(Screenshot: Serdar Somuncu / Facebook, 14.08.2020)
Ich weiß, ist wohl alles müßig und für die Katz‘. Kann es trotzdem nicht lassen, unter die Fritten der auf Hochtouren siedenden Schmalzfritteuse des „rülpsenden Konsensmolchs“ (© W. Reiser) ab und zu einen kleinen Knallfrosch zu werfen. Schon längst sind es ja nicht nur unsere Politdarsteller, ÖR-Talkmaster und gut gescheitelten Leitmedienjournalisten wie Kleber & Co., die sich diesem Konsensmoloch andienen. Praktisch jeder evidenzbasiert-aufgeklärte Fortschrittsbürger, der etwas auf sich hält, möchte jetzt kurz vor Ladenschluss auch noch mit dabei sein. Manche Influenzer und Superspreader wie Klaas Heufer-Umlauf sahnen dabei richtig dick ab und dürfen im Vorbeigehen einen Porsche als Trinkgeld einstecken (siehe Porsche Newsroom). Ein mittlerweile unüberschaubares Heer an Bloggern und Freizeithumanisten hilft aber auch ganz unentgeltlich und ehrenamtlich dabei mit, dass gutes, gernes und alternativloses Leben in der marktkonformen Demokratie weitergehen kann.
>> Ebenso wie Florian Schroeder über sein „Stecken im Enddarm der Kanzlerin / des Systems“ und seine Tätigkeit als Hofnarr und Systemprostituierter schwadroniert, dabei wie Reineke Fuchs neunmalschlau über die Bühne stelzt und über die Doofies, die nicht so abgedreht sind wie er und nicht raffen was abgeht, nur verächtlich lachen kann – so glauben ja viele, dass sie bereits über dasjenige erhaben sind, was sie da pseudosatirisch auf die Schaufel nehmen. Ebenso wie die Faktenfaker („Faktenchecker“) von Correctiv & Co. meinen, dass sie unliebsame Fakten entkräften, einfach indem sie sie offensiv ins Netz stellen. Man kann sich bei solch wackerer „Öffentlichkeitsarbeit“ auch zweifellos sehr schlau und smart vorkommen, die eigene Followerschar ejakuliert für solche Bonmots ja laufend prustende Smileys auf die Bühne. Ändert nur leider nicht viel daran, dass in der Kritik an ihrer Person, auch wenn sie oft vulgär und ungehobelt ist, nicht doch auch ein gewaltiges Stück Wahrheit stecken kann. Vielleicht würde es den smarten Influenzern und Superspreadern nicht schaden, einfach mal ein bisschen in sich zu gehen und nachzusinnen anstatt solche Kritik gleich in den Ventilator zu schreddern und eine Lachnummer draus zu machen (kann da drüber wirklich wer lachen?)
So, over&out. Jeder darf das natürlich halten, wie er will und ich will hier niemandem das Schenkelklopfen und Prusten vergraulen, das er regelmäßig zur Erleichterung braucht, um mit „gutem und gernen“ Leben in marktkonformer Demokratie weitermachen zu können. <<
In einer Zeit, in der die Horrorfilme und Dystopien aus den 80ern inzwischen von der Realität überholt werden, beharren die Hüter der herrschenden Lehre umso vehementer darauf, dass es Böses ja überhaupt nicht gebe. Sieht man auf das überwältigend Gute und Gerne, das sich uns aus allen Talkshows, Flatscreens und Plakaten entgegenwindet, dann könnte man ja in der Tat meinen, dass das Böse obsolet geworden ist.
Auch die medialen Meinungsführer und Influencer, die damit beauftragt sind, Schlaftabletten und Happy Pills zu verteilen, suggerieren uns mit diesem entwaffnend smarten Obamarezotilo-Smile, dass für den, der noch im Trockenen sitzt und sich zu amüsieren weiß, doch eigentlich eh alles ja ey lol mann sei. Wir müssten jetzt nur vernünftig sein und uns stramm hinter diejenigen evidenzbasierten Experten stellen, die Noam Chomsky als säkulare Hohepriester und Wachhunde der Machtelite bezeichnet hat: „Unite behind the science“ und das Gute und Gerne Leben kann weitergehen.
Dieser common sense kommt nicht von ungefähr. Die Kategorie des Bösen für nicht existent zu erklären bzw. zu zerschwätzen oder lächerlich zu machen („hihi, pöhse Chemie…“) gehört mithin zur Strategie des neoliberalen Zeitgeists und ihrer Schergen, um der vollendeten Ausschlachtung aller, insbesondere der humanen Ressourcen die Tore zu öffnen. Denn wenn es Gutes und Böses oder Moralisches und Unmoralisches gar nicht gibt, dann bleibt als einzig „vernünftiges“ Kriterium nur noch die betriebswirtschaftliche Effizienz. In dieser Hinsicht haben die Fritzen von McKinsey & Co. noch längst nicht das Maß des Machbaren ausgelotet. Wie weit in betriebswirtschaftlicher Hinsicht noch Optimierungsmöglichkeit besteht, können wir von Auschwitz lernen. Die neoliberalen Betriebs- und Volkswirte werden in einer Zeit sinkender Renditen jedenfalls nicht darauf verzichten, sich die Humanressource – die einzige auf dieser Welt nicht zur Neige gehende sondern exponentiell wachsende Ressource – auf möglichst evidenzbasierte Weise nutzbar zu machen.
Doch das geht nur, wenn man den Menschen zuerst den Geist aus ihren Köpfen bläst wie einem Ei den Dotter, wenn man Ostereidekorationen bastelt. In diesem Unterfangen leisten die Spindoctoren dieser Betriebs- und Volkswirte derzeit ganze Arbeit. Wenn Prof. Kreiß, selbst promovierter Volkswirt und Autor des Buches „BWL-Blenden, Wuchern, Lamentieren“, von einem Mephisto-Prinzip spricht, dem wir derzeit auf allen Ebenen huldigen, dann hört man aus dem Lager der Skeptizisten sofort wieder dieses „hihi, pöhse …“ (siehe Der Psiram Lehrmeister – Massentaugliches Infotainment und marktkonformer Brainfuck).
Das Böse? Fuck yeah, bro, das gab’s doch vielleicht irgendwann im Mittelalter, aber doch nicht in unseren strahlenden Zeiten der digitalen Transformation, in denen Gott KI seine Herrschaft antritt und Sheldon Coopers Kumpels das Chipsfuttern und Onanieren demnächst vom Serviceroboter „Sophia“ besorgt bekommen.
Auch die gerade in Idlib verschanzten Terroristen der HTS (früherer Name: Al Nusra und Al Kaida), sind laut Tagesschau gar nicht böse, sondern moderate Kopfabschneider. Deshalb werden ihnen auch von derjenigen deutschen Regierung, die das Gute und Gerne für sich gepachtet hat, aktuell 50 Millionen Euro überwiesen (2019: > 60 Mio.) – Steuergelder, die der tagesschauguckende Leitmedienbürger jedoch gerne springen lässt, wenn es darum geht, in der Welt wieder „Verantwortung zu übernehmen“ und dem Guten und Gernen Leben zum Endsieg zu verhelfen.
„Alles was ist, ist gut“ und was noch nicht ganz gut ist, könne man getrost den „Experten“ überlassen, die gerade am kommenden Paradies basteln. In dieses Credo stimmt derzeit fast jeder, der etwas auf sich hält, ein – knallharte Vertreter des Neoliberalismus genauso wie Vertreter der Microsoft-Esoterik: Alles ist gut. Und wenn Dein Leben noch nicht gut ist, dann hast Du Dich eben noch nicht richtig ins Zeug gelegt!
Einzig bei denjenigen Menschen, die noch von ihrem Denken Gebrauch machen und die 2+2 zusammenzählen, könnte man sich darauf einigen, das Prädikat „böse“ zu vergeben. Denn diese behindern das Kommen des alternativlos Guten, des Fortschritts, des technokratischen Paradieses, in dem der allmächtige, allwissende, nur leider nicht allgütige Gott KI dafür sorgen wird, dass alles mit allem vernetzt und nach streng wissenschaftlichen Kriterien geratet ist. Für Ketzer, die meinen, dass dieses gechippte, selbstfahrende und selbstbestrafende Paradies eher Dantes Eishölle gleichen wird, bereitet man bereits die digitalen Scheiterhaufen.
Böse? War gestern. Wir sind die Guten. Seit Beginn der Milleniumswende hat die Medaille bekanntlich nur noch eine Seite. Wer das nicht glaubt, kann es bei Wikipedia nachlesen, dem neuen Wahrheitsmedium, mit dem jetzt auch Youtube-Videos referenziert werden, ob sie wahr oder fake sind.
Dabei wäre gerade das eine der wichtigsten Aufgaben der Neuzeit: Das Böse in all seinen Facetten und als – auch dem Menschen immanentes – Prinzip zu erkennen. Dann kann man eventuell Wege finden, wie man diese bösen Aspekte sogar zu etwas Brauchbarem nutzt. Aber davon brauchen wir jetzt gar noch nicht reden, da uns schlicht das ABC und die Grundrechenarten des Bösen fehlen.
Wir würden uns wundern, wie schnell die Dinge wieder aufwärts gehen würden, sobald wir uns dieses ABC aneignen. Solange wir uns diesbezüglich jedoch dumm und gwupp stellen, und uns dabei auch noch spaßig und schlau vorkommen, wird es weiter bergab gehen – und zwar im Schweinsgalopp.
Ich habe Böse übrigens bewusst ohne die üblichen Gänsefüßchen geschrieben. Wen das Wort Böse stört, der kann meinetwegen ruhig „das Destruktive“ sagen oder dgl. – An Worten soll es da nicht scheitern und darf man sich nicht ins Bockshorn jagen lassen … in Zeiten, in denen das Böse bzw. die totale Destruktion keine Scham mehr kennt und in den Gewändern des Guten, Gernen und Alternativlosen daherkommt.