Jugendmedienschutzstaatsvertrag

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Nachrichtenspiegel-online, der Eifelphilosoph und das Fernsehen: über Blogger und Journalisten

Ich bin – persönlich – gerührt und dankbar für die Einladung von  Medienvertretern, persönlich im Fernsehen auftreten zu sollen … erst recht wenn es der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist.  Dankbar vor allem, weil es mich dazu genötigt hat, mir wieder einmal grundsätzliche Gedanken zu machen über unser Bloggermagazin und welche Stellung wir eigentlich in der Welt einnehmen sollten.

Sinn des Nachrichtenspiegel-online ist, eine Reflexion von  Nachrichten vorzunehmen. Ich persönlich ziehe einen großen Nutzen aus „alternativen“ Medien. Ich folge nicht sklavisch den Verschwörungstheorien, die dort kursieren, nehme aber ihre Gedankenansätze interessiert wahr, weil ich mir über die Unfreiheit des klassischen Journalismus in der Welt der Korporatokratie im Klaren bin, nur halt nicht im jeden Moment berechnen kann, welche Rücksicht bei der Formulierung der Nachricht gerade genommen wurde oder in welche Richtung mich der Lotse gerne schicken würde. Ich selbst würde dort wohl auch nicht freier schreiben – weiß aber andererseits auch, das die Formulierung alternativer Positionen zur eigenen politischen Willensbildung wichtig ist.

Im Rahmen von Managerschulungen habe ich sogar mal die Nützlichkeit von „Tarotkarten“ und ihren Legesystemen in dieser Hinsicht herausgestellt … nicht, das die dort gelegten differenzierten Informationsmuster die Zukunft oder verborgene Wahrheiten enthüllen – aber sie fordern einen selbst zu einer deutlichen Stellungnahme heraus … zu einer deutlichen begründeten Absage zu den angedeuteten Tendenzen hinsichtlich der Entwicklung der Gesellschaft, des eigenen Lebens und der politischen Wirklichkeit oder aber zu einer begründeten Zustimmung.

Insofern bleibe ich auch relativ ungerührt durch Nachrichten, die weit über den Tellerrand hinausgehen, horche aber in diesem Bereich gerne hinein, weil UFO-Nazis in der Antarktis einen gedanklich genauso herausfordern wie die willkürlichen Legemuster von Tarotsystemen.

Geschult in den Gedankenwelten des Rationalismus (der angeblich die Grundlage unserer westlichen Zivilisation ist) kenne ich die Begrenztheit dieses Systems – das sich ansonsten als unbegrenzt wahrheitsfindend präsentiert – sehr gut, ebenso wie die Möglichkeit, dieses System jeder beliebigen Wahrheit unterzuordnen.

Rational kann ich die Existenz von Totengeistern in Bielefeld ebenso beweisen wie die Tatsache, das es diese Stadt gar nicht gibt.

„Verschwörungstheorien“ als solche spielen gerade mit dieser Schwäche des Rationalismus, der nämlich einfach als solcher wirklich alles beweisen kann – auch die UFO-Nazis in der Arktis, die ja nicht als empirische Beobachtung in den Geschichtenkreis der Welt getreten sind sondern als rationale Schlußfolgerung (mit großen Fehlern in der Beweisführung, nebenbei bemerkt – was bei „Nazi-Ufos“ nicht weiter verwundern sollte).

Darum ist der Leitfaden der Wirtschaft – „even the worsest case“ – (eine Frage, der man sich im Prinzip als Bürger bei jeder Kreditaufnahme stellen muß oder von der Bank gestellt kriegen sollte) auch im Nachrichtengeschäft sinnvoll angewendet, zumal der nachrichtenverzerrende Charakter resultierend aus der umfangreich nötigen Rücksichtnahmen bekannt ist und gerade jetzt durch Wikileaks besonders an die Oberfläche und ins Bewusstsein tritt – einfach  nur weil die umfängliche Rücksichtnahme  hier mal ausgelassen wurde.

Die Blogger, die sich hier in diesem Bloggermagazin versammelt haben, sind sich – so mein Eindruck – dieser Tatsache bewußt. Wir kennen uns kaum persönlich und waren weitgehend auch die Anonymität untereinander, wir sind mit Sicherheit politisch nicht einer Meinung noch eignen wir uns persönlich dazu, brüderlich grölend durch Innenstädte zu ziehen, aber wir haben eine erkennbare Gemeinsamkeit: eine kritische Distanz zu den Informationen des bezahlten Medienbetriebs.

Würden wir bereit stehen, im Fernsehen oder Zeitungen aufzutreten und in Folge persönlichen Kontakt zu den Menschen zu knüpfen, deren Nachrichten wir kritisch spiegeln, so würde das unsere Perspektive automatisch verzerren. Im Rahmen der Pharmaindustrie habe ich gelernt, das der persönliche Kontakt das entscheidende Instrument zur Manipulation von Ärzten ist – nicht nur die geschönte Botschaft. Aus diesen Gründen wäre für uns als Blogger der „Bundespresseball“ und ebenso alle anderen gesellschaftlich einbindenden (und in letzter Konsequenz verpflichtenden) Auftritte Gift für unseren Job, den wir nur dann gut machen können, wenn wir selber so weit draußen wie möglich bleiben. Insofern – um bei dem Beispiel zu bleiben – sind wir wie jene (selten anzutreffenden) Ärzte, die jeden Kontakt zu Pharmareferenten ablehnen, um ihre Unabhängigkeit absolut sicher zu stellen.

Und darum wird es einen „Eifelphilosophen“ nie im Fernsehen geben dürfen – würde man ihn dort sehen, wäre er sofort sinnlos.

„Wer zahlt, befiehlt“ … und wer mich einlädt, Flug, Unterkunft und Essen bezahlt, könnte auf die Idee kommen, mir Sichtweisen nahezulegen, die ihm selber nützen. Und ich als Mensch könnte – aus rein menschlichen Gründen – auf die Idee kommen, mich durch eine gewisse Gewogenheit dem edlen (und gutmeinenden) Spender gegenüber unkritischer zu verhalten.

Das darf nicht geschehen.

Aus den gleichen Gründen habe ich persönlich alle Kontakte zu Menschen einschlafen lassen, die im Medienbereich tätig sind – und achte auf begrenzte Anonymität, um nicht zufällig wiedergefunden zu werden. Die Rolle „Eifelphilosoph“ ist nicht kompatibel zu anderen Rollen – und sich absichtlich in Rollenkonflikte zu stürzen, bringt nur Magenschmerzen und keinen Nutzen.

Die geringen Kosten des Mediums Internet erlauben eine solche – arrogante – Haltung, die sich Menschen, die von dem Geschäft leben müssen, nicht leisten können. Letzteres darf – nebenbei bemerkt – aber nicht zu einer Verurteilung der Sold-Journalisten führen. Blogger – und andere „Graswurzel“- und „Bürgerjournalisten“ liefern nicht automatisch bessere Nachrichten. Sie können sich eine kritischere Distanz zu gelieferten Nachrichten erlauben, die dem journalistischen Söldner als Preis für die gute finanzielle Versorgung und den professionelleren Zugang zu Informationen abhanden gekommen ist.

Um sich diese kritische Distanz erlauben zu können, muß man diszipliniert Abstand wahren – von der Verführbarkeit durch Ruhm, Anerkennung, Ehre, Geld und „Quote“, denn das hat uns schon genug Unfug beschehrt – „wetten dass“?

Was dem Soldjournalisten vielleicht helfen könnte (und die Bloggerei nicht mehr als Bedrohung für den Job erscheinen läßt), ist die Vorstellung, das dieser Ort hier (wie andere auch) der Ort für unzensierte Leserbriefe ist – und somit ein Ort, an dem man authentischen Bürgern bei der Meinungsbildung zuschauen und sehen kann, was man mit seinen eigenen Nachrichten so anrichtet.

Insofern – sind wir eine logische Fortentwicklung der Nachrichtenwelt. Der reitende Barde wurde auch irgendwann überflüssig, als man vom Nachbarn durch die Zeitung erfahren konnte, was beim Fürsten nebenan so los war.  Der Barde selbst – der dadurch eine Festanstellung bekam, die ihm erlaubte, witterungsunabhängig zu arbeiten – war über die Entwicklung sicher nicht traurig. Hier … organisieren sich die Leser von Nachrichten – und ich möchte an dieser Stelle vor einer Entwicklung warnen, die sich mancherorts abzeichnet und in politischen Bloggern eine Konkurrenz sieht. Diese Entwicklung würde letztlich dazu führen, das man eine Zeitung noch kaufen (für sehr viel mehr Geld als bisher, wenn ich die Ansprüche des „Qualitätsjournalismus“ ernst nehme) aber auf gar keinen Fall mehr lesen soll – geschweige denn sich über das Gelesene Gedanken machen und darüber mit dem Nachbarn reden. In letzter Konsequenz … wäre dann auch der „Qualitätsjournalismus“ überflüssig und man könnte gewünschte Wahrheiten gleich durch das Innenministerium und die „Experten“ anordnen lassen, um ganz sicher zu gehen, das kein „geistiges Eigentum“ unrechtmäßig verteilt wird.

Wer das möchte … wird den Jugendmedienschutzstaatsvertrag als Waffe gegen die Leser mißbrauchen und so die demokratische Zivilgesellschaft weiter untergraben. Und er wird Wikileaks mit Gewalt ausrotten wollen … was ja – überraschenderweise (?) –  auch gerade passiert. Und weil das Folgen für alle hätte, findet man diesen Beitrag in der Kategorie „Politik“ und nicht in der Kategorie „Medien“.

Blog-Existenz gefährdet durch JMStV

Die ersten Blogs machen schon zu.

Blog macht wegen neuem Jugendschutzgesetz dicht

Mit der Zustimmung zum Jugendmedienschutzstaatsvertrag der SPD und der GRÜNEN in NRW wurde wieder mal der tagtägliche Irrsinn in der deutschen Politik dokumentiert.

Der JMStV hatte bisher fast alle Hürden genommen. Bis Mitte Dezember werden alle fehlenden Länderparlamente höchstwahrscheinlich zugestimmt haben. Allerdings war es bisher unklar, wie sich die rot-grüne Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen verhalten wird.
Ab Montag, 29.11.10 war es dann klar. Da haben sich die Landtagsfraktionen der SPD und der GRÜNEN nun entschlossen zuzustimmen. (Übrigens gegen besseres Wissen und Wollen der Bundesgrünen ! Siehe hier: Aus der Reihe: Parteien die nicht mehr gewählt werden wollen)

Und wieder ein Schlag ins Gesicht der Pressefreiheit.
Bürgerrechte scheinen der SPD und den GRÜNEN jetzt völlig egal zu sein. Und dem Jugendschutz nützt es noch nicht mal, sondern schadet ihm eher.

Damit wird ein weiteres Stück Schwachsinn -völlig an der Internet-Wirklichkeit vorbei – zum 1. Januar nächsten Jahres Realität werden.
Völlig abstruse Regelungen für fast alle Betreiber von Internetplattformen in Deutschland.
(Z.B. Altersfreigaben auf allen Seiten, bei allen Kommentaren !; Sendezeiten die eingehalten werden müssten; und wenn nicht, dann drohen gar Bußgelder bis 500.000,- EUR )

Lesepflicht für alle: 17 Fragen zum neuen JMStV

Die neuen Regelungen selbst sind außerdem noch äußerst schwammig und juristisch sehr unsicher.
Dafür aber ganz sicher ein gefundenes Fressen für die Internet-Haie in den Abmahn-Kanzleien, die schon wieder lauern und sich die Hände reiben und sich wieder mal goldene Nasen verdienen können:

Denn ab 1.1.11  könnte uns dann Z.B. jeder unter einem Vorwand abmahnen, dem unsere Berichterstattung nicht gefällt und der selbst eine Website betreibt – oder natürlich auch jeder Abmahn-Anwalt.

Schöne neue Welt. Vielen Dank Machtpolitik. Ganz toll gemacht. Im wahrsten Sinne des Wortes.

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