So schlimm kann unsere Lage denn wohl doch nicht sein. „heidi klum und tom kaulitz“ – das ist der topgereihte Suchvorschlag in deutschen Landen, den mir Googles Messaging Service gestern beim Einrichten meines neuen Smartphones präsentierte.
Stimmt also nicht ganz, was gerade auf Telepolis beklagt wird: Dass in Deutschlands „Systemmedien“ nur noch AfD-Themen gebracht würden (siehe heise.de). Obwohl das in letzter Zeit ja nicht nur auf „Systemmedien“ zugetroffen hat, auch unsere Social Media Newsfeeds waren tage-/wochenlang mit Vogelschiss-Meldungen zugemüllt. Ja, wirklich, wie skandalös: Wie hat der Gauland die NS-Zeit nur als Vogelschiss bezeichnen können? Ist doch absolut verniedlichend, nur die Scheiße von putzigen Vögelchen als Methapher heranzuziehen. Er hätte mindestens „Hundescheiße“ sagen müssen. Wobei auch da sofort der Protest der (zahlreichen) Hundebesitzer gekommen wäre. Also: Dinosaurierscheiße wäre wohl der einzig angemessene Begriff gewesen, auf den man sich einigen könnte – allerdings nur, solange die Gender Madstream- und Queer-Community nicht mitredet. Spätestens dann ist auch die Dinosaurierkacke am Dampfen und es hagelt regenbogenfarbene Teddybären und Dildos.
Nach der Rettung der Flüchtlingsschiffe „Aquarius“ und der „Lifeline“ flackert an dunkeldeutschen Stammtischen nun also wieder die Diskussion über Angela Merkels Politik der offenen Grenzen auf. Hinter vorgehaltener Hand – die Blockwarte hören ja heute wieder mit – raunt während des abendlichen Tagesschau-Guckens auch die dunkeldeutsche Hausfrau ihrem White Trash-Mann zu: „Du, ich weiß nicht, wie lange wir das noch schaffen.“ Immerhin wird verlautet, dass laut Umfragen in afrikanischen Ländern bis zu zwei Drittel der Einwohner auswandern wollen (Quelle: Welt).
Man könnte jetzt ein noch härteres Vorgehen gegen die kuchenbackenden Nazis dieses Landes fordern, aber ich fürchte es wird alles nichts helfen. Denn es ist zwar in der Tat schwer einzusehen, aber leider eine unbarmherzige Gesetzmäßigkeit des Lebens, dass es rein gar nichts nützt, wenn man die Augen vor Problemen verschließt oder ihr Ansprechen zu tabuisieren versucht. Wie man sieht, hat es ja auch nichts genützt, dass man das Wort „Lügenpresse“ verboten hat: Die vom rülpsenden Konsensmoloch (© Wolf Reiser) täglich ausgestoßene zähschwarze Lügen-/Manipulationsmasse ist damit um keinen Deut weniger geworden, sondern stinkt zum Himmel wie nie zuvor. Die Schreiber unserer Qualitätsmedien haben nach dem Verstummen der Lügenpresse-Rufe nicht etwa zur Räson gefunden, sondern ergeben sich nun sogar vollends der Tollwut und geifern nach dem großen Knall mit dem russischen Bären.
Ebenso werden auch die „AfD-Themen“ weiterhin unverrückt vor uns stehen bleiben, auch wenn die AfD und ihre Vogelschiss-Rührer schon morgen von der Bühne verschwänden. Ob die auf deutschem Boden ausgeübte Gewalt der Flüchtlinge denn nun zu Recht bestehe oder sich die Flüchtlinge dieses Recht zu Unrecht nehmen (ich meine: darf man Flüchtlingen die Dinge verwehren, mit denen sie unsere Werbung an jeder Straßenecke anfixt, aber wozu ihr Portemonnaie nicht ausreicht?) und ob diese Gewalt zu denselben Zuständen und NoGo-Zonen und Parallelgesellschaften führen wird wie in den Vororten von Frankreich, Schweden und den USA … oder ob es in Deutschland anders kommen wird, indem wir in Schulen und Amtsstuben das Kreuz abnehmen und stattdessen die alternativlosen Frieden verströmende Mutti der Nation aufhängen – alles das wird an den vielverachteten Stammtischen des deutschen Packs weiterhin diskutiert werden. Zumindest dann, wenn jedermann die auf der Straße liegenden Scherben eigenhändig aufräumen muss, da der deutsche Wirtschaftsmotor nicht mehr wie gewohnt brummt und die Merkel‘sche Müllabfuhr nicht mehr ausrücken kann.
Wie auch immer. Die Realität geht weiter und wer zu spät kommt, den bestraft bekanntlich das Leben. Während wir uns gerade dabei gefallen, dass die deutschen Besatzungsmitglieder der NGO „Lifeline“ über 200 Flüchtlinge in den sicheren Hafen von Malta gebracht haben und diese ebenso wie die über 600 Flüchtlinge der „Aquarius“ nun in der EU Aufnahme finden, so registrieren die wenigsten, dass im Sog solcher Erfolgsstories in der Wüste Afrikas gerade mehr als doppelt so viele Flüchtlinge sterben wie bei der Überquerung des Mittelmeers . Jetzt gerade werden sie z.B. an der Südgrenze Algeriens einfach in der Sahara ausgesetzt (siehe nzz). Wer interessiert sich schon dafür, dass nicht zuletzt aufgrund der deutschen Grenzöffnung in weiten Teilen Nordafrikas mittlerweile eine vollendete No-Future-Stimmung herrscht? Die meisten jungen Menschen dort haben es aufgegeben, sich in ihrem eigenen Land Ideen für die Zukunft zu machen, ihr einziges Trachten ist nur noch: „Wie schaffe ich es auch ins Schlamerkelland?“ – diese Haltung ist aus vielerlei Gründen auch durchaus verständlich. Aber was ist unsere Haltung dazu, die wir alle logistischen, wirtschaftlichen und technischen Möglichkeiten in Hand halten? Wo bleibt der Masterplan zum wirtschaftlichen und kulturellen Wiederaufbau Afrikas? Oder haben unsere hochdotierten Thinktanks etwa andere Pläne auszubrüten? Nicht einmal über ein Ende der Waffenexporte in Krisenregionen kann sich die westliche Wertegemeinschaft einigen. Während wir hier die großmütige Aufnahme von ein paarhundert gestrandeten Bootsflüchtlingen ins Kameralicht rücken, zerfetzt es in fernen Ländern tausende andere mit den nach DIN-ISO-Norm gefertigten Ballistikprodukten unseres „Maschinenbaus“, auf den wir vor aller Welt so stolz sind und der hierzulande Arbeitsplätze und Wohlschand sichert.
Aber lassen wir die ganzen Ironisiehülsen und anstaltmäßigen Metaphern, mit denen man sich heute durchlavieren muss, um überhaupt irgendetwas ansprechen zu können, ohne an den politisch korrekten Sprachregelungen anzustreifen, einmal beiseite. Ganz im Ernst: Die Heuchelei rund um die Flüchtlings-Thematik ist kaum noch zu ertragen. Eine austeritäre Bundeskanzlerin, die aus rein ökonomischem Kalkül ganze Völkerschaften knallhart an die Wand fahren lässt und die auch das eigene Land bedingungslos einem neoliberalen Diktat und viele Menschen einer existenzbedrohlichen Verarmung unterworfen hat, tut nun so, als ob es bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus Afrika u.a. um Humanität gehe.
In Wirklichkeit lautet die unausgesprochene Direktive der unsichtbaren Hand des Marktes, das wirtschaftlich verwertbare, durchsetzungsstarke „Material“ abzuschöpfen, der Rest kann verrecken. „Wir brauchen jedes Jahr 400.000 Zuwanderer netto, um den Bedarf der Unternehmen zu decken“, verkündet Detlef Scheele, Chef der Bundesagentur für Arbeit in einem jüngsten Interview in der Welt. Wer sich einen Eindruck verschaffen möchte, wie in den oberen Planungsetagen der westlichen Wertegemeinschaft über Migration gedacht wird, der mag sich eventuell ein Agenda-Dokument des World Economic Forums zu Gemüte führen: „The Business Case for Migration“ (datiert 2013).
Wenn es wirklich um Humanität ginge und man die größte Not lindern wollte, dann müsste man jeden durchsetzungsstarken jungen Mann, der es hierher geschafft hat, zurück in seine Heimat schicken und ihn stattdessen gegen drei Alte, Kranke oder Arme austauschen, die nicht die Möglichkeit haben, sich im darwinistischen Kampf bis ins wunderbare Schlamerkelland durchzuschlagen, sondern die daheim ohne Hilfe bei kaputten Wasserleitungen dahinsiechen – indes ihre Heimatländer dank des Brain Drains und der Abwanderung der Jungen gerade dabei sind, vollends zusammenzubrechen. Dann würde ich auch liebend gerne bei der Refugees Welcome Bewegung mithelfen, ganz im Ernst! – Denn mit den Alten, Kranken und Armen hätten wir dann Menschen im Land, die sich keine Illusion mehr über den Charakter des Neoliberalismus machen, da sie dessen mörderische Konsequenz am eigenen Leib zu spüren bekommen haben. Menschen, die etwas anderes im Kopf haben als Heidi Klum und Tom Kaulitz. Menschen, mit denen wir den Drachenkampf aufnehmen und die Wende schaffen können!
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