Lust

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Epikur, die Lust, das lustvolle Leben und das Glück

Selten komme ich in letzter Zeit dazu, mal etwas „Schönes“ zu schreiben, etwas inspirierendes, sinnvolles.

Aber: gemäß einer Leserumfrage waren ja auch „bad news“ gewünscht. Davon gibt es mehr als man gemeinhin denken würde, und schon die, die offensichtlich sind, reichen einem aus, den Tag zu vermiesen.

Wirtschaft, Politik, das soziale Leben, alles verwandelt sich in ein Tollhaus, das dazu entworfen worden zu sein scheint, den Menschen in Angst, Schrecken und Hoffnungslosigkeit verfallen zu lassen.

Über die kleinen Pflänzchen der Hoffnung, die sich aus der Netzkultur ergeben, möchte ich später mal ausführlicher Schreiben. Die Meldung, das meine Internetsoftware auf meinem Computer nicht mehr vorhanden ist, hat mir heute schon mal die ernüchternde Erfahrung beschehrt, wie hilflos man als dümmster anzunehmender User (das genau bin ich: der Prototyp des DAU) solchen Meldungen gegenüber steht – was natürlich die Hoffnung auf eine Netzgesellschaft trübt. Jedenfalls werde ich wohl kaum dazugehören können.

Dem Himmel sei Dank war die Meldung wohl nicht ganz ernst gemeint, sonst könnte ich ja hier auch nicht mehr schreiben. Dafür komme ich jetzt endlich mal dazu, einen kurzen Artikel über den Rat eines alten Griechen zu schreiben, wie man zu einem glücklichen Leben gelangen kann.

Dieser Rat scheint mir willkommen zu sein in Zeiten, in denen Unsicherheit an allen Fronten des Lebens herrscht und man gleichzeitig überschüttet wird durch konzerngesteuerte Glücksphilosophien, die seit Jahrzehnten mit großer medialer Gewalt durch das Land gepumpt werden.

Doch lassen wir den alten Epikur selbst zu Wort kommen, zitiert aus einem Brief, den man in den Schriften des Diogenes Laertius fand (Felix Meiner Verlag, Hamburg 1967, Seite 284).

„Denn nicht Trinkgelage mit daran sich anschließenden tollen Umzügen machen das lustvolle Leben aus, auch nicht der Umgang mit schönen Knaben und Weibern, auch nicht der Genuß von Fischen und sonstigen Herrlichkeiten, die eine prunkvolle Tafel bietet, sondern eine nüchterne Verständigkeit, die sorgfältig den Gründen für Wählen und Meiden in jedem Falle nachgeht und mit allen Wahnvorstellungen bricht, die den Hauptgrund zur Störung der Lebensruhe“.

Die vernünftige Einsicht „lehrt, daß ein lustvolles Leben nicht möglich ist ohne ein einsichtsvolles und sittliches und gerechtes Leben, und ein einsichtsvolles, sittliches und gerechtes Leben nicht ohne ein lustvolles“.

Macht das Leben keinen Spaß mehr … wird auch der Rest egal. Ist der Rest aber egal … gibt es auch keinen Spaß mehr.

Aus der Lust, aus dem Glück kommt die Kraft, einsichtsvoll, gerecht und sittlich zu sein … was wiederum die Voraussetzung dafür ist, glücklich zu sein.

Die Methode dazu ist … Herrschaft über die Bedürfnisstruktur.

Die Antwort auf die Frage: was brauche ich wirklich?

„Das Freisein von körperlichem Schmerz und von Störung der Seelenruhe“ meint Epikur.

Mehr braucht man nicht.

Die Störung der Seelenruhe tritt natürlich schon beim Konsum von Nachrichten und Werbung auf. Nachrichten
beunruhigen uns mit der Botschaft, das bald vorbei ist mit der Schmerzfreiheit … und Werbung suggeriert uns, das wir die Seelenruhe erst bekommen, wenn der neue BMW vor der Tür steht. Denn nur dieser Wagen ist der richtige, der alle unsere Bedürfnisse befriedigen wird.

Je weiter wir unsere Bedürfnisse herunterregulieren … umso leichter werden wir die Seelenruhe erlangen.

Wasser und Brot reichen zum Überleben. Einfach mal eine Woche lang versuchen, noch einen Apfel hinterher -und nach sieben Tagen wird das Stück Erdbeerkuchen mit Sahne dann zu einem unvergesslichen Erlebnis, das man sonst nie gehabt hätte. Oder das Rindersteak mit Schmorzwiebeln. Oder die Tasse Tee.

Je mehr Ansprüche wir stellen (oder je mehr Bedürfnisse wir uns einreden lassen), die wir nicht schnellsten erfüllen können, umso unglücklicher werden wir.

Turbulente Zeiten kann man aber besser glücklich als unglücklich überstehen. Anderen Menschen kann man eher helfen, wenn man selber glücklich ist.

„Bedürfniskunde“ wäre ein begrüßenswertes Schulfach, wo man mit seinen Bedürfnissen spielen kann, Techniken zur Bedürfnismanipulation aufdeckt … und dem Binnenkonsum zugunsten menschlichen Glückserlebens und Lusterlebens einen elementaren Schaden zufügen würde.

Aber die Menschen würden die Seelenruhe zurückbekommen, die man hat, wenn man im Sommer entspannt und sorgenfrei das Glitzern auf der Wasseroberfläche eines Baches beobachten kann, dem Rauschen des Windes in den Blätter lauschen und die wärmenden Strahlen der Sonne auf der Haut fühlen kann.

Dann … kann man gut hinausgehen, und mehr „Sittlichkeit, Gerechtigkeit und Einsicht“ unter die Menschen bringen … und in einer Gesellschaft, wo mehr „Sittlichkeit, Gerechtigkeit und Einsicht“ herrscht, kann man lustvoller den Tag genießen.

Allerdings wird man heutzutage über Epikurs Begriff der Sittlichkeit mehr nachdenken müssen … und andere
Kategorien berücksichtigen als er. Knabenliebe ist heutzutage unsittlich. Aber das konnte er ja noch nicht wissen.

Schmerzfreiheit plus Seelenruhe gleich Glück.

Mehr braucht man erstmal nicht. Mit dem Rest kann man spielen … muß man aber nicht, denn die Seelenruhe ist schnell verloren, wenn man erstmal mit dem Aston-Martin im Geschwindigkeitsrausch ist. Da verliert man schnell die Lust an der Ruhe, die wertvoller ist als der Rausch der Geschwindigkeit…und die Lust am Rausch der Geschwindigkeit richtet mehr Schaden an, als das sie Nutzen bringt, wenn man mal in die Ökobilanz schaut.

Bevor der nächste Krieg kommt und die nächste Form von Gestapo durchs Land streicht, sollte man sich eine gehörige Portion Glück gönnen und die Methoden lernen, es zu erhalten….auch wenn es anstrengend ist, dem Zeitgeist nicht entspricht und man Angst hat, „zu kurz zu kommen“.

Und das heißt: sehr gut abwägen … was möchte ich wirklich meinen zu brauchen, und was brauche ich eigentlich wirklich nicht. Je weniger man von aussen braucht, an Gütern, menschlicher Zuwendung, sozialer Stellung, Weltbildern, etc. … umso besser ist man dran.

Je mehr man braucht … umso mehr dreht man am Rad. Und braucht mehr … und mehr … und mehr …

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