(Warnung: Splattervideo -nichts für schwache Nerven!)
Video by Steve Cutts (siehe Galerie)
in memoriam Steve Geshwister
Foto: Nacktschneckenpaarung CC-BY-SA-3.0 BY rupp.de/wikimedia commons (Quellenlink)
Jedes Jahr infizieren sich in Deutschland rund eine Million Menschen mit multiresistenten Krankenhaus-Keimen / MRSA, gegen die kein Antibiotikum mehr hilft (siehe ARD-Doku „Operation gelungen – Patient tot“). Nach Schätzung der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene sterben daran ca. 40.000 Patienten. Falls wir Antibiotika in der Tier- und Menschenmast weiterhin so unbedarft einsetzen wie bisher, werden laut neuesten Berechnungen demnächst mehr Menschen an multiresistenten Keimen sterben als an Krebs (siehe Spiegel). Laut dem „Review on Antimicrobial Resistance“ könnten bis 2050 weltweit zehn Millionen Menschen pro Jahr an nicht mehr behandelbaren Infektionen sterben. „Wenn wir das Problem nicht lösen, steuern wir auf Zeiten wie im Mittelalter zu. Viele Menschen werden sterben“, warnt der Ökonom Jim O’Neill, der die Recherchen zu dem Bericht leitete, gegenüber der BBC (siehe Bericht). Sogar die eisern in neoliberalen Traumgefilden schlafende CDU-Fraktion schlägt inzwischen Alarm.
Als ob diese Art von Infektionen noch nicht schrecklich genug wäre, naht sich uns eine noch viel abgründigere, wenngleich unsichtbare und daher wenig thematisierte Gefahr: Die innere Vermorschung bzw. der geistige Tod. Wenn man die derzeitige Sachlage einige Jahre in die Zukunft extrapoliert, dann wird diese Art des Todes wohl weitaus mehr Menschen dahinraffen als MRSA und die Pest im Mittelalter zusammen.
Eine Vorstufe zum geistigen Tod ist der soziale Tod, wenngleich, wie wir sogleich ausführen werden, der soziale Tod gleichzeitig eine große Chance ist, dem geistigen Tod zu entrinnen –insofern kann das Hartzer-Schicksal bei aller bekämpfenswerten Dramatik womöglich eine großartige Chance darstellen, um der endgültigen Auslöschung seines Menschseins zu entgehen.
Aber alles schön der Reihe nach. Im jüngsten Artikel des Eifelphilosophen (Der soziale Tod – Triumph der Elite, Wille der Regierung, Ende der Gerechtigkeit) wird bereits das drohende Schicksal des fernsehenden Reihenhaus-Sparschweinbürgers skizziert: der soziale Tod. Indem sich bei stagnierenden Haushaltseinkommen und gleichzeitig rasant steigenden Wohnungs- und Lebenshaltungskosten immer weniger Menschen, nicht nur Hartzer, den Eintritt in eine Theater-, Konzert- oder Sporthalle leisten können – oft sprengt schon der Cafe- und Eissalonbesuch das Familienbudget -, verlieren sie den Anschluss an Kultur und Gesellschaft.
Ohne Zweifel ist das Herausdrängen aus der Kulturteilhabe bzw. die Gefahr des sozialen Tods etwas ungemein Schmerzvolles und zeugt von einem Totalversagen unseres Polit- und Wirtschaftssystems. Das soll jetzt nicht zynisch klingen, aber: Diejenigen, die sich Kulturteilhabe noch leisten können und aus dem Vollen schöpfen, befinden sich ohne dass sie es wissen, in noch viel größerer Gefahr – der Gefahr, dem geistigen Tod bzw. einer Art innerer Vermorschung entgegenzugehen. Denn war die Teilhabe an der herrschenden Kultur in früheren Zeitepochen i.d.R. der Garant und Wegweiser für eine angemessene menschliche Entwicklung, so ist es heute andersrum: Kultur muss individuell begründet werden. Schwimmt man nur mit dem mit, was einem von außen als „Kulturleben“ zugefüttert wird, dann wird man von einem Vakuum angesaugt, geht man langsam aber sicher unter und erleidet eine Art inneren Erfrierungstod (heute salopp als „Burn-out“ bezeichnet – was zunächst flammend und heldenhaft klingt, aber schon bei wörtlicher Interpretation zeigt, dass dieser Zustand gar nichts Flammendes oder Wärmehaftes mehr in sich hat, sondern eben: „Flamme-aus“, also: Kälte).
Die Sache ist leider umso tückischer als diesem geistigen Erfrierungstod jede Menge feuriger Eruptionen und Emotionsfeuerwerke vorangehen, die den Eindruck von wohliger Wärme und Vitalität erwecken. Da diese jedoch den Menschen in Wirklichkeit leer ausgehen lassen, muss die Dosis ständig gesteigert und noch mehr Treibstoff verbrannt werden. Der Designer Ken Garland bringt es auf den Punkt: „Unsere Überflussgesellschaft hat einen Punkt der Sättigung erreicht, an dem der schrille Schrei der Konsumpropaganda nichts weiter ist als bloßer Lärm.“
Auch wenn das unmittelbare Schicksal hart erscheint: Wer in die Einkaufs- und Wellnesstempel dieser Überflussgesellschaft nicht mehr eintreten kann, sondern notgedrungen daheimbleiben und sich mit karger, aber substanzieller und vitaminreicher Diät in Form von klassischer Philosophie zufriedengeben muss – Marc Aurel, Seneca und Goethe gibt’s beim Trödler schon ab € 1.-, also zum Gegenwert einer Vanilleeiskugel, und der Kenner kann ein ganzes Jahr von einem einzigen solchen Büchlein zehren -, der hat die Chance, die heranrollende kulturelle Pestepidemie zu überstehen und geistig gesund zu bleiben (sofern er auch das Ernährungs- und Heizungsproblem löst, ich weiß).
Ein Hartzer in der Eifel oder im Schwarzwald hat also womöglich weitaus bessere Überlebenschancen, um die kommende geistige Pandemie zu überstehen als ein urbaner Karrierist im SUV. Man nehme nur den Eifelphilosophen: Wäre er nicht geharzt worden, dann triebe er weiterhin in wortmächtiger und überzeugungskräftiger Weise für einen Pharmakonzern sein Unwesen, der aktuell mit Monsanto fusionieren will (demnächst vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt / siehe Netzfauen.org). So aber nutzt er seine Wortmacht und Intelligenz nun dazu, um gerade denjenigen aufgeblasenen Gummikrokodilen einen Stich zu verpassen, denen er früher gedient hat – und hilft damit unzähligen Menschen, in einer zunehmend vergletscherten Gesellschaft nicht an sich zu zweifeln, sondern dem zur Normalität erklärten Wahnsinn die Stirn zu bieten (Hallo Eifel, möchte deinen guten Namen hier nicht verhunzen, aber du bist da einfach ein Paradebeispiel).
Viktor Frankl denkt die aktuelle Situation zu Ende und spricht vom „existenziellen Vakuum“ als größter Herausforderung unserer Zeit:
„Fragen wir uns doch nur, was das Resultat wäre, wenn ein menschliches Wesen sämtliche Bedürfnisse, die es im Zeitquerschnitt haben mag, voll befriedigen vermöchte – was wäre das Resultat: das Erlebnis der Erfüllung? Oder vielmehr das Gegenteil, nämlich die Erfahrung einer abgründigen Langeweile – einer bodenlosen Leere – eben des existenziellen Vakuums? Mit diesem Vakuum werden wir Neurologen ja alltäglich und sprechstündlich konfrontiert …“
Gleichzeitig weist Frankl auch auf den goldenen Mittelweg hin, der gelungenes Leben ermöglicht (und den er zwischen den beiden ebenfalls in uns immanenten Tendenzen nach bloßer Macht und nach bloßer Lust lokalisiert): die Ergründung – und schließlich das aktive Schaffen – von immer mehr Sinn.
„Aber der ‚Mensch auf der Suche nach Sinn‘ wird unter den gesellschaftlichen Bedingungen von heute eigentlich nur frustriert! Und das rührt daher, dass die Wohlstandsgesellschaft bzw. der Wohlfahrtsstaat praktisch alle Bedürfnisse des Menschen zu befriedigen imstande ist, ja, einzelne Bedürfnisse werden von der Konsumgesellschaft überhaupt erst erzeugt. Nur ein Bedürfnis geht leer aus, und das ist das Sinnbedürfnis des Menschen – das ist sein „Wille zum Sinn“, wie ich ihn nenne, das heißt, das dem Menschen zutiefst innewohnende Bedürfnis, in seinem Leben oder vielleicht besser gesagt in jeder einzelnen Lebenssituation einen Sinn zu finden – und hinzugehen und ihn zu erfüllen.“
Wird der Sinn des Lebens und des Menschseins geleugnet und werden Mensch und Welt nur als geistlose, kommerziell verwertbare Kohlenstoffhaufen angesehen, so wie dies derzeit in Schulen und Universitäten de facto gelehrt wird, dann gerät der Mensch in innere Verzweiflung.
Aktuell konstatiert Regisseur David Schalko „Perversion als letzten Ausdruck der inneren Verzweiflung“. Plattformen und Übertragungsstätten der inneren Verzweiflung sind nicht nur unsere urbanen Kulturstätten, Arbeitsplätze und Medien, sondern zunehmend auch unsere Bildungsseinrichtungen und Universitäten. In einem jüngsten Interview beklagt der Jenaer Soziologie-Professor Hartmut Rosa unter Verweis auf die stark zunehmenden Burn-out-Raten und Angsterkrankungen schon unter Studenten, dass die Universität immer mehr zu einer „Entfremdungszone“ werde. Jede Nacht wachten in unserer beschleunigten, spätkapitalistischen westlichen Welt mehr Menschen schweißgebadet auf als in totalitären Regimen (Quelle: Zeit).
Natürlich wäre es nun keine Lösung, sich von allen diesen entfremdeten Orten gesellschaftlichen Geschehens fernzuhalten. Im Gegenteil, es geht darum, mutig und gut gerüstet mit Humor in diese Räume einzutreten und sie wieder in menschengerechte Lebensumfelder zu verwandeln.
Zurück aber zu unserem eigentlichen Thema, dem drohenden geistigen Tod. Um an die Wurzeln des Virus zu gelangen, der zu dieser Art Tod führt, müssten wir weiter ausholen. Da das Hamsterrad, in dem ich selbst laufe, mir dazu gerade nicht genug Atem lässt, müssen wir ein andernmal darauf zurückkommen. Die nachfolgenden Streiflichter sind in Wirklichkeit vollkommen unwichtige Randerscheinungen, eigentlich gar nicht wert, sie zu erwähnen. Niemand möge sich daher an den Beispielen festbeißen. Sie sind nur oberflächliche Symptome und womöglich sogar autoimmune Heilungsversuche und Rettungsschreie eines zutiefst kranken und daher fiebernden menschlichen Organismus. Wem die Beispiele dekadent vorkommen, dem sei gesagt: Das ist noch gar nichts. Gegen das, was noch auf uns zukommt, sind das nur humoreske Kinkerlitzchen, quasi nur das Wetterleuchten eines Hurrikans, der sich noch hinter dem Horizont verbirgt. So ähnlich wie eine tödliche Infektion sich zunächst als leichte Kopfschmerzen oder Magenkrämpfe äußern kann. Trotz ihres Seifenblasen-Charakters können besagte Symptome aber als erste Annäherung an den eigentlichen Leviathan dienen, der unsere Gesellschaft derzeit durchlöchert wie ein Bandwurm einen Schweizer Käse.
Nachdem Politik und Wissenschaft sich bisher als vollkommen unfähig erwiesen haben, diesen aalglatten und obendrein unsichtbaren Bandwurm zu erfassen, bleibt uns als Barometer des Zeitgeschehens wieder einmal nur die Kunst. Noch der griechische Mensch fühlte sich nur deshalb gesund, weil er regelmäßig durch Kunst und Drama eine Katharsis, eine innere Reinigung erfuhr und sich ihm während des Schauspiels die Perspektive auf begeisternde menschliche Ideale eröffnete. Obwohl sich unsere Kunstszene längst von diesen ihren eigentlichen Möglichkeiten verabschiedet hat (bereits 1972 konstatierte der Nobelpreisträger Oktavio Paz das „Ende der Kunst“), so ist die Funktion der Kunst heute zumindest die eines präzisen Spiegels des herrschenden Zeitgeistes.
Was spiegelt uns also aktuell die Kunst? Auf der Documenta in Kassel, der weltweit bedeutendsten Ausstellung für zeitgenössische Kunst, erfährt man etwa von der früheren künstlerischen Leiterin Carolyn Christov-Bakargiev (vom Magazin „ArtReview“ zur einflussreichsten Person im internationalen Kunstbetrieb gewählt): „Ich habe kein Konzept.“ – setzt jedoch nach, dass die Documenta immerhin eine „Choreographie“ habe: „Sie ist unharmonisch und frenetisch“; außerdem: „Ich halte Verwirrung für eine sehr gesunde Position.“
Vor einigen Jahren habe ich aus dem Kulturteil einer Tageszeitung folgenden Artikel der Kunstjournalistin Andrea Heinz herausgerissen, weil ich ihn als Kunstliebhaber so ungemein treffend fand: „Überhaupt scheinen es in dieser zeitgenössischen ‚Crossover-Kunst‘ Selbstbezogenheit und der Rückzug auf das Ich zu sein, die aus der Auseinandersetzung mit der Umwelt resultieren. Die klassische Dreieinigkeit vom Schönen-Wahren-Guten ist ohnehin passe, es geht jetzt maximal um individuelle Wahrheiten. […] es ist, wenn man so will, die Kunst der Krise. Es sind Kunst-Fluchten, die sich die hochqualifizierte und -gezüchtete Kunstelite von morgen erschafft.“
Der Artikel stammt aus 2011. Inzwischen ist wieder einiges Wasser den Bach hinuntergeflossen und der Kessel, in dem wir sitzen, um ein paar weitere Grad Celsius erhitzt worden. Als ich vorgestern das Programm einer der international anerkanntesten, seit 1927 etablierten Kunstveranstaltungen, der „Wiener Festwochen“ las, wehte mir bereits ein ganz anderer Wind entgegen. Folgender Bericht findet sich dazu als oberster Leitartikel der Tagesnachrichten im österreichischen Rundfunk ORF (Anliegen der Wiener Festwochen ist es lt. Wikipedia, „Kulturereignisse selbst zu schaffen oder mitzugestalten, die höchstes künstlerisches Niveau mit gesellschaftsrelevanten Inhalten und Zielen verbinden“. Sie verstehen sich als „Angebot zur Offenheit gegenüber anderen Kulturen und Welten“; ebenso besitzt der ORF einen gesetzlich verankerten Bildungsauftrag). Highlight der Festwochen ist diesmal eine Inszenierung des Regisseurs Jan Fabre „Mount Olympus“ (siehe Volltext mit Bildern auf orf.at):
„…Diese Akkuratesse braucht es auch, wenn auf der Bühne gekotzt wird, wenn Frauen stehend in Glasgefäße urinieren, Pornoszenen nachgestellt werden und 20 Personen wild um sich schlagen, kreischen und schluchzen, wenn rohes Fleisch und Eingeweide geworfen werden, wenn echtes menschliches Blut fließt … Denn 24 Stunden Chaos – das würde rasch langweilig. Es braucht also eine strenge Dramaturgie – und höchste Konzentration.
… 24 Stunden, in denen Fabre sein Publikum gemeinsam mit den Darstellern immer weiter bergab führt in die Untiefen des Unbewussten, wo Tagesreste, Ängste, Begierden und Traumfetzen einen wabernden Morast bilden.
… Dem Zuschauer wird gleich zu Beginn empfohlen, sich auf das Geschehen einzulassen und dabei nicht rational zu denken. Den körperlichen Einstieg macht Regisseur Fabre leicht: Während einer Drum-and-Bass-Nummer mit halbnackt twerkenden Darstellern fahren einem die Beats in alle Glieder. Ein überdrehter Dionysos schüttelt als „Master of Ceremony“ die üppig vorhandenen Speckfalten und verspricht, den ganzen Saal in den Wahnsinn zu treiben.
… Im Laufe der Nacht stellte sich, wie geplant, kollektive Trance ein, die sich im Lauf des Sonntags noch steigerte. Langsame, behutsame Bewegungen im Zuschauerraum, eine eingeschworene Community bildete sich hinter, auf und vor der Bühne. Es breitete sich ein wohliges Gefühl der Verbundenheit aus. Ein Erfahrungsraum war geöffnet, in dem nichts obszön wirkte oder flach. Jetzt hatte Fabre das Publikum dort, wo er es wollte, und konnte sein Bestiarium in all seiner Brutalität, Geilheit, Verzweiflung und Lächerlichkeit vorführen.
… Das Publikum dankte dem Regisseur und den Darstellern für diese intensiven Erfahrungen mit einem intensiven 15-minütigen Applaus.
… Fabre teilt seine körperliche Interpretation dessen, was dem menschlichen Handeln zugrunde liegt: Status wollen. Bestimmen wollen. Und gleichzeitig: alle Zügel fahren lassen wollen, mit jedem ficken wollen, vor Schmerz losschreien wollen, jemandem die Gedärme herausreißen wollen, mit dem man eine Rechnung offen hat. Er zeigt das ganze Spektrum des Scheiterns und Reüssierens in einer Welt, die nur vermeintlich auf Vernunft aufgebaut ist.“
Fabre drückt durch seine Kunst in Wirklichkeit exakt das Gleiche aus, was heute auch von streng wissenschaftlicher Seite konstatiert wird: Dass der Mensch nur ein geistloser, nervendurchzuckter Kohlenstoffhaufen, ergo alles Wurst und daher nach Willkür des Geschäftstüchtigen verwertbar ist. Laut neuester Erkenntnis der Biotechnologen (unwiderlegbar ersichtlich im Rasterelektronenmikroskop) ist der Mensch nur eine Art Ratte (siehe Nachrichtenspiegel: Rat Race and Rape Culure Club Köln). Mit einem Wort: Die humanistische und grundgesetzlich verankerte Auffassung, dass der Mensch eine Würde und damit ein Schutzbedürfnis besitzt, befindet sich in akuter Erosion. Der entsprechende Paragraph des Grundgesetzes wird im Falle einer vollendeten Durchsetzung des technokratisch-naturwissenschaftlichen Weltbildes womöglich nicht mehr lange haltbar sein. Und während wir heute nur Ratte spielen und uns auf Festspielen am Rattenleben ergötzen, so werden die Kinder, denen wir beibringen, dass der Mensch nur eine etwas raffiniertere Ratte ist, schon bald beginnen, mit dieser Weltanschauung Ernst zu machen und auch ihr gemäß zu leben.
Um sich auf diese neue Realität einzustimmen, bedarf es einer fachmännischen Konditionierung und Taktung des Bürgers. Regisseur Fabre macht uns den Gefallen, dass er in einem Interview ausspricht, wie diese Konditionierung abläuft (im täglichen Fernsehprogramm, mit dem der Bürger allabendlich abgefüllt wird, läuft übrigens exakt dieselbe Konditionierung ab, ohne dass es ausdrücklich erklärt wird; womit auch selbstredend klar ist, dass diejenigen Ausgebooteten und Harzer, die ihre Ausgrenzung von der kulturellen Teilhabe nicht für die Lektüre von Marc Aurel & Co. nutzen, sondern für „Fernsehen“, in keiner Weise vor der kommenden Pandemie bzw. dem geistigen Tod geschützt sind):
>> In „Mount Olympus“ will er … eine Art programmierter Überforderung erzeugen, das betrifft sowohl Publikum als auch Ensemble. „Es ist sehr, sehr fordernd für alle Beteiligten. Nach jeder Vorstellung sind wir für ungefähr eine Woche völlig aus dem Takt. Die biologische Uhr ist völlig durcheinander.“ Er habe schon oft von Zuschauern gehört, dass sich im Laufe der Performance die Perspektiven verschieben: Wenn man zwischendurch hinausgeht und zurückkommt, empfinde man die Vorstellung als Realität.<<
Ich blättere weiter im Kulturteil der Nachrichten und stoße auf ein Megakonzert, das letzten Donnerstag trotz miserablem Wetter 50.000 Menschen in ein Fußballstadion der Festspielstadt lockte: Die Rockband AC/DC gab ein Stelldichein. Da man heute gesteinigt wird, wenn man gegenüber Rockheiligenikonen wie Angus Young & Co. nicht bedingungslose Wertschätzung bezeugt, vorneweg mein Disclaimer: Es geht mir überhaupt nicht um AC/DC oder sonst irgendeine bestimmte Band, die AC/DC Leute haben sich für ihre Verdienste als Bahnbrecher des Heavy Metal nach ihrem Ableben wohl zweifellos den Eintritt in den siebenten Hardrockhimmel gesichert. Auch die Motive der unzähligen Fans, die in solche Konzerte strömen, kann ich vollständig nachvollziehen. In einer Arbeits- und Alltagswelt, die inzwischen trotz Dauerbespaßung weitgehend unlustig geworden ist, sind Gelegenheiten, sich den Dynamoeffekt und die 100.000 Volt Hochspannung eines Konzertkessels zunutze zu machen um die vergletscherte Kruste des schnöden technokratischen Alltagsfaschismus zumindest kurzfristig zu sprengen, natürlich sehr willkommen.
Der Name der stadionfüllenden Band sei an dieser Stelle also vollkommen egal, es gibt deren unzählige für jeden Geschmack. Es soll damit nur ein weiteres, in Wirklichkeit vollkommen nebensächliches Kultur-Streiflicht angeführt sein, man könnte sicher dasselbe Szenario anhand eines Konzertes von Madonna, den Stones oder Bushido berichten. Auch in einem Bierzelt mit Heino, den Original Fidelen Uasprung Spatzen Brunnzer Buahm oder sonstigen Globetrottern könnte man im Prinzip genau dasselbe gespiegelt finden wie beim jüngsten AC/DC Konzert. Ein Ausschnitt dazu aus dem Konzertbericht des öffentlichen Rundfunks (siehe orf.at):
„Teufelshörner dominierten nicht nur die bombastische Bühne mit den zwei Videowalls. Man möchte jene Person sein, die den Gewinn des Verkaufs von Plastikteufelshörnchen an diesem Abend einstreifen durfte. Das ganze fast restlos gefüllte Stadion blinkte und leuchtete rot. (…)
„If You Want Blood You’ve Got It“ („Highway to Hell“, 1979) – die Bühne wurde rot beleuchtet, das Blut war allerorten in Wallung, vor allem bei Angus Young. Er schüttelte seine letzten Locken und war in seiner Angus-Young-Trance, der Mund beim Gitarrespielen weit offen. Rose und er interagierten auf der Bühne nicht wirklich. Hier war jeder in seinem eigenen Film der Hauptdarsteller. Die Bühne war groß. Da war Platz für zwei Egos, selbst von dieser Dimension (…)
Das Publikum war bester Laune und jubelte frenetisch mit (…) „I gonna take ya to hell“ – und jeder wollte sich allzu gerne mitnehmen lassen. Angus Young führte die Pilgerschar Richtung Hölle im Trippelschritt an (…)
Angus Young stellte seine Ohren auf und bekam, was er wollte: ein lautes Liebesgrölen von 50.000 Menschen, die sich gerade sehr wild und sehr böse fühlten und jede Menge Spaß dabei hatten.
Auch der FM4-Redakteur Boris Jordan war live dabei. Am Ende seines im Wesentlichen gleichlautenden Konzertberichts zieht er sein persönliches Resümee: „Irgendwie hat das dann etwas von einer selbstvergrößernden, lebenströstenden Macht, einem unernsten Stück Scheißegal-Zuversicht, das man nicht ohne weiteres überall bekommt.“
So wie im Leben nie etwas umsonst ist und man überall etwas Nützliches lernen kann, hatte ich spätestens hier ein Aha-Erlebnis. Vielleicht ist ja gerade das das missing link, das uns Philosophen fehlt, damit wir nicht zu sauertöpfisch werden: ein unernstes Stück Scheißegal-Zuversicht. Angesichts der momentanen Weltlage gehört diese Ingredienz eigentlich in jeden Wanderrucksack, oder noch besser: als App aufs Smartphone. Auch unseren Kindern würde solch ein unernstes Stück Scheißegal-Zuversicht womöglich nicht schaden, man könnte z.B. den unnützen Bastelunterricht streichen und stattdessen eine Stunde Hardrock mit Headbangen einführen.
So, genug für heute, es ist schon dunkel. Höchste Zeit, dass ich meine Enten einsperre, bevor der Marder kommt. Überhaupt werde ich auf meine Enten dieses Jahr gut aufpassen und ihnen reichlich frisches Wasser bereitstellen müssen. Die alljährliche Nacktschneckeninvasion beginnt wieder. Letztes Jahr habe ich im Sommer die Hälfte meiner Jungenten verloren. Die Tiere hatten einen solch unbändigen Appetit auf Nacktschnecken, dass sie den Hals nicht voll davon kriegen konnten. Sie sind an den schleimigen Kriechtieren elend erstickt.
Mit Dank an das alte Weib für den Hinweis.
So mancher mag zum Weihnachtsfest
An transzendente Dinge denken
Doch das ist nur ein kleiner Rest
Geht’s doch ums Fressen und ums Schenken
Bei Schmidts gibts Heiligabend Gans
Bei Müllers Würstchen mit Püree
Frau Ott kocht Brüh‘ aus Ochsenschwanz
Die Mayer brät ein Rindsfilet
So haut man sich die feinsten Gaben
Vor der Bescherung in die Wampe
Ein Prost auf die, die Wenig haben
Schmidt gießt sich einen auf die Lampe
Es wartet schon die gier’ge Brut
Auf den Erhalt der heißen Ware
Müller brüllt mit heißer Wut
„Der Blitz beim Scheißen in euch fahre!“
„Der Heiland kommt heut‘ auf die Welt
Und ihr denkt nur an euch, ihr Plagen!“
Da liegt sein ganzes Weihnachtsgeld
Er wollte eigentlich entsagen:
Dem Raffen in der Einkaufswüste
Der Gier und der Befriedigung
Seiner niederen Gelüste
Doch ganz schnell fiel der Müller um
Trotz all dem Schimpf und dem Gemotze
Geht Müllers Widerstand dahin:
„Ich möcht‘ so eine Flachbildglotze!“
Ein Widescreen ganz allein für ihn
Nun beginnt der große Reigen
Vom Nehmen und vom Geben
Jetzt heißt es: Dicke Hose zeigen!
Als wär’s der letzte Tag im Leben
Mutter Schmidt bekommt ein Tuch
aus allerfeinster Maulbeerseide
Die Mayerin ein neues Buch
Für die Ott gibt’s ein Geschmeide
Nur Müllers Fernsehschschrank bleibt leer
Er bebt, ihm fehlt die Spucke
Er wünscht sich dieses Teil so sehr:
„Beim Kacken euch der Blitz durchzucke!“
Herr Ott kriegt Slips in Größe acht
Herr Maier neue Socken
Ein Plastikhund, der Kacka macht
Damit kann man klein Schmidtchen locken
Es freu’n sich Söhne, Töchter, Neffen
Doch Müllers Wunsch wird nicht erfüllt:
„Euch soll der Blitz beim Scheißen treffen!“
Der Ganze Raum ist zugemüllt:
Von bunten Fetzen, güldnen Bändern
Von Pappe und von Kartonage
Vielleicht wird sie sich niemals ändern
Die Gier der Feiertagsbagage
Der Müller, der schaut nur noch zu
Sein Sohn bekommt ein Bastelset.
Another tube of super glue!
Als ob der Kleine basteln tät‘!
Ein Bagger für das Schmidtsche Kinde
Müllers Fernsehschrank bleibt leer:
„Der Blitz Euch bei der Notdurft finde!“
Jetzt will Herr Müller nimmermehr
Ein iPad für den kleinen Mayer
Ein Kindle für das Müllerkind
Für Oma Ott ein Nudelseiher
Wie schön, dass wir beisammen sind!
Man ist befriedigt, satt, so voll
Dass langsam Geist und Klarheit schwinden
Wär dieser Jesus nicht schon toll
Man müsste ihn erfinden!
Und Müllers Blitz? Der wartet schon
Zehntausend Volt, bereit zu beißen
Er trifft euch auf des Notdurfts Thron
Letzendlich müsst ihr alle Scheißen
Mittwoch, 28.11.2012. Eifel. Ich weiß, das ganze Geschreibsel über Hartz IV stört jetzt schon einige Leser. Habe ich schon mitbekommen. Aber nur weil Krieg und Goldpreis viel unterhaltsamer sind, verschwindet dieses Gräuel doch nicht einfach. Zudem ist es nur ein Ausdruck, eine Ausformung einer weltumspannenden Bewegung, die nichts weniger im Sinn hat als die Vernichtung der Lebensqualität und Lebensgrundlage vieler zugunsten der Fettlebe einiger weniger: ein Wahnsinnskrieg tobt da gerade, ein Krieg, der hauptsächlich erstmal wirtschaftlich geführt wird. Ja, Hartz IV stellt politische Sanktionen gegen das deutsche Volk dar – wir unterscheiden uns in dieser Hinsicht kaum von dem Iran, nur redet man mit uns nicht so deutlich darüber. Selbstverständlich sterben auch hier Menschen. Frank Schönwetter zum Beispiel, jener Aktivist, über den wir kürzlich geschrieben hatten: der wird übermorgen obdachlos, hat jetzt schon kein Geld mehr für Briefmarken. Den ersten Advent feiert Frank auf der Straße – bei Minus 10 Grad. Ja, ich weiß: er hatte uns versprochen, das das nicht geschehen wird. Er hat sich aber geirrt. Kann ja mal vorkommen.
Aktuell macht ja das Jobcenter Witzenhausen von sich reden. Dort berichtet Antenne Hessen über ganz neue Auswüchse der neudeutschen Asozialenkultur:
Ein weiterer Fall ist bekannt, wo man von einem hochschwangeren Teenager verlangt, trotz Mutterschutz einer Arbeit nachzugehen. Da dies durch die Schwangerschaft nicht möglich ist, sanktioniert Frau S. den 16-Jahre jungen Teenie mit 30% der Leitungen. Eine Katastrophe für die werdende Mutter.
Klar – mit 16 Mutter werden ist schon nicht gerade toll. Sich trotzdem für das Kind zu entscheiden, eine kleine Heldentat, denn: das eigene Leben ist dann im Eimer – für immer, denn die Zeit, die man wegen Geburt und Erziehung nicht im Hamsterrad mitrennt, holt man nie wieder auf. Was Antenne Hessen nicht weiß, aber mir aus verlässlicher Quelle zugetragen worden ist: Schwangere arbeiten zu schicken gehört zu den Richtlinien der Mitarbeiter. „Schwangerschaft ist keine Krankheit“, so der Leitsatz der Bundesagentur für Arbeit – Fehlgeburten durch Überlastung werden billigend in Kauf genommen.
Bei diesen Zuständen denkt man unwillkürlich an die Arschlochbeseitigungsinstrumente der französischen Revolution, bevor man sich wieder im Griff hat und vermeidet, auf das gleiche Niveau zu sinken wie der deutsche „Sozialstaat“.
Wen wollte man auch beseitigen? Die Mitarbeiter? Hören wir nochmal Antenne Hessen:
84 von 100 getesteten Sachbearbeitern / Jobcenter, waren überfordert mit Stresssituationen oder konnten einige Aufgaben nicht richtig lösen. So reagierte man auf gereizte Situationen, mit Ausbrüchen und Drohungen. Oftmals wollte man unserem Probanden das gesamte Geld Streichen, wenn er sich nicht sofort beruhigen würde.
Das sind die Kennzeichen eines Terrorregimes, das immer gerne die unfähigsten Dödel von der Straße holt, sie mit Macht ausstattet und dann auf die Bürger loslässt. Bei uns nannte man das früher mal die „SA“, wo der Krieg offener geführt wird, nennt man sie die „Todesschwadrone“. Was hier perfide ist: erfüllen die Sachbearbeiter nicht ihre Zielvorgaben (die Sanktionierungsquote), kommen sie selbst ins Ghetto der Entrechteten.
Richtige Todesschadrone brauchen wir noch nicht. Das erledigen die Leute bei uns schon selber, siehe Welt:
Sie tötete ihre drei Kinder, schickte dem Vater SMS über die Morde. Später wollte sich die 38-Jährige auf der Autobahn umbringen.
Ein Drama, über das die Welt oft berichtet. Man hätte die Geschichte auch anders schreiben können. Das Unternehmen des Vaters war insolvent, er war depressiv (ein Zustand, der immer mehr Menschen in Deutschland ergreift, auch ohne das das Jobcenter willkürlich ihre Restexistenz vernichtet) und … auf Hartz IV angewiesen. Dort landen Unternehmer immer sofort. Vater in der Klinik, Mutter mit drei Kindern vor der überforderten Sachbearbeiterin – noch Fragen? Ich höre bis hier das eifernde Gekeife „Nu machen Sie doch mal die Kinder ruhig„.
Hat sie gemacht. Die sind jetzt ruhig.
Ist natürlich alles nur Vermutung, vielleicht schwammen die auch in Geld. Ich kenne selbst einen Unternehmer, der hat mehrere Mietshäuser, ein gut gehendes Geschäft mit Partybedarf, einen Mercedes-Benz der Luxusklasse und bezieht Hartz IV. Man muss halt wissen, wie das geht – und der Schritt vom Geschäftsmann zum Betrüger wird immer kleiner, je asozialer die Gesellschaft wird. Man weiß ja, wovor man fliehen muss.
Es gibt aber Studien, die belegen, das viele ihre Chancen in diesem System ganz realistisch sehen, siehe Handelsblatt:
Mehr als die Hälfte der aus einfachen Verhältnissen stammenden Menschen unter 30 Jahren glaubt nicht, dass in Deutschland ein Aufstieg in eine höhere soziale Schicht möglich ist. Einer neuen Studie zur Chancengerechtigkeit zufolge ist mehr als ein Drittel der Gesamtbevölkerung überzeugt davon, dass Leistung sich nicht lohnt und allein das Elternhaus zählt. Der Glaube, sich durch Leistung verbessern zu können, sei aber eine Grundvoraussetzung dafür, sich verstärkt zu engagieren, sagte die Geschäftsführerin des Allensbach-Instituts.
Hier ist es mal sehr wichtig, auf den Sprachgebrauch zu achten. „Aus einfachen Verhältnissen“ stammen dort die Menschen, während der Spiegel im gleichen Fall anders argumentiert:
Einmal arm, immer arm: Davon ist in Deutschland die Mehrheit der jungen Leute aus sozial schwachen Verhältnissen überzeugt.
„Sozial schwach“ sind Menschen mit einer Schwäche der Gemeinschaftsfähigkeit – Mörder, Diebe, Zuhälter, Vergewaltiger, Neoliberale oder Ausbeuter. Was der Spiegel meint, wenn er dieses Kampfwort der Unmenschen gebraucht, ist der Begriff „arm“ – also finanziell schwach. Das sollte der Spiegel aber wissen, denn er berichtet ja selbst darüber:
Dabei liegen die Karten seit Jahren offen auf dem Tisch. Der im Namen einer nebulösen Wettbewerbsfähigkeit in die Wege geleitete soziale Kahlschlag beispielsweise in Deutschland zeigt erste Effekte. Die Wirtschaft tut das, was man gerne „brummen“ nennt, mit einem Bruttoinlandsprodukt von 2,6 Billionen Euro ist das Land eine der größten Volkswirtschaften der Welt, die mit Abstand größte in Europa allemal. So reich ist unser Land, dass es sich sogar etwas so Unbezahlbares wie die Armut leistet. Nirgendwo in Europa – ausgenommen in Rumänien und Bulgarien – ist die Armut zuletzt schneller gewachsen. Fast drei Millionen Kinder leben unter der Armutsgrenze
Deutschland ist einer der weltweit führenden Armutsproduzenten!
Da werden die Agentenführer der deutschen Regierung begeistert sein, die Lobbyisten der Asozialen jubeln: Umbau Deutschland wird ein voller Erfolg. Wie der Iran bekommen wir Sanktionen aufgebrummt, aber anders als der Iran können die Bürger dieses Landes nicht hintenherum Geschäfte mit Gold machen, siehe Spiegel. Daran sieht man auch, wie ernst die „westliche Wertegemeinschaft“ ihre Gemeinschaft und ihre Werte nimmt: winkt einer mit Gold, dann ist der politische Sanktionswunsch sofort zweitrangig. Warum erklärt man das nicht unseren Arbeitslosen?
Ach ja – die mussten ihr erspartes Gold schon vorher abgeben, die leben eher unter den Bedingungen eines besetzten Landes – in einer der größten, brummenden Volkswirtschaften der Welt.
Irre, oder?
Nein, nicht irre. Deutschland hatte schon in den siebziger Jahren gestört. Die Gewerkschaften, die politischen Demonstrationen, die Bewegung der Grünen: da drohte Gefahr an der Ostfront der USA, das durfte so nicht lange weitergehen. Also erschuf man sich ein paar Instrumente, bestach ein paar hundert Politiker, Showmaster, Parteifunktionäre und Intellektuelle, um ein Klima zu schaffen, das wieder für Disziplin im Lande sorgte. Es wäre undenkbar gewesen, wenn die Bundesrepublik im Strudel des ökonomischen Putsches auf einmal zur Insel der Glückseligen geworden wäre, die fernab von aller Ausbeuterei ein funktionierendes alternatives demokratisches Wirtschaftssystem etabliert hätten – da musste dringend sanktioniert werden, sonst wäre das ganze Gerede von der Alternativlosigkeit der wirtschaftlichen Entwicklung ja völlig unsinnig gewesen.
Die deutschen Bürger selbst – braucht man nicht mehr. Die sind über – weil demokratieverseucht. Die haben das Gerede nach dem Krieg über Menschenrechte und Demokratie zu ernst genommen – und fühlten sich noch gut und edel dabei. Die will man nicht mehr, die sind zu teuer, ihre Gewerkschaften zu aufmüpfig, die Ausbeutungsquote der Bürger zu gering.
Nun – das ändert sich ja gerade im großen Stil – auch dank der von Goldman-Sachs konstruierten Euro-Krise, siehe Handelsblatt:
Statt Griechenland einen offenen Schuldenschnitt zu gewähren gibt es ein Bündel verschiedener Maßnahmen, die den Steuerzahler alle Geld kosten werden, die aber nicht so leicht zu durchschauen sind.
Wo der Steuerzahler für dumm verkauft wird, wird die Regierung zum Feind und Verräter – aber solche Worte benutzen wir hier nicht mehr, weil wir schon längst in der Sphäre der Alternativlosigkeit geistlos dahinvegetieren. Wir würden auch sonst merken, wohin die Reise geht, siehe Handelsblatt:
Im Wahljahr steigen die Renten, die Parteien beglücken die Ü65-Generation mit der Aussicht auf Mindestrente (SPD) oder Lebensleistungsrente (CDU). Dabei sagen Experten, dass das aktuelle Rentensystem keine Zukunft hat.
Wir können Europa nicht mehr bezahlen, wir können die Rente nicht mehr bezahlen – aber wir reden lieber nicht darüber, um die Konsumlaune nicht zu trüben. Das könnte ja dem Einzelhandel das Weihnachtsgeschäft vermiesen, bei dem man gerade (siehe Spiegel und Handelsblatt) ein dickes Plus erwartet, obwohl die Konsumlaune schon getrübt ist. Das man von dem Geld dann mit Mineralöl verseuchte Schokolade kauft (siehe Spiegel) interessiert nur am Rande. Wir haben uns schon längst daran gewöhnt, von der Industrie nur noch mit fein verpackten Abfällen gefüttert zu werden. Fröhliche Weihnachten – an dem man Benzin nicht nur im Tank, sondern auch im Magen hat. Für Leute mit „Benzin im Blut“ ein Superfest.
Unter den Sachbearbeitern, die gezwungenermaßen als Vollzugsbeamte der Armutvollstreckungsbehörden arbeiten, befinden sich auch Menschen mit einem Gewissen – und einem entsprechendem Urteilsvermögen, siehe Welt:
Dummerweise haben sie, als sie noch arbeiten konnten, ein Haus gekauft. Das müssten sie, nach dem Buchstaben des Sozialgesetzbuchs, verkaufen und den Gewinn erst einmal aufzehren, bevor sie Geld vom Staat bekommen. Jacobi ist vorhin vorbeigefahren und hat Fotos gemacht. Traurig betrachtet er das liebevoll restaurierte, wärmegedämmte Bauernhaus mit den Geranien vor den Fenstern. Ein Gesetz, das diesen Leuten nicht anders als durch Enteignung zu helfen weiß, nennt der gläubige Katholik „eine Perversion“.
Noch ein mutiger Mensch, der offen ausspricht, was alle denken, während die Medien das Gegenteil propagieren. Wir erfahren in dem Artikel auch nebenbei, wie viele Menschen schon als Opfer der Sanktionen gegen Deutschland in die Fänge der Armutsbehörde geraten sind:
Herr Jacobi hat via Computer den Zugriff auf 42 Millionen Datensätze. Das entspricht der Hälfte der Bevölkerung. Wer staatliche Leistungen beantragt, verzichtet faktisch auf die Privatsphäre. Da ist es für den gläsernen Bürger ganz gut zu wissen, dass er es mit einem Mann zu tun hat, der nicht nur gewissenhaft ist, sondern auch ein Gewissen hat.
Das erste Mal erfahren wir, wie viele Deutsche schon erfasst worden sind:
Mal ein Grund, Farbe und Wortgröße deutlich zu verändern. Zweiundvierzig Millionen Deutsche – weit mehr als die Hälfte – sind von der Armutsvollzugsbehörde erfasst worden, ihre Vermögen sind registriert und zum Einzug vorbereitet. Zweiundvierzig Millionen Deutsche leben in einem von Arbeitslosigkeit verseuchten Umfeld. Sie sind halt nicht immer alle gleichzeitig arbeitslos – aber wir können doch wohl zurecht formulieren, das zweiundvierzig Millionen Deutsche in „ungesicherten Verhältnissen“ leben – und sei es auch nur, weil die Tochter mal drei Monate arbeitslos war.
Da die Jobcenter alle Daten erheben – unter Androhung drakonischer Strafen – haben wir also aktuell 42 Millionen gläserne Bürger … und nicht nur die drei- bis sieben Millionen Arbeitslosen, die man gelegentlich offiziell zugibt.
42 Millionen Bürger, die bis aufs Hemd ausgezogen werden, mit Müll gefüttert werden, sich das teuerste Gesundheitssystem der Welt leisten – mit äußerst miserablen Leistungen – und jetzt auch noch von ihren Ärzten verlassen werden, siehe Ärztezeitung:
Das Modell, die Kassenpraxis zwei Tage in der Woche zu schließen und in der Zeit in Teilzeit als Honorararzt oder in der Schweiz zu arbeiten, werde immer häufiger von Ärzten umgesetzt
Das sind die bestbezahltesten Ärzte Europas, laut Stepstone (wir berichteten) die Spitze der Besserverdiener in der BRD – und nachdem sie das alles abgeräumt haben, machen sie die Praxis dicht und verdienen zusätzlich noch im Ausland, während die Beiträge der Steuerzahler weiter in ihre Taschen fließen.
Unsere medizinische Versorgung gleicht bald der in einem sanktioniertem Land – aber wir wollen und dürfen das nicht so sehen. Eben sowenig wie die Gewalt in Altenheimen, siehe Ärztezeitung:
Gabriele Wilkens, Dozentin für Altenpflege an der Berufsfachschule in Osterholz-Scharmbeck bei Bremen, schätzt die Dunkelziffer bei Gewalt in der Pflege „relativ hoch“ ein
Den letzten beißen die Hunde – schon jetzt kann man sehen, was für eine Welle an Gewalt über Deutschland hereinbrechen wird, wenn die 42 Millionen sanktionierten Deutschen in den Ruhestand gehen wollen und sich in einer erbärmlichen Altersarmut wiederfinden.
Schlechte medizinische Versorgung, grassierende Armut, minderwertige Nahrung: Kennzeichen eines sanktionierten Landes, die gekrönt werden von den Sanktionen der Atomlobby, die uns als Strafe für die Ausstiegsphantasien die Preise hochtreibt und den Strom abstellt, siehe Welt.
Wie das funktioniert in einem Land mit hochintelligenten Menschen? Nun – manchmal erfahren wir davon. Nicht immer, aber manchmal. So hat man auch die ganze deutsche Ärzteschaft bekommen und zu Geldsaugern umgebaut – und so bekommt man jeden, der an anderen Schaltstellen der Macht steht, siehe Handelsblatt:
Die abgewickelte WestLB hat Sparkassen-Chefs, Stadtwerker und Beamte auf Weltreise geschickt. Der Vorgang hätte ein Fall für den Staatsanwalt werden können, wenn die Bank nicht eine stille Lösung bevorzugt hätte.
„Stille Lösungen“ gibt es im ganzen Land – sonst würden ja die Zeitungen brennen müssen vor lauter Warnmeldungen. Wir finden diese Meldungen nur in der alternativen Presse, die täglich gegen die von der Regierung angeordneten Alternativlosigkeit anschreibt, siehe Hintergrund:
Jüngste Berichte, denen zufolge der taiwanesische Konzern Foxconn Fabriken in den USA errichten will, verdeutlichen, dass das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ nun in die vierte Phase eines Prozesses eingetreten ist, den man als eine „Rekolonialisierung“ bezeichnen könnte, der die USA wirtschaftlich auf einen „Dritte-Welt“-Status degradiert.
Das ist eine sehr gut Nachricht, die uns zeigt, welche Zukunft uns in Deutschland erwartet:
Foxconns Arbeiter hausen in überfüllten Schlafsälen, die sich auf dem Werksgelände befinden. Sie arbeiten in 12-Stunden-Schichten und sind üblicherweise gefährlichen Bedingungen ausgesetzt. Jüngst erkrankten 137 Arbeiter, nachdem sie iPads mit giftigen Chemikalien reinigen mussten. In den letzten fünf Jahren haben sich 17 Foxconn-Beschäftigte während der Arbeit das Leben genommen. Netze wurden rund um das Werk installiert, um jene Arbeiter aufzufangen, die aus den Fenstern springen.
Das ist unsere Zukunft, auf die wir mit großen Schritten zumarschieren. Die Altenheime dieser Zukunft werden – aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen, die mit Faschismus nichts zu tun haben – alternativlos an Konzentrationslager erinnern (falls sich dann überhaupt noch jemand an diese Todesfabriken erinnern kann). Die Zustände für Arbeiter und Angestellte werden kaum besser sein – aber ihre Lager liegen näher am Büro.
Das ist politisch so gewollt – und an vielen Dritte- und Zweite-Welt Ländern erfolgreich erprobt worden, bis man sich traute, das auch an der ersten Welt auszuprobieren – wir stehen ja nicht allein an dieser Front, sondern gehören – wie die USA selbst – zu den Opfernationen, die zur Ausschlachtung freigegeben worden sind.
Das Prinzip ist immer das Gleiche: man finanziert durch massive Verschuldung des Staates eine „Herrenkaste“, die dann – finanziell super ausgestattet, aber im sozialen Bereich ausserordentlich schwach ausgebildet – zum Melken der Eingeborenen antritt.
In Deutschland hat diese Bewegung einen Namen: Hartz IV.
Manche denken immer noch, es ging um die harmlose Zusammenlegung von Arbeits- und Sozialhilfe – das sind die, die auch dachten, in der Weihnachtsschokolade sei kein Mineralöl.
Dabei geht es um nichts anderes, als das, was man im Umgang mit feindlichen Nationen immer macht: das Volk durch Sanktionen in die Knie zwingen.
Alle Völker – der ganzen Erde.
Donnerstag, 7.6.2012. Eifel. Ein Feiertag. Ein kirchlicher Feiertag. Ein Tag, an dem ich mich frage, ob Atheisten heute eigentlich freiwillig arbeiten gehen. Wäre nur fair – die nutzen einen solchen Tag ja nicht zur Besinnung. Wir schon – zum Beispiel darüber, was wir hier eigentlich tun. Was macht man eigentlich, wenn man ein Magazin wie „Nachrichtenspiegel“ aufbaut? Man spiegelt Nachrichten … und macht sich so seine Gedanken dazu – wie ich vor 8 Monaten: Das “Neue amerikanische Jahrhundert” und die Selektionsarbeit der Schufa: Zukunft in Deutschland
Den Artikel könnt ich heute nochmal bringen – er ist aktueller denn je: die Schufa weitet ihre Selektionsarbeit exzessiv aus, siehe Welt. Jeder wird erfasst – aber auch wirklich jeder. Um mal die Frage zu beantworten, warum ich regelmässig die „erzkonservative“ Welt lese: dort findet man Artikel, über die sich andere nicht zu berichten trauen, weil sie die Chefredakteurselektion nicht überlebt haben. Manchmal sind es absolut brisante Details, die dort durchrutschen … wenn man sie in den richtigen Zusammenhang bringt. Hier finden wir zum Beispiel hoch brisante Informationen darüber, wie die Lumpenelite uns aus der Krise führen will: nachdem die reale Industrieproduktion überraschend deutlich eingebrochen ist (siehe Welt), sagt uns der Lobbyverband das Luxusgüterindustrie, wie man mit Handtaschen und Segelyachten, mit Sportwagen und handgearbeiteten Uhren Europa rettet (siehe Welt).
440 Milliarden Euro Umsatz macht diese Branche momentan, in acht Jahren sollen es 900 Milliarden sein – vorausgesetzt, der deutsche Handwerker werkelt weiter schön billig. Will der auch Geld, droht – mal wieder – der Weltuntergang. Das Lied kennen wir jetzt schon seit dreissig Jahren, es hat dazu geführt, das die Unterstützung tausender Nietenfirmen durch Subventionen im Jahresdurchschnitt vier mal so hoch ist wie die Unterstützung der Arbeitslosen … Tendenz massiv steigend, wenn man die Billionen betrachtet, die aktuell Banken retten sollen. Hier reden wie über Summen, die über FÜNFZIGMAL so hoch sind wie die Subventionen für Bürger, die den Leistungsansprüchen der Maschinengesellschaft nicht mehr genügen (und die eigentlich komplett von jenen Firmen bezahlt werden sollten, die diese unmenschlichen Standards setzen – leider sind wir von solch´ konsequenten politischen Forderungen noch weit entfernt).
Solche Zahlen in solchen Zusammenhängen findet man nicht mehr in den Nachrichten. Man klärt uns ja auch nicht oft darüber auf, das wir nach Strich und Faden ausgeplündert werden, das „die Märkte“ zum größten Teil aus kriminellen Kapital bestehen, die – laut einer Meldung des Handelsblattes – die deutschen Dax-Konzerne Stück für Stück aufkaufen. So gehört die Deutsche Post schon zu 51 % ausländischen Investoren … mit zum Teil tödlichen Folgen für die deutschen Angestellten.
„Unendliches Leid wird über Europa gebracht“, meint der Finanzexperte Felix Zulauf im Handelsblatt, der Spiegel warnt vor einem Absturz des Dax und schwacher Konjunktur in Deutschland, Joschka Fischer sieht in der Welt „Europa am Abgrund„, nochmal 40 Milliarden (das ist allein mehr als das deutsche Hartz-IV-Budget – viel mehr) brauchen allein die spanischen Banken zusätzlich (siehe Handelsblatt), die „ehrliche Alternative“ zu den Ratingagenturen (ebenfalls Handelsblatt) wertet kontinuierlich die großen „Player“ wie – aktuell – Großbritannien, Frankreich, die USA aber auch Deutschland ab.
Entwicklungen, die verständlich werden, schaut man sich eine Wirtschaft an, die in den nächsten acht Jahren zusätzlich 460 Milliarden Euro durch Luxuskonsum erwirtschaften will. Raten Sie mal, wo das Geld dafür herkommen soll …
Natürlich sollen wir immer weniger davon bekommen. Auch wenn heute nur jeder zehnte Arbeitnehmer es überhaupt bis ins 65. Lebensjahr durchhält bzw. am Arbeitsplatz gehalten wird, kriegen wir jetzt die Rente mit 67: dann bleiben wir länger in Hartz IV und die Funktionäre können ihren Gespielinnen noch mehr kostbares Geschmeide, noble Handtaschen und schicke Sportwagen schenken – über die aktuellen Lügen der Regierung (man sollte sie eigentlich LÜGierung nennen) informiert hier Das Erste.
Möglich wird dies auch durch gerichtlich legitimierte Preiserhöhungen (siehe FAZ) für immer häufigere Stromausfälle (siehe Handelsblatt), ein Konzept, das sich Deutschlandweit immer weiter durchsetzt: immer mehr Geld für immer weniger Leistung bringt maximale Rendite.
Das ist der Wahlspruch vieler asozialer Leistungsträger – er hat dafür gesorgt, das bislang 440 Milliarden Euro für Luxus zur Verfügung stehen – zum Vergleich: der gesamte Bundeshaushalt für die wirtschaftlich starken Bundesrepublik beträgt für das Jahr 2012 303 Milliarden Euro. Peinlich, das uns allein schon die Nippesindustrie überholt (ohne das die Hersteller der Luxusgüter – die Handwerker und Arbeiter – sich auch über Luxuslöhne freuen dürfen).
Und wie sieht es mit der übrigen Wirtschaft aus – die Güter für alle produziert? Sie stagniert europaweit (siehe Handelsblatt), die ehedem so mächtigen und umsatzstarken Autobauer sollen wie die Banken Hilfe aus Brüssel erhalten (wieder mal: Welt): wo Intelligenz, Geschäftstüchtigkeit und Fleiß nicht ausreichen, ausreichende Gewinne zu erwirtschaften, holt man sich – wie die Banken – eben das Geld vom Steuerzahler (und schimpft nebenbei noch mal schnell auf die Arbeitslosen, die nur einen Bruchteil der Kosten verursachen) und sorgt durch Korruption (einen aktuellen Fall findet man im Handelsblatt) oder Unterschlagung (einen aktuellen Fall hierzu findet man ebenfalls im Handelsblatt) oder gemeingefährliche unkontrollierbare Finanzspielereien (auch hier: Handelsblatt) dafür, das es in die eigenen Taschen fließt , damit man auch selbst am Konsum von Luxusnippes gehörig teilhaben kann, während bei uns eine Steigerung der Gemagebühren bis zu 2000 Prozent zu einer nie dagewesenen Pleitewelle führt (wieder: Welt).
Was sollen wir aber auch noch offiziell Musik hören – die stört nur bei der Billigarbeit.
Darf ich nochmal aus der Welt zitieren? Etwas mehr diesmal? Das muss diesmal sein:
Die Probleme … hätten sich unter ihrer Herrschaft noch „rascher verschärft.“ Die Verletzung der Menschen- und Bürgerrechte habe „extrem“ zugenommen, die Kluft zwischen arm und reich sich „dramatisch vertieft“.
Die „system-immanente Korruption ist außer Kontrolle“. Die Moral „steht vor dem Kollaps.“ Wenn es um die Zukunft gehe, fühlten sich heute „die Menschen völlig hilflos und verwirrt.“
Deutlicher kann die man Situation der laufenden Vernichtung der bundesdeutschen Zivilgesellschaft nicht beschreiben, oder? Die Schere zwischen arm und reich, die zunehmende Verletzung der Rechte verharzter Menschen, die Korruption und die mangelnde Moral – all das können wir hier und jetzt deutlich beobachten – und nach dem Wunsch der Luxusgüterindustrie soll sich ja der Erfolg dieser asozialen Praktiken in den nächsten acht Jahren mehr als verdoppeln (ja – irgenwo muss dieses Geld ja herkommen: es fällt mit Sicherheit nicht vom Himmel, erst recht nicht jetzt, wo die Banken international die Kreditvergabe drosseln – siehe Spiegel).
Leider … galt dieses Zitat nicht Deutschland.
Die „Welt“ zitiert hier einen offenen Brief der „desillusionierten“ „Mütter des Tian´anmen Massakers.
Der Titel dieses Artikels gibt auch gleichzeitig einen Ausblick auf die Zukunft der bundesdeutschen Zivilgesellschaft: erschossen, erschlagen, vom Panzer überrollt.
Zu utopisch?
Es sind die gleichen Strukturen, die aus der Volksrepublik China einen neoliberalen Staat gemacht haben: die Funktionäre verraten die Zivilgesellschaft zugunsten der Nippesindustrie – kurz gesagt.
Wenn die Piratenpartei jetzt auch ihre Funktionäre bekommt, ist auch hier in Deutschland ganz schnell wieder alles im Lot: die Nippesfunktionäre werden (entsprechend ihrer Aufgabe bei jeder anderen Partei auch) die Basis im Zaum halten (und – je nach Erfolg – im Anschluss gut dotierte Angebote bekommen) und den Wirtschaftskriminellen bei der Plünderung des Volksvermögens im Dienste krimineller Märkte helfen.
Wir werden immer länger arbeiten, immer weniger Geld bekommen, immer höhere Preise zahlen müssen und letztlich hungernd im Armenhaus landen, während der superreiche Nippesklüngel seine juwelengeschmückten Luxusköter samt designergestylten Luxusfrauchen auf der Straße flanieren lässt.
Eine schöne, neue Welt, oder?
Und Facebook hilft jetzt fleißig dabei, das jeder seinen Platz darin bekommt.
Der private Konsum ist und bleibt das Sorgenkind der deutschen Wirtschaft. Der Handelsverband Deutschland interpretiert die jüngsten Daten so:
Mit Blick auf das Gesamtjahr sagte Genth, dass es angesichts der Entwicklung des privaten Konsums und der weitgehend intakten Stimmung bei Unternehmen und Verbrauchern bescheidene Spielräume für den Einzelhandel geben könne. Allerdings gebe es wegen der Euro-Krise, steigender Energiepreise und Krankenkassenbeiträge auch Risiken für Verbraucherstimmung und Konsum. Daher halte der HDE an seiner Umsatzprognose von nominal plus 1,5 Prozent für das Gesamtjahr fest. Bei der momentanen Preissteigerung würde dies real ein leichtes Minus bedeuten. „Für das Herbst- und Weihnachtsgeschäft werden die Verbraucherstimmung aber auch die Entwicklung der Energiepreise entscheidend für den Konsum sein, der im bisherigen Jahresverlauf von der starken Entwicklung am Arbeitsmarkt profitiert hat“, so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth.
Quelle: HDE
Bescheidene Spielräume für den Einzelhandel ergeben sich also aus der Tatsache eines zu erwartenden realen Umsatzrückgangs in diesem Jahr. Diese Logik ist beeindruckend, aber durchaus stringent. Denn das statistische Bundesamt hat letzte Woche nicht nur die Zahlen zu den Umsätzen im Einzelhandel veröffentlicht, sondern auch zu der Entwicklung der Tarifeinkommen folgende “neutrale” Stellungnahme abgegeben:
Die tariflichen Monatsverdienste der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland sind von April 2010 bis April 2011 insgesamt um 1,5 % gestiegen. Damit zeichnet sich nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) eine Trendwende bei den Tarifverdiensten ab. Seit Oktober 2009 (+ 3,0 %) war die Steigerungsrate beständig zurückgegangen und hatte im Januar 2011 nur noch + 0,9 % betragen.
Quelle: destatis
Das statistische Bundesamt spricht von einer Trendwende und ignoriert die Verbraucherpreisentwicklung. Die nominale Steigerungsrate bei den Tarifeinkommen von 1,5 Prozent wird als solche nicht gekennzeichnet. Der Hinweis auf die reale Veränderung der Tarifeinkommen, d.h. in der Fachsprache “preisbereinigt”, wird gar nicht erst angeführt. Aber das können sie sich selbst ausrechnen.
Quelle: destatis
Im Schnitt gab es im Jahr 2011 einen Anstieg der Verbraucherpreise von über zwei Prozent. D.h., dass Arbeitnehmer mit Tarifeinkommen erneut reale Einkommensverluste hinnehmen mussten. Dazu kommt, dass die Tarifbindung in Deutschland weiter rückläufig ist.
Das deutsche System der Flächentarifverträge erlebt seit Mitte der 1990er Jahre einen sichtlichen Erosionsprozess, der in einem anhaltenden Rückgang der Tarifbindung zum Ausdruck kommt. In Zahlen: Im Jahr 2010 wurden in ganz Deutschland gerade noch 33 Prozent der Betriebe und 60 Prozent der Beschäftigten durch einen Tarifvertrag erfasst. Im Kernbereich der Flächentarifverträge ist die Tarifbindung noch ein paar Prozentpunkte niedriger: Die bundesweiten oder regionalen Branchentarifverträge gelten noch für die Hälfte der Beschäftigten (52 Prozent) und für weniger als ein Drittel der Betriebe (30 Prozent).
Quelle: Magazin Mitbestimmung (Hans-Böckler-Stiftung)
Die Zunahme bei den Tariflöhnen ist daher im wesentlichen von der Entwicklung der übrigen Bruttoeinkommen abgeschnitten. Die Ausbreitung von atypischer Beschäftigung wie Leiharbeit oder Minijobs sowie der politisch betriebene Ausbau des Niedriglohnsektors haben in Wirklichkeit zu einem dramatischen Verfall der Arbeitnehmereinkommen geführt. Zuletzt wurde das durch eine Studie des DIW untermauert.
Die Löhne von Geringverdienern sind seit der Jahrtausendwende rapide gesunken. Beschäftigte in den unteren Einkommensgruppen hatten im vorigen Jahr 16 bis 22 Prozent weniger in der Tasche als im Jahr 2000. Auch Menschen mit mittlerem Gehalt mussten deutliche Einbußen hinnehmen. Bei Besserverdienenden sind die realen Nettoeinkommen dagegen minimal gestiegen. Das zeigen bisher unveröffentlichte Daten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).
Quelle: Berliner Zeitung
Es stellt sich also noch immer die Frage, woher die “binnenwirtschaftlichen Auftriebskräfte” kommen sollen, die der Bundeswirtschaftsminister Rösler als Stütze des deutschen Aufschwungs erkannt haben will.
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Wenn selbst die fingierte Statistik einen Anstieg der Arbeitslosigkeit ausspuckt, sind natürlich immer jahreszeitliche Effekte verantwortlich. Im Winter ist es das schlechte Wetter und im Sommer die Urlaubszeit. Inzwischen muss man aber davon ausgehen, dass nicht nur das Sinken der offiziellen Arbeitslosenzahl, sondern auch ihr Steigen etwas mit der amtlichen Definition von Arbeitslosigkeit zu tun hat.
Denn wie sie inzwischen wissen dürften, werden längst nicht alle Bezieher von Arbeitslosengeld I und II auch als arbeitslos gezählt.
Von den Arbeitslosengeld-Empfängern waren im Juli 688.000 oder 88 Prozent arbeitslos gemeldet. 90.000 Arbeitslosengeld-Empfänger wurden nicht als arbeitslos geführt, z.B. weil sie vorruhestandsähnliche Regelung in Anspruch nahmen, arbeitsunfähig erkrankt waren, sich in einer Trainingsmaßnahme befanden oder an Maß-nahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung teilnahmen.
Quelle: Monatsbericht Juli 2011
Im letzten Monatsbericht hieß es hingegen noch:
Von den Arbeitslosengeld-Empfängern waren im Juni 640.000 oder 87 Prozent arbeitslos gemeldet. 98.000 Arbeitslosengeld-Empfänger wurden nicht als arbeitslos geführt, z.B. weil sie vorruhestandsähnliche Regelung in Anspruch nahmen, arbeitsunfähig erkrankt waren, sich in einer Trainingsmaßnahme befanden oder an Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung teilnahmen.
Quelle: Monatsbericht Juni 2011
Das heißt, der Anstieg der Arbeitslosigkeit im Juli ist auch auf den besseren Gesundheitszustand der Erwerbslosen zurückzuführen, die im Juni zwar auch schon arbeitslos waren, aber nicht gezählt wurden, weil sie arbeitsunfähig erkrankt waren.
Das soll nur ein Beispiel unter vielen sein, für die absurden Zählmethoden der Bundesagentur, die auch nicht wirklich zählt, sondern immer mehr schätzt.
Fakt ist, dass sich der Anteil der Langzeitarbeitslosen wieder erhöht hat (um 1 auf 34 Prozent) und die Zahl der Unterbeschäftigung bei über 4 Millionen (4.091.291) verharrt. Das entspricht einer Quote von 9,6 %.
Die Beschäftigungssituation wird nach wie vor unter einem quantitativen Gesichtspunkt betrachtet. Egal welche Arbeit zu welchen Konditionen auch angeboten und verteilt wird, sie fließt ungefiltert als positive Erscheinung in die Statistik ein. Das größte Plus mit über 20 Prozent Zuwachs verzeichnet immer noch die Leiharbeitsbranche. Insgesamt gebe es knapp 41 Millionen Beschäftigte, davon aber nur rund 28 Millionen in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Wie hoch der Anteil der Vollzeitbeschäftigten ist, erfährt man aber nicht.
Die Verkündung der Einzelhandelszahlen ist diesmal etwas lustiger ausgefallen. Das statistische Bundesamt traut nämlich der eigenen Statistik nicht mehr so recht über den Weg.
Methodische Hinweise:
Methodische Änderung ab Berichtsmonat Juni 2011
Die Ergebnisse basieren ab dem Berichtsmonat Juni 2011 auf einem neuen Berichtskreis, da ein Teil der Unternehmen in der Erhebung ausgetauscht wurde. Der Berichtskreis ist damit aktueller und repräsentativer, wodurch die Konjunkturbeobachtung am aktuellen Rand verbessert wird.[…]
Erfahrungsgemäß stellt ein Teil der neuen Stichprobenunternehmen seine Angaben zunächst nicht zeitgerecht zur Verfügung. Die Umsätze für den Juni weisen darum etwas größere Schätzanteile (27,2 %) auf als im Durchschnitt der ersten Monate diesen Jahres (26,0 %).
Quelle: destatis
Im Ergebnis für Juni heißt es dann:
Die deutschen Einzelhandelsunternehmen setzten im Juni 2011 nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) nominal 0,5 % mehr und real 1,0 % weniger um als im Juni 2010. Der Juni 2011 hatte mit 24 Verkaufstagen zwei Verkaufstage weniger als der Juni 2010, da Christi Himmelfahrt und Pfingstmontag in diesem Jahr in den Juni fielen. Im Vorjahr lagen diese Feiertage im Mai. Im Vergleich zum Mai 2011 ist der Umsatz im Juni 2011 unter Berücksichtigung von Saison- und Kalendereffekten (Verfahren Census X-12-ARIMA) nominal um 6,1 % und real um 6,3 % gestiegen.
Das verstehe bitte wer will. Der Juni 2011 hatte zwei Verkaufstage weniger als der Juni 2010, dafür aber Feiertage und trotzdem wurde im aktuellen Zeitraum real 1,0 Prozent weniger umgesetzt. In diesem Jahr fielen die Feiertage in den Juni, deshalb ein schlechteres Geschäft, so die Statistiker. Was heißt das nun? Ich dachte immer, Feiertage sorgen gerade für verstärkte Umsätze oder spielt die Tatsache, dass man sich an Himmelfahrt und Pfingsten nichts schenkt so eine große Rolle? Traditionell sind der Mai und der Juni aber sehr umsatzstarke Monate. Das weiß jeder, der im Einzelhandel tätig ist oder war.
In diesem Jahr gab es im Mai aber überhaupt nix zu feiern, selbst der Tag der Arbeit fiel auf einen Sonntag. Die deutliche Zunahme der Umsätze im Juni gemessen an den Ergebnissen vom Mai scheinen daher diesem Umstand Rechnung zu tragen. Aus Sicht der Statistiker wäre es nun aber blöd gewesen, die Zunahme der Umsätze im Juni nun auch noch mit den Feiertagen zu erklären, nachdem diese schon für einen Rückgang der Umsätze im Jahresvergleich herhalten mussten.
Focus Online schreibt übrigens unter der Jubelüberschrift: „Stärkstes Umsatzplus seit 1994“
„Die Daten könnten allerdings statistisch verzerrt sein, hieß es in der Behörde. Denn der Mai habe drei Verkaufstage mehr gehabt als vor einem Jahr, der Juni hingegen zwei Tage weniger. „Diese Konstellation hat es noch nie gegeben“, sagte ein Statistiker zu Reuters. Das sogenannte Saisonbereinigungsverfahren, das jahreszeitliche Schwankungen ausgleichen soll, habe dies möglicherweise nicht völlig widerspiegeln können.“
Jedenfalls ist der Bierabsatz im ersten Halbjahr 2011 um 1,0 Prozent gestiegen. Das nun wiederum ist keine Statistikstolperei, sondern sehr wohl nachvollziehbar.
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Manche Menschen glauben, die Welt um sie herum ist gerade völlig in Ordnung. Sie haben Geld in der Tasche, nebenan ist Aldi, im Fernsehen laufen Seifenopern und die Medien bestätigen das Lebensgefühl: es ist alles in Ordnung, es ist alles gut, die Regierung kümmert sich in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft liebevoll um alles, was Sorgen bereiten müsste, damit wir am Abend während unsere Lieblingsserie (die auch gerne unsere Heile-Welt-Sicht bestätigt) ein Gläschen Wein schlürfen und an ein paar Träubchen knabbern können.
Die Reduktion des eigenen Lebens auf den Alltag und die Lösung seiner Probleme ist nun nicht grundverkehrt. Sie ist ein Schlüssel zum Glück. Glück ist etwas Feines, das merke ich jeden Tag. Mir reicht ein Blick aus dem Fenster, ein Gang durch den Garten, eine Wanderung durchs Tal, eine kleine Pause am rauschenden Bach und ich erfreue mich eines Lebens, das wunderbarer nicht sein könnte – obwohl ich objektiv betrachtet an privaten Problemen nahezu ersticke.
In solchen Momenten des Glücks – die nahezu beliebig reproduzierbar sind – kommt mir der Gedanke, wie schön und friedlich die Welt doch sein könnte, wenn alle so ein Glück empfinden könnten, vor allem, weil es ein äußerst preiswertes Glück ist, das erstmal prinzipiell nichts kostet. Seitdem jedoch der Nahversorger in Folge der Wirtschaftskrise pleite gemacht hat und der Nahverkehr im Zuge der Krise der Staatsfinanzen abgeschafft wurde, merkt man schon, das man ohne Auto schnell an seine Grenzen stößt. Es fällt angesichts der zunehmenden Einschränkungen im Alltag schwer zu glauben, das alles wunderbar in Ordnung ist, vielmehr mehren sich die Anzeichen, das alles immer schlimmer wird, manche warnen sogar schon davor,
den Städten zu bleiben. Dort wird es schlimm werden angesichts der Krise.
Hunger kann Glück sehr stören und die Versorgung der Stadtbevölkerung mit Nahrungsmitteln steht seit der „Just-in-Time“-Hysterie auf tönernen Füssen. Rollen die LKW´s nicht mehr sind die Regale nach ein paar Tagen leer – die Wirtschaft trifft halt weniger Vorsorge und spart dadurch Lagerkosten, was die Rendite erhöht.
Natürlich vertrauen wir auch der Wirtschaft. Alles grundsolide Kaufleute dort, die nichts anderes im Sinn haben als das Wohl der Bevölkerung, als unsere Versorgung mit Seifenopern, Wein und Träubchen – außer natürlich in Griechenland, wo sogar die Privatisierung des Staatsvermögens ins Stocken gerät, weil sich keine Käufer finden. Das wird schlimm für die Griechen. Wein und Träubchen werden die nicht mehr bekommen, dafür werden sie selbst zur Seifenoper. Schlimm wäre es auch für uns, wenn wir erfahren würden, wie die Gemeinden die Steuergelder durch Swap-Geschäfte in den Sand gesetzt haben, doch hier sorgt eine aktuell aufgedeckte Verschwörung zwischen Gemeinden und West-LB für Ruhe: wir erfahren einfach nichts mehr darüber, die Vertuschung sollte diesmal perfekt sein. Nichts soll unser TV-Erlebnis stören, weshalb sich auch keiner groß für die Auseinandersetzungen mit der Finanzindustrie stark macht, die an der Quelle der Misere – in den USA – mit viel Geld dafür sorgt, das sie ihre Gaunereien weiter betreiben kann, während Japan schon mal vormacht, wie man Obdachslose in AKW´s verheizen kann.
Für uns jedoch gilt die Losung: alles in Ordnung, der Normalbürger ist völlig in Sicherheit, nichts bringt den Genuss von Wein, Träubchen und Seifenoper in Gefahr, der Aufenthalt in der Traumwelt des Konsumparadieses ist völlig sicher und ohne jede Nebenwirkungen, es sei denn … man wird arbeitslos.
Gut, wir wissen ja: Arbeitslosigkeit trifft nur die Bösen. Das sagt man uns jedenfalls. In Wirklichkeit trifft Arbeitslosigkeit die Fleissigen, für die dann eine ganze Welt zusammenbricht – und selbst die vielgesuchten Fachkräfte kommen trotz aller Anstrengungen aus dieser Tretmühle nicht mehr heraus.
So langsam merken wir: alles Lüge. Na ja, vielleicht nicht alles, aber … einiges. Wir wissen nur nicht genau, was.
Das unser Geld nichts mehr wert ist, keinen Eigenwert mehr hat, sollten wir jedoch wissen. Selbst als Reiche sitzen wir nur auf einem Haufen von Papier, mehr nicht. Reiche wissen das, weshalb sie auch nach realen Werten ausschau halten, nur unsere Alltagsträumer glauben, das Banknoten Zauberkraft besitzen und sich jederzeit an allen Orten der Welt in lebensnotwendige Waren verwandeln können. Eigentlich sind solche Leute zu beneiden, eigentlich sollte man ihnen ihre Träume lassen, wenn sie nicht … auch Täter wären. Das bringt eine vernetzte arbeitsteilige Gesellschaft so mit sich: man mordet nicht mehr selber, man hat Leute dafür.
So sterben in Afghanistan Kinder für das System, das uns die Seifenopern, die Träubchen und den Wein liefert (wobei es hier um Öl für die Just-in-Time-Kette geht), Tripolis wird in die Steinzeit zurückgebombt – letztlich auch für billige Träubchen. Nur sind die Zusammenhänge inzwischen so verzwickt wie die Swap-Geschäfte der Gemeinden und leicht zu verschleiern, wenn alle Täter nur zusammenhalten.
Und so verwundert es nicht, das wir langsam zu einer kannibalistischen Kultur verkommen, ja eigentlich schon längst dort angekommen sind, was die Kunst zuerst bemerkt.
Blut, Schweiß und Tränen sind der Treibstoff für unsere abendlichen Genussorgien – echtes Blut, echter Schweiß, echte Tränen. Ob wir wirklich noch genug Rückgrat haben, NEIN zu sagen, wenn man uns weiß macht, das die Verwurstung von Arbeitslosen alternativlos ist? Was für Menschen werden wir sein, wenn wir aus den Alltagsträumen erwachen, wenn Wein und Träubchen verzehrt sind, die Steckdose tot ist und wir merken, in welcher Welt wir wirklich leben?
In den Vorstadtchroniken des Comiczeichners Caza werden wir zu menschenfressenden Zombies, wenn der Strom ausfällt.
So unvorstellbar?
Zwischen uns und dem Wilden, dem Kannibalen ist eine viel zu große Kluft, wir sind viel zu zivilisiert dazu?
Also … für den Philosophen aus der Eifel ist die Kluft nicht zu erkennen. Zwischen dem Verspeisen der Ahnen und der Organspende sehe ich keinen prinzipiellen Unterschied. Und ob unsere lebensuntauglichen Wohlstandsparasiten den Mut haben, in Zeiten des Hungers auf das Verspeisen des Nachbarn (oder des fremden Durchreisenden) zu verzichten, wage ich angesichts des Verfalls der Ethik und Moral zu bezweifeln.
Die Hartz IV-Gesetzgebung lebt das Prinzip doch schon vor: wenn ein Mensch nicht mehr zur wirtschaftlichen Verwertbarkeit taugt, darf er wirtschaftlich ausgeschlachtet werden.
Wen stört das denn wirklich … außerhalb des Kreises der Opfer des Sozialkannibalismus?
Das statistische Bundesamt hat die detaillierten Ergebnisse zum ersten Quartal des Jahres bekanntgegeben. Bereits vor gut eineinhalb Wochen hatte die Behörde von einem „schwungvollen Start“ der deutschen Wirtschaft gesprochen und die Entwicklung des Binnenkonsums besonders betont. In der Meldung hieß es:
Sowohl die Investitionen in Ausrüstungen und in Bauten als auch die Konsumausgaben konnten zum Teil deutlich zulegen.
Quelle: destatis (13.05.2011)
Die Absicht war klar. Es sollte der Eindruck erweckt werden, als steuerten die privaten Konsumausgaben einen wesentlichen Teil zum Aufschwung bei. Die Regierung hätte schließlich ein Problem, wenn abermals sichtbar würde, dass das Wirtschaftswachstum spurlos an den abhängig Beschäftigten vorbeiginge.
In der ausführlichen Darstellung der Statistiker heißt es nun sehr klar und deutlich:
Positive Impulse kamen im ersten Vierteljahr 2011 vor allem von der Binnenwirtschaft: Sowohl die Investitionen als auch die Konsumausgaben konnten zum Teil deutlich zulegen. Insbesondere in Bauten (+ 6,2%) sowie in Ausrüstungen (+ 4,2%) – darunter fallen hauptsächlich Maschinen und Geräte sowie Fahrzeuge – wurde zu Beginn des Jahres 2011 deutlich mehr investiert als im Schlussquartal 2010. Die privaten Konsumausgaben legten im Vergleich zum Vorquartal leicht zu (+ 0,4%), die staatlichen Konsumausgaben etwas deutlicher (+ 1,3%).
Quelle: destatis (24.05.2011)
Noch immer wird behauptet, dass die deutsche Wirtschaft schwungvoll ins Jahr gestartet sei und die Konsumausgaben zum Teil deutlich zugelegt hätten, obwohl am Ende eine nur „leichte“ Zunahme aus den konkreten Daten konstatiert werden kann. Sie sehen an diesem Beispiel sehr schön die Absicht zur Verschleierung der tatsächlichen Entwicklung. Das Wachstum der Binnenwirtschaft hing im ersten Quartal ganz klar von einer nachholenden Investitionstätigkeit der Unternehmen ab sowie einer Zunahme der Bautätigkeit, was zu diesem Zeitpunkt keine sonderliche Überraschung ist.
Es hing aber in keinem Falle von deutlich höheren privaten Konsumausgaben ab!
Besonders amüsant wird es, wenn sich die Propagandaorgane selbst widersprechen. Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) teilt einen Tag nach der Veröffentlichung der Quartalszahlen mit, dass sich die Kauflaune der Deutschen eingetrübt hätte.
Nach dem kleinen Dämpfer im Vormonat muss die Stimmung der Verbraucher auch im Mai dieses Jahres Verluste hinnehmen. Sowohl die Konjunktur- und Einkommenserwartungen wie auch die Anschaffungsneigung erleiden aktuell Einbußen.
Die Verschärfung der Schuldenkrise in Griechenland sowie die anhaltend hohen Energiepreise dämpfen den Optimismus, den die Konsumenten bislang an den Tag legten.
Quelle: GfK
Für den Wirtschaftsminister Rösler ist das natürlich kein Grund, seine Aufschwungseuphorie, die er von seinem Vorgänger anscheinend übernommen hat, zu dämpfen.
„Der private Konsum hat sich zu einer zuverlässigen Stütze des Aufschwungs entwickelt. Die Aussichten sind gut, dass dies auch im weiteren Jahresverlauf so bleibt. Die Zahlen zeigen, dass die Verbraucherstimmung trotz eines leichten Rückgangs weiterhin positiv ist. Damit runden sie das Bild nach den beiden günstigen Meldungen von gestern ab.“
Quelle: BMWi
Damit rundet sich aber gar nichts ab, sondern der Eindruck verfestigt sich vielmehr, dass das FDP geführte Wirtschaftsministerium nur dazu da ist, um gute Stimmung zu verbreiten, egal wie die Lage auch sein mag.
Dabei zeigt der Blick auf die Wachstumsbeiträge recht deutlich, auf welch tönernen Füßen die Behauptungen Röslers und der Statistiker stehen, der private Konsum sei zu einer Stütze des Aufschwungs geworden.
Von der 1,5 Prozent Zunahme entfallen ein Prozent auf binnenwirtschaftliche Impulse und 0,5 Prozent auf den Außenbeitrag (Export). Wie sie sehen, tragen die privaten Konsumausgaben aber gerade einmal 0,2 Prozent zum Wachstum bei, wohingegen die entscheidenden Beiträge wie immer vom Export und den oben bereits erwähnten Bruttoanlageinvestitionen beigesteuert wurden. An der Darstellung können sie auch sehen, warum die Investitionen zugenommen haben. Im letzten Quartal 2010 kam aus diesem Bereich nämlich nix. Ein Nachholeffekt, der von der weltweiten Konjunkturentwicklung befeuert wird, ist so gesehen die logischerer Erklärung, als fortwährend zu behaupten, die deutsche Wirtschaft befände sich auf einem stabilen von Binnenimpulsen getragenen Wachstumspfad.
Die deutsche Wirtschaft ist nach wie vor von der Entwicklung auf den Weltmärkten abhängig. Sollte die Konjunktur dort wieder einbrechen, was wahrscheinlich ist, wenn alle der verordneten Austeritätspolitik Folge leisten, stürzt die deutsche Lokomotive wieder ganz schnell in jenes Jammertal, in das sie schon 2009 fiel. Der Vergleich zum Vorquartal sieht übrigens auch deshalb so gut aus, weil es sich hierbei um den schwächsten Abschnitt des vergangenen Jahres handelt. Dennoch waren im vierten Quartal 2010 die privaten Konsumausgaben zum Beispiel noch um 0,6 Prozent gestiegen.
Mich stört allerdings nicht so sehr die amtliche Aufschwungspropaganda und auch nicht die blumige Kommentierung durch den neuen Brüderle. Anhand der Zahlen ist das ja leicht zu widerlegen. Was mich stört, sind die Medien, die diesen Quatsch einfach nur weitergeben und das Ganze noch mit der Kaffeesatzleserei vom ifo-Institut garnieren.
Sie müssen sich das einmal vorstellen. Auf der einen Seite wird die tolle Entwicklung der deutschen Wirtschaft gefeiert, sowie der Export, der sich wieder sehr positiv entwickelt und deutlich über den Importen abgeschlossen habe, und im nächsten Satz wird darüber berichtet, das Griechenland und der Rest der EU weiter in ernsten Problemen stecke. So als ob zwischen diesen beiden Sachverhalten kein Zusammenhang bestehen würde. Nichts gelernt aus der Krise, kann man da nur sagen.
Denn während Deutschland schon wieder dabei ist, Überschuss um Überschuss anzuhäufen, was Wirtschaftsminister Rösler wohl mit dem Ausdruck „glänzende Verfassung“ gemeint hat, bilden die europäischen Partner im gleichen Umfang weiter Defizite, die die Krise nur verschärfen.
Die deutsche Wirtschaft wächst schon wieder auf Kosten der anderen!
Das bestätigen aber nicht nur die Quartalszahlen des statistischen Bundesamts, sondern auch die Nachrichten zur Einkommens- und Gewinnentwicklung. Auf Jahnkes Infoportal können sie zu diesem Aspekt entsprechende Fakten zusammengefasst nachlesen.
Tatsächlich haben sich einerseits die Unternehmens- und Vermögenseinkommen erstaunlich rasch von der Krise erholt, wozu vor allem größere Gewinne nach Einsparung bei den Personalkosten und niedrige Finanzierungskosten sowie der Aufschwung an den Aktienmärkten beigetragen haben. So legten sie um weitere 9,0 % gegenüber dem Vorjahresquartal zu, was nach Abzug der BIP-Inflation immer noch 8,6 % waren.
Über den ganzen Zeitraum seit dem Jahr 2000 sind die Nettolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer verbraucherpreisbereinigt um fast 3 % gesunken, während die Unternehmens- und Vermögenseinkommen trotz des Einbruchs in 2008 bereinigt um den BIP-Inflator um 47 % expandiert sind.
Der Aufschwung kommt vor allem in den Kassen der Anteilseigner an. Gewinne und Vermögen wachsen unaufhaltsam weiter. In diesem Jahr wurden bereits über 31 Mrd. Euro an Dividenden ausgeschüttet. Das Geldvermögen der privaten Haushalte soll inzwischen die fünf Billionen Grenze überschritten haben. Das kann man durchaus als schwungvoll bezeichnen. Mit der Realität der meisten Menschen, die in erster Linie Verzicht üben, um Banken zu retten, hat das aber rein gar nichts zu tun. Das müssten wache Journalisten eigentlich erkennen.
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Einen Beitrag zu den Einzelhandelsumsätzen bin ich letzte Woche noch schuldig geblieben. Das hole ich hiermit nach.
Wie das statistische Bundesamt am vergangenen Donnerstag mitteilte, haben die Umsätze im Einzelhandel im Januar um real 2,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zugelegt. Bevor deswegen einmal mehr Jubelstürme losbrechen und das Märchen vom Konsumboom neue Nahrung erhält, sollte man die Daten einordnen und die Entwicklung der Umsätze anhand einer grafischen Darstellung genauer betrachten.
Umsatz (2005=100, kalender- und saisonbereinigt)
Die Grafik werde ich für die folgenden Monate fortsetzen
Im Januar gab es also einen kleinen Schritt nach oben auf der Treppe im Umsatzkeller. Aber wie sie an der Grafik sehr schön sehen können, ist das nicht außergewöhnlich. Der erkennbare Abwärtstrend wurde immer mal wieder von positiven Ausschlägen begleitet. Gründe für eine Trendumkehr gibt es aber nach wie vor keine. Insgesamt bewegt sich das Niveau der Umsätze immer noch deutlich unterhalb des Vorkrisenzeitraums und selbst da kann von einem Konsumboom keine Rede sein.
Immerhin dämpfen die Einzelhändler selber die Erwartungen, die beispielsweise durch GfK-Konsumklima- und ifo-Index sowie Rainer Brüderle immer wieder realitätsfern formuliert werden. Steigende Preise für Kraftstoffe und Energie könnten die Geschäfte der Händler belasten, heißt es. Man sei vorsichtig optimistisch. Steigende Preise für Kraftstoffe sind natürlich das eine, aber viel wichtiger ist doch die Tatsache, dass die Einkommen auch in diesem Jahr weiter stagnieren werden.
Quelle: ver.di
Nehmen sie als Beispiel die bevorstehenden Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst. Erste Warnstreiks hat es dort bereits gegeben. Rainer Brüderle hatte letztes Jahr noch einen kräftigen Schluck aus der Lohnpulle gefordert, weil der Aufschwung auch bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ankommen müsse. Nun hätte er also Gelegenheit seinem Länderkollegen Möllring aus Niedersachsen, der mal wieder Verhandlungsführer für die Arbeitgeber spielt, auf die Finger zu klopfen. Doch Brüderle bleibt still. Finanzminister Hartmut Möllring hingegen gibt weder ein Angebot ab, noch hält er es für nötig, auf die Gewerkschaften zuzugehen. Im Gegenteil. Er sendet, wie all die Jahre zuvor, eine klare Botschaft.
Die Gewerkschaft Verdi müsse «einsehen, dass sowohl drei Prozent als auch 50 Euro mehr pro Monat nicht gehen», sagte er der «Stuttgarter Zeitung» (Samstag) mit Blick auf die leeren Kassen der Länder. «Und wenn schon jede Einzelforderung für sich nicht geht, ist offenkundig, dass beides zusammen gar nicht geht. Diese Einsicht muss bei der Gewerkschaft noch greifen, dann werden wir ein Ergebnis bekommen.»
Quelle: Süddeutsche
Bei den Einkommen der Menschen geht gar nichts. Das ist die Botschaft, die sie bitte kapieren sollen, also neben der Tatsache, dass Aufschwung ist, die Wirtschaft boomt und die Menschen künftig mehr einkaufen werden.
Zum Möllringschen Blick auf leere Kassen der Länder bleibt nur zu sagen, dass Hartmut Möllring gerade der Finanzminister ist, der die landeseigene Beteiligungsgesellschaft von Hannover ins Emsland verlegen ließ, um Steuern zu sparen. Damit gehört es offensichtlich zur Politik des Vorsitzenden der Tarifgemeinschaft der Länder, auf gerade jene Einnahmen zu verzichten, die gebraucht werden, um die Mitarbeiter besser bezahlen zu können.
Der ein oder andere mag jetzt pingelig anmerken, dass die entgangene Gewerbesteuereinnahme ja nicht dem Finanzminister, sondern dem Kämmerer der Stadt Hannover fehlt, aber genau das ist ja das Problem bei der Steuerflucht. Am Ende wird der Fehlbetrag immer in der Kasse der öffentlichen Hand verbucht werden müssen. Dazu kommt natürlich die Tatsache, dass die Kommunen verpflichtet sind, einen Anteil der Gewerbesteuereinnahmen an Bund und Länder abzuführen. Herr Möllring oder einer seiner Nachfolger wird diesen fiskalpolitischen Unsinn früher oder später zu spüren bekommen.
Der Vorgang zeigt im Prinzip nur eins. Die Kassen der öffentlichen Hand sind nie leer genug, um noch viel mehr öffentliche Mittel und Ressourcen sinnlos zu verschwenden. Sei es für Steuergeschenke oder für sparwütige Finanzminister wie Möllring, die, offenbar mit einem Zauberdiplom im Rechnen ausgestattet, ihren Haushalt kurzfristig und auf Kosten der Amtskollegen in den Kommunen aufzuhübschen beabsichtigen.
Es ist noch keine Woche vergangen, als durch das statistische Bundesamt bekannt wurde, dass das Weihnachtsgeschäft und das gesamte letzte Jahr im Einzelhandel eine einzige Katastrophe war – keinen hat es interessiert – und heute darf die Gesellschaft für Konsumforschung schon wieder positive Konsumstimmung verbreiten. Deutschland sei im Höhenflug steht in der Überschrift zum Ausblick der GfK für das Jahr 2011 und die Medien berichten schon wieder unkritisch über die Konsumlüge, die sie als solche natürlich nicht erkennen wollen.
Die Deutschen finden immer mehr Gefallen am Geldausgeben.
Quelle: Reuters
Worauf begründet sich diese Aussage? Natürlich auf den absolut zuverlässigen Prognosen der GfK, die stets weit von dem entfernt sind, was tatsächlich durch reale Umsätze gemessen wird. Die Anschaffungsneigung befinde sich erneut auf Rekordniveau, heißt es. Doch was bedeutet das? Rein gar nichts. Angesichts der Tatsache, dass die Kauflaune ungebrochen hoch sei, die Umsätze im Einzelhandel aber stetig zurückgehen, müsste sich die GfK und vor allem die Medien doch einmal fragen, ob die Methode noch angebracht und das Ergebnis überhaupt aussagefähig ist. Besonders seltsam finde ich diesen Absatz in der Pressemitteilung der GfK:
Vom „Konsum-Muffel“ zum „Konsum-Optimisten“
Der europäische Vergleich zeigt deutlich, dass Deutschland derzeit eine Sonderstellung einnimmt. Der Aufschwung beflügelt nicht nur die Unternehmen, auch die Stimmung der Verbraucher hat sich nachhaltig gebessert. Galten die Deutschen früher als Angstsparer und äußerst preissensible Konsumenten, so achten sie heute immer stärker auf Qualität und geben ihr Geld gerne aus.
Im europäischen Vergleich zeigt sich vor allem, dass sich ganz Europa in einem Abwärtsstrudel befindet. Deutschland nimmt keine Sonderstellung ein, allenfalls bei der offiziellen Leugnung einer sehr deutlichen Kaufzurückhaltung. Im aktuellen Eurostat-Bericht findet sich demnach auch kein Vermerk über eine deutsche Sonderrolle. Dafür einmal mehr eine ziemlich eindeutige Tabelle:
Wie sie dort sehen können, steht bei Deutschland über das gesamte Jahr 2010 ein Wert unter 100 Prozent. Als Basis fungieren die Umsätze aus dem Jahr 2005! D.h, dass der deutsche Einzelhandel zu keinem Zeitpunkt eine Konsumparty erlebt haben kann. Im Gegenteil, wir liegen noch weit unter dem Niveau von 2005. Wenn es also eine deutsche Sonderrolle gäbe, wie es die GfK behauptet, dann besteht die zweifelsohne aus einer nach wie vor schwachen Binnennachfrage.
Es ist auch überhaupt nicht nachvollziehbar, woher die GfK und die berichtenden Medien die Gewissheit nehmen, dass im Jahr 2011 der private Konsum gerade in Deutschland an Fahrt gewinnen soll. Interessant ist dabei die Begründung, warum man das in anderen Ländern gerade nicht erwartet. Im Reuters-Bericht heißt es zusammenfassend:
Innerhalb Europas geht es den Deutschen der GfK zufolge derzeit sehr gut. Die Franzosen befürchteten, dass ihr Lebensstandard abnehmen werde. Auch die Italiener schränkten ihren Konsum ein. In Großbritannien bremse das scharfe Sparpaket der Regierung die Konsumausgaben, in Spanien die Immobilienkrise und die hohe Arbeitslosigkeit. Am stärksten seien aber die Griechen und Rumänen von der Krise getroffen worden. Ihnen stünden nun höhere Steuern und ein schwächerer Sozialstaat ins Haus.
So als ob es das 80 Mrd. Sparpaket der deutschen Bundesregierung nicht geben würde. Unsere Regierung streicht genau wie alle anderen vor allem im öffentlichen und sozialen Bereich. Bei allen anderen führt das, wie oben zu lesen ist, zu einem Konsumverzicht, nur bei uns Deutschen nicht. Sehr seltsam. Wahrscheinlich werden die Deutschen den Kosum jetzt richtig anfeuern, nachdem sich das schwarz-gelbe Pannenkabinett auf eine Erhöhung der Werbungskostenpauschale rückwirkend zum 1. Januar geeinigt hat. Bei einigen Steuerzahlern soll sich diese schwere politische Totgeburt mit zwei bis drei Euro bemerkbar machen. Wie gut, dass der Beitrag zur Krankenversicherung nur um 0,6 Prozentpunkte (etwa 10-20 Euro pro Monat mehr) gestiegen ist, da wirkt die Ersparnis aus der großen Steuervereinfachung, auf der sich vor allem die FDP besonders viel einbildet, etwas dämpfend auf den Netto-Verlust.
Es ist einfach nicht zu fassen!
Der Februar ist kurz, dennoch wird das Wunschdenken der harten Realität weiterhin vorgezogen werden. Beim privaten Verbrauch konnte man das gestern schon sehen. Trotz niederschmetternder Umsatzzahlen im Einzelhandel wird weiterhin die frohe Botschaft verkündet, dass die Kauflaune der Deutschen ungebrochen hoch sei und dass der Auschwung XXL bei allen ankäme. Dass die im Vorfeld geäußerten Erwartungen an eine stattfindende Konsumparty bitter enttäuscht wurden, verschwiegen nahezu alle Medien.
Das ist nur allzu verständlich, da man sich vor Weihnachten extensiv an der Verbreitung des GfK-Kaffeesatzindex beteiligt hatte, wonach die Verbraucherstimmung auf einem Höhepunkt sei. Hier noch einmal Tom Buhrows Kaufrausch-Propaganda in den Tagesthemen vom 18.12.2010. Ein ebenfalls trauriger Höhepunkt journalistischen Totalversagens.
Quelle: Michael Schlecht, MdB
Bei diesen Zahlen kann das Konsumklima noch so sonnig aussehen, aber was die reale Kaufkraft anbelangt, herrscht weiterhin eisige Kälte. Falls trotzdem mehr Geld in Lohnverhandlungen herausspringen sollte, was durchaus anzunehmen ist, wird man das sicherlich für steigende Gesundheits- und Pflegekosten sowie höhere Energiepreise beiseite legen müssen. Ich hatte ja bereits darüber berichtet, dass die Aufschwungsabsäufer in ihrer jüngsten Gemeinschaftsprognose davon ausgehen, dass die Einkommen um 1,4 Prozent steigen werden, aber auch die Verbraucherpreise um 1,4 Prozent bei gleichbleibender Sparquote. Wie unter diesen Voraussetzungen ein Aufschwung vom privaten Konsum getragen werden soll, bleibt nach wie vor ein Rätsel der Konsumklima- und vorweihnachtlichen Kaufrauschverkünder.
Seit Wochen und Monaten verkündet der Bundeswirtschaftsminister den Aufschwung XL. Gerade gestern wieder, als die Wirtschafts“waisen“ ihr Herbstgutachten vorstellten. Vor allem der private Konsum sei zur Stütze der Konjunktur geworden bzw. soll zur Stütze im nächsten Jahr werden, wenn die erkannten Risiken in den Volkswirtschaften China und USA Realität werden sollten.
Dabei müssen wir gar nicht bis zum nächsten Jahr warten, um uns bestätigen zu lassen, dass der XL-Aufschwung doch nicht so toll war. Jeder kann sich ausrechnen, dass die Summe aus dem XXXXL-Einbruch im letzten Jahr (-4,7 %) und dem erwartenden Plus aus diesem Jahr (+3,5 %) immer noch ein negatives Vorzeichen trägt. Brüderle und die halbe Bundesrepublik freuen sich also über einen Anschlusstreffer kurz vor Schluss so, als hätten sie das Spiel haushoch gewonnen.
In Wahrheit aber gibt es nach wie vor einen Kapazitätsüberhang und damit auch einen Überhang an Beschäftigten. Dies bestätigt auch die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, die immer wieder als positives Signal für den Aufschwung XL herangezogen wird. Was ich bei den Futurologen der Neuzeit immer wieder vermisse, ist doch ein nüchterner Blick auf die Gegenwart. In der Wirtschaftswoche liest man nun heute, einen Tag nach dem Gutachen, das besser den Namen „Versuch der Anwendung von Präkognition in der Konjunkturforschung“ heißen sollte, dass die Zahl der Leih- und Zeitarbeiter im August einen neuen Rekordstand erreicht habe.
Quelle: Wiwo
Im August beschäftigte die Branche 893.000 Mitarbeiter und eilt damit der Millionengrenze entgegen, die noch in diesem Jahr erreicht werden könnte. Dies geht aus dem aktuellen IW-Zeitarbeitsindex hervor, der wiwo.de vorliegt. Der Vorkrisenrekord von 823.000 Beschäftigten Mitte 2008 ist damit inzwischen um 70.000 Kräfte deutlich übertroffen. Von Juli zu August 2010 wuchs das Beschäftigungsvolumen um 4,8 Prozent.
Das, den Aufschwung XL begleitende, Jobwunder setzt sich also, nun auch statistisch nachgewiesen, vornehmlich aus einem starken Aufbau prekärer Beschäftigungsverhältnisse zusammen. Damit boomt mit der Leiharbeit eine Branche, der die FDP und allen voran Bundeswirtschaftsminister Brüderle einen gesetzlichen Mindestlohn verweigert. Und das, obwohl die Leiharbeit die Stütze von Brüderles Aufschwung XL darstellt und er jüngst für höhere Löhne geworben hat.
Der zunehmende Aufbau prekärer Beschäftigung bedeutet nun aber eine Verschiebung des Konjunkturrisikos auf die Arbeitnehmer, die ja nach Brüderles und der Auffassung der Propheten, mit ihrem Einkommen für mehr Konsum sorgen würden. Dabei ist doch selbst in der bornierten Nutzenmaximierer-Modellwissenschaft der Homo-Oeconomisten klar, dass ein Individuum, auf dem das Risiko des Marktes abgeladen wird, keine Zukunftsinvestitionen tätigt, sondern sein Eigeninteresse gerade darin sieht, für den nicht unwahrscheinlichen Fall einer Arbeitslosigkeit vorzusorgen. Mit anderen Worten: Es wird SPAREN!!!
Vielleicht meinen die sog. Forscher und der Wirtschaftsminister mit einer Zunahme des Konsums aber auch Leute wie Herrn Georg Funke, Ex-Vorstand der HRE. Der klagt ja erfolgreich gegen seine Kündigung und darf sich nun berechtigte Hoffnungen auf mindestens zwei zusätzliche Monatsgehälter machen.
Quelle: Stern
In einem Zivilprozess gab ihm das Landgericht München I am Freitag bei seiner Forderung nach zwei Monatsgehältern Recht und sprach ihm einen Anspruch auf zusammen gut 150.000 Euro zu. Ob Funke auch Anspruch auf das Wiederinkrafttreten seines ursprünglich bis 2013 laufenden Vertrages und damit eine Millionensumme hat, soll ab dem kommenden Jahr geklärt werden.