nachdem sie für die Mammonisten schon den Status einer Laus erreicht haben: die Lust am Untergang soll ja auch was an sich haben … oder?