Johannes Rau

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11.9.2001 – wie nine-eleven die Welt veränderte … und wie wir darauf reagieren könnten

eifelphilosoph_200

eifelphilosoph_200Donnerstag, 11.9.2014, Eifel. Können Sie sich heute noch an den 11.9.2001 erinnern – den ersten Tag der neuen Zeitrechnung? Also: ich kanns. Vormittags hatte ich während einer Geschäftsreise eine kurze Pause bei meiner Mutter gemacht. Während des gemütlichen Kaffeetrinkens kam ein Anruf ihrer Freundin: in Amerika würden überall Flugzeuge vom Himmel fallen und in Häuser stürzen.

Nun – ihre Freundin war auch schon etwas älter … also schalteten wir den Fernseher ein. In der Tat – ein paar Flugzeuge waren in Häuser gestürzt. Die Türme standen noch.

Ich hatte nicht viel Zeit, die Show zu genießen, mußte weiter nach Münster zur Messe und nach dem Rechten schauen.

Auf der Messe gab es etwas abseits einen großen Bildschirm an der Wand – hier liefen nur Nachrichten über die Ereignisse in New York. Es interessierten sich nicht viele dafür – das war aber normal. Immerhin war es Pharmaindustrie, die sich dort traf – Abteilung Medizintechnik – da interessiert man sich nicht für Menschen, sondern für Profit. Da nine-eleven nicht profitträchtig war, waren andere Geschäfte wichtiger.

An unserem Stand war nicht viel los, wir waren überbesetzt – das erlaubte mir, ab und zu einen Blick auf die Tafel zu werfen. Mir kam sofort der Gedanke, dass ab heute nichts mehr so sein würde, wie zuvor … einen Satz, den ich danach dutzendfach vernommen hatte. Alle hatten Recht damit: der Tag veränderte das Leben der Menschheit auf dem ganzen Planeten … wird nur selten drüber nachgedacht.

Gut – mit dem Denken hat es der Deutsche nicht so. Gehorsam, Disziplin, Nibelungentreue – das sind so seine Domänen. Frauenverachtung, Menschenjagd und Mobbing sollen auch gerne praktiziert werden. Kein Wunder, dass das Thema nine-eleven bei uns so langsam in Vergessenheit gerät, mehr berührt uns die Frage, wie „Wetten Das“ weitergeht: TV-Formate bestimmen für uns schon längst die Definition von „Wahrheit“ und „Wirklichkeit“.

Dabei sind die Folgen von nine-eleven überall in Deutschland zu spüren.

Ein Beispiel?

Gern.

Der Bundespräsident Johannes Rau hatte am 11.9.2001 in Helsinki eine Rede gehalten, die sich direkt auf die Anschläge bezog: offenbar konnte er gut improvisieren. Seine Worte zeigen noch auf, wie außerordentlich weise und friedensorientiert dieses Land noch 2001 war. Lauschen wir seinen Worten ein wenig (siehe Bundespräsident):

Die Nachricht, die uns diese Leidensgesänge vermitteln wollen, ist älter als das Mittelalter und älter als unser Leben. Diese Nachricht heißt: Hass zerstört die Welt und Hass vernichtet Menschen. Darum geht es überall, in Finnland und in Deutschland, in Europa und in Amerika, im Nahen Osten und im fernen Asien: Dem Hass zu widerstehen und der Nächstenliebe Raum zu schaffen. Wer nicht hasst, sagt auch Nein zur Gewalt. Wer Nein zu Gewalt sagt, macht das Leben unserer Kinder erst möglich.

Das klingt weise, oder? Perfekt angemessen für einen weisen Bundespräsidenten, den Repräsentanten einer friedlichen, demokratischen Republik.

Wollen Sie wirklich wissen, was der heutige Bundespräsident so von sich gibt? Die Süddeutsche beschreibt seine Position kurz und knapp (siehe Süddeutsche):

Deutschland habe jahrzehntelang die gebotene Zurückhaltung gezeigt. Dies müsse sich ändern, meint Bundespräsident Gauck. Es solle mehr zur Lösung internationaler Konflikte beitragen – notfalls mit Kampfeinsätzen der Bundeswehr.

Auch in der aktuellen, brandgefährlichen Krise um die Zustände in der Ukraine gießt der Ost-Pfarrer gerne „Öl ins Feuer“ (siehe Süddeutsche): aus dem Friedensamt ist ein Kriegsamt geworden, das gerne die militärische Führung im Land übernimmt.

Welch ein Unterschied zu dem Demokraten aus dem alten Westen! Ich weiß natürlich nicht, ob der Unterschied nur aus der sozialistischen Sozialisation entstanden ist – oder nur aus Befolgung der Direktiven jener Akteure, die für die Möglichkeit, dass ein Gauck Präsident der Bundesrepublik Deutschland wird, hauptsächlich Verantwortung tragen, in dem sie Großdeutschland überhaupt erst wieder möglich gemacht haben.

Johannes Rau rief zum Kampf gegen den Hass auf – zum Kampf für Nächstenliebe. Das wäre ein Kampf für wahre Helden. Wir haben uns für etwas anderes entschieden: für den Weg der Feiglinge. Wir sagen JA zur Gewalt … und zerstören so das Leben unsere eigenen Kinder.

Seitdem ist einiges möglich geworden: wir überfallen andere Länder. „Wir“ – das ist auch die Bundeswehr, die in Afghanistan mit dabei war. Die Lüge hat Einzug gehalten in die Politik – sogar die große Lüge, die Lüge der Diktatoren und Wahnsinnigen, die unter Vortäuschung falscher Tatsachen andere Länder überfallen – früher hätte man so etwas nur einem Hitler zugetraut, heute erleben wir dassselbe bei großen Demokratien.

Hass zerstört die Welt – Hass vernichtet Menschen.

Unter dem Stichwort „Guantanamo“ haben wir erleben dürfen, wie eine demokratische Nation bewusst und absichtlich – also voll verantwortlich für das, was da geschieht – einen rechtsfreien Raum schafft, um Folter an wilkürlich festgesetzten Menschen wieder möglich zu machen: eine Terrorherrschaft der besonderen Form hat sich vor unseren Augen etabliert, weltweit sind Häscherkommandos im Einsatz, um Futter für das rechtsfreie Lager auf Kuba zu finden – und niemand stört sich daran, noch fragt man sich: was ist eigentlich in die Amerikaner gefahren?

Nun – was in die Amerikaner gefahren ist, ist das gleiche, was in die Deutschen gefahren ist: die Angst vor Hass. Neue Gesetze haben den Hass in den USA erlebbar gemacht – sogar ein neuer Sport hat sich entwickelt: „swatting“ hetzt harmlosen Zeitgenossen paramilitärische Einsatzkommandos auf den Hals – aus Spaß (siehe Spiegel).

Ja – nine-eleven war für Bin-Laden ein voller Erfolg: er hat die USA in einen Polizeistaat verwandelt. Merken Sie, dass wir uns für diese Sichtweise überhaupt nicht mit „Verschwörungstheorien“ auseinandersetzen müssen? Nine-eleven hat der großen Demokratie USA einen Todesstoß versetzt: schlimmer als durch die eigene Regierung wurden noch nie die Bürgerrechte eingeschränkt, der „Patriot Act“ gab FBI und CIA weitreichend Befugnisse … bezüglich Abhörmaßnahmen, Konteneinsicht und Einsatzgebieten (siehe Wikipedia).

Wer wurde da wirklich Feind der Bürger? Wer sähte den Hass im eigenen Land?

Und wie geht es den Bürgern sonst so – in einer Kriegswirtschaft? Ihre Leiden steigern sich in ungeahntem Ausmaß, aber Dank der Allgegenwart der Sicherheitsbehörden behält man die Kontrolle über die Massen, die man zur Not ohne Gerichtsbeschluss verhaften kann. Kommen Sie doch mal mit, begleiten Sie mich bei einem Besuch im US-Landwirtschaftsministerium, das für die Lebensmittelmarken zuständig ist (siehe usda.gov): 2001 wurden 17 Millionen Lebensmittelmarken ausgegeben, um das Verhungern der Ärmsten zu verhindern. 2013 sind es bereits 47 Millionen … ein Anstieg von über 275 Prozent!

Sehen so Sieger aus?

Und sonst? Wie siehts sonst auf der Welt aus?

Lauschen wir dazu Stefan Kuzmany, der heute ein paar Worte zum Jahrestag von nine-eleven im Spiegel veröffentlicht hat (siehe Spiegel):

Die alte Angst lauert wieder in den Nachrichten aus aller Welt, an einem Tag wie heute kann man sich um viele Jahre zurückgeworfen fühlen. Der Nahostkonflikt scheint unlösbarer, der islamistische Terror bedrohlicher denn je, und man kann schon froh sein um jede Stunde, in der im Osten der Ukraine niemand er- oder abgeschossen wird. Dafür entsteht dort gerade ein neuer Eiserner Vorhang, und bildmächtig präsentiert die Bundeswehr deutsche Kampfjets in Lettland, eine Alarmrotte zum Einsatz gegen eindringende russische Flieger. Vor zwanzig Jahren schloss die Nato eine „Partnerschaft für den Frieden“ mit Russland, von der ist längst keine Rede mehr, im Gegenteil: Die Jahre der Annäherung scheinen wie weggewischt, im Radio läuft wieder „Land of Confusion“ und im Baltikum spielen sie „Top Gun“.

Wie es aussieht, hat der „Kampf gegen den Terror“ den Terror richtig stark und die USA richtig schwach gemacht … jedenfalls ihre Bürger, die jederzeit mit Hungersnöten und SWAT-Terror rechnen dürfen.

Partnerschaft für den Frieden? Nur noch interessant für „Sozialromantiker“ und „Putinisten“ – neue Schimpfwörter aus der verbalen Waffenkammer der Apostel des Hasses, die – wenn wir Johannes Rau da mal folgen wollen – die Welt zerstören, die Menschheit vernichten und das Leben unserer Kinder unmöglich machen.

Neue politische Gestaltungsmöglichkeiten haben sich ergeben – und werden genutzt. In Zeiten einer großen Krise in der Ukraine macht man … gemeinsame Manöver mit einer Regierung, deren Legitimität angekratzt ist (siehe Spiegel): aus der Partnerschaft für den Frieden sind deutliche Signale einer Kameradschaft für den Krieg geworden. Aber noch schlimmer: der Triumph des Hasses über die Nächstenliebe gebiert täglich neue Ungeheuer – hören wir nochmal Herrn Kuzmany dazu:

Gerade hat der US-Präsident Barack Obama seine Nation und mithin die westliche Welt auf einen neuen Krieg gegen den Terror eingeschworen, diesmal muss der sogenannte „Islamische Staat“ vernichtet werden, eine entfesselte Horde, die mit ihrer Wucht und verrohten Grausamkeit selbst al-Qaida in den Schatten zu stellen scheint.

„Eine entfesselte Horde voller verrohter Grausamkeit“ … mit dieser mythischen Sprache sind wir jenseits der Menschlichkeit im Reich der Hobbits und Orks angekommen. Darf man fragen, welche Ungeheuer nach dem neuen „Krieg gegen den neuen Terror“ geboren werden?

Nein, darf man nicht. Eine weitere Folge von nine-eleven ist: der Bevölkerung ist es bei Strafe durch völlige soziale Ächtung verboten, Wahrheitstheorien über politische Abläufe zu bilden, den Auslegungen und Deutungen der politischen Wirklichkeit durch die jeweils jeglichem Lobbyismus offen zugänglichen Regierungsvertretern ist kritiklos Folge zu leisten.  Oder – einfacher gesagt: Verschwörungstheorien sind böse. Dabei sind Verschwörungstheorien von heute immer die Skandale von morgen und die lehrreichen Fundstücke der Geschichte von übermorgen. Aber: per Erlass des US-Präsidenten (bzw. durch seine mündliche Anordnung) ist jede Kritik an der Regierungsmeinung extrem unerwünscht … deshalb dürfen wir auch nicht weiter nachfragen, warum ein John McCain überall dort auftaucht, wo staatliche Strukturen destabilisiert werden, ebenso wenig werden wir uns über die Seidenstraßenstrategie der USA informieren (es sei denn, jemand googelt jetzt).

Alle halten sich an diesen öffentlichen Maulkorberlass, der Wahrheitsfindung zum Entschlussakt der Regierung werden läßt. Kein Wunder: den Regierungen in aller Welt gefällt so eine Haltung.

Wir brauchen aber auch keine Verschwörungstheorien, um unsere Schlussfolgerungen zu ziehen. Wer definitiv seit 13 Jahren die Welt mit Terror überzieht, ist die Regierung der USA. Das ist Fakt und wird auch nicht geleugnet. Den gleichen Terror erleben wir im Inneren der USA – er erreicht gerade wieder in Fergusson einen neuen Höhepunkt. Einmärsche in fremde Länder, gezielte Eskalationsstrategien, Einmischungen in innere Angelegenheiten, tausendfacher Drohnenmord: das geht alles ganz öffentlich vor sich, da ist nichts geheim, nichts verborgen. Ebensowenig bleibt irgendetwas den Spionen der NSA verborgen, das mussten wir bitter lernen.

Aber: nein, wir fragen auch nicht nach, warum die allmächtige NSA überhaupt nichts von den Absichten Bin Ladens erfahren hat.

Was wir machen – wir Deutschen – seit dem 11.9.2001? Wir haben verstanden!

Wir haben verstanden, dass Mächte des Hasses die Welt überfluten, Mächte, denen wir infolge gezielter Desinformation völlig hilflos gegenüber stehen … und deshalb verkriechen wir uns zu Hause in unsere vier Wände (siehe Spiegel):

In ihrer Freizeit verlassen die meisten Deutschen laut „Freizeit-Monitor“ das Haus lieber nicht. Fernsehen ist immer noch Lieblingsbeschäftigung, außer bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

Seit dem 11.9.2001 – und seit den daraus resultierenden Entwicklungen – haben die Deutschen verstanden, dass sie keine Chance haben zu verstehen, was auf einmal da draußen los ist, draußen, in der Welt jenseits ihrer Haustür, wo sogar schon Arbeitslose als Volksfeinde vogelfrei gestellt werden. Schauen Sie sich mal an, wie sich die Demonstrationskultur in Deutschland seit dem 11.9.2001 verändert hat: sie ist fast völlig erloschen. Wer sich trotzdem auf die Straße traut, muss damit rechnen, massiv persönlich angegriffen zu werden.

Noch ein Beispiel, wie der Hass seitdem die Welt regiert? Bitte, lesen Sie (siehe Zeit):

Deutsche Polizisten sind weit davon entfernt, wie ihre US-Kollegen mit gepanzerten Fahrzeugen und Granatwerfern auf Streife zu fahren. Doch die Haltung, mit der die Beamten den Bürgern gegenübertreten, ändert sich. Ein Polizist mit gezückter Dienstwaffe könnte bald ein gewohntes Bild werden.

„Was beim Friseur der Kamm ist, ist bei uns die Waffe“, sagt ein Berliner Polizeiausbilder. Er bringt den Polizisten in der Ausbildung und später beim Schießtraining bei, dass sie ihre Dienstwaffe früher ziehen sollen, erklärt er.

Noch ein paar Jahre, dann sind auch die mit Granatwerfern und Panzerwagen auf Streife. Keine Sorge – war früher in den USA auch undenkbar, allein die Kosten wären zu hoch gewesen …. erst recht aber die Gefahren für Unbeteiligte: die Achtung vor ihnen hätte den Einsatz unpräziser Granatwerfer undenkbar sein lassen.

Was wäre wohl gewesen, wenn wir – nur als Deutsche – 2001 wohl dem Herrn Rau gefolgt wären … und uns gegen den Hass entschieden hätten? Wir hätten die Gandhis der Welt werden können – anstatt die Söldner in einem verlorenen Anti-Terror-Kampf, der das amerikanische Volk in die Hungersnot trieb, das Ansehen der USA ins Bodenlose sinken läßt  und ständig neue Terrorungeheuer gebiert – eins schlimmer als das Andere.

So jedoch ist aus der Welt der Nächstenliebe eine Welt des Hasses geworden … und wir werden alle dafür einen hohen Preis bezahlen.

Das tun wir schon jetzt.

Die große Hoffnung für uns? Das es wirklich eine Hand voll Verschwörer waren, die die Welt ins Chaos stürzen wollte. Die kann man isolieren und verhaften und den alten Kurs des partnerschaftlichen Miteinanders fortsetzen, der Wirtschaft und Demokratie wachsen und gedeihen läßt. Wäre ein schwerer, blutiger Weg – aber gangbar.

Wenn wir Pech haben, ist es nur menschliche Dummheit, die unseren Weg diktiert – dann ist das Ende unabwendbar.

Es sei denn, wir kehren um und werden weise wie Johannes Rau, Mahatma Gandhi oder Christus persönlich. Letzterer hat – im Angesichts der Schrecken des römischen Imperiums – eine generelle Abkehr von der Kultur des Hasses empfohlen.

Leider auch vergeblich.

 

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