Man kommt aus dem Staunen ja kaum noch heraus, mit welcher Geschwindigkeit und welcher Selbstverständlichkeit sich eine als zivilisiert und aufgeklärt geltende Gesellschaft derzeit wie mit einem Senkblei Richtung Meeresgrund ziehen lässt. Und wie hierbei anscheinend ein Tiefenrausch einsetzt und sich viele Bürger sogar wie euphorisiert und „gut unterwegs“ fühlen. Der Tauchpionier Jacques-Yves Cousteau hat diesen Tiefenrausch selbst erlebt bzw. nur knapp überlebt (Quelle: Spiegel):
„Das erste Stadium ist eine leichte Anästhesie, nach der sich der Taucher wie ein Gott fühlt. Wenn er glaubt, ein vorbeischwimmender Fisch brauche dringend Luft, ist er in seinem Wahnsinn imstande, sich die Luftleitung aus dem Munde zu reißen und sie ihm großmütig anzubieten (…)
Der Vorgang selber ist undurchsichtig und wird noch immer von den Tauchphysiologen diskutiert. Ich liebe ihn und fürchte ihn zugleich wie das schlimmste Verhängnis. Er zerstört den Lebensinstinkt. Mein Kopf steckte voll eitler und grotesk übermütiger Gedanken (…)
Das entfernte Surren des Dieselmotors legte sich mir aufs Gemüt, schwoll zu einem gewaltigen Dröhnen an und klang mir in den Ohren wie der Herzschlag der Welt (…)
Ich hing ohne Sinn und Verstand an dem Tau. Neben mir stand ein lächelnder Mann, mein zweites Ich, das sich völlig in der Gewalt hatte und teuflisch über den armen Taucher grinste. Als so die Sekunden verrannen, versuchte dieser muntere Mann, sich an meine Stelle zu versetzen, und befahl mir, das Tau loszulassen und weiter hinabzugehen (…)
Doch was ich in neunzig Meter Tiefe wirklich fühlte, konnte ich nicht aufschreiben. Ich war der tiefste unabhängige Taucher. In meinem zweigeteilten Hirn war diese Genugtuung durch eine satirische Selbstverachtung gedämpft.“
Eine „eigenartige Kombo aus Gratis-Engagierten und älteren, elitären Freizeithumanisten“ (© M. Gelau) überbietet sich ja derzeit darin, Spott und intellektuelle Spitzfindigkeiten über Regierungskritiker wie Prof. Bhakdi auszugießen sowie überhaupt Jagd auf alle zu machen, die das Alternativlose in Frage stellen. Ihre Follower quittieren es vielfach mit satter Zufriedenheit und affektierten Smiley-GIFs. In der aktuellen Shitstorm-Atmosphäre, die von zahllosen Volksverpetzer-Klonen losgetreten wurde und in der jeder Sofa-Intellektuelle davon überzeugt ist, dass er mit linkem Bein und mit einem Schuss jedem Weltklasse-Tormann mindestens zwei Tore verpassen kann, greifen Argumente der Vernunft mittlerweile zumeist ins Leere. Die Vernunft (das „Gute und Gerne“ und obendrein Alternativlose) wurde ja bereits gepachtet. Der tagesschauguckende Spiegelbildbürger hat daher keinen Bedarf mehr an ihr. Er will seinerseits seine Art von „Vernunft“ an den Mann / die Frau / den Diversen bringen, mit der er nun seit Monaten in viertelstündlichem Nachrichten-Stakatto „informiert“ wurde. Und wie CJ Hopkins in einem mittlerweile vielgelesenen Essay „Invasion der Neuen Normalen“ gesagt hat: Diese Bürger meinen es ernst! Und werden nicht ruhen, bis die paranoid-technokratische „Neue Normalität“ etabliert ist und sie todsicher sind.
Inmitten dieser emotionalisierten und zynischen Atmosphäre ist es zweifellos uncool, wenn ich ausdrücke, dass ich vor einem integren Menschen wie Sucharit Bhakdi höchsten Respekt habe. Es steht hier ein Mensch vor uns, der sich entgegen allen Versuchen von Diffamierung und Spott konsequent der Wahrheit verpflichtet fühlt und der auch eine selten gewordene charakterliche Reife aufweist. Das macht auch jedes seiner Interviews zu einer Freude und einem persönlichen Gewinn, auch wenn Bhakdi die Erfolgschancen seines Einsatzes mit gebotenem Realismus einschätzt: Bereits in seinem Servus TV-Interview hat er bekundet, dass er angesichts der überbordenden Irrationalität, die Politik und Gesellschaft ebenso wie „die sogenannte Wissenschaft“ (Bhakdi) im Griff hält, eigentlich kaum noch Hoffnung sehe.
Was nicht bedeutet, dass man nicht bis zuletzt gegen die zur Wahrheit erklärte Lüge und Manipulation, die man selbst durchschaut hat, kämpfen sollte. In Wirklichkeit ist höchste Aktivität in diesem Kampf auch die einzige Versicherung, um in einer zutiefst krankhaften und fiebernden Atmosphäre, in der wir uns derzeit bewegen müssen, gesund zu bleiben. Wer diese Aktivität nicht aufbringt, oder sich gar der herrschenden Manipulation als aktiver Multiplikator hingibt, der ahnt noch nicht, für welche Krankheiten er damit die Disposition erschafft. Wer bisher gemeint hat, dass es egal sei, was man denkt und glaubt, der wird wohl bald eines Besseren belehrt werden.
Wenn man die Gehässigkeit, Selbstgerechtigkeit und den Zynismus betrachtet, die in den unzähligen Foren von Volksverpetzer/Gwup/Psiram & Co. ebenso wie in den großen Nachrichtenkolumnen täglich inflationär erzeugt werden, dann kann man ahnen, wohin der Zug fährt. In einer solchen bereits an Pogromstimmung gegenüber Andersdenkenden grenzenden Atmosphäre ist offener Diskurs kaum noch möglich und wird eine Gesellschaft jeden Zusammenhalt verlieren. Nicht nur die Vernunft, auch die Die Würde des Menschen wird mit Füßen getreten und poltert täglich einige weitere Stufen in den Keller hinab. Indes der „rülpsende Konsensmoloch“ (©W. Reiser) triumphiert.
Ich habe gestern versucht, in Worte zu fassen, was es ist, das uns auf diese Road to Hell in diese suizidale Selbstzerfleischung gebracht hat und als vorläufige Arbeitshypothese die „intellektuelle Eitelkeit“ als des Pudels Kern ausgemacht. Ich habe vergessen, dabei die Denkfaulheit als unabdingbare Ingredienz für die Dekadenz zu erwähnen. Viele Menschen wollen sich nicht mehr die Mühe antun, etwas selbständig durchzudenken, sondern wollen die gegenwärtigen Probleme stattdessen an „Experten“ abgeben. Vielleicht ist es aber auch gar nicht nur mehr Denk-Faulheit … vielleicht ist es bereits Denk-Unfähigkeit. Vielleicht ist der menschliche Intellekt gemäß dem gnadenlosen Gesetz des Kondrattjeff-Zyklus nach Überschreiten seiner Hochblüte nun wie alles im Leben in seine Dekadenzphase eingemündet – und führt in Zukunft jede Schlussfolgerung und Entscheidung, die rein auf dieser Art von intellektualistischer Denkweise beruht – freilich auf höchstem fachmännischen Niveau und „evidenzbasiert“ – zielsicher ins Falsche bzw. Groteske und ins Zerstörerische. Ich habe das mulmige Gefühl, als ob die Entscheidungen, die derzeit auf höchster Ebene von unseren „Volksvertretern“ getroffen werden, u.a. betr. mRNA-Impfung, digitaler Transformation, 5G etc. bereits aus dieser Art des dekadenten Denkens geschöpft werden – und daher unabsehbare Zerstörungen nach sich ziehen werden. Diese Zerstörungen werden umso nachhaltiger sein, als sie nicht disruptiv eintreten, sondern sich schleichend über die Menschheit legen.
Um es noch einmal zugespitzt zu formulieren: Die Schonfrist ist vorbei, auch für uns Blogger. Die Jahre, in den wir uns über diverse Dummheiten und Tollpatschigkeiten unserer Politiker amüsieren konnten, sind nun vorbei. Diese Dummheit beginnt nun zerstörerisch zu werden. Ebenso wie Nichtwissenwollen nun auch für den deutschen Fliesentischbesitzer beginnt, tödlich zu werden.
Doch die derzeitige Situation hat nicht den Zweck, dass wir verzweifeln sollen. In Wirklichkeit war nichts anderes zu erwarten als das, was nun in Erscheinung tritt. Wir leben eben in einer Welt der Polaritäten. Es gibt darin nicht nur Gesundheit und Leben, sondern – wie viele gerade mit schreckgeweiteten Augen feststellen müssen: auch Krankheit und Tod. Ebenso gibt es in dieser Welt nicht nur das Aufbauende, sondern auch das Destruktive. Und wie der Wärme die Kälte ist dem Schönen das Hässliche gegenübergestellt, der Freude der Schmerz und der Wahrheit die Lüge (ich weiß schon, dass es populäre Versuche gibt, das alles zu nivellieren und stattdessen zu behaupten, dass alles wurst ist, aber lassen wir diese neoliberal-technizistischen Weltbilder vorerst einmal beiseite).
Inmitten dieser Polaritäten wird es in den nächsten Jahren vor allem die Entscheidung zwischen Wahrheit und Heuchelei sein, vor die jeder Einzelne gestellt sein wird. Wir werden sehen, dass diese Entscheidung auch gleichbedeutend sein wird zwischen Konstruktivem und Destruktivem. Und wir werden ebenfalls sehen, dass uns ein hochgradig zugespitzter bzw. akademisch gebildeter Intellekt nicht im Geringsten davor schützen wird, hierbei die falsche Entscheidung zu treffen. Im Gegenteil: Nach den uns laut herrschender Lehre beigebrachten Kriterien (die lt. Frank Schirrmacher bloß die des „rationalen Egoisten“ sind) sind wir sogar geneigt, uns geradewegs vom „Falschen, Bösen und Hässlichen“ faszinieren zu lassen, während das „Wahre, Gute und Schöne“ kaum Sex-Appeal besitzt, sondern aktive Mühe erfordert, um sie zu erarbeiten. In die gegenteilige Option braucht man sich hingegen nur hineinfallen lassen bzw. auf einen Knopf drücken und schon hat man es … – bzw. hat es einen.
Doch kehren wir den Blick wieder ab von Abgründen und dekadentem Intellekt. Umso wohltuender ist jedenfalls, wenn man Personen wie Prof. Bhakdi zuhören darf, die noch im Vollbesitz ihrer gesunden und empathischen Denkfähigkeit sind – und von dieser Fähigkeit auch ausgiebig Gebrauch machen. In einem anderen Interview, das Bhakdi letzte Woche gegeben hat (siehe BittelTV) erwähnt er im Übrigen auch den Lösungsweg, der uns aus der Schlinge des zerstörerisch werdenden Intellekts herausführt: „Wissen muss zu Weisheit verwandelt werden.“ Ich weiß, das klingt für die technizistisch dressierte Followerschaft von Volksverpetzer, Mailab &Co. wiederum lächerlich. Doch lassen wir sie ruhig noch eine Runde lachen. Wie schon gesagt: Jeder darf heute frei entscheiden. In seiner Wahl ist der Mensch vollkommen frei. Nur in den Folgewirkungen seiner Wahl dann eben ganz und gar nicht mehr.
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