Da wurde seitens des sehr rennomierten News-Blogs „The Arabist“ auf einen Artikel aufmerksam gemacht, den ein US-amerikanischer blogger in seinen blog gestellt hatte.
Der Ärmste.
Den meisten US-Amerikanern ist eine große Unbildung und mangelhaftes Wissen in Bezug auf Weltpolitik vorzuwerfen; sie bombardieren, was sie nicht kennen und setzen voraus, dass ihr Weltbild natürlich das größte sei und von jedem beachtet werden müsste. Und so reiste auch dieser Amerikaner in den Orient, nach Ägypten genauer gesagt und wundert sich doch sehr, dass er außer ganz erheblichen Blessuren, blutenden Wunden und großen Schmerzen nichts vom Nil mit nach Hause nahm.
Die Geschichte ist schnell erzählt und wer der englischen Zunge mächtig ist, der lese sie selbst: http://egyptiannights.blogspot.com/2010/07/beaten-bruised-and-arrested-day-ill.html
Er wollte mit seinem Freund ein Gebäude in Kairo betreten, wurde aber am Eingang von einem Ägypter aufgehalten und um Geld für den Eintritt gebeten. Wir erfahren nicht, um welches Gebäude es sich handelte. Die Amerikaner gaben dem Mann kein Geld, worauf sich dieser in Drohungen verstieg. Als sie das Gebäude verließen, steuerte dieser Mann auf sie zu und schlug unvermittelt zu. Mit ihm droschen noch so einige Passanten auf die beiden ein, erst als sich ein Polizist näherte, zerstreute sich die Menge wieder und der Mann gab beim Polizisten an, selbst als erster geschlagen worden zu sein. Die Amerikaner wurden zu Wache geführt, Kontakt zum US-Konsulat wurde zunächst verweigert. Ein Arzt befand, es ginge ihm doch ganz gut und ignorierte wohl absichtlich den üppigen Blutfluss und die zerschlagene Nase. Der Freund war direkt in ein Krankenhaus überführt worden, ihm wurde wohl der Arm gebrochen. Als unser Amerikaner im Kairoer Knast dann tatsächlich mit seinem Konsulat telefonieren durfte, wurde ihm von dort jede aktive Hilfe verweigert; er könne sich auf der Website Adressen von bilingualen Anwälten besorgen. Den Hinweis des Amerikaners, er befände sich immerhin im Knast und hätte kein Internet, fand kein Gehör.
Zerschlagen, frustriert, deprimiert dachte er im ägyptischen Knast nach:
„This is Egypt? I kept thinking to myself while trapped, scared, and alone. What the hell am I doing here?“
(„Das ist Ägypten?“ dachte ich, als ich gefangen war, ängstlich und allein. „Was zum Teufel tue ich hier?“)
Ich habe auf meinen Reisen durchaus einige Ägypter getroffen, denen es eine Lust gewesen wäre, einen US-Amerikaner auf solche Weise vorzuführen. Im Gegensatz zu den meisten Amerikanern sind sehr viele Ägypter ganz gut über die Vorgänge in ihrem Lande und in ihrer Region informiert. Die nicht enden wollenden Kriege, in denen zehn- und hunderttausende ihrer Nachbarn, ihrer Verwandten ums Leben kommen, geht nicht an ihnen vorüber; sie haben kaum eine echte Chance, in einem US-Amerikaner mehr als einen Soldaten zu sehen, der sie verachtet. Sie sind immer und immer wieder bestraft worden für ihr Vertrauen, auch Obama brachte ihnen nichts als gebrochene Versprechen und noch mehr Tote.
Der Ägypter auf der Straße weiß sehr gut – und damit ganz sicherlich viel besser als jeder Amerikaner – um den zweifelhaften „Charakter“ der „Wirtschaftshilfe“ aus den USA; sie wird nämlich nur gewährt, solange Mubarak an der Macht bleibt, die Notstandsgesetze fortschreibt und Großdemonnstrationen in Ägypten öffentlich wie brutal niederknüppelt. Die Ägypter wissen sehr gut, dass die israelischen Massaker in Gaza und im Libanon ohne tätige Mithilfe aus den USA ausgeblieben wären, immerhin sind sehr viele der von Israel eingesetzten, geächteten, chemischen Massenvernichtungswaffen aus US-amerikanischer Produktion.
Aber all dies wird dieser US-Amerikaner natürlich nicht gewusst haben. Ganz offensichtlich gönnt sich die Nation mit dem weitaus größten Vernichtungspotenzial und -Willen auf der Welt das dümmste und uninteressierteste Volk. Soviel Dummheit müsste eigentlich quietschen.
Nein – ich heiße die gegen diesen Amerikaner eingesetzte Gewalt nicht gut. Aber ich kann ihr Zustandekommen verstehen. Wer dies nicht tut, der setze sich mit einem ägyptischen Tagelöhner abends in den Staub und teile das bisschen alte Brot mit ihm, was er wegen der intensiven US-Indoktrination Ägyptens nur noch hat. Der gehe mit ihm durch die müllüberhäuften Straßen, weil das durch und durch korrupte Regime in Kairo die Müllsteuer statt zur Entsorgung zur eigenen Bereicherung einsetzt und der wiege das kleine, weinende Kind des Tagelöhners in den Schlaf, weil der Vater wieder mal nicht genug für die simpelsten Medikamente zusammenbekommen hatte, für die wir hier kaum mehr als wenige Cent bezahlen.
Wer das nicht verstehen kann, dass stellvertretend für zehntausende, wirkliche Täter dieser wahrscheinlich vergleichsweise harmlose Tourist blutig zusammengeschlagen worden ist, der gehe nach Kairo – und nicht in ein veritables Hotel mit Klimaanlage und Whirl-Pool. Der setze sich hin und unterhalte sich. Wer kennt schon die Tränen der Wut, wenn ein kleiner Mann sich Geld für seine islamische Spende vom Munde abspart und zu Geschwistern in einen Ort nach Palästina schickt, nur um anschließend zu erleben, dass dieser Ort von US-amerikanischen Waffen und Israelis samt Einwohnern vollständig zerstört worden ist.
© 2010 Echsenwut.