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Diktatur der Bedürfnisse

Weil´s gerade so schön in die Reihe paßt, noch eine Diktatur: die Diktatur der Bedürfnisse.

Sie ist noch relativ neu in diese in die Welt gekommen, als die Konzerne vor allem eins brauchten:
zahlende Kunden.

Diesen Kunden mußte man einreden, das das ganz natürlich sei, wie sie dort durchs Leben gejagt wurden, sonst hätte man ihnen nicht soviel verkaufen können.

Obwohl der Philosoph Simmel schon früher die Folgen der „Urbanisierung des Bewußtseins“ erkannte und vor den notwendigen psychischen Folgen warnte, ignorierte Maslow dies erstmal vollkommen (eine übliche Vorgehensweise bei Psychologen, sich außerhalb der Philosophie zu bewegen, obwohl sie vollständig mit irgendeiner … meisten unreflektierten … Philosophie verbandelt sind) und baute seine allseits bekannte Bedürfnispyramide auf, mit deren Hilfe uns nun seit einigen jahrzehnten diktiert wird, was wir brauchen und was nicht.

Gut – es gibt ein paar Sachen, ohne die fällt man tot um. Essen, Trinken, Schlafen, Wärme. Sex nicht.
Auch wenn´s manch einem Mann so vorkommt – Sexabstinenz ist nicht tödlich. Für manche Lebensentwürfe ist es sogar notwendig, dieses Bedürfnis einfach auszulöschen. Und das geht.

Freiheit … ist ein schönes Schlagwort, doch wenn der „feste Arbeitsplatz“ schon in der nächsten Bedürfnisstufe unverzichtbar wird, ist es essig mit der Freiheit – es sei denn, „Arbeit macht frei“.
Tut sie aber meistens nicht.

Sicherheit, Recht und Ordnung, Absicherung, Schutz vor Gefahren folgen nach. Die polizeilich streng observierte Mietskaserne als menschliches Paradies? Wurde das schon mal mit einem Wikinger diskutiert, der sich in seiner Nußschale auf den endlosen Ozean gewagt hat? Oder mit einem Astronauten? Was würde Ganhi dazu sagen? Mutter Theresa? Albert Schweitzer? Wie gut, das die Maslow nicht kannten. Che Guevarra hätte wahrscheinlich sofort geschossen, wenn man ihm das um die Ohren gehauen hätte.

Soziale Beziehungen – die nächste Stufe. Wieder Werte, die in Käfighaltung prima verwirklicht werden können: Familie, Partner, Liebe, Freunde, Intimität, Kommunikation. Also … ich kenne Mönche, die werden ohne dies glücklich. Aber wieder ein Plädoyer für die Mietskaserne … Intimität und Kommunikation kann man dort kaum entkommen, fällt mal eine Flasche um, dann hört´s man´s gleich drei Wohnungen weiter.
Das folgende Gemecker der Nachbarn auch.

Soziale Wertschätzung – Anerkennung, Lob, Geld, Einfluß … all das, was andere als EGO-Problem minimieren wollen, weil es dem Wohlbefinden massiv entgegensteht. Das schon mal mit einem Einsiedler diskutiert? Mit jemandem, der sein Leben der Erforschung von Gorillas widmet, dem Studium gnostischer Mystik oder der Sammlung von UFO-Sichtungen? Ach ja, nach Wikipedia kommt jetzt auch mentale und körperliche Stärke ins Spiel … nur ein Stadtbewohner kann es sich erlauben, so lange darauf zu verzichten. Das blöde schwache Landei wäre jetzt schon längst tot. Verhungert.

Selbstverwirklichung – die letzte und höchste Stufe angewandter Egomanie. Individualität, Perfektion, Talententfaltung, Erleuchtung (???).

Ich weiß nicht, wie lang letztendlich die Liste der Kulturen werden würde, die mit diesen Bedürfnissen nichts anfangen könnten und trotzdem glücklich waren … zu lang auf jeden Fall für einen Blog.

Seltsamerweise findet man zur Urbanisierung des Bewußtseins (einen künstlich gezüchteten Zustand mit künstlich gezüchteten Bedürfnissen) so gut wir gar nichts im Netz … Maslow wird hingegen massiv gefördert. Nun … würde man sich künstlich gezüchteter Bedürfnisse bewußt werden, könnte man sie ihrer leicht entledigen. Das würde manchen Konzern auch ohne Bankenkrise bankrott gehen lassen.

Und dann gibt es einen Herrn Frankl (mitlerweile von den Psychologen auch mit Maslow zusammen zur humanistischen Psychologie gezählt), der im Konzentrationslager lebt und dort etwas findet, was ihn über die Maslow´schen Bedürfnisse weit hinaus hebt: Sinn.

Hat das Leben einen Sinn, wird der Rest nebensächlich.

Hat es keins … kann Maslow einen lebenslänglich beschäftigen, danach zu suchen. Und dazu motivieren, viel Unsinn anzustellen und zu erleben.

In Zeiten knapperer Ressourcen (Umwelt, Geld, Menschlichkeit) scheint es mir hilfreich, sich darauf zu besinnen, was für einen selbst wirklich wichtig ist.

Und einen Punkt zu finden, der mehr gibt, als Maslow zugestehen wollte (obwohl er sich ständig drumherum dreht): Geborgenheit. Und die kann nicht mit noch so großem Aufwand künstlich konstruiert werden.

Die findet der Einsiedler in der Natur, der Mönch in seiner Zelle, der sinnenfreudige Mensch bei dionysischen Festen, der Bauer auf dem Feld, der Idealist im Gedanken … hält über all da, wo man Liebe erfahren und erleben kann.

Aber „Liebe“ ist auch so ein Begriff, den man in unserer Zeit eigentlich gar nicht mehr verwenden darf, weil er mißbraucht, vergewaltigt, beschmutzt und entwertet worden ist.

Aber … so früh am Morgen fällt mir kein anderer ein.

Vielleicht … versteht man´s trotzdem.

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