Deutschland ist ja wieder wer. Hier arbeiten alle: Kranke, Behinderte, Mütter, Kinder, ja, sogar unsere Alten schuften bis zum Umfallen (was sehr schonend für die Rentenkassen ist) während die kommunistischen Chinesen mit sechzig in den Ruhestand gehen. Noch niemals haben sie so viele Menschen wie zuvor so sehr abgerackert – sagt die Zeit:
Während sich in vielen Ländern Europas Krisensymptome mehren, sorgt der Aufschwung in Deutschland weiter für Rekordzahlen. Insgesamt hatten 2010 insgesamt 40,37 Millionen Männer und Frauen einen Job – 197.000 oder 0,5 Prozent mehr als 2009, teilte das Statistische Bundesamt mit. Gleichzeitig sank die Zahl der Erwerbslosen im Jahresdurchschnitt um 297.000 Personen auf 2,93 Millionen – ein Rückgang um 9,2 Prozent.
Das ist eine Meldung, wie man sie in den Chefetagen von Politik und Wirtschaft (na, ist ja mitlerweile eigentlich dasselbe, bei dem dauernden Wechsel hin- und her) total gerne hört. Dumm ist nur, das zeitgleich der Bertelsmannkonzern – ansonsten ja nicht gerade der Anwalt des kleinen Mannes – eine Studie veröffentlicht, die die Schattenseiten der Arbeitswut laut FAZ deutlich aufzeigt:
Da gibt es auch interessante Details:
Die größten Defizite habe Deutschland beim Zugang zu Bildung und Arbeit sowie der Vermeidung von Armut. Es könne nicht dem Gerechtigkeitsanspruch einer der reichsten Industrienationen genügen, dass jedes neunte Kind in armen Verhältnissen aufwachse, Bildungschancen stark von sozialer Herkunft abhingen und viele Menschen, insbesondere Geringqualifizierte, dauerhaft vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen seien, heißt es in der Studie. Zum Vergleich: In Dänemark seien weniger als 3 Prozent der Kinder arm.
Konkret heißt das:
In Deutschland sind danach 9,3 Prozent der Menschen arm, 1995 waren es nur 7,1 Prozent.
Und wir würden noch schlechter dastehen, wenn die Ergebnisse der Studie nicht unseren schwulen Außenminister, unsere Kanzlerin und die Politiker mit Migrationshintergrund berücksichtigen würden:
In Deutschland habe die Ungleichverteilung der Einkommen in den vergangenen zwei Dekaden stark zugenommen, hohe Standards herrschten aber bei der Vermeidung von Diskriminierung.
Kurzfassung: die deutsche Wirtschaftsordnung ist eine Ungerechtigkeitsmaschine, in der aber immer mehr Stellen besetzt werden – so viele, das wir bald weitere Billigarbeiter aus dem Ausland brauchen. Niedriglohnland im Aufschwung.
Da sollte man vielleicht nochmal auf die Statistik zurückkommen, hier die ILO:
Während die Arbeitnehmerverdienste in den Vereinigten Staaten von 2000 bis 2009 inflationsbereinigt um moderate 2,2 Prozent stiegen, fielen sie in Japan um 1,8 Prozent und gingen in Deutschland um insgesamt 4,5 Prozent zurück. Nominal stiegen die durchschnittlichen Monatsverdienste in Deutschland in diesem Zeitraum zwar um +10,2 Prozent, was jedoch unter der Steigerung der Verbraucherpreise von +15,4 Prozent im gleichen Zeitraum lag, so dass den Arbeitnehmern unter dem Strich ein Minus bleibt. Deutlich positiver war die Entwicklung in nordeuropäischen Ländern wie Finnland (inflationsbereinigtes Wachstum: +22,0 Prozent) und Schweden (+14,4 Prozent), aber auch in der Republik Korea (+18,3 Prozent), Australien (+15,5 Prozent), Großbritannien (+14,0 Prozent), Neuseeland (+13,4 Prozent) und Singapur (+11,2 Prozent). Länder in Asien und Osteuropa wiesen teilweise noch deutlich höhere Reallohnsteigerungen auf.10Neben den moderaten Tarifabschlüssen der vergangenen Jahre sind die Ausweitung des Niedriglohn-Sektors und die Zunahme von atypischen Beschäftigungsformen11 – wie Zeitarbeit und 400-Euro-Jobs – wesentliche Gründe für das schlechte Abschneiden Deutschlands. So liegen die Stundenverdienste atypisch Beschäftigter nach Angaben des Statistischen Bundesamtes rund ein Drittel unter denen von Normalarbeitnehmern.
Hinzu kommt eine geringere Wochenarbeitszeit, so dass die Monatsverdienste atypisch Beschäftigter deutlich unter denen von Normalarbeitnehmern liegen. Der höhere Anteil von atypisch Beschäftigten führt dazu, dass die durchschnittlichen Monatsverdienste aller Arbeitnehmer im Jahr 2009 mit 2.154 Euro brutto im Monat deutlich unter dem Niveau der 1990er Jahre lagen (zu Preisen von 2005; siehe Abbildung 2). Zahlen für die ersten drei Quartale des Jahres 2010 zeigen, dass sich der Trend der Vorjahre verstetigt hat und die Bruttomonatsverdienste abermals auf nunmehr 2.113 Euro gefallen sind (nicht saisonbereinigt). Die rückläufige Lohn- und Gehaltsentwicklung ist damit die Kehrseite des erfreulichen Beschäftigungssaldos Deutschlands.
Man sollte die Regierung und die Medien verpflichten, bei jeder Jubelmeldung über die sensationellen Beschäftigungszahlen in Deutschland immer hinzuzufügen, das die Arbeiter in Deutschland für ihre Arbeit immer weniger Geld kriegen, weil wir hier auf dem besten Wege sind, wieder in der nationalsozialistischen Arbeitsschlacht oder den Gratisarbeitsidealen des real existierenden Sozialismus zu versinken – beides Modelle, die Großkonzernen sehr gefallen. Volle Arbeitsleistung für halben Lohn bringt Superrenditen, da freut sich die Börse und der Sohnemann kriegt endlich den neuesten Porsche.
Und Lohnerhöhungen wegen Aufschwung …. braucht man gar nicht dran zu denken, die hat man laut Welt nämlich schon bekommen:
Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Dennis Snower, sieht nur einen „geringen Spielraum“ für Lohnerhöhungen.
Snower sagte, die Arbeitnehmer seien bereits am Wirtschaftsaufschwung beteiligt, „da die Arbeitslosigkeit gesunken und die Beschäftigungssicherheit gestiegen ist“. Eine Beteiligung in Form höherer Löhne sei nur dann angemessen, wenn sie „den längerfristigen Marktverhältnissen entspricht oder mit einer Risikoteilung verbunden ist“.
Kurzum: Arbeitnehmer sollen noch mehr als bisher für Firmenpleiten haften, wenn Manager den Laden mal wieder in den Sand gesetzt haben.
Wo sind eigentlich die Wutbürger, wenn man sie mal braucht? Für Bäume im Schloßpark zetteln sie die Revolution an, gegen Atommüll setzen sie ihr Leben aufs Spiel, aber für den Erhalt der sozialen Marktwirtschaft gegen die Etablierung des Reichsarbeitsdienst kriegt sie keiner auf die Straße. Gut zu sehen, das es noch Menschen gibt, die nicht aufhören sich über die Rettung der Welt Gedanken zu machen: zum Beispiel hier in der FAZ:
Trauen Sie endlich Ihrem Gefühl, dass um Sie herum ein großes Illusionstheater stattfindet. Die Kulissen simulieren Stabilität, aber das Stück ist eine Farce: Immerfort treten dicke Männer auf und brüllen „Wachstum!“, Spekulanten spielen Länderdomino, und dauernd tänzeln Nummerngirls mit Katastrophenbildern über die Bühne. Das Publikum ist genervt und wütend, bleibt gleichwohl bis zum Ende der Vorstellung sitzen. Aber: Wann wird das wohl kommen?
Langsam aber sicher erreicht die Erkenntnis, das auch ein Absturz die Illusion enormen Tempos erzeugen kann, weite Teile der Bevölkerung, auch wenn die Kanzlerin laut tönt: wir flogen noch nie so schnell wie heute und die Arbeitsministerin flötet: ich gehe davon aus, das wir alle gut ankommen.
Vielen Dank dem Leser AIDIL für den Hinweis auf die Tipps zu Rettung der Welt … sie sollten ebenfalls jeden Tag in jedem Nachrichtenmagazin erscheinen.
Aber vielleicht ist das deutsche Paradies wirklich ein Arbeitslager – alle haben Arbeit, aber die kostet nix. Und die Bundeswehr macht schon mal vor, wie man zukünftig Mitarbeiter motiviert – hier laut Welt:
„Eine Bohnermaschine (eine mobile Maschine mit einer großen elektrisch betriebenen Borstenscheibe) wurde in Betrieb gesetzt und dem Rekruten an den nackten Hintern gehalten, bis dass dieser rot war.“
Beim Spiel „Jukebox“ werde ein Soldat in seinen Spind eingeschlossen und darin dann umgestoßen, während er bestimmte Lieder singen müsse.
Möglicherweise … ist der Deutsche an sich doch ein seltsames Wesen mit einem merkwürdigen Sinn für Humor.