Selten finde ich mal was authentisch Menschliches in den Nachrichten. Heute war es so weit, bei Spon:
Weniger trinken. Aber wer soll denn zehn Grad Minus und einen bleigrauen Himmel ohne einen gepflegten Rausch ertragen? Vorsätze. Die Hoffnung der Müden, der Zahnräder des Kapitalismus, der Basis des Staates, dass sich das Schicksal mit einem Mantra der Besserung zum Guten wenden würde. Vorsätze, der Pakt mit dem Universum. Ich werde abnehmen, mich disziplinieren, ich werde den Iron Man mitmachen, und dann musst du, Schicksal, mich belohnen. Mit einem Leben das sich nicht anfühlt wie Beutelsuppe schmeckt. Ein kleiner Deal, komm schon!
Landauf landab begegnet mir seit Jahrzehnten diese Typus Mensch, der in Deutschland die Mehrheit bildet … die schweigende Mehrheit, wenn man so will. Ihnen geht es gut, sie haben viel Geld, sie haben alles richtig gemacht. Zweierbeziehung mit doppeltem Einkommen, keine Kinder, leistungsorientiert, das ganze Leben bis in den letzten Winkel so durchorganisiert, das man allen Ansprüchen der Werbebranche und der Medien an ein vorzeigbares Leben genügt: Sport, Urlaub, Geräteausstattung – alles vom Feinsten (oder drei Klassen drunter, wenn die Jobs zu wenig abwerfen – da zählt dann „dabei sein ist alles!“).
Aber wenn man dann fertig ist mit allem, merkt man schnell: man ist betrogen worden. Es ist kein Leben in der modernen Arbeitsameisenkultur. Der einzige Ort, wo noch Leben ist, ist in jenem Elektrofenster, durch das wir tagtäglich neue Botschaften bekommen: was wir dieses Jahr essen sollen, welche Autos wir kaufen müssen, wie wir uns kleiden müssen und welche Trendfarbe in unsere Wohnung muß.
Um uns herum … wird die Welt immer dunkler. Verbrecher kommen an die Macht. Meistens Verbrecher in Maßanzügen, der Typus mit Augenklappe und Hakenhand ist gerade nicht modern.
Damit wir aber beim Verzehr unserer dioxinverseuchten Fertignahrung nicht auf die Idee kommen, den Tunesier zu machen, sorgt der Staat dafür, das wir nur noch die „guten“ Informationen bekommen, die wirklich bedrohlichen … muß man selber suchen. Leider findet man sie auch, zum Beispiel im Handelsblatt:
Die Mafia sitzt in Köln, Hamburg, Mannheim und Nürnberg. Die neapolitanische Camorra in Berlin, Düsseldorf, Dresden, Frankfurt und München. Die Hochburg der kalabresischen ’Ndrangheta ist in Duisburg, dort, wo im August 2007 vor dem Restaurant „Da Bruno“ sechs Italiener bei einer Fehde zweier Clans aus San Luca erschossen wurden.
Der Jahresumsatz der drei Mafia-Organisationen liegt zwischen 120 und 180 Milliarden Euro, und der Gewinn wird auf 70 bis 80 Milliarden Euro geschätzt.
„Die Mafia hat genug Kapital und investiert in angeschlagene Finanzsektoren. Auf diese Weise wird die Wirtschaft immer mehr verschmutzt.“
Hört sich sehr bedrohlich an, oder? Wir wissen es auch schon länger und die Gefahr für die Zivilgesellschaft (also für uns alle, ob reich oder arm, gesund oder krank, dick oder dünn, alt oder jung) ist immens. Was geschieht mit dem Buch, das detalliert den Einfluß in Deutschland beschreibt? Wir vom Markt genommen.
„Ich habe ein Buch geschrieben gegen die Scheinheiligkeit derer, die die Mafia nicht sehen, bis die eigenen Straßen voller Blut sind, wie es in Duisburg geschehen ist“, sagt Forgione. „Dass mein Buch eingezogen worden ist, bestätigt, dass in Deutschland die Scheinheiligkeit siegt“, ergänzt er verbittert.
Der Autor ist Soziologe und Hochschullehrer, Vorsitzender der Antimafia-Kommission des italienischen Abgeordnetenhauses während der Regierung Prodi, sein Buch es eine reine seriöse Faktensammlung … aber bei den Renditen und den Kapitalmengen, die die Mafia als Großkonzern mitlerweile bewegt, ist ihre Macht so groß, das sie bestimmen kann was Fakten sind oder auch nicht. Es gibt sicher genug Leute, die für einen Umschlag voller Bargeld ein Auge zudrücken – immerhin sind wir eine Leistungsgesellschaft geworden, die sich für guten Lohn so ziemlich alles leistet.
Vor dem Hintergrund erklärt sich der unglaubliche Erfolg der wahrhaft spätrömischen Dekadenz, der Triumphzug der medialen Unmenschlichkeit und die Etablierung der neuen Gladiatorenarena. Wo früher Christen von Löwen gefressen wurden, werden heute „B-Promis“ (an und für sich schon ein in mehrdeutiger Hinsicht faschistoider Terminus) der Öffentlichkeit vorgeführt: das „Dschungelcamp“ feiert unaufhaltsam seinen Triumph. Die „Welt“ klärt uns über die Motivation der Teilnehmer detalliert auf:
Ruhm ist vergänglich, und das ist für viele Prominente, deren Zeit im Dauerrampenlicht vorbei ist, eine bittere Erfahrung. Die Stille nach dem Applaus schmerzt, und die Ebbe auf dem Bankkonto tut ein Übriges, so dass manche Ex-Stars bereit sind, sich buchstäblich zum Affen zu machen, um endlich wieder zurück vor die Kameras zu dürfen.
Alles eitle Versager auf der Flucht vor der ARGE – das habe ich hoffentlich so richtig übersetzt? Thomas Gottschalk hat uns ja schon gezeigt, das der öffentlich-rechtliche Rundfunk schon bereit ist, für die Quote über Leichen zu gehen, RTL peilt vorher noch die gezielte Erniedrigung und Demütigung an, die umso schlimmer wirkt, weil die Menschen es freiwillig tun:
Kotzfruchtsaft mit Mehlwürmern, lebendige Flusskrebse, Wasserspinnen, Stabheuschrecken und Rhinozeros-Kakerlaken …. das ganze erinnert an das „Ekeltraining“ satanischer Sekten.
Wie lange wird es wohl noch dauern, bis RTL Arbeitslose durch Kampfhunde zerfleischen läßt oder Migranten den Krokodilen zum Fraß vorwirft? Zehn Jahre? Oder nur zwei?
Wie schön wäre es, wenn wir eine Gemeinschaft hätten, die dafür sorgt, das niemand es nötig hat, sich derart zu verkaufen, das niemand es nötig hat, das Leben als dröge Tütensuppe zu empfinden, das niemand es nötig hat, sich der Mafia anzudienen. Das ist ein ganz einfaches kulturelles Argument für ein bedingungsloses Grundeinkommen: es rettet die Zivilisation vor den Entartungen der spätrömischen Dekadenz, die ganz sicher nicht ihren Ursprung in Haushalten von Langzeitarbeitslosen hat.
Dabei … haben wir die Gemeinschaft eigentlich schon. Wir leben mitten drin … und lassen sie gerade sterben, lassen zu, das sie von einer degenerierten Raubwirtschaft ausgeblutet wird. Darum wird es Zeit, den Spieß umzudrehen: Deutschland ist unser Land, nicht das Land von Porsche, Siemens, Roland Berger oder den Parteien.
Wenn die also weiterhin hier ihre Geschäfte machen wollen, dann … brauchen wir ein bedingungsloses Grundeinkommen. Das ist die Minimalforderung, die man stellen muß – und unsere Wirtschaft sollte doch wohl in der Lage sein, so etwas hinzukriegen, oder? Immerhin kann man ja ganz gut Millionär in diesem Land werden, wo sogar die Linken Porsche fahren. So eine stabile zuverlässige Planungsgrundlage für Jedermann ist Grundlage eines jeden Geschäftes, der „Cash Flow“ muß gesichert sein … weshalb ich davon ausgehe, das die Wirtschaft an sich Verständnis dafür hat. Immerhin brauchen die ja auch Geld zum Leben.
Allerdings wird man mit Gegenwind von Seiten der Arenabetreiber rechnen müssen … und mit Gegenwind all jener asozialen Elemente, die von der momentanen Mangel- und Notsituation enorm profitieren, weil sie Menschen total billig einkaufen können. Aber besser Gegenwind … als Madenfrass. Und den haben die für uns alle vorgesehen … denn wenn die „B-Promis“ das schon können, dann kann man unseren Arbeitslosen auch zumuten, der UN-Empfehlung von gesteigertem Insektenverzehr zu folgen, hier aus news.orf:
Geht es nach dem für die UNO-Welternährungsorganisation (FAO) tätigen Experten Arnold van Huis, sollen künftig auch in den westlichen Industrienationen Insekten verstärkt auf den Speiseplänen zu finden sein. Angesichts der sprunghaft steigenden Weltbevölkerung stehe laut einer aktuellen Studie demnach außer Frage, dass es künftig ressourcenfreundlichere Alternativen zu Fleisch geben müsse.
Ob das Dschungelcamp auch Fördergelder der FAO bekommt?