Im Rubikon-Exklusivgespräch diskutieren der Philosoph Matthias Burchardt, der Musiker Jens Fischer Rodrian und der Schriftsteller Gunnar Kaiser mit Walter van Rossum über das Versagen der Kulturszene.
Im Rubikon-Exklusivinterview führt die Sängerin, Schauspielerin und Moderatorin Nina Maleika aus, warum die Unterhaltungsbranche gegenwärtig keinen erkennbaren Widerstand leistet und was ihr in dieser Zeit Hoffnung schenkt.
Seit gut einem Jahr versuchen sich die Menschen in diesem Land, quer durch alle Gesellschaftsschichten, mit den politischen Vorgaben und verordneten Maßnahmen hinsichtlich der sogenannten Corona-Krise zu arrangieren.
Der Katalog massiver Eingriffe in das individuelle Dasein nimmt zur Zeit eher wieder zu, als dass sich eine Entspannung der Situation am Horizont darstellt.
Es zeigen sich überraschend viele Menschen, die mit dem aktuellen Status quo anscheinend gut leben können. Sich den neuen Lebensumständen anpassen oder vermeintliche Vorteile der Home-Office Arbeit sogar propagieren. Eine Entschleunigung des Alltags begrüßen.
Die bildene und darstellende Kunst lebt aber von den Menschen vor Ort. Der Live-Athmosphäre. Den Besuchern in den Museen und Galerien. Den Fans und Enthusiasten bei den Konzerten beim Open-Air, in den Konzerthallen- und Sälen oder in einem verrauchten Club. Wie ergeht es ihnen in dieser politisch verordneten Kunstpause?
Gerade die darstellende Kunst ist offentsichtlich verstummt, zumindest hinsichtlich wahrzunehmender Kritik leise bis kaum zu hören, geschweige denn zu sehen.
Worin finden sich die Gründe?
Es war nicht einfach Künstler für ein Gespräch zu gewinnen. Die Angst überwog sich als Kritiker der Maßnahmen zu „outen“. Sich zu positionieren und damit durch die Öffentlichkeit einer Meinung natürlich etwaig angreifbar zu machen. Der Respekt vor der Stigmatisierung war groß. Die Befürchtungen vor beruflichen Konsequenzen spürbar.
Mit Jens Fischer Rodrian und Lüül wurden nun zwei gestandenen Musik-Profis für das Gespräch gefunden. Uli Gellermann, Macher und Denker der Rationalgalerie und Kopf unseres Formats „Die Macht um Acht“ möchte von den beiden Musikern erfahren, wie lebt es sich als Künstler in der Krise.
Warum schweigt sie, die Kunst? Warum ist so wenig zu vernehmen, zu hören?
Die Aufzeichnung fand in Berlin im Zig Zag-Club statt, deren Inhaber uns freundlicherweise ihre Lokalität zur Verfügung stellten. Vielen Dank dafür!
Neben den Künstlern leiden auch die Betreiber der Auftrittsorte und Clubs sehr unter den Maßnahmen der Regierung. Immer wieder lassen sich die Clubs Dinge einfallen, um einigermassen über die Runden zu kommen. Jüngst nahm Jens Fischer Rodrian in seinem Lieblingsclub Zig Zag an einem Online Festival statt, um den Club zu unterstützen.
Dazu passt:
Kulturtod ohne Trauernde
Chronik einer Krankheit (Klick)
obias Riegel
NachDenkSeiten-Podcast
Zahlreiche Künstler schweigen zu den aktuellen Vorgängen – im besten Fall: Viele Kulturschaffende unterstützen sogar die destruktiven Lockdown-Thesen von „Zero Covid“. Das ist die Fortsetzung eines bekannten Phänomens: Die Ignoranz der sozialen Fragen durch Teile des Kulturbetriebs.
Frank Blenz
Brotlose Kunst. Dieser Begriff ist immer schon – auch vor Zeiten der Pandemie – als ironisch, sarkastisch gemeintes Mittel der Geringschätzung gegenüber Kultur- und Kunstschaffenden verwendet worden. In der Pandemie wird der Freud’sche Versprecher täglich schmerzhaft spürbar, denn als systemrelevant gelten Menschen der Muse eher nicht. Doch die Künstler sind wichtig, sagen sie, sie begehren auf und machen auf sich aufmerksam – wie zum Beispiel der Sänger Dirk Zöllner.
Die Petition „Kultur ins Grundgesetz“ steht noch weniger als 15 Tage im Raum, es bedarf weiterer Stimmen, damit dieser Antrag überhaupt in der Politik thematisiert wird, findet der Künstler Dirk Zöllner. „Ich bitte Euch darum, das Anliegen als meine Freunde und kulturvolle Menschen zu unterstützen und zu verbreiten.“
https://www.openpetition.de/petition/online/kultur-ins-grundgesetz
Künstler, Veranstalter und Kulterschaffende werden in den meisten Ländern von der Regierung entschädigt. In Deutschland möchte man das lieber nicht tun. Die europäischen Südstaaten könnten ja monieren, dass man zunächst Eurobonds über die Kunst stellen sollte.
Außerdem sprechen wir mit David Vandeven über seine geplante und dann doch aus Sicherheitsgründen abgesagte Kundgebung in Bautzen, auf welcher neben Vera Lengsfeld auch Uwe Steimle eingeladen war.
Krankenpfleger Phil berichtet uns außerdem von den Zu- und Leerständen in deutschen Kranenhäusern während der „Pandemie“.
Montag, 4.Juli 2016. Eifel. Es wäre ein Tag zum Feiern – wäre es kein Tag wie alle anderen. Heute vor sechs Jahren war der Startschuss des Nachrichtenspiegels, gedacht als Plattform für Blogger, für Graswurzeljournalismus, für alternative Meinungsbildung. Sechs Jahre später ist das Kernteam immer noch da, viele andere sind verschollen. Es zeigt sich, dass man mit der Idee Geld hätte verdienen können, doch … wir waren nicht zum Geld verdienen aufgestellt. Manche haben uns gerade deshalb verlassen: man wird ja nicht bezahlt. Andere gingen, weil ihre Artikel nicht genug Leser hatten und die Kollegen nicht dafür sorgten, dass sich daran was ändert (wie sollten sie auch). Wiederum andere wollten Führung übernehmen – was in einem Autorenkollektiv schlecht abbildbar ist. Manche wanderten ins rechtsextreme Lager ab – was deutlich mehr Leser bringt, weil der Zeitgeist eben rechts ist. Was geblieben ist? Ein freier, unabhängiger Think-Tank am Rande der Gesellschaft, ein Ort, in dem man ruhig und unverfolgt seine Gedanken formulieren kann und offene Ohren findet – und gelegentlich einen Ausblick auf die Zukunft wagt, der nicht ganz mit der Anweisung der Bundeskanzlerin übereinstimmt, ab sofort alles nur noch rosig zu betrachten.
Deutschland geht es gut, so die Parole – woraus man schließen kann, dass jene, denen es nicht gut geht, eben nicht zu Deutschland gehören. Sie haben auch einen Namen: „Prekariat“ heißen sie. Sie haben die Proletarier als neue Elendsklasse abgelöst, unterscheiden sich aber sehr von ihr: die Arbeitskraft des Proletariats war unverzichtbar für die Massenproduktion, das Prekariat ist einfach … überflüssig. Zudem ist es außerordentlich heterogen (also: in sich verschieden) wie die Uni Jena ausführt (siehe Uni-Jena)
„Es ist der Leiharbeiter, der bei einer besseren Auftragslage für drei Monate eingestellt wird, um gemeinsam mit den Stammarbeitern, aber für wesentlich weniger Gehalt im Schichtdienst zu schaffen. Es ist die hochqualifizierte Dauer- Praktikantin, die in diesem Jahr bereits zum dritten Mal umzieht, in der Hoffnung, über dieses neue Praktikum endlich den Berufseinstieg zu schaffen. Es ist die junge Mutter, die nach der Babypause Schwierigkeiten hat, in ihrem alten Beruf eine Arbeitsstelle zu finden und die nun auf Minijob-Basis im Supermarkt aushilft.“
Ich würde den Kreis der Prekarianer noch weiter ziehen: der Arbeitslose, der von Maßnahme zu Maßnahme geschickt wird, um die steuerfinanzierte Arbeitslosenindustrie zu beschäftigen, der Früh- und Niedrigrentner, der in Papierkörben nach Pfandflaschen sucht, die „Ich-AG“, die all ihre Ressourcen verpulvert, um für eine Zeit lang so tun zu können, als gehöre man zum guten Deutschland, dem es gut geht, dazu, die ehemalige, hart arbeitende Millionärin mit akademischem Abschluss, die nun arbeits- und zukunftslos ist, weil ihr Vermögen vom „Neuen Markt“ völlig vernichtet wurde (einen solchen Fall schildert Dirk Kurbjuweit in: Unser effizientes Leben, Rowohl, März 2003, Seite 110), zudem ein cirka 2 Millionen Kinder (also; jedes siebte Kind, siehe Zeit), die von vornherein keine Chance haben (sollen), um als Konkurrenten für die Kinder der Etablierten nicht im Wege zu stehen, jene Klassenkameraden, mit denen sie noch nicht mal im Sommer zusammen Eis essen gehen können, weil der Preis für drei Kugeln Eis höher ist als ihr „Regelsatz“ für den ganzen Tag, dieses Gemeinschaftserlebnis also nur durch Hunger zu erkaufen wäre.
Wie viele gehören zu der neuen Unterschicht, die gerne im Unterhemd mit der Bierdose in der Hand von den Medien präsentiert wird, während sie die dämlichen, von der „Elite“ produzierten Peinlichtskeitsshows in privaten Sendeformaten konsumieren? Manche kommen schnell auf 15 Millionen Menschen (siehe academics), ich halte diese Zahl für deutlich untertrieben, erst recht, wenn man in die Zukunft schaut, in der Maschinen einen großen Teil der Bürojobs übernehmen werden. Es reicht aber schon, wenn die Zinsen steigen, die Immobilienpreise sinken – dann werden viele, die sich jetzt selbst zum „gehobenen Mittelstand zählen“, weil sie zwei Jobs und ein Eigenheim haben, innerhalb eines Jahres abrutschen – die Raten für die beiden Autos können nicht mehr beglichen werden, die Raten für das Haus steigen ständig (wie auch die Grundsteuer, weil die Gemeinden schon jetzt großen Mangel an Tauschmitteln haben, um den normalen Betrieb der Verwaltung sicherstellen zu können), die Zwangsversteigerung vernichtet jeden Wert des Objekts … was schon passieren kann, wenn nur einer seine Arbeit verliert (während die Kinder in Folge einer hemmungslosen Wohlstandsverwahrlosung zu ganz besonderen leistungsfernen Sozialfällen werden) – auch diese, als „reich“ definierten Menschen (deren Reichtum am theoretischen Wert ihrer Immobilie hängt, der jederzeit hemmungslos nach unten rauschen kann), leben „prekär“ – also: unsicher.
Doch eine solche Definition würde das Volk verunsichern, schnell würde man merken, dass „Deutschland“ nur noch aus einer Hand voll Entscheider besteht, die vor allem ihr eigenes Wohl im Auge haben – aber immer laut applaudieren, wenn die Parole der Kanzlerin gebrüllt wird: „Deutschland geht es gut“.
Dieselbe Regierung, die diese Parole ausgegeben hat, unterzieht die „Prekären“ ganz besonderen Maßnahmen, wozu vor allem eine degenerierte Sozialgesetzgebung gehört, die mehr in die Disziplinierung von Arbeitslosen investiert als in ihre Versorgung (wir berichteten), ohne dass die Medien dort ihr Wächteramt ausüben. Dem Staat wäre mehr gedient, wenn man die Gelder zur Unterstützung der von „der Wirtschaft“ Aussortierten direkt an sie auszahlen würden: die Binnenkonjunktur würde kräftig anziehen – und gleichzeitig Jobmotor werden. Aber: man will ja keine Jobs, man wollte einen „Niedriglohnsektor“ – das gab Bundeskanzler Gehard Schröder unumwunden zu (hier bei der Rede vor der versammelten Elite im Weltwirtschaftsforum von Davos (siehe Gewerkschaft von unten)
„Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt.“
Wir können den „Niedriglohnsektor“ auch mit einem Begriff umschreiben, der weniger angenehm klingt: Sklavenmarkt. Jenen Ort, wo weitgehend rechtslose Subjekte für Niedrigstpreise ihre Haut zu Markte tragen müssen – was das Ende einer lebendigen Demokratie bedeutet. Verweigert man sich dem Verkauf zu Billigstlöhnen, droht Vernichtung durch Hunger und Obdachlosigkeit – obwohl Herr Schröder das schöner formuliert:
„Wir haben einen funktionierenden Niedriglohnsektor aufgebaut, und wir haben bei der Unterstützungszahlung Anreize dafür, Arbeit aufzunehmen, sehr stark in den Vordergrund gestellt.“
Die letzte deutsche Regierung, die zu solchen Schönfärbereien griff, war die Reichsregierung Hitlers, die unsere Mitbürger natürlich nicht ins Gas schickte, um sich an ihnen zu bereichern, sondern „in den Osten umsiedelte“. So formuliert, gab es natürlich keine weiteren Fragen. Herr Schröder gab auch unumwunden zu, worum es bei den „Reformen“ ging:
„Deutschland hat über eine qualifizierte berufliche und sonstige Ausbildung ein Potenzial an hochqualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, was seinesgleichen in der Welt sucht“.
Und diese Ressourcen wurden an jeden verschleudert, der von den Banken Geld für ein Unternehmen geliehen bekam, welches dann durch Lohnminimierung der Arbeitnehmer zurückgezahlt wurde. Der Gewinn war garantiert: dafür schufteten ja die Arbeitnehmer billigst, um der Staatsmühle Hartz IV zu entkommen, einer Mühle, die beständig verschärft wird … obwohl es Deutschland doch angeblich so gut geht.
Wirklich gut geht es aber nur jenen, die skrupel- und gewissenlos das Angebot der Regierung annehmen, sich durch Billigstlöhne hemmungslos zu bereichern – ein Angebot, das in Zukunft ausgeweitet werden soll: der „Ein-Euro-Job“ soll Dauerzustand werden – was den Vermarktern des Billiglohnes Traumrenditen bescheren wird (siehe Gegen-Hartz), dafür werden fehlerhafte Bescheide nun per Gesetz verewigt (siehe Focus), Widersprüche werden aktuell ohnehin schon bestraft (siehe gegen-Hartz) und Rückforderungen für fiktive Arbeitseinkommen möglich (siehe hartziv.org), d.h. wer sich weigert, dem Sklavenmarkt einkommensschwach zur Verfügung zu stehen, wird mit Schulden bestraft … und das von einer Behörde, die gelegentlich auch schon mal Tote zur Stellungnahme auffordert (siehe Gegen-Hartz) und sterbende Menschen kerngesund schreibt, damit sie die letzten Tage ihres Lebens noch für die Rendite der Elite arbeiten können (siehe der Fall Antje Wunderlich).
Kurz: der Krieg gegen das von den Regierungen geschaffene und erhaltene, beständig wachsende Prekariat läuft weiter – auf breiter Front, gestützt von sich selbst gegenseitig beweihräuchernden Experten, die den neuen Sklavenmarkt in den Himmel loben und mit Hilfe branchenübergreifender Netzwerke massiv Meinungen manipulieren (für Österreich hier mal skizziert auf Mosaik) und gezielt an der Atomisierung und Ökonomisierung aller gesellschaftlichen Prozesse und aller Individuen arbeiten (siehe Heise), was zu einer neuen Verrohung der Mittelschicht führt – die schon lange beschrieben wurde (siehe Taz aus dem Jahre 2010):
„Die Soziologen sehen diese Erklärung: Im Kern gehe es dabei vor allem bei den wohlhabenden und reichen Bürgern im Lande um die Sicherung oder Steigerung eigener sozialer Privilegien „durch die Abwertung und Desintegration volkswirtschaftlich etikettierter Nutzloser sowie um die kulturelle Abwehr durch Abwertung“, heißt es etwas kompliziert.“
Damals hatte man es noch für unmöglich gehalten, dass aus dieser Verrohung einmal eine Partei wird – nun gibt es sie, gewählt von vielen „Prekären“, wohl in der Hoffnung, dass es erstmal irgendwie anders werden muss, damit es besser werden kann.
Wird es aber nicht.
Prekäres Leben hat für die „Elite“ – also jene, die an den Armutslöhnen super verdienen – unverzichtbare Vorteile (siehe Tagesspiegel):
„Armut ist gewollt und bewusst erzeugt, weil sie die „Aktivierung“, Motivierung und Disziplinierung der Bevölkerungsmehrheit gewährleistet. Die (Angst vor der) Armut sichert den Fortbestand der bestehenden Herrschaftsverhältnisse. Während der Reichtum als Belohnung für „Leistungsträger“ dient, gilt die Armut als gerechte Strafe für „Leistungsverweigerer“, „Faulenzer“ und „Sozialschmarotzer“.“
Anders gesagt: Sie können so fleißig arbeiten wie Sie wollen – der Gesetzgeber wird mit staatlicher Gewalt dafür sorgen, dass Armut weiter um sich greift und eine Gesellschaft des wirtschaftlichen „Fressens und gefressen werdens“ Gestalt annimmt und Unsicherheit und Angst zum Lebensalltag beständig dazu gehören: der demokratische Souverän des Landes wird zum Gejagten – was genug über den Zustand unserer Demokratie aussagt. Erstmals in der bekannten Geschichte der Menschheit merken wir den Verlust eines zentralen Moments menschlichen Lebens (mitten im Reichtum): des Mitgefühls (siehe srf.ch) – eine Entwicklung, die Massenvernichtung überhaupt erst möglich macht.
Diese Entwicklung reicht weit in den eigenen, innermenschlichen Bereich hinein – wie der jüngst verstorbene Götz George es für den Bereich der Schauspielerei beschrieb (siehe Spiegel):
„Diese Härte sich selbst gegenüber gab es früher nicht. Aber heute musst du so sein, da lassen sie dir keine Zeit zum Üben. Wer einen Fehler macht, fliegt raus. Keiner bekommt eine zweite Chance.“
Ja – Götz George, ein Fossil aus alten Tagen. Interessieren Sie sich dafür, wie es Schauspielern in einer verhartzen Fernsehnation geht – einer Nation, die täglich vier Stunden ihres Lebens vor dem Fernseher verbringt? Ich habe da eine aktuelle Schilderung (siehe Ohauerha):
„Im Gegensatz zu den Nachmittags-Erziehungsfernsehen Darstellerdarsteller hast Du das Metier gelernt, studiert und so… und dann siehste nur noch so Aushilfslemminge, die Dir die Jobs wegnehmen. Die Dein Geld verdienen. Geld, was Dir fehlt, wofür die dann auf Dich eintreten und sagen, du wärst ne faule Sau und geh arbeiten…. Hm…. komisch, woll? Damit Du sagen kannst „Ich bin Schauspieler!“… wäschste hauptberuflich Autos oder füllst Fritten in Tüten beim Schachtelwirt und anstatt Dir dreht der Melm mit Sinnlos TV ne Menge Kohle ein. Und Du guckst in die Röhre. Dazu kommt noch, dass wenn es bei Dir dann mal nicht so gut läuft und Du zwischen zwei Engagements ne Lücke hast und Du nicht den miesen Ausbeuterjob annimmst, den man Dir von Amts wegen vorschreibt, dann wirste sanktioniert und man streicht Dir mit Vorsatz Dein Obdach und Deine Kohle für Nahrung und… so nett nennen sie das heute: Soziale Teilhabe. Unter diesem Druck ist es kein Wunder, dass man von Seiten des Staates die Kunst und Kulturszene zerstört.“
Ist man gar politische Künstlerin, lernt man noch schneller den Hunger kennen (siehe NRHZ). Fälle, wo Landräte die laufenden Exekutionen stoppen, kann man mit der Lupe suchen – es gibt wohl kaum mehr als einen in Deutschland (siehe gegen-Hartz).
Vogelfrei sind sie, die Aussortierten. Jedenfalls bekommen auch sie kein ordentliches Begräbnis, verschwinden im kostengünstigen Massengrab (siehe scharf-links) – jedenfalls noch. Ein wenig mehr noch … und man kann sie den Vögeln zum Fraß vorwerfen: zunehmende Verrohung wird Konsequenzen haben, die sich nicht nur in brennenden Asylbewerberheimen manifestieren.
Ja – wie wird sie, die Zukunft? Also – die Zukunft der Aussortierten, von denen es aufgrund fortschreitender Automatisierungmit absoluter Sicherheit immer mehr geben wird (siehe hierzu WEF-Gründer Klaus Schwab – sicher kein „Linker“, in Blick.ch) – eine kreditfinanzierte Entwicklung, mit festen Blick auf zukünftige Massenentlassungen, die diese Kredite finanzieren werden?
Nach sechs Jahren Nachrichtenspiegel sage ich: düster. Da gibt es keine Hoffnungen, weil das Prekariat zu „individualisiert“ ist, um politische Macht organisieren zu können. Auch hier ist sich jeder selbst der Nächste – und ihre natürlichen Verbündeten – ideologisch links stehende Jugendliche (selten genug) – haben die Aussortierten völlig aus dem Blick verloren (siehe Zeit):
„Die junge, intellektuelle Linke hat den Bezug zu der Unterklasse im eigenen Land fast gänzlich verloren. Da gibt es vonseiten der Gebildeten weder eine Sensibilität noch eine Aufmerksamkeit und schon gar keine Verbindungen mehr. Die Linke hat sich eben kosmopolitisiert und, wie gesagt, ihren politischen Schwerpunkt auf eine kulturelle Ebene verlagert, und eben auf dieser Ebene unterscheiden sich die Milieus der hoch und weniger Gebildeten deutlich voneinander. Dieser Verlust der Kommunikation zwischen den Klassen, wenn ich diesen Begriff einmal verwenden darf, ist massiv und ein Problem für die soziale Gerechtigkeit.“
Das heißt: politisch gesehen steht das Prekariat völlig im Abseits – und ziemlich alleine da. Die Intellektuellen engarieren sich nur noch für bequeme Minderheiten – was nicht viel kostet und den Gewinn der neu strukturierten Sklavengesellschaft nicht in Gefahr bringt.
„Das zentrale progressive Anliegen ist mittlerweile die unbedingte Gleichstellung von Minderheiten. Das können ethnische, religiöse oder sexuelle Minderheiten sein.“
Adoptionsrecht für homosexuelle Paare (ohne Blick darauf, dass die Kinder in der Regel nicht aus dem Himmel fallen, sondern dem Prekariat per Staatsgewalt entzogen werden), Engagement für gut ausgebildete und gut situierte Flüchtlinge (also: Solidarität für die eigenen Klasse, die Armen sitzen immer noch in Syrien und dem Irak, wo sie völlig verrohten Schlächtern ausgeliefert sind – und den Bomben der Reichen) und – nicht zu vergessen – die Einübung der enorm wichtigen „gendersensiblen“ Sprache (die Uni München hat hier einen Leitfaden entwickelt – über korrektes Sprechen, siehe Uni München), wo ich gelernt habe, dass „jeder Benutzer sollte die bestellten Bücher umgehend abholen“ schlecht ist, „bitte die bestellten Bücher abholen“ aber gut.
Dafür muss Zeit sein. Drohender Weltkrieg, massive Umweltzerstörung, apokalyptisches Artensterben, exzessiver Demokratie- und Sozialabbau? Dank Papis Vermögen kein Thema. Außerdem kauft man deshalb ja Bio und hat staatlich subventionierte Sonnenkollektoren auf dem Dach, wenn´s ganz schlimm kommt, ernährt man sich sogar vegan, um sich vom Prekariat abzuheben – und ignoriert völlig, dass dies ohne pharmazeutische Industrie und ihre Nahrungsergänzungsmittel gar nicht lebbar ist (lernte ich unlängst im Krankenhaus, hängt dort öffentlich aus: bitte dort nachfragen: Krankenhaus Schleiden).
Wie ist also die Zukunft des Prekariats? Die Zukunft der Elite ist schon 15 Jahre lang bekannt: mit 50 in Rente gehen – mit luxuriösen Bezügen (siehe Manager Magazin), während man das Prekariat im gleichen Alter zu hoffnungsloser Arbeitssuche motiviert. Drei Monate Sommerurlaub (neben anderen Pausen) ist für die Elite der Top-Unterhalter im TV auf Kosten der Beitragszahler problemlos machbar (siehe Tagesspiegel): da weiß man, warum die immer so gute Laune haben, Tagesgagen von 50000 Euro (schnell dementiert, siehe Focus) sorgen für sorgenfreies Leben.
Und die Aussortierten, für die sich keiner mehr interessiert? Momentan gilt für sie: frühe Krankheit, früher Tod. Doch der Kostendruck wächst, weshalb auch die neuen Hartz IV-Reformen den Druck an die Ärmsten durchreichen.
Was machte man vor 75 Jahren, um Gelddurst von Staat und Elite zu befriedigen?
Man lies die Polen und Russen verhungern (ihr Essen ging an die verrohte „Elite“ ins Reich), die Juden schickte man ins Gas (ihr Eigentum ging an Gebrauchtwarenbörsen, wo jeder ein Schnäppchen machen konnte). Verweise hierzu auf Götz Aly: Hitlers Volksstaat.
Können Sie mir einen Grund nennen, warum das hier in Zukunft anders sein soll?
Ich kann Ihnen keinen nennen – aber einen, der für die Düsternis spricht (siehe Huffington Post):
„Wir müssen den Alten endlich die Hölle heiß machen. Denn sie waren es, die den Generationsfrieden aufgekündigt haben. Und deswegen sollten sie auch die passende Antwort dafür erhalten. Es wird wieder Zeit, zu rebellieren.“< >Was wird diese Jugend wohl mit der wehrlosen Masse der Armutsrentner machen? Vielleicht lernen sie etwas ganz besonders aus der Geschichte: wie man unwertes Leben kostengünstig entsorgt. Und die Generali Deutschland arbeitet gerade ganz aktuell an Definitionen von unwertem Leben – nennt es allerdings anders (siehe Telepolis).
Sechs Jahre Nachrichtenspiegel – es geht weiter bergab. Und ganz ehrlich: damit hätte selbst ich nicht gerechnet. Aber die Offensive des Neoliberalismus hat unsere Gesellschaft kalt erwischt, die Zahl derjenigen, die erkennt, dass es sich um einen großflächigen organisierten Blitzkrieg gegen die demokratische Zivilgesellschaft handelt, ist klein – und viele von denen, die das erkennen, suchen erstmal für sich selbst ein sicheres Fleckchen.
Ich denke, wir werden diesen Prozess noch weiter kommentierend begleiten. Wenigstens eins wollen wir ihnen nehmen: dieses „wir-haben-von-allem-nichts-gewusst“.
War damals schon gelogen.
Montag, 6.6.2016. Eifel. Es gilt wieder, einen Nachruf zu verfassen. Ob jemand gestorben ist? Das weiß ich nicht. Kann es auch nicht ausschließen. In meinen Augen jedoch: ja. Bleiben wir doch mal beim Thema: Tod. Eins der Tabuthemen unserer Gesellschaft, eins, zu dem ich keine Lust mehr habe, etwas zu schreiben: zu dicht sind im Jahre 2016 die Informationen über „Nahtodeserlebnisse“, zu übereinstimmend und mit hochkarätigen Zeugen besetzt, als dass ich noch Laune hätte, mir dieses „danach kommt ganz sicher nichts“ noch länger anzuhören – es wäre so, als würde man mir verkaufen wollen, dass die Erde eine Scheibe ist. Natürlich ist dies ein politisches Tabu: wer die Überzeugung hat, dass seine Seele ewig währt (und Verantwortung für ihre Taten übernehmen muss – wenn auch nur vor sich selbst, aber nach Maßstäben, die man selbst nicht setzt), kann schnell dazu führen, dass man seinen Leib auch mal für „Widerstand“ einsetzt anstatt dem üblichen „friss Steaks und Hummer, solange du noch kannst“ zu folgen.
Diese Überzeugungen sind so alt wie die Menschheit selbst (so gut wie wir das heute eben nur sagen können) und oft missbraucht für totale Herrschaftsausübung (wie so viele andere Anschauungen auch: wie viele Verbrechen werden allein gerade im Namen der „Freiheit“ durchgeführt – wodurch jedoch die Freiheit als solche nicht schlecht wird und Zwang nicht gut), es ist nur eine winzige Minderheit im Kosmos des Menschseins, die der aktuell modernen Religion des Nichts folgt – die gleiche Minderheit behauptet auch, dass wir – auf einem sehr, sehr jungen Planeten weit ab vom lichtvollen Zentrum der Galaxis lebend – die einzige mit Intelligenz begabte Art des Universums seien, ohne zu realisieren, dass eine Art, die ihren eigenen Planeten vergiftet, genug Atombomben hat, um ihn 200 Mal zu verwüsten und den ganzen Tag damit beschäftigt ist, sich selbst das Leben schwer zu machen, auf der Skala galaktischer Intelligenz weit unter dem Komodowaran steht – und deshalb nicht mit intergalaktischem Botschafteraustausch rechnen darf.
Obwohl die Fortexistenz von „Bewusstsein“ (aber nicht im Sinne des kleinlichen „Ich“ verstanden, das sich so gut auf Börsenoperationen, Steuervermeidung, Sanktionen und andere Angriffskriege versteht) in nahezu allen Kulturen vorhanden war – auch in den allerältesten, die noch mehr dem Instinkt als der Verführung folgten – mochten alle den Tod nicht sehr. Einerseits ist der Prozess des „Sterbens“ nicht angenehm: Millionen von Zellen schütten Botenstoffe aus, die den Geist betrüben – ihr Ende ist gewiss und sie erfüllen ihr Programm, den Geist zu warnen, dass Gefahr droht. Ihnen fehlt das Bewusstsein der Sterblichkeit, sie machen ihren normalen Job bis zum Ende und senden häßliche Impulse, wenn das Überleben in Gefahr ist. Es gibt aber noch mehr, was die Altvorderen stört – obwohl sie in dem Bewusstsein lebten, ewig zu sein – und in dem Bewusstsein, dass dort die „Ewigen Jagdgründe“ auf einen warten – erstmal, als Kur, zur Erhohlung.
Was sie noch störte: die Abwesenheit eines geliebten Menschen, mit dem man nicht mehr interagieren kann – es sei denn, gewitzte Schamanen durchbrechen die Mauer zwischen den Welten, um ein paar Worte auszutauschen (wovor oft gewarnt wurde … wegen „Nebenwirkungen“) … was aber für das Erleben einfach nicht dassselbe ist. Es ist der kleine Tod – den ich selbst jedesmal empfand, wenn ich zu meinen Geschäftsreisen aufbrach und die Kinderschar im Rückspiegel kleiner werden sah: das Jahrtausende alte Recht eines Vaters, seine Kinder groß werden zu sehen, wurde mir genommen, für ein paar Tage waren wieder eiskalte Gesellen meine Gefährten, anstatt meine eigenen Kinder. Da war Trauer – auch wenn ich wusste, dass sie noch lebten … aber es fand kein Austausch mehr statt, kein Miteinander.
Das gleiche gilt für Steve Geshwister, der jetzt von uns gegangen ist. Er hat – sozusagen – die „Hinschmeißfliege“ (siehe oben) gemacht. Ob er tot ist? Nun – Steve hies nicht wirklich Steve, er hieß Jürgen (da verrate ich nichts Neues, nur ein bischen lesen und schon hat man seinen echten Namen). Und für einen solchen Jürgen, geboren 1966, fand ich eine aktuelle Todesanzeige. Der ist aber zu alt für Steve. Hoffe ich. Jürgen lebt also vielleicht noch – auch wenn er selbst genau weiß, dass „leben“ nicht die Bezeichnung ist, die man dieser Existenzform geben würde. Genau das machte ihn ja aus: den klaren Blick hinter den Lügenphrasen, einem Blick, den er in Bilder fassen konnte, Bildern wie diesem hier:
Ja: immer noch aktuell. Die deutsche „Willkommenskultur“ läßt immer noch Menschen im Mittelmeer ertrinken – unter dem Zeichen der Flüchtlingsrettung. Gelebter Wahnsinn, unter dem ein gesunder Geist zerbrechen muss, weil großer Beifall für den Status Quo gefordert wird. „Wir helfen denen, die nicht ersaufen – und Geld genug für die Überfahrt hatten“. „Hungergames live“ – und niemanden störts – außer Steve.
Ja – Steve ist nun tot. Was Jürgen macht, weiß ich nicht. Vielleicht wieder in der Halbzeugfabrik arbeiten (siehe Nachrichtenspiegel). Er hat sich auf jeden Fall offiziell verabschiedet, wie immer in ganz feiner, liebevoller, vornehm zurückhaltender Sprache, die den feinen Geist auszeichnet, der sich selbst in aller Bescheidenheit nicht all zu sehr in den Vordergrund spielen möchte (siehe Nachrichtenspiegel):
„Oben schreibe ich von einem Auszug, doch das stimmt nicht ganz. Ich gehe einfach weg.
Eigentlich hatte ich geplant mein Konto bis zur Dispogrenze abzuräumen, bevor ich mich aus dem Staub mache. Da ist aber nichts mehr, weil mir der Kontostand immer egal war. Er ist mir egal und er wird mir egal sein. Probleme haben komischerweise immer die anderen damit. Der Vermieter zum Beispiel. Es ist die Sozialwohnungsbaugesellschaft der Stadt. Von mir aus könnte es auch irgendein Privatkapitalist sein. Es ist mir egal. Ich wende keine Lebenszeit mehr für das Verfassen einer ordentlichen Kündigung auf, es erscheint mir schlicht nicht sinnvoll. Ich verlasse einfach diesen Ort. Im Rucksack befinden sich eineinhalb Schachteln Kippen und zwölf Dosen Bier, mehr war finanziell nicht drin. Ich trage das gefälschte „England“-T-Shirt vom Vietnamesenmarkt, das vorgibt von Motörhead zu sein und dunkelbraune Cargo-Shorts, deren rechte Tasche ungewohnterweise keine Schlüssel ausbeulen, werde sie nicht brauchen. Der Sommer beginnt gerade, ich werde so schnell nicht erfrieren. Ich weiß nicht, wohin mich mein Weg führt, was mir widerfahren wird und trotzdem habe ich keine Angst. Alles was ich verlieren könnte, lasse ich zurück.
Ich überlege kurz, ob ich das Skizzenbuch und das Bündel Bleistifte, die ich bereitgelegt hatte, in den Rucksack packen soll, entscheide mich dagegen. Mir ist, wenn man es so ausdrücken möchte, die Sinnhaftigkeit bestimmter Arten menschlichen Tuns nicht mehr sehr geläufig. In einigen Augenblicken werde ich den Rechner herunterfahren, den Rucksack schultern, die knarzende Treppe heruntergehen und das Backsteinhaus, die Straße, das Viertel, die Stadt, verlassen.“
Ich selbst – hatte das viel zu spät gelesen. Bevor es darüber Gemecker gibt: ich lese ALLES. IMMER. Aber nicht alles immer sofort. Um eine Bekannte zu zitieren: „bei dem, was Du leisten musst, ist es ein Wunder, dass Du noch nicht in der Anstalt gelandet bist“. Ja: ich habe noch viele andere Baustellen als diese hier. Rechnungen, zum Beispiel. Kinder. Nachbarn. Krankheit, Ämter, Schulen. Bücher würde ich auch gerne weiterschreiben – das hat Spaß gemacht – aber ich kann nicht immer alles auf einmal machen. Und brauche viel mehr Ruhephasen als gesunde Menschen, habe trotz allem einen Textmengenausstoß, den man nur noch selten findet. Was soll ich auch machen – ich kann nichts anderes … mehr. So kam es, dass in all´ dem Trubel (zu dem auch die Obdachlosigkeit eines mir sehr nahe stehenden Menschen gehörte) Steves Abschied erst Tage später bemerkt werden konnte … und wie er es so erzäht – brilliant geschildert wie immer – wirkt es ja auch sehr unterhaltsam, man ist geneigt, die Botschaft dahinter zu überhören … wie ernst dieser Abschied war, merkt man erst viel später, wenn man feststellt, dass alle Kommunikationskanäle gelöscht worden sind. Kein „linophil“ mehr, kein Facebook – und Mails kommen als „Error“ zurück.
Steve Geshwister ist … erloschen, samt vieler unvergleichlicher Kunstwerke.
Mich persönlich hat das sehr überrascht – trotz der mahnenden Worte, die schon lange in seinen Schriften zu finden sind. Eine seiner letzten Arbeiten war: ein Logo für den Menschenschutzbund. Ja – eine ganz alte Baustelle von mir, ein Verein, der endlich Menschenrechte mit Tierrechten gleichstellt, dem Tierschutzverein einen Menschenschutzverein an die Seite stellt. Ich weiß nicht, ob ich es verwenden darf, tue es aber einfach mal ganz frech und schiebe die Gründung des Menschenschutzbundes gedanklich wieder etwas höher auf meine „to do“-Liste – notwendig wäre er schon, sinnvoll auch – in Zeiten, wo Arbeitslose von reichen Bundestagsabgeordneten als „fauler Krüppel“ bezeichnet werden (siehe Theeuropean), wo offen über die Deportation von Arbeitslosen gesprochen wird (siehe gegenHartz), wo die „Alternative für Deutschland“ nach ersten Wahlerfolgen zeigt, dass sie gar keine Alternative ist – außer, dass sie asoziale Politik der neoliberalen Altparteien (hier – brutal viel länger arbeiten für brutal noch weniger Rente – siehe N24) mit neuem Personal durchführen möchte … um nur ein paar „Schmankerl“ zu nennen:
Meine Antwort an Steve – der hier, wie so oft, sehr engagiert war – war leider nicht so schön: ich kann gerade nicht. Mir fehlt aktuell Zeit für alles. Ungern erinnere ich mich auch an meinen Vorschlag, seine Bilder mit meinen Texten zu versehen … steht auch auf der viel zu langen to do Liste, die ich jetzt wohl um ein paar Positionen streichen kann – wie die, zu überlegen, wie man den Verkauf seiner Bilder forcieren kann, denn: jetzt ist er – allen Pläne zum Trotz – völlig verschwunden. Tot – jedenfalls als Kommunikationspartner für Menschen. Vielleicht – ist er ja auch arbeiten. Ein paar Überlegungen dazu hatte er mal angestellt, hier in einem Kommentar (siehe Nachrichtenspiegel):
Bis noch vor wenigen Jahren konnte ich mit dem Begriff „innere Emigration“ nicht besonders viel anfangen. In der Auseinandersetzung mit Künstlerpersönlichkeiten, die jeweils in den Kriegsvorbereitungsjahren des ersten und zweiten Weltkriegs tätig waren, stieß ich auf diesen Ausdruck und konnte ihn für mich nicht so recht fassen. Mittlerweile weiß ich zumindest, wie sich das Bedürfnis nach eben jener inneren Emigration anfühlt.
Auch wenn von ihr besonders im Zusammenhang mit Künstlern gesprochen wird, ist sie möglicherweise ein Abwehrmechanismus größerer Bevölkerungsteile und wieder hochaktuell. Ich denke ernsthaft daran, mich auf mich selbst und meine kleine Miniwelt zurückziehen, acht bis zehn Stunden täglich zur besten Lebenszeit einem Markt anzubiedern, dessen Produkte mich einen Scheiß interessieren (und den ich sogar insgeheim verachte) und der Dinge harre, die da noch kommen mögen.
Ich fühle mich schlicht überfordert. Die Lüge hat das Ruder übernommen, machen wir uns nicht vor. Warum sollte ich dann nicht auch mitlügen? Ich hätte kein Problem damit, die einfältigen Arschgeigen anzulügen, die mithilfe der verlogenen Werbegrafik, die ich ihnen verkaufe, hoffen, auf noch dickere Hose machen zu können. Aber noch schaffe ich es nicht, mich selbst anzulügen. Große Teile der Medien- und Politiklandschaft schaffen das aber schon ganz hervorragend.
„Sich nicht selbst anzulügen“ – ist eine wichtige Voraussetzung dafür, in den „ewigen Jagdgründen“ keine großen Probleme mit sich selbst zu bekommen – ein Wissen, dass uralt ist … und als Gebot unserer ältesten Instinkte (die kann man auch „Gewissen“ nennen) jederzeit abrufbar. Untolerierbar für eine kapitalistische Leistungsgesellschaft, in der der Mensch diese innere Stimme zuerst töten muss, um eine Zeit lang erfolgreich das Geld andere Leute vermehren zu dürfen (was ziemlich idiotisch wirkt, wenn man es so formuliert).
Viele werden sich dies genau einreden: der Jürgen ist vernünftig geworden, er hat den Steve vom Markt genommen und macht wieder den Job des freien Werbezeichners, der sich gut anhört und die Seele auffrisst, so, wie wir unser aller Seele auffressen lassen im Dienste der Rendite unserer neuen Herren.
Ich sehe das nicht ganz so – denn ich sehe seine Entschlossenheit, sich nicht auffressen zu lassen, schon länger, kann sie gut nachempfinden, denn bevor mich der Segen der Krankheit ereilte (ja – ist das nicht eine kranke Welt, in der man für chronische Schmerzen dankbar sein muss, weil sie die Seele davor schützen, von „Bullshitjobs“ zerfressen zu werden, die ein sechsstelliges Jahresgehalt mit sich bringen – und den Tod der Seele vor Eintritt des Rentenalters garantieren), fühlte ich genauso. Lesen Sie es mal bitte in aller Ruhe durch: zum Beispiel den „Autostrich“ (siehe Nachrichtenspiegel), das Smaland-Syndrom (siehe Nachrichtenspiegel), das Gedicht über den Gaukler (siehe Nachrichtenspiegel) – hier findet man einen großen Geist, der sich nicht nur durch Bilder auszudrücken vermag, sondern auch die Kunst der Worte beherrscht, was man besonders in seinem Gedicht über „heilige Abende“ erfahren kann (siehe Nachrichtenspiegel), ein Gedicht, das von Christoph Holzhöfer vertont wurde.
Was ist – wenn „Steve“ nun wirklich mit zwölf Dosen Bier und anderthalb Schachteln Kippen in die weite Welt hinausgezogen ist? Er hat es so schön erzählt, so fein gesponnen, dass man die grausame Wahrheit dahinter einfach überhört: er ist obdachlos. Manche mögen das mutig finden – für mich hört sich das gefährlich an. Da draußen gibt es „Kälte“, der man nicht entkommen kann. Eine Weile vielleicht – dann droht – wenn man Glück hat – das Obdachlosenasyl. Was ist mit seiner Frau, seinem Traum von Familie? Schwer, so etwas unter der nächsten Brücke der A 8 zu leben. Wie weit kommt man eigentlich mit zwölf Dosen Bier? Einen Tag, denke ich. Vielleicht zwei. Dann sind auch die Kippen alle. Und dann … kommt auch langsam der Hunger. Schnell kann sich dann jede Abenteuerromantik in Luft auflösen.
Und doch kann es den Preis Wert sein.
Was fehlt noch an dem Nachruf? Die Wertschätzung seiner Arbeit. Ich mochte sie – so einfach ist das. Die Farben haben mich immer begeistert. Mehr braucht es nicht, um ein Künstler zu sein – Menschen, denen die Kunst gefällt. Einer reicht völlig – er hatte aber tausende. Das „Kritiker“ in erster Linie ein Abwehrreflex des Establishment sind, deren Aufgabe darin besteht, „Fremde“ von den für sie reservierten Schweinefleischtöpfen der Gesellschaft fern zu halten, dürfte Künstlern aller Fachrichtungen bekannt sein. Neu war für mich, dass „Künstler“ aktuell auf „Arbeitgeber“ abstoßend wirkt – das erfuhr ich von einem Berufsbegleiter des Arbeitsamtes, der meinen Kindern bei Bewerbungen hilft und dringend davon abriet, die aktuellen Tätigkeiten des Vaters in der Bewerbung zu erwähnen. „Lehrer“ – wurde da als besser kategorisiert, signalisiert auch einen festen Arbeitsvertrag – den ich gar nicht habe. Hätte nicht gedacht, dass ich als harmloser Blogger schon in die böse Kategorie falle.
An was erinnern wir uns als „Menschheit“ eigentlich wirklich, wenn wir an frühere Zeiten denken? Nun: Kriege. Das wird uns aber nur in der Schule beigebracht. Was überdauert aber ohne Hilfe der Staatsbeamten und Konzernbüttel?
Kunst.
Bildhauerei, Architektur, Gemälde, Lieder, Geschichten, Zeichnungen: noch heute lesen Menschen die Weisheiten der germanischen „Edda“ – während man die preisgekrönten Künstler des letzten Jahres schon nicht mehr kennt – es sei denn, ein Geldmächtiger hält ihre Botschaft auch dieses Jahr für nützlich.
Hier zermalmt der moderne Kapitalfaschismus die edelste Leistungskategorie der Menschheit, treibt sie unter die Brücke.
So wie Millionen andere auch – die einfach nur Lebenskünstler sind – oder sein müssen.
Wieso sich tausende seine Bilder angeschaut haben, aber zu wenig welche kauften, dass er in seiner bescheidenen Sozialwohnung hätte weiter existieren können, weiß ich nicht. Ich kann nur für mich sprechen – Investitionen in Kunst sind gerade in meinem Budget nicht abbildbar, hier nagen Essen, Kleidung und Strom an der Substanz … wie bei Millionen anderer auch.
Und wenn wir uns fragen, warum unsere gewaltigen Geschichtenerzähler aus Hollywood größtenteils auf uralte Geschichten zurückgreifen und schon ihre eigenen Filme von vorgestern wieder neu drehen, so haben wir hier eine Antwort: unser Goethe, unser Shakespeare, unser Beethoven, unser van Gogh, unser Schopenhauer und unser Dali – lebt von Hartz IV oder … wie Steve … auf der Straße. Dort kann man nur schwer Werke leisten, die von Dauer sind, der „soziale Tod“ ist nicht förderlich für die Kreativität.
Das gleiche gilt auch … für „Brotjobs“, die gerade jenen Geist fressen, zu dessen Entfaltung wir auf die Welt gekommen sind.
PS: eine aktuelle Übersetzung des Wortes „Grippel“ kann auch ich nicht liefern, habe mich deshalb – wie andere auch – für das naheligende lautähnliche Wort „Krüppel“ entschieden, weil es der Intention der Rede entspricht. Nur, falls es dazu Fragen gibt.
Es wird die Geschichte eines Musikers nach dem sogenannten Durchbruch mit der einer nur mittelmäßig erfolgreichen Musikerin verglichen. Es geht um den Vergleich eines der 62.000 angeschlossenen (normalen) GEMA-Mitglieder mit einem der 3200 ordentlichen Mitglieder.
Während die SUPER-Mitglieder 64% der Ausschüttungen einkassieren, müssen sich die anderen Mitglieder mit 24% zufrieden geben. Doch der Film will gar nicht nur für eine Reform des Verteilungsschlüssels eintreten, sondern fordert gleich die komplette Anschaffung der Bohlensteuer bzw. der GEMA.
Ein Film der Hedonistischen Trickfilm Sektion: