Langeweile

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Glück

Glück

Sonntag, 23.2.2014. Eifel. Wieder einmal Sonntag. Wieder einmal Zeit, sich von den Wirren des Alltages wenigstens gedanklich zu verabschieden und sich anderen Themen zuzuwenden, Themen, die die Machtmenschen der Gegenwart locker unter „Gedöns“ abheften. Heute dachte ich mal … reden wir mal über „Glück“. Das hat auch einen wichtigen Hintergrund – vor einigen Wochen hatte mir ein Sozialarbeiter in leitender Funktion, ein Mensch, der täglich mit vielen anderen Menschen aus unterschiedlichsten sozialen Verhältnissen zu tun hat, eine erstaunliche Frage gestellt … die mich erschrocken hatte:

„Kennen Sie auch nur einen Menschen, der glücklich ist?“

Ich hätte fast gesagt: ich … fand es jedoch unklug, ein neues Fass aufzumachen. Die Frage nach dem eigenen Glück kann ich einfach beantworten: ich habe meinen Schopenhauer gelernt.

Er hat – ich zitiere hier mal frei – den Zustand der Menschheit als beständiges Zittern zwischen zwei Polen beschrieben. Auf der einen Seite droht die Not: die Pest, der Krebs, die Armut, der Hunger, die Kälte, das Raubtier.

Auf der anderen Seite, dort, wo die Milliarden sicher verschlossen in luxuriösen Landhäusern auf gigantischen Ländereien ruhen, droht … die Langeweile.

Wer nun Not hat, träumt von den Milliarden als Glücksbringer, es ist ihm kaum verständlich, das reiche Menschen unglücklich sind.

Wer aber nun Langeweile hat, sehnt sich zurück nach jenen Zeiten, wo das Leben noch ein Abenteuer war, wo es aufregend war, prickelnd, voller Herausforderungen, die existentiell bedrohlicher waren als der primitive Kokskonsum während einer der zahlreichen, wöchtentlichen „Events“, die man in teurer Seide aufsucht, um der quälenden Langeweile der eigenen vier Wände zu entkommen … in der Hoffnung, irgendwo dort draußen Menschen zu begegnen, die die unerträglich quälende eigenen Leere füllen können.

Und so pilgern die Menschen seit Jahrtausenden von der Not zur ersten Million … und wieder zurück.

Ein Beispiel dazu habe ich aus meinem entfernteren Bekanntenkreis – ein Bergmann, der mit 48 Jahren und Luxusrente in den Ruhestand gehen konnte (das ist in der Branche normal – auch für Büroangestellte), dann auch noch viel Bargeld und ein Mietshaus mit sechs Parteien erbte: ein sorgenloses Leben für die nächsten fünfzig Jahren war in Aussicht. Dann kam die Langeweile, das riskante Manöver mit dem Motorboot, der Unfall und … tja, reden wir nicht weiter drüber. Würde unappetitlich werden. Aber: mit Stöcken kann er jetzt wieder kleine Schritte machen – die Langeweile wich der Not.

Das Glück – so hoffen wir nun – wird ja dann wohl irgendwo dazwischen liegen: ja, und: HURRA – wir gehören dazu. Glück kann man ja dann – logischerweise – nur im Mittelstand finden, und zum Mittelstand gehören wir alle.

Aber: warum umgeben uns dann so viele unglückliche Menschen?

Die Antwort ist ganz einfach: Maslow hatte gelogen. Wir leiden Not, wenn wir obdachlos, hungrig, durstig und frierend unter einer nassen, kalten, lärmumtosten Autobrücke wohnen. DAS ist Not – nicht die Tatsache, dass wir uns kein mit Brillianten besetztes Handy, keinen italienischen Sportwagen oder Maßanzüge aus der Kleiderschmiede der Waffen-SS leisten können … obwohl manchen dies als größtes Unglück erscheinen mag. Jeder Sozialhilfeempfänger in Deutschland ist reich, sogar schwer reich: immerhin hat er Zugriff auf unbegrenzt fließende Gelder, mit denen er kalkulieren und wirtschaften kann – man spricht ja hier auch deshalb von relativer Armut.

Die ist im Übrigen – nebenbei bemerkt – noch schmerzhafter als die echte Armut, weil sie ABSICHTLICH durch MITMENSCHEN verursacht ist – und nicht als Zorn oder Ignoranz oder Fehler Gottes oder der Natur definiert werden kann. Armut, die in einem superreichen Land bewusst zugeteilt wird, ist eine absichtlich hinzugefügte Kränkung, Schmähung, Entwürdigung und Demütigung die vor allem darin ihren tödlichten Stachel hat, dass man sich leicht vorstellen kann, wo es enden wird, wenn die gelebte Absicht logisch weiterverfolgt wird: das Vernichtungslager ist die letzte – strikt notwendige – Konsequenz, die lauert, wenn man durch Druck zur Arbeit motivieren will. Das ist das hohe Lied einer Kultur der Gewalt, die selbst schon Not genug erzeugt.

Wenden wir uns aber wieder dem Mittelstand zu, der uns fast zwingend logisch schon als wahrer Hort des Glücks erschien.

Das Gegenteil ist aber richtig: der Mittelstand ist am weitesten von jeder Form des Glücks entfernt. Ihm fehlt die Gestaltungskraft des Geldes, mit welcher man sich jedes kleinste Problemchen vom Hals schaffen kann (und so die Langeweile beständig füttert) noch kann er sich darin üben, erfolgreich mit der Not zu ringen – wie es hunderttausend Generationen vor ihm im Kampf gegen die Unbillen der Natur getan haben.

Schauen wir den Mittelstand der zivilisierten Industrienationen an, wird es noch schlimmer: sie werden durch die Anforderungen der Industrie in vorgefertigte Lebensschablonen gesteckt (die in unserer Zeit von Sendern wir RTL exzessiv vorgelebt werden), für sie ist schon lange vor ihrer Geburt entschieden worden, wie sie sich zu kleiden haben, welchen Handgriffe sie in ihrem Job wie zu erledigen und welche Gedanken sie in welcher Reihenfolge zur Bewältigung ihres Jobs denken dürfen, es ist entschieden worden, wie sie sich durch die Welt bewegen müssen (rollender Kasten), in welcher Höhlenform sie sich aufhalten müssen  (Kasten) und welche Einrichtungsgegenstände dort unverzichtbar sind (Kästen) … jede Form von selbstbestimmter Lebendigkeit wird ihnen vom Kindergarten an gezielt abtrainiert, um sie zu Arbeitsdrohnen zu machen, die mit fünfzig Lebensjahren systematisch entsorgt werden – das ist die Existenzform von toten Robotern („Maschinenmenschen“ … kann man auch anders betonen, um eine erschreckende Wahrheit zu beschreiben), die weder die belebenden Impulse von Not erleben dürfen (obwohl sie sie in Form von „Urlaub“ gezielt suchen), noch die endlose Gestaltungsmacht von Geld erfahren dürfen (die sie sich mehr als alles andere herbeisehnen, weil  es ihnen von klein auf durch die Industriekultur vorgebetet wurde – ohne darauf hinzuweisen, dass bedingt durch die abenteuerliche Natur des Menschen „Geld“ und „Glück“ nie zusammenpassen).

Das  hat schreckliche Folgen für ihr Glücksempfinden – die Illusion von Reichtum (der in etwa dem Reichtum einer Legehenne oder eines Mastschweins entspricht) ist eingebettet in eine unwirkliche Lebenssituation, die jederzeit vom Arbeitgeber zerstört werden kann – jenem Arbeitgeber, der seine Schafherde gerne auf die lange Reise von hin zur ersten Million schickt, hinein ins Paradies der unbegrenzten Möglichkeiten, in dem alle Last der Mittelmäßigkeit von einem genommen wird – jene Sphäre, in der das echte, wirkliche Leben wartet … mit endlos quälender Langeweile.

Wo aber sollen wir das Glück suchen?

Bevor wir uns gedanklich selber quälen, bedenken wir, dass wir in einer Konsumgesellschaft leben – die selber schon Glück in großem Ausmaß vernichtet, weil sie einem die Freude des selber Denkens – und selber Findens – durch übergroßes Angebot zu Allem und Jedem fortnimmt. Für unsere Zwecke jedoch wollen wir uns diese Gesellschaftsform kurz dienlich machen, in dem wir auf frei  zugängliche Zitate des Arthur Schopenhauer zugreifen … immerhin hat er uns auch das Dilemma eingebrockt, zu finden beim Arthur-Schopenhauer-Studienkreis:

Der normale Mensch ist, hinsichtlich des Genusses des Lebens, auf Dinge außer ihm angewiesen, auf Besitz, Rang, Familie; sein Schwerpunkt fällt außer ihm. Beim Geistreichen fällt derselbe schon zum Teil, beim Genialen ganz in ihn.

Genial zu werden … scheint ein sicherer Weg zum Glück zu sein.

Geistige Fähigkeiten sind die Hauptquelle des Glücks. Die geistigen Genüsse sind die anhaltend- sten, mannigfaltigsten und größten. Der Geistreiche bedarf zum Glück nichts weiter als freie Muße.

Die freie Muße … die sich nach Beendigung der Not fasst sicher einstellen würde, gäbe es nicht Menschen, die einen beständig „beschäftigt“ halten wollten … und sei es nur deshalb, um einem etwas zu verkaufen.

Das Glück gehört denen, die sich selber genügen. Alle äußeren Quellen desselben sind unsicher und vergänglich. 

Der innere Reichtum ist die Hauptsache. Von andern hat man nicht viel zu erwarten; am Ende bleibt doch jeder auf sich selbst angewiesen.

Gedanken – gedacht, bevor die Industriekultur aus der menschlichen Gemeinschaft eine Legehennenbaterie machte, in der Muße der Feind des Konsums wurde.

Regen wir uns auf über jenen Schopenhauer, der es sich – als kluger und reicher Erbe seiner Verwandschaft – sehr einfach macht und unsere Probleme überhaupt nicht verstehen kann?

Halten wir kurz inne … und sinnieren über Quantenphysik.

Wie Sie wissen, bestehen Sie aus Atomen. Hat der Atomkern die Größe eines Fußballs, finden sie das nächste Elektron in zehn Kilometer Entfernung. Was ist dazwischen? Genau – Nichts. Auch wenn die Anzahl der Atome astronomisch hoch ist (ich hörte mal von Quadrillionen – was immer das auch sein mag) sind Sie als Mensch – konkret betrachtet – nichts weiter als wandelnde Leere, auch wenn die Biologie unsere Anschauung als höchstes Maß aller Dinge wertet und uns Legenden von „Materie“ erzählt, die in etwas so real sind wie die Tatsache, dass die Erde eine Scheibe ist.

Was hält dieses Nichts zusammen?

Na – Sie! Ihr Wille! Die ganze Religion des „positiven Denkens“, die die größte atomare Weltmacht dieses Planeten antreibt (USA), beruht auf dieser Erkenntnis – und Schopenhauer formuliert dies in seinen Werken „Die Welt als Wille und Vorstellung“ sehr detalliert durch … mit einem kleinen Verweis auf das Paradies.

Nun sehe ich allerdings schon den geplagten Mittelstandsvater vor mir, der noch 16 Jahre und acht Monate sein Haus abbezahlen muss, unter den Schulproblemen seiner Kinder ebenso leidet wie unter den Nörgelattacken seiner Ehefrau und fragt: was heißt das jetzt für mich praktisch – diesen ganzen Worte und das ganze Gerede helfen ja nicht weiter?

Nun – für erste hülfe die Erkenntnis, dass man selber in erster Linie Wort ist. „Ich“ besteht aus Gedanken, die wiederum aus Worten bestehen – mehr nicht. Angesichts der Tatsache, dass unsere Materie zum überwiegenden Teil aus NICHTS besteht, sind Worte für uns die einzigste erfahrbare Realität – und eine sichere Art, die Realität unserer Nebenmenschen erfahren zu können. Dies Erkenntnis muss man SELBER HABEN, die kann nicht vermittelt, gekauft oder in der Lotterie gewonnen werden.

Und wenn man sie hat – ist man durch den Prozess des Denkens schon reicher geworden. Je reicher man im Inneren ist, um so weniger braucht es äußerer Güter, je mehr man sich der Genialität nähert, umso lästiger werden die Glasperlen der Konsumgesellschaft – auch wenn sie mit Brillianten besetzt sind.

Jenem Vater würde ich dringend raten, sich auf die Suche nach sich selbst zu machen (oder auf die Suche nach jener Kraft, die seinen persönlichen atomaren Kosmos zusammenhält), anstatt nur ein Fähnchen zu sein, dass von allen Winden der Welt hin – und hergerissen wird. Auf dieser Reise wird man phantastische Welten besuchen können: 90 % unseres Seins liegen im Unterbewusstsein – wir tragen dort einen ganzen Kosmos mit uns herum, den es zu erforschen gibt … voller Wunder, die wir – gelenkt durch falsche Absichten – im Cluburlaub auf Cuba vergeblich suchen. Nicht die Kinder nerven, die Bank oder die Frau – die Tatsache, hilfloses Fähnchen zu sein, macht zornig, mutlos, wütend und schwach … und sehr sehr unglücklich.

Findet man aber seinen inneren Reichtum, so gleicht man einem König mit großem Palast auf einer eigenen, großen parkähnlich gestalteten Insel, der souverän über sein Land herrscht … und für den die Stürme der Außenwelt nur noch leise Winde sind, die auf den Weiten der Meere um sein Reich herum unbemerkt verwehen. Aus dieser Position der Stärke heraus vermag man sich auch mit den größten Gewalten der Welt zu messen, ohne an ihrer augenscheinlichen Macht zu verzweifeln.

Nun – beenden wir das Gespräch über Glück an dieser Stelle mit einem besonders delikaten Ausblick, den ich aus eigener Erfahrung beisteuern möchte: folgt man diesem Weg, den die Philosophie (und nicht nur Schopenhauer) vorgegeben hat, so wartet am Ende der Reise eine ganz besondere Erkenntnis auf den Abenteurer: das völlige Erlöschen jeglicher Todesangst aufgrund des Erlebnisses der eigenen ursprünglichen „Wirklichkeit“, die weit über die primitiven Anschauungsformen rein biologischer Kategorien hinausreicht, die Erfahrungen von Zuständen, Bedeutungen und Ausprägungen der fünften und sechsten Dimension und die Erfahrung der „Qualität“ Leben, die nicht das Ergebnis der Summe von Feuer, Erde, Wasser und Luft ist – sondern ihre prägende Gestaltungskraft darstellt.

Das alles mag nur Illusion sein … aber diese Art von Illusionen sind wesentlich beglückender als jene Illusionen, die wir vier Stunden täglich via TV über uns ergehen lassen … oder jene, die uns Geld beschehrt.

Noch ein Beispiel?

Der Rapper Bushido erzählt gerade in der Süddeutschen von seinem Leben:

SZ: Trotz all Ihres Gelds und Erfolgs haben Sie Depressionen.

Bushido: Das ist bei vielen Promis so. Robbie Williams ist immer wieder auf Entzug, Britney Spears schneidet sich ’ne Glatze, Lindsay Lohan ist ’ne Junkie-Tante geworden, und Amy Winehouse spritzt sich mit Pete Doherty Heroin. Leute, die alles haben, sind sehr verletzlich. Das gilt auch für mich.

Da nehmen wir doch lieber unsere eigenen Illusionen … denn Kreativität enthält schon selbst ein enormes Glückspotential.

Materielle Rahmenbedingungen für ein glückliches Leben?

Finden wir bei einem glücklichen Menschen – Anselm Grün, Mönch und Multimillionär. Das Geld gibt er der Gemeinschaft, für sein Glück braucht er weniger als 50 Euro im Monat (Miete, Kleidung, Heizung und Essen gehen extra) und 20 Qudratmeter Wohnraum (siehe ebenfalls: Süddeutsche).

Glück scheint also finanziell nicht ganz unerschwinglich zu sein.

Es ist geradzu billig – wenn nicht sogar umsonst.

 

 

 

 

 

 

 

 

Die deutsche Bestialitätskultur und ihre Förderung durch die Kultur der Arbeitslosigkeit

Es wäre mal Zeit für eine Dankesrede. Für den Dank an die Leser des Nachrichtenspiegels. Seit einem Jahr betreiben wir jetzt dieses Format, um relativ unangreifbar unsere Meinung sagen zu können. Das geht hier. Hier ist das Risiko geringer, das sich enttarnte Altnazis oder beleidigte Politikwürstchen beim Betreiber beschweren können, um Meinungen zu unterdrücken. Es wäre Zeit, für eine große Dankesrede - allein schon von mir persönlich - für die vielen Anregungen und Informationen, die man hier als Autor erhält. Doch diese Zeit ... ist nicht da, denn die Welt dreht sich weiter - in keine schöne Richtung. Es ist mehr das, was im Hintergrund der Nachrichten zu erkennen ist ... oder die Art der Nachrichten selbst, die  beunruhigen sollte.  Zum Beispiel die Berichterstattung über den Kannibalen von Rothenburg - aktuell in der Welt. Ich setze hier keinen Link, noch möchte ich den Artikel zitieren - aus Gewissensgründen verbietet sich mir die Verbreitung einer solchen Nachricht.

Es wäre mal Zeit für eine Dankesrede. Für den Dank an die Leser des Nachrichtenspiegels. Seit einem Jahr betreiben wir jetzt dieses Format, um relativ unangreifbar unsere Meinung sagen zu können. Das geht hier. Hier ist das Risiko geringer, das sich enttarnte Altnazis oder beleidigte Politikwürstchen beim Betreiber beschweren können, um Meinungen zu unterdrücken. Es wäre Zeit, für eine große Dankesrede – allein schon von mir persönlich – für die vielen Anregungen und Informationen, die man hier als Autor erhält. Doch diese Zeit … ist nicht da, denn die Welt dreht sich weiter – in keine schöne Richtung. Es ist mehr das, was im Hintergrund der Nachrichten zu erkennen ist … oder die Art der Nachrichten selbst, die  beunruhigen sollte.  Zum Beispiel die Berichterstattung über den Kannibalen von Rothenburg – aktuell in der Welt. Ich setze hier keinen Link, noch möchte ich den Artikel zitieren – aus Gewissensgründen verbietet sich mir die Verbreitung einer solchen Nachricht. Welchen Sinn macht es eigentlich, diese perversen Phantasien medial zu verbreiten, wie es die „Welt“ aktuell tut? Wer entscheidet sich eigentlich dafür, solchen Verirrungen des menschlichen Geistes mediale Aufmerksamkeit zu schenken … und sie dadurch noch aufzuwerten? Welchen Sinn macht es, den Geschmack und die Konsistenz von Menschenfleisch zu beschreiben?

Ist das … Werbung für eine neue Kultur?

Vielleicht haben viele Menschen diese Kultur schon angenommen. In NRW läßt eine Frau ihren Freund von Junkies verprügeln – und schaut dabei zu. Ein Rentner tötet seine deutlich jüngere Frau, weil sie sich scheiden lassen wollte, ein Vietnamese tötet einen Rentner aus Langeweile, in der Spree schwimmen zerstückelte Tätowierer, im Rhein mit Kopfschüssen hingerichtete Frauenleichen, im Berliner Landwehrkanal findet man auch schon mal ermordete Französinnen.

Alles Meldungen aus einem einzigen Onlineformat von heute.

Wenn ich dann sage: die Kultur der Bestialität scheint zuzunehmen, ja, sie scheint unsere Leitkultur zu sein: wen wundert das?

Es wundert jene, die sich in der Geschichte auskennen. Aktuell taucht im Spiegel wieder der Fall des Folteropfers Elisabeth Käsemanns auf – der eigentliche Horror besteht jedoch nicht nur in dem scheußlichen Martyrium dieser jungen Frau, sondern vielmehr in jenen Zeilen, die die Reaktion der damaligen Bundesregierung beschreibt:

Verbittert bemerkte ihr Vater, der bekannte Theologe Ernst Käsemann, über die mangelnde Hilfsbereitschaft des Auswärtigen Amtes: „Ein verkaufter Mercedes wiegt zweifellos mehr als ein Leben.“ Denn Argentinien und Deutschland machten damals gute Geschäfte. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes etwa verhandelte in Buenos Aires über den Verkauf eines deutschen Atomkraftwerkes für drei Milliarden Mark. Und Bonns Botschafter vor Ort befand zu jener Zeit, Argentinien befinde sich als „Folge der internationalen Terrorsituation“ in einem „Ausnahmezustand“. Die Militärs verfolgten nur ein Ziel, „nämlich die Macht wieder in die Hände der Zivilisten zurücklegen zu können“. 

Das war zu Zeiten der Regierung des SPD-Kanzlers Helmut Schmidt und des FDP-Vizekanzlers Hans-Dietrich Genscher. Wie man sieht: es gibt eigentlich keine Zunahmen an Bestialität. Sie war schon immer da – nur vielleicht früher verborgener. Immerhin galt es, NS-Vergangenheit zu verdrängen, wo Bürger aus anderen Bürgern Lampenschirme gemacht haben. Da wollte man offiziell Vorbild sein, offiziell „mehr Demokratie wagen“, offiziell ein Leuchtturm der Zivilisation sein.

In Wirklichkeit … machte man Geschäfte mit Ländern, die deutsche Frauen folterten. Wundert man sich da, das Verschwörungstheorien für viele Menschen als das einzige Format gelten, das „Wahrheit“ abbilden kann?

Es gibt Charaktere, die …  solche Geschäfte einfach so machen können. Geht ja heute auch noch: wir warnen gerne vor dem Kampf der Kulturen, unterstützen unsere Verbündeten im blutigen Kampf gegen den Terror, der  – natürlich – nur von diesen Kulturen ausgeht und verkaufen locker mal 200 modernste Kampfpanzer ohne Skrupel an gerade jene Nation, die die meisten Attentäter am 11.9.2001 gestellt hat und nebenbei eine Kultur pflegt, die wir zurecht als „barbarisch“ bezeichnen würden.

Es gibt da nun … einen kleinen gemeinsamen Nenner, der diese Nachrichten vereint … und zeigt, worin das Übel liegen könnte, einen kleinen, gemeinsamen Nenner, der die Grundlage der Kultur der Bestialität darstellt und direkt an wirkliche kulturelle Werte anknüpft – und an einer philosophischen Überlegung von Arthur Schopenhauer, demnach der Mensch immer zwischen Not und Langeweile pendelt, die selber eine eigene Form von Not darstellt.

Wer Arbeit hat, hat Not. Das weiß jeder, der echte Arbeit zu erledigen hat. Jeder Bauer, Bäcker, Fleischer, Koch, jede Mutter und Hausfrau, jeder Maurer oder Fabrikarbeiter, kurzum jeder, der aufgrund der Art seiner Arbeit eine Chance hat, mal berufsunfähig zu werden. Wer aber Not hat … kommt selten auf dumme Gedanken. Dazu bedarf es … der Langeweile. Langeweile kann der Mensch nicht aushalten … weshalb die  Langeweile der Arbeitslosen ein tödlicher Zustand und Arbeitslosigkeit tödlich für die Gesellschaft ist.

Wenn wir hier aber über Arbeitslose reden … merken wir schnell, das ein anderer Arbeitsbegriff zu Grunde gelegt werden muss. In der Tat ist der  „Arbeitslose“,der seine Kinder von 2,67 Euro am Tag ernährt, nicht arbeitslos, da diese Wirtschaftsleistung eine klare und eindeutig messbare Arbeitsleistung ist, so wie die Arbeitsleistung der 77-jährigen Rentnerin, die anstelle des jetzt arbeitslosen Gemeindemitarbeiters den Schnee von der Straße schaufeln muss.

Thilo Sarrazin wiederum muss als wahrhaftig arbeitslos bezeichnet werden, da er als Bundesbankvorstand schon am Dienstag mit der Arbeit fertig war und Zeit hatte, ein Buch zu schreiben. Bohlen, Maschmeyer, Ackermann, Merkel … alles Beispiele für Arbeitslose. Die Beschäftigung mit Politik, Gaukeleien, Mauscheleien und schlaue Geschäfte können sich nur Menschen erlauben, die keine Arbeit haben. Es bedarf eines gewissen Wohlstandes und einer gewissen Langeweile,um solche Erscheinungsformen zu kultivieren, eines gewissen Reichtums, um eine Frau Merkel von der Arbeit freistellen zu können, damit sie sich um Regierungsgeschäfte kümmern kann, die ansonsten einfach liegenbleiben würden.

Gut – wir kennen nichts anderes. Deshalb denken wir uns auch nichts dabei, wenn Sendeformate wie DSDS, „Frauentausch“ oder „Supernanny“ eine sadistische Kultur fördern, in der echte menschliche Werte verloren gehen: Werte, die für eine Arbeitskultur unerlässlich sind. Eine sadistische Kultur – eine Kultur der Bestialität – findet jedoch nichts dabei, die kulinarischen Vorzüge von Menschenfleisch zu propagieren, noch macht sie sich sonderliche Gedanken über die Zunahme der Bestialität im Alltag, die sich in Kindergärten oder Schulen beobachten läßt … und letztlich als verstümmelte Leiche im Kanal in Erscheinung tritt.

Der gewaltfördernde Typus ist hier wirklich und wahrhaftig der Arbeitlose: jener, der Zeit hat, alten Menschen komplizierte Anlageprodukte zu verkaufen, die sie letztlich um ihr Vermögen bringen, jener der Zeit hat, ihre Enkel, Kinder und deren Frauen vor laufender Kamera niederzumachen, jener, der Zeit hat, dicke Bücher zu schreiben die zu Fremdenhass animieren oder Kannibalen eine öffentliche Plattform bieten, jener, der Zeit hat, groß die Werbetrommel für sein politisches Amt zu rühren: alles Arbeitslose.  Anlageberater, Politiker, viele Ärzte, Versicherungsvertreter, Abgeordnete, Investmentbanker, Schauspieler, Popgrössen und viele mehr: alles Arbeitslose, die nach Feierabend noch genug Kraft für Unfug haben – was gefährlich ist, wenn sie sonst keine ordentliche Arbeit haben.

So wie der Mensch aus der Not heraus zur Langeweile strebt, so strebt der Mensch aus der Langeweile heraus zur Not – sagt Schopenhauer. So führt die Kameradschaft des Schützengrabens direkt … zum bitterbösen Nachbarschaftsstreit über Gartengrenzen und Äste von Apfelbäumen, nachdem man das Land aus den Ruinen neu aufgebaut hat.

Dort, wo der notgeprägte Kamerad sagt „wir lassen niemanden zurück“ lässt der  Sproß der deutschen Langeweile widerspruchslos deutsche Frauen foltern um den Absatz deutscher Waren in Diktaturen nicht zu gefährden. Er empfindet halt nichts mehr dabei – die Erfahrung von Not sagt ihm nichts.

Und wenn man jetzt noch einen größeren Bogen spannt und sich überlegt, wer eigentlich aus welchen Gründen die Entscheidungen trifft, das viele Formen der Arbeitslosigkeit mit großen Geldsummen belohnt werden, während man andere Formen der Arbeitslosigkeit (trotz ihrer ökonomischen und ökologischen Leistungsbilanz) gering achtet und sogar der öffentlichen Verachtung preisgibt, dann kommt man womöglich zu Menschen, die gezielt eine Kultur der Bestialität fördern wollen.

Gut, das Verschwörungstheorien in unserem Kulturkreis tabu sind. Natürlich gibt es keine Absicht hinter politischen Entscheidungen, weshalb mein jetzt veröffentlichtes Pauschalprogramm zur Vernichtung der Arbeitslosigkeit von allen Parteien gefördert werden wird:

wir beglücken einfach alle Jobcenterkunden mit kostenloser philosophischer Bildung. Dies führt zum einen dazu, das wir uns die sadistische Methode der extrensischen Motivation durch Gewalt (Sanktionen!) sparen können, weil die Kunden die Möglichkeit zur Selbstmotivation erhalten, einen Horizont bekommen, wo sie sich, ihre Position in der Gesellschaft, ihre Pflichten als Bürger und ihre Rechte als Souverän bewußt wahrnehmen und sich selbst produktiv in die Gesellschaft einbringen können – auch als politischer Konkurrent zwecks Belebung der demokratischen Kultur des Landes, als Konkurrent in der Produktion von Zeitungen, Filmen, Theaterstücken, Gemälden oder Versicherungs- und Anlagebetrügern. Im Reflex wird auch das Niveau des Privatfernsehens gesteigert, weil die augenblicklichen Primitivformate keine Zuschauer mehr bekommen. Mit dermaßen geschulten Bürgern könnten wir eine neue demokratische Kultur schaffen, in der echte Arbeit wieder angemessenen Lohn erhält, während man Freizeitvergnügungen wie Schauspiel, Gemeindeverwaltung, kirchliche Arbeit oder Musik weniger mit Milliarden überhäuft.

So bekommen wir Bürger, die bewußt die Gefahren der Langeweile erkennen und aktiv als Gesellschaft dagegen ansteuern zu können, wir können eine Kultur der Vernunft gründen, die sich so von selbst regelt, so wie sich die tausenden von Autos im Straßenverkehr einer Großstadt problemlos und überwiegend harmonisch bewegen können, ohne sich in einer Kultur des Gegeneinanders gegenseitig zu verzehren.

Verzichten wir auf dieses arbeitsintensive Modell … werden wir von den wahren Arbeitslosen aus reiner Langeweile in eine Riesennot getrieben, die kein Rettungsschirm mehr aufhalten kann und in der Kannibalismus Alltag wird.

Das man uns vielleicht vorsichtig genau darauf vorbereitet, weil man aus reiner Langeweile heraus einfach mal Lust auf mehr „Action“ hat … sage ich jetzt nicht.

 

 

 

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