Mittwoch, 27.5.2014. Eifel. Kennen Sie eigentlich noch die Legende vom „Markt“? Sicherlich – wie ein goldenes Kalb wird dieses Bild von Wirtschaft und Politik durch die Welt getragen – aber kennen sie auch seine Geschichte? Sollten Sie, denn „der Markt“ ist älter als der Kapitalismus. Viel älter – und viel gesünder. Die Idee hinter dem Markt ist einfach: Wohlstand durch Kooperation. Anstatt, dass jeder einzeln durch die Wildnis läuft, sich von Beeren, Nüssen, Äpfeln und den Kadavern kleiner Tiere ernährt, rodet man einen Wald, legt Felder an, produziert – im günstigsten Fall – Überschuss, den man dann mit anderen Gemeinschaften auf dem Markt austauschen kann. Es ist im Prinzip gar keine Geschichte des „Marktes“, sondern eine Geschichte des Handels an und für sich, eine Geschichte, der die Menschheit ihren ganzen Wohlstand, ihren gesamten Fortschritt und ihre enorme Widerstandsfähigkeit gegen Umwelteinflüsse zu verdanken hat.
In der Tat verbringt der Markt Wunder. Er kann Wein in Hühner verwandeln, Gerste in Kleidung, Kühe in Bücher: Dinge, die in der eigenen Wirtschaftsgemeinschaft in Hülle und Fülle vorhanden sind und ansonsten nutzlos in der Ecke liegen würden, kann man dort gewinnbringend eintauschen: so werden alle mit allem versorgt … jedenfalls alle, die Grundeigentum zum wirtschaften haben: das zeigt, wie begrenzt der Markt von vornherein war. Böse formuliert könnte man sagen: hier tauschen Reiche ihren Überfluss. Im Idealfall jedoch denkt man sich bei „Markt“ gleichberechtigte Wirtschaftsteilnehmer: jeder kriegt seinen Arbeitsplatz bzw. seinen Grund und Boden, um sich mit der Kraft seiner Arbeit und dem Wachstum und der Fruchtbarkeit seiner Felder eine Existenz aufbauen zu können … was den Gedanken eines „bedingungslosen Grundeinkommens“ zwecks Aufbau einer Existenz sehr plausibel erscheinen läßt.
Mit der Zeit – lange vor dem Kapitalismus – erfand man auch „Geld“: also – „Tauschmittel“ in Form von Muscheln, Gold, Diamanten oder Anrechtsscheinen. Dieses Geld erlaubte einem, die Angebote des Marktes noch viel effizienter nutzen zu können: Geld konnte „Leistung“ konservieren, war leicht zu transportieren und vor allem: es wurde nicht schlecht, wenn man es lagerte. Geld wurde das „Schmieröl“ für den „Motor Markt“.
In der Tat funktionierte dieses Modell auch, selbst heute noch gibt es Märkte, auf denen Bauern ihre Überschüsse vermarkten. Kleinbauern verkaufen dort „Bio“-Lebensmittel. Von ihnen gibt es nur noch eine Hand voll. Die Mehrheit der – insgesamt nur noch wenigen Bauern – produziert mit der Hilfe von Maschinen ganze Berge von Überschüssen … so viel, dass oft sogar was weggeschmissen wird. Möglich wurde dies dadurch, dass wir die ganzen Minifelder der Gemeinschaften zu gigantischen Feldern vereint haben, um dort Maschinen überhaupt erstmal einsetzen zu können.
Im Prinzip eine gute, vernünftige Sache … gäbe es da nicht einen kleinen Haken.
Im Laufe der Zeit hatte sich gezeigt, dass der Markt Schutz brauchte. Tauschmittel waren ideale Diebesware, Überfälle auf Marktflecken durch Raubritter versprachen maximalen Profit bei minimalem Arbeitseinsatz (der Investmentbanker war erfunden) die Anmarschwege zum Markt mussten gegen Wegelagerer geschützt werden (die ersten Formen des Finanzbeamten) und der Markt selber vor Betrügern, Fälschern und Dieben: der soziopathische Geist egozentrischer Mitmenschen konnte sich übel auf das Markttreiben auswirken – und man sah auf einmal, wie unsicher doch das Markttreiben war, wenn nicht eine große Macht den riesengroßen Rahmen garantierte: der Staat war geboren – und er war eine gute Idee, getragen von einem noch größeren Gemeinschaftsgedanken.
Es gab nämlich ein paar Probleme zu lösen. Der Markt brauchte nicht nur Schutz, er war auch anfällig gegen andere Übel. Gab es eine Missernte, drohte Hungersnot auf den Marktflecken, weil die Bauern keinen Überschuss produzierten – eine Tatsache, die jeden Schneider, Schuhmacher und Hufschmidt dazu anhielt, sich besser nicht zu spezialisieren. Da aber – bei gutem Wetter – der Markt und der Handel eine Lebensqualität produzierten, wie man sie allein auf seinem Hof niemals hätte erwirtschaften können, war es im Interesse aller, dass der Marktflecken auch in Notzeiten erhalten blieb: der Sozialstaat war geboren – samt bedingungslosen Grundeinkommen, das im Prinzip schon als Ausgleich für fremdverteilten Grund und Boden notwendig war, damit der Markt überhaupt noch funktionieren konnte, eine reine Überflussgemeinschaft, die dank vorausschauender Lagerhaltung und Planung immer unabhängiger vom jeweiligen Wetter wurde, aber als Gemeinschaft stärker war als es die bloße Summe ihrer einzelnen Mitglieder je hätte sein können: der Schutzgedanke weitete sich aus, der Gedanke der „Versicherung“ war geboren, der Wohlstand gegen alle Übel (nicht nur Räuber und Betrüger) sichern sollte.
Hier hätte man einen Punkt machen können und sagen: mit großen Einsatz der Gemeinschaft, unter großem Verzicht auf persönliche Rechte und Inkaufnahme enormer Einschränkungen (z.B. der 300 000 Jahre lang gültigen Siedlungsfreiheit) haben wir ein fragiles System erschaffen, dass bei optimaler Funktion allen Mitgliedern der Gemeinschaft ein Leben in Überfluss beschehrt und so allen ermöglicht, sich vom Joch der Arbeit mehr und mehr zu befreien, um sich der Menschwerdung widmen zu können.
So jedenfalls – die Theorie.
In der Praxis jedoch … entwickelte sich alles etwas anders. Vieles hängt an einem prinzipiell kleinen Fehler, der sich irgendwann in das Denken des Handels einschlich: es gab Menschen, die sich die Oberhoheit über die Tauschmittel sicherten. Angefangen hatte das ganz harmlos: als „Bank“, d.h. als sicherer Ort, wo man seine Muscheln gegen ein kleines Entgelt in einem Tresor lagern konnte, damit man sie nicht dauernd mit sich herumschleppen musste. Diese Bank kam nun irgendwann auf die Idee, das Geld Menschen zu geben, die gar nichts hatten: keine Wolle, keine Musik, keine schönen Worte, keine Hühner, Kühe oder Kartoffeln – sie hatten einfach gar nichts … außer einer gewissen Skrupellosigkeit, Brutalität, Asozialität und Egozentrik und dem Willen zur absoluten Macht.
Das Geschäft war klar umrissen: „Wir geben Dir 1 000 000 Taler – und fordern am Ende des nächsten Jahres 1 100 000 Taler zurück – oder sperren Dich lebenslänglich in den Schuldturm“. Man merkt: der Zins war geboren – und ALDI. Natürlich war der Zins völliger Murks – wenn man mal genauer drüber nachdachte, konnte keine Wirtschaft der Welt garantieren, dass dieser Zins immer erwirtschaftet werden konnte – der Autor Günter Hannich beschreibt das sehr anschaulich:
Hätte jemand beispielsweise im Jahre 1 nur 1 Pfennig zu 5% Zins angelegt (bzw. 1 Pf. Schulden gemacht), würde diese Anlage im Jahre 1466 den Wert einer Erdkugel aus Gold und im Jahr 1990 bereits den Gegenwert von 134 Mrd. Erdkugeln aus Gold erlangt haben
Das heißt: das ganze Geschäftsmodell der Banken funktionierte im Prinzip wie ein Schneeballsystem, an dessen Ende immer ein Zusammenbruch stehen muss (oder die Eroberung fremder Planeten aus Gold) – aber das verstehen nur Menschen mit einem gewissen Bildungsgrad: vor Ort arbeiteten die Banken nämlich auf einmal ganz anders: man bezahlte nicht mehr für die Einlagerung seines Geldes, sondern man bekam die DIENSTLEISTUNG BEZAHLT! Man hätte da stutzig werden können … denn der Wert der Dienstleistung scheint geradezu negativ zu sein, wenn man für die Inanspruchnahmen auch noch bezahlt wird – aber erstmal ist es natürlich ein schönes Gefühl. Es gibt zwar regelmäßige Wirtschaftscrashs, der Sinn von Staat und Markt, gerade vor diesen zu schützen, wird untergraben … aber das merken oft erst die Enkel der Enkel. Eine Zeit lang geht das ganz gut – nur nicht ewig.
Da die Kritik am Zinssystem der Bankenwirtschaft aktuell in Deutschland als „rechtsradikal“ gilt (womit Banken und Linke auf einmal an einem Strang ziehen), wollen wir uns auf einen anderen Aspekt der Entwicklung beschränken: nämlich darauf, was der faule Gauner (ich nenne ihn mal so, weil einfach eine Million für Nichtstun zu bekommen schon eine Gaunerei ist und ich vermute, dass nur extrem arbeitssscheues Gesindel sich auf solche Experimente einläßt) mit seinem Geld anstellt: er geht in den Markt und kauft alle Ware auf. Viele denken jetzt: „Wie blöde, dass kann der doch alles gar nicht essen?“
Das will er auch nicht. Er kauft die Ware – und damit den ganzen Marktinhalt – und den ganzen Marktplatz mit dem Geld, dass die Bauern auf der Bank deponierten. Die Bauern freuen sich erstmal – erst recht, weil der Soziopath gute Preise zahlt (das Geld landet aber sofort wieder auf der Bank, weil die Bauern es nicht unter ihrer Matratze lagern wollen), sondern weil er auch noch Verträge macht, mit denen er auch zukünftige Ernten aufkauft: der Wohlstand scheint auf ewig gesichert – auch wenn die Preise auf dem Markt plötzlich anfangen zu steigen denn immerhin gab es die Verpflichtung, ohne eigene Arbeit jedes Jahr 100 000 Euro an die Bank abzutreten, Geld, dass die Bank auf braucht, um die Zinsen für das geliehene Geld bezahlen zu können.
Im Laufe der Jahre merken die Bauern nun, das was falsch läuft. Sie merken, dass einer die Zinsen zahlen muss – und das ist nicht der Soziopath. Wer das ist, merken sie, als der Agent des Soziopathen im Mai zu ihnen kommt und ihnen mitteilt: sie bräuchten dieses Jahr nichts liefern, man hätte im Kongo einige Stämme gefunden, die für Glasperlen die doppelte Menge an Essen lieferten – da bräuchte man die lokale Wirtschaft nicht mehr. Die Bauern schauten etwas doof drein: sie brauchten doch das Geld, allein schon die Betriebsgebühren für die Gemeinschaft, die mit Leib und Leben für die Sicherheit der Transportwege und der Marktflecken sorgt (wir nennen das heute „Steuern“), müssen entrichtet werden … sonst droht Privatkonkurs oder Enteignung.
Natürlich gibt sich der Soziopath großzügig … allerdings nähern sich die Preise immer mehr dem Wert von Glasperlen an – vor allem die Preise für den Wert von Arbeitsleistung, dem Urwert allen bäuerlichen Arbeitens. Wozu auch noch arbeiten? Das Schneeballsystem ernährt seinen Mann! Der Soziopath hat letztlich sogar die ganze Gemeinschaft im Griff, fordert die Begleichung der Bankzinsen durch den Staat selbst – sonst schließt er den Markt und Millionen verhungern. Er ist auf einmal König der Welt … in einer Welt, die Könige schon lange abgeschafft hat.
Der Markt selbst jedoch, der freie, demokratische Ort des Austausches, der Kommunikation, des Miteinanders – ist tot. Der Tod der Märktegemeinschaft (Staat) ist vorauszusehen: ewig wird er die Kosten der „Wirtschaft“ nicht mehr tragen können – einer Wirtschaft, die selbst nur noch als Raubwirtschaft überleben kann – fernab jeglicher ideeler Prinzipien des Marktgedankens hat sie sich auf Straßenräuberei verlegt … die anderen Marktteilnehmern natürlich durch Staatsmacht verboten ist.
Modern hört sich das so an – siehe Wiwo aus einem Interview mit dem Sozialphilosophen Axel Honneth:
Ich habe jedenfalls große Zweifel, dass die heutigen ökonomischen Verhältnisse im Sinne der Gründerväter noch „marktwirtschaftlich“ zu nennen sind. Dafür sind die Machtasymmetrien in den Märkten zu gewaltig. Großformatig gesehen, ist der Markt längst außer Kraft gesetzt. Erstaunlich ist, dass der Markt im kleinen Format, also als Instrument des Warenaustauschs vor Ort, noch immer gut funktioniert.
Gruselt es Sie bei dieser Formulierung? Nein? Ich kann Sie ihnen übersetzen: „Erstaunlich ist, dass die Menschen immer noch was zu essen bekommen„. Oder: es ist ein Wunder, das wir noch nicht alle tot sind. Der Staat selbst – die Gemeinschaft aller Marktteilnehmer – ist in Gefahr:
Die demokratische Willensbildung und ihre Umsetzung in staatliche Entscheidungen ist längst nicht mehr so gut geschützt gegenüber externen Einflussnahmen wie noch vor 50, 60 Jahren. Ich habe im Gegenteil den Eindruck, dass unser ökonomisches Modell von autokratischen Systemen so weit nicht mehr entfernt ist. Sowohl mächtige Banken als auch internationale Konzerne haben inzwischen beängstigend viel Veto-Macht gegen staatliche Entscheidungen. Sie lassen sich von Staaten und Steuerzahlern retten, entziehen sich aber zugleich der Steuererhebung in den Ländern, in denen sie wirtschaften und rekrutieren ihre Arbeitskräfte dort, wo sie am billigsten sind… das alles sind alarmierende Zeichen.
Die Folgen?
Erbärmlich für die Marktteilnehmer – die man korrekterweise besser Marktgestalter nennt.
So wird die Wirtschaftspolitik in Deutschland trotz allen Reichtums immer unsozialer – was sogar die OECD kritisiert (siehe Spiegel), trotz allen Reichtums kann sich jeder zwölfte Marktteilnehmer im superreichen Deutschland kein Essen mehr leisten (siehe Tagesspiegel) – ein Zustand, den die Bundesregierung (bzw. die SPD) noch gerne durch Steigerung der Mehrwertsteuer verschärfen möchte (siehe Focus). Wer aber reich wird, sind jene, deren Vorväter den Großangriff auf die Marktwirtschaft gestartet haben: ihre Tauschmittelsammlungen (bzw. die Versprechen der Banken, im Bedarfsfall so viele Tauschmittel auszuschütten) versprechen durch den Schneeballeffekt der Zinszahlungsversprechen enorm steigenden Reichtum … wodurch der Markt immer weniger Tauschkraft zur Verfügung hat. Wer mitmacht, kann unglaublichen Reichtum ernten, siehe Bert Flossbach im Handelsblatt:
Das Problem ist im Investmentbanking am größten. Dort gibt es reihenweise Leute, die selbst keinerlei unternehmerisches Risiko tragen, aber in unvorstellbare Gehaltssphären vorstoßen. Dort können 30-jährige „Talente“ so viel verdienen, wie ein erfolgreicher Unternehmer am Ende eines langen Arbeitslebens, wenn überhaupt. Der Banker geht Risiken ein, der Unternehmer trägt sie, das ist ein feiner Unterschied.
Man wird reich durch theoretische Tauschmittelvervielfältigung, die praktisch nur noch Wahnsinn ist.
Im Jahre 2012 betrug das Weltbruttoinlandsprodukt 71,7 Billionen Dollar (siehe Statista), die Weltprivatvermögen beliefen sich 2013 jedoch auf 241 Billionen Dollar (siehe Credit-Suisse) – die Verschuldung der Staaten, die für die zerstörten Märkte gerade stehen müssen, belief sich 2014 auf 100 Billionen Euro (siehe Handelsblatt) – um nur ein paar Kennziffern zu nennen, die den Stand des Schneeballsystems 2014 aufzeigen.
Reale Folgen für die ehemaligen Marktgestalter? Katastrophal – siehe Giacomo Corneo im Interview, hier als Warnung vor dem Untergang des Gesamtsystems „Kapitalismus“ bei Wiwo:
Aus ökonomischer Sicht ist die Ineffizienz eindeutig. Es gibt viele Fälle, wo wir Ressourcen verschwenden. Schauen Sie auf die hohe Arbeitslosigkeit in Südeuropa. Das Potenzial von Millionen von Menschen bleibt ungenutzt. Oder schauen Sie in die USA: durch eine lasche Kreditvergabe wurde ein Immobilienboom geschaffen. Nun stehen landauf landab Häuser frei und verrotten. Die Materialen könnten wir an anderer Stelle gut gebrauchen.
Banken wollen nur noch Millionäre als Kunden – die anderen machen zuviel Arbeit (siehe Handelsblatt), die hoffnungslose Jugend sucht ihr Heil in Suff und Selbstmord (siehe Stern) – wobei letzteres eine Erscheinung ist, die in früheren Kulturen extrem selten war. Armut greift auch im schwerreichen Europa um sich – wie es in Staaten mit toten Märkten aussieht, beschreibt der Spiegel:
Coelhos eiserne Reformpolitik hat Portugal zwar die Rückkehr an die Finanzmärkte ermöglicht, aber gleichzeitig das Land in eine historische soziale Krise gestürzt. 2,5 Millionen Portugiesen leben in Armut oder an der Armutsgrenze, das entspricht rund einem Viertel der Bevölkerung.
Das Gesicht der Armut ist vielfältig:
Rund hundert Menschen versorgt das Team täglich mit Essen, gut die Hälfte kennt Duque persönlich. Er wohnt seit 18 Jahren in der Gegend. Als er 2008 anfing, Essen auszuteilen, kamen vor allem Obdachlose; vor drei Jahren kam die Frau eines befreundeten Bauarbeiters, vor zwei Jahren kam ein befreundeter Diplom-Ingenieur, vor einem Jahr die Nachbarin von gegenüber, aus dem Haus mit dem Swimmingpool.
Das Schneeballsystem erreicht seine Grenze – die Marktwirtschaft ist tot – oder liegt in den letzten Zügen, das Schneeballsystem frißt das Schmieröl des Marktes – das Geld – in immer größerer Geschwindigkeit.
Noch funktioniert die Warenversorgung vor Ort – anstatt gute Ware gegen Arbeit zu tauschen, wird die Versorgung durch Verteilung fast abgelaufener Lebensmittel (sprich: MÜLL) aufrecht erhalten. Produktive Arbeit – Grundlage eines jeden Wertes – wird vom Staat unter Androhung von Gewalt zu Billigstpreisen erzwungen (siehe „Hartz IV“ in Deutschland, das Modell für Europa werden soll), während der Staat sich selbst immer weiter verschuldet, um das Schneeballsystem am Zusammenbruch zu hindern: wir weit man mit einem Motor ohne Öl kommt, den man mit Gewalt weiterlaufen läßt, kann sich jeder selbst vorstellen.
Wann es soweit ist, bis der Motor endgülitg tot ist, auch.
Der Soziopath aber: der wird am Ende Berge voller Muscheln in seinem Geldspeicher haben. Dafür zu sterben lohnt sich auf jeden Fall, oder?
Samstag, 21.12.2013. Eifel. Sonnenwende. Der finsterste Tag des Jahres. Zeit also für richtig finstere Geschichten – über Arbeit zum Beispiel. Arbeit ist – das wissen wir, weil wir es in der Schule so gelernt haben – ein Glücksfall für die Menschen. Was würden wir nur tun, wenn wir sie nicht hätten? Sie füllt unseren Tag aus, gibt unserem Leben Struktur, ohne die wir uns wohl ganz schnell von der Brücke stürzen würden. Sie schenkt uns unglaubliche Erfolgserlebnisse, die wir ohne sie gar nicht hätten, sie füllt uns aus und bestimmt, wer wir sind im Leben. Darum ist Arbeitslosigkeit ja auch so schlimm: die sind nichts mehr. Gar nichts.
Vor tausend Jahren noch wäre ein Mensch verhungert, wenn er nicht beständig gegen die Natur gearbeitet hätte. Das hat uns so eindeutig geprägt, dass wir immer noch die alten Werte der Ackerbau- und Viehzuchtgesellschaft transportieren – einer Gesellschaft, die noch für jeden etwas zu tun fand, sei er auch noch so behindert … und auch für jeden etwas zu Essen hatte. Aus dem Grund hat man es ja in Massen produziert, dieses Essen, die Produktionsmethoden immer weiter verfeinert, bis ganz wenige Großlandwirte die zusammengelegten Flächen so effektiv bewirtschaften konnten, dass nie mehr Hungersnot zu befürchten war.
Darum schmeißen wir heute unglaublich viele Lebensmittel fort – und den Armen zum Fraß vor. Die müssen ihren Ausgliederungsbescheid vorlegen („Hartz-IV-Bescheid“) und bekommen dann den Müll der Wohlstandsgesellschaft sehr günstig verkauft – Müll, den man sonst kostspielig entsorgen müßte. Geniale Idee von McKinsey. Das läßt eine Gesellschaft mit sich machen, die mit Werten aus der Zeit Karl des Großen modernes Leben spielt und die Armut, der wir durch die Arbeit vieler Generationen entkommen sind, künstlich wieder einführt. Die Armen sitzen aber nicht mehr gemeinsam mit dem übrigen Dorf an der Tafel, sie müssen sich das Essen vom modernen Misthaufen holen. Menschlich hat sich bei uns einiges an Werten verändert.
Nun – wir wollen uns nicht lange aufhalten mit „Wertediskussionen“. Unsere Zeit schätzt die Wertlosigkeit, hat extra ein Wort dafür gefunden, um den Zustand zu verteidigen: alles, was „Werte“ hochhält, wird als „Sozialromantik“ angeprangert. Wir brauchen auch keine Werte mehr – die werden vorgegeben. „Arbeit“ ist der einzige Wert, der zählt. Arbeiten für die Maximierung der Kapitalrendite von superreichen Arbeitslosen, die dann den anderen Arbeitslosen in vielen medialen Formaten als Lebensvorbilder gepriesen werden: wer es schafft, durch einen bewußten und gezielten antisozialen Akt nur noch von der Arbeit anderer Leute zu leben, der „hat es geschafft“. Wer gezwungen ist, von Almosen anderer Leute zu leben, weil sein Arbeitsplatz abgeschafft wurde, wird abgeschafft.
So etwas gehört natürlich nicht hinterfragt: der gemeinsame Dienst an der Eigenkapitalrendite steht für jeden Deutschen weit außerhalb jeder Kritik. Wir arbeiten gerne umsonst für den Reichtum anderer – so selbstlos sind nur wir.
Doch hier … müssen wir leider warnend einschreiten: „Arbeit“ hat auch eine dunkle Seite.
Nein, nicht nur die, dass sie krank macht. Sicher, es ist auch nicht angenehm, blind zu werden, weil man zu lange vor den Bildschirmen gesessen hat (siehe Focus). Aber das meine ich nicht – was stört uns schon unsere Gesundheit, wenn wir sie zum Wohle des deutschen superreichen Nichtstuers opfern dürfen.
Ich meine, so menschlich-seelische Degenerationen, die uns während der Arbeit ereilen – selbst dann, wenn wir selbst noch ziemlich viel Geld für unsere „Arbeit“ bekommen. Schauen wir uns das doch mal genauer an – Anna Kistner hat das für uns im Spiegel ausgeführt: Zehn Belege für die rasante Verspießerung von Festangestellten. Anna Kistner ist seit kurzem (Mai 2013) Korrespondentin des Spiegel in Bayern. Sie hatte uns schon einmal darüber aufgeklärt, was man heute alles vorlegen muss, um eine Mietwohnung zu bekommen, siehe Spiegel:
Man muss freundlich sein zu diesem Makler. Und eine Bewerbungsmappe für ihn zusammenstellen. Darin enthalten: Visitenkarte, Schufa-Auskunft, Kopie der letzten drei Gehaltszettel, Kopie des Personalausweises, gern auch der Arbeitsvertrag und ein ausformulierter Lebenslauf. Ein Foto auf dem Deckblatt der Bewerbungsmappe ist Pflicht.
Eine Bewerbungsmappe für eine Mietwohnung. Man muss heute schon tief buckeln, um sein Grundrecht auf wohnen verwirklichen zu können. Rechte muss man sich halt leisten können.
Nun – eine Wohnung hat Anna Kistner bekommen, da haben wir eine Sorge weniger. Das ist auch gut so, denn mit den Belegen zu ihrer eigenen Verspießerung hat sie ein wichtiges Dokument verfasst, dass uns die dunklen Seiten von „Arbeit“ deutlich vor Augen führt. Gehen wir die einzelnen Punkte ihres Artikels einfach mal durch.
1. Arbeit macht unsozial
Wo vorher der Studienkollege noch mit seinem Schlafsack übernachten konnte, ist auf einmal eine „No-go“-Zone entstanden. Aus Freunden werden Kosten auf zwei Beinen, lästige Fliegen, die die Abendruhe stören.
2. Arbeit fördert Gier
Wo vorher noch der bescheidene 1,5 Liter-Wein aus der Aldi-Tüte für Mordsstimmung in der WG sorgte, breitet sich heute die Gier nach „Vollmundigkeit“ aus.
3. Arbeit fördert echten „Herrengeist“.
Wer arbeitet, braucht eine Putzfrau. Arbeit adelt (Hitlers Motto für den Reichsarbeitsdienst), und Adel braucht Personal
4. Arbeit fördert Umweltzerstörung
Wo früher der Urlaub umweltverträglich und erlebnisreich im Zelt verbracht wurde, muss heute die Bettenburg herhalten, die ganze Landstriche für ewig verschandelt.
5. Arbeit fördert sprachliche Verarmung
Außer Gesprächen über das Wetter ist keine lebendige Kommunikation mehr möglich.
6. Arbeit tötet die eigene Lebendigkeit ab
Wo früher der gesellige Abend in einer Studentenkneipe jede Party an Stimmung übertraf, wird heute Ersatzleben vor dem Fernsehbildschirm konsumiert, wo man beobachten kann, wie spannend das Leben sein könnte, wäre man kein Hamster im Rade.
7. Arbeit fördert Vernichtung der Individualität
Der Kampf um die heilige persönliche Kaffeetasse, die nach Dienstschluss diebstahlsicher weggeschlossen wird, ist das letzte Aufbäumen des Individuums, bevor es gleichgeschaltet unbemerkt in der Masse versinkt.
8. Arbeit fördert Entfremdung vom Leben selbst
So wird die vergessene Topfblume auf der Fensterbank zum Symbol für den Zustand der eigenen Seele, die unbemerkt vertrocknet.
9. Arbeit fördert Ängstlichkeit
Wo früher das mutige helmlose Radeln durch die Innenstadt ein letztes Gefühl von Freiheit und Abenteuer vermittelte, ist auch einmal Helmpflicht angesagt: so beginnt das Ende des Leben mit der ersten Angst vor dem Tod
10. Arbeit vernichtet Kreativität
Kleidung – für viele wichtigster Ausdruck der Kreativität im persönlichen Bereich – wir normgerecht, es zählt, was „man“ trägt, wie „man“ lebt … und was „man“ denkt.
So können wir hier – am Beispiel Anna Kistners – erkennen, wie gezielt, systematisch und umfassend Arbeit „Leben“ vernichtet. Man fühlt sich versucht, von „Vernichtung durch Arbeit“ zu sprechen, doch dieser Begriff wurde schon vorher von anderen besetzt. Es fällt auch nicht jedem auf, was die Arbeitswelt mit einem anstellt, noch fällt den meisten Menschen auf, wie rar eigentlich diese lebenslangen Festanstellungen geworden sind: natürlich braucht man da Personal … man kann es sich ja auch leisten, gehört zu den besonders gesegneten Menschen dieses Landes.
Gut, das es Frau Kistner aufgefallen ist – vielleicht helfen da Erfahrung wie das Gespräch mit dem Menschen, der eine „WG“ für den „Idealzustand im Leben“ hält (siehe Süddeutsche). Ist es ja auch – man schaue sich mal an, wie die Menschheit hunderttausend Jahre lang gelebt hat (Imperien ausgenommen – die haben auch die Mietskasernen eingeführt, für Mietsklaven, deren Ernährung man nicht dauerhaft am Hals haben will).
Wir merken schnell: „Arbeit“ ist nicht gleich „Arbeit“. Echte Arbeit wird heute nur noch von einem Bruchteil der Bevölkerung geleistet, die meisten bekommen Arbeitsersatzstoff zugewiesen, damit sie denken, wir würden immer noch zu Zeiten Karl des Großen leben, wo Arbeit echten Wert darstellte … und aufgrund der körperlichen und seelischen Deformationen immer als Fluch verstanden wurde.
Wahrscheinlich gibt es deshalb so heftige Angriffe auf Religion und Kirche in unserer Zeit: der Kult der Arbeit befreit sich von der Konkurrenz, die mit ihrer Sicht von „Arbeit“ direkt im Gegensatz zu unserem heutigen Verständnis steht.
Arbeit – so steht es in der Bibel – wurde als Fluch und Strafe verstanden, der auf uns kam, als wir aus dem Paradies verschwinden mussten. Da ich nun jeden Tag den Bauarbeitern zusehen darf, die bei Wind und Wetter ein Superluxusferienhaus für einen jungen, dynamischen Investmentbanker aus Amsterdam errichten, weiß ich, wovon ich rede.
Die Jungs leisten noch richtig echte Arbeit – auch am Wochenende, wo unser 30-jähriger frisch aufgestiegene Banker für den privaten Investmentkunden sich mit seinem Privatflugzeug vergnügt und sich dank seiner Nähe zum privaten Geldverteilungsapparat mit Tauschmitteln überfressen darf, während andere sich von seinem Müll ernähren müssen.
Das große Geld braucht nämlich keine Arbeit mehr – es vermehrt sich inzwischen von selbst. Deshalb müssen die schwer arbeitenden Maurer auch dankbar sein, wenn man ihnen ein paar Tropfen des Geldflusses zukommen läßt, der in Banken überreichlich sprudelt. In Wirklichkeit – braucht das Geld sie nicht mehr.
Wenn wir merken, dass es in Wirklichkeit überhaupt keine Werte schafft, sondern nur Leben vernichtet, wird es zu spät sein.
Man wird wohl noch eine Weile brauchen, bis man verstanden hat, das die entwickelten Demokratien gerade wegen ihres Arbeitsbegriffes am Abgrund stehen, das es gerade die charakterlichen Deformationen durch moderne Pseudoarbeit (und modernes Pseudoleben) sind, die dafür sorgen, dass die Fundamente zusammenbrechen, das es wieder möglich ist, dass Erzieherinnen Kinder an Stühle fesseln, in den dunklen Keller sperren und sie zwingen, ihr eigenes Erbrochenes zu essen (siehe N24) – so wie es meiner Mutter beim „Bund deutscher Mädel“ auch ergangen ist.
Das hemmungslose Aufblühen schwarzer Pädagogik ist nur ein Zeichen für das Wachstum eines neuen Zeitgeistes, der sich in den entwickelten Demokratien entfaltet, die nun am Abgrund stehen (siehe Heise):
Die Völker der demokratischen Staaten sehen sich von Oligarchien beherrscht, die ihre eigenen, höchst eigennützigen Interessen verfolgen und sich nicht mehr um die wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Interessen der Menschen scheren, die sie eigentlich vertreten sollen. Die Wirtschafts- und Sozialpolitik aller entwickelten Demokratien geht in immer stärkerem Maße an den Bedürfnissen der Bevölkerungsmehrheit vorbei und richtet sich zunehmend gegen die eigene Bevölkerung.
Es mehren sich die Zweifel, ob die herrschenden Demokratien überhaupt noch handlungsfähig sind; denn die eigentliche Krise ist die Krise der repräsentativen Demokratie. Die strukturellen Schwächen dieses Ordnungssystems treten heute so krass hervor wie nie zuvor. Eine erfolgreiche Krisenbewältigung würde einen radikalen Politikwandel erfordern.
Und das alles ist nur möglich, weil wir es zulassen, von einem Arbeitsbegriff terrorisiert zu werden, der uns charakterlich und seelisch tief deformiert.
Ach ja – ich vergaß: Seele … hat man als moderner Mensch nicht mehr.
Jetzt verstehe ich auch den „Zombie-Hype“: er spiegelt die seelische Verfassung jener Menschen wieder, die sich noch erfolgreich gegen die Deformation wehren und sich so in einer extrem feindlichen, dämonischen Umwelt wieder finden.
Wahrscheinlich bald auch mit Waffengewalt: immerhin stehen wir am Agrund und preisen hemmunglos den „Fortschritt“. Wohin man kommt, wenn man am Agrund weiter fortschreitet, mag sich jeder selbst ausmalen.
PS: Ana Kistner an dieser Stelle vielen Dank für ihre Beschreibung der Vertreibung aus dem Paradies, die man selbst als große Erfolgsstory erlebt und verkauft.
Wir werden uns wohl auf Blut einstellen müssen. Blut, Gedärme, Körperteile, die auf der Straße herumliegen – all diese Dinge halt, die zu einem richtig ordentlichen Krieg gehören. Ebenso werden wir uns an die Bilder verhungerter Kinder auf den Straßen gewöhnen müssen – 2020 werden die Straßen in Duisburg den Aufnahmen aus Ostafrika ähneln. Dort sorgt eine Dürre für die Armut – hier sind es Verbrecher. Wie bitte? Das soll zu schwarz gemalt sein? Dann lest doch bitte mal den aktuellen Spiegelartikel aus Griechenland. Manfred Ertel berichtet unter der Rubrik „Wirtschaftskrise“ über die Zustände in Athen:
Die Zahl der Arbeitslosen stieg 2010 um 230.000 auf 14,8 Prozent, und Arbeitslosigkeit ist fast gleichbedeutend mit sozialem Bankrott. Wer seinen Job verliert, bekommt nur ein Jahr lang Arbeitslosenunterstützung – und das sind nicht einmal 500 Euro monatlich. Danach fällt man praktisch ins Nichts. Von derzeit über 800.000 Arbeitslosen haben nach amtlichen Angaben nur rund 280.000 Anspruch auf staatliche Hilfen. Das bedeutet einen dramatischen Anstieg der Obdachlosigkeit, in der Hauptstadt um bis zu 25 Prozent.
Rentner, Arbeitslose, Mütter mit Kindern … es gibt auch ein paar Bilder dazu, Mutter mit Kind bettelt bei Mercedesfahrer um ein paar Cent. Kennt man ja, solche Bilder – aus dem Indien der siebziger Jahre.
Ja, es gibt noch Wirtschaftskrise. Hört man kaum noch was drüber, oder? Wir werden zugeschüttet mit Informationen über die faulen Griechen (in etwa so faul wie unsere Arbeitslosen) und unsere „supererfolgreiche“ Wirtschaft (die mehr als das vierfache des Hartz-Budgets für Subventionen an Firmen ausgibt, die dann keine Steuern zahlen), aber darüber das aktuell immer noch Wirtschaftskrise ist, spricht keiner.
Bis zu vierzig Milliarden Euro schuldet die kleine griechische Oberschicht nach einer von Ertel genannten Studie der OECD dem Volk. Die sind da wie die deutschen Reichen, die dem Staat mehr Geld stehlen, als Hartz IV kostet. Und weil das so ist, wird es irgendwann eng im Magen der Alten, Kranken, Behinderten und der Kinder. Solche Krebsgeschwüre hält auf Dauer keine gesunde Volkswirtschaft aus – wobei ich hier nicht die Menschen als Krebsgeschwüre verstanden wissen möchte, sondern … ihre Konten.
Eine andere Meinung hat wohl Ulf Poschardt, der aktuell den Untergang des westlichen Abendlandes in der Welt herbeipredigt:
Und auf der anderen Seite eine liberale Dekonstruktion der spendablen, aber bettelarmen europäischen Staaten, denn eine Solidarität, welche die Schwächen der Schwachen stabilisiert, ist Gift. Sie zerstört nachhaltig, anstatt zu helfen.
„Die Schwächen der Schwachen stabilisieren“ … heist auf Deutsch: Armen auch noch Essen geben. Wenn die nämlich einfach verhungern … dann ist das Problem doch gelöst. Die sind dann tot und betteln nicht mehr anständige Leistungsträger im öffentlichen Verkehrsraum um ein paar Cent für die Versorgung ihrer Blagen an, oder?
Ich möchte mir auch nichts dabei denken, das das gleiche Medium sich noch Sorgen darum macht, wie man denn sein Geld aus der Eurokrise retten könnte. Dort erlaubt man sich jenseits des politischen Kalküls schon weiter zu schauen und hat das Ende des Euro fest im Blick. Schaut man noch etwas weiter, hat man deutsche Mütter, die am Straßenrand stehen und Investmentbanker um ein paar Cent für Brotreste anflehen.
Ich war dann mal bei Goldman Sachs, einer Bank, die Griechenland über einen langen Zeitraum geholfen hat, die Misere der Staatsfinanzen zu verschleiern. Diese Beihilfe zum Betrug hatte natürlich keine Folgen. Bevor man die Internetseite von Goldman Sachs betreten darf, muss man erstmal versichern, das man Deutscher oder Österreicher ist, US-Bürger dürfen diese Produkte nicht kaufen. Vielleicht hat man Angst vor schießwütigen Texanern.
39000 Produktinformationsblätter kann ich dann studieren – damit hat die Bank viel mehr Produkte als Mitarbeiter. Bei 27900 Mitarbeitern hat jeder Mitarbeiter 1,4 GANZ EIGENE FINANZPRODUKTE! Wetten, das da keiner mehr wirklich durchblickt, was die da verkaufen? Aktuell habe ich da aber ein Angebot, das mich stutzig machte: man wettet auf Armut. Die Goldman Sachs Inflationsanleihe ist der momentane Renner unter den 39ooo Produkten – je größer die Inflation, desto größer der Gewinn … und natürlich die Armut der Bürger. Inflation von Geld ist immer auch Inflation von Suppenküchen.
Der kurze Blick auf die Finanzsituation hilft uns, etwas Wichtiges zu verstehen: warum in Griechenland immer mehr Menschen hungern und obdachlos werden. Das ist – wie schon erwähnt – kein Naturgesetz, sondern politisch gewollt – wir kennen nur die „Entscheider“ nicht, uns werden lediglich die ausführenden Organe zur Wahl angeboten.
Die Welt ist nicht arm, sie ist reich. 12 Milliarden Menschen kann sie ernähren. Niemand müsste Hunger leiden … wenn man mit eiserner Entschlossenheit die Verteilung des Essens regeln möchte. Manche möchten das gerne, weil ihnen der Anblick verhungerter Kinder ein Gräuel ist. Andere aber … finden die Bilder geil. Das tröstet sie über ihre eigene charakterliche Erbärmlichkeit hinweg und gibt ihnen ein Gefühl von „Gott sein“.
Fünfzig Prozent aller Lebensmittel werden momentan einfach fortgeworfen. Wir sind sehr reich, das wir uns so etwas leisten können. Lebensmittel sind die allerwichtigsten Güter, die wir haben – und sie wachsen einfach so. Völlig umsonst. Jahrtausendelang konnte die Menschheit einfach so durch die Gegend laufen und sich von dem ernähren, was am Wegesrand wuchs. Mussten sie auch, ALDI und WALMART waren noch nicht erfunden.
Dann … kamen die Zäune.
Selbst die waren noch zu tolerieren, denn anstelle der Freiheit kam das Geld. Findige Farmer konnten durch Rodung der Wälder gezielten Anbau betreiben, hatten aber ein gewisses Interesse daran, das die Felder nicht sofort geplündert wurden. Da alle daran einen Gewinn hatten, konnte man mit dieser Privatisierung (auf Deutsch: Beraubung) gut leben. Alle bekamen Geld, damit die Überflusswaren getauscht werden konnten und man einen jährlich wachsenden Wohlstand hatte.
Die Zeiten sind lange vorbei, denn dann …. kam Goldman Sachs und fing an, das Tauschmittel aus dem Markt zu saugen.
Auf einmal war die Armut zurück, man lebte (wie aktuell immer mehr Griechen) hungernd auf der Straße … und erwachte wie aus einem Traum. Die Wälder waren fort, nur noch Nutzholz überall, Beeren und Wurzeln wuchsen nur noch hinter Zäunen und wurden eher weggeschmissen als das man sie zu niedrigen Preisen den Armen gab, 20 Millionen Tonnen allein pro Jahr in Deutschland.
39000 Produkte brauchen ganz viel Geld, um aktiv am Markt Gewinne erzielen zu können – und das ist nur eine Bank. Es gibt ja noch mehr Banken – und wenn die alle mehr Produkte haben als Mitarbeiter, dann ist es kein Wunder, das zum Austausch von Waren kein Geld mehr da ist.
Letztlich stehen wir vor einem Zeitalter der europäischen Massenarmut – 11 Millionen Deutsche sind laut Armutsbericht der Bundesregierung von 2005 schon dort angekommen, der Rest wird folgen, nur eine kleine reiche Oberschicht wird die Suppenküchen meiden. Währenddessen schauen sie aufgeregt zu, wie unternehmenslustige Investmentbanker mit ihren Produkten und ihrem Geld jonglieren – in der Hoffnung, das am Ende des Spiels alle Reichen mehr als doppelt soviel zuviel haben wie zuvor.
Draussen, vor den Toren dieser verlotterten, dekadenten und degenerierten Gesellschaft stehen währenddessen die Menschen und hungern, während in den Geschäften das Essen verdirbt, das keiner mehr kaufen kann. Es gibt nicht einen einzigen Grund, anzunehmen, das uns das griechische Schicksal erspart bleibt: im Gegenteil – wir sind voll auf Kurs.
Warum das in einem Krieg enden wird?
Nun … Menschen haben ein natürliches, angeborenes Gefühl für Gerechtigkeit. Und sie müssen essen. Soviel Ungerechtigkeit, wie „Finanzprodukte“ in die Welt gebracht haben, erzeugt einen riesigen Zorn, einen unbändigen Hass auf die, die die Situation angerichtet haben. So etwas entlädt sich gerne mal, wenn die Armut alternativlos geworden ist, vor allem, wenn die Armut künstlich produziert wurde, weil immer mehr Finanzprodukte bedient und immer mehr Banker und Anlageberater auf höchstem Niveau (und völlig nutzlos) durchgefüttert werden mussten, während die Menschen, die die Arbeit gemacht haben, auf der Straße verhungern.